Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Neschwitz

Textdaten
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Autor: Otto Moser
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Titel: Neschwitz
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aus: Markgrafenthum Oberlausitz, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 3, Seite 9–12
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
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Neschwitz
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Neschwitz
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Neschwitz.


Die Gründung von Neschwitz (wendisch Nesstaczidto) in einer fruchtbaren Ebene am Schwarzwasser gelegen, fällt, wie die der meisten Ortschaften unserer Oberlausitz, in jene ferne Vorzeit, wo das Wendenvolk noch im vollen Besitze seiner Macht und Unabhängigkeit über weite Länderstrecken herrschte und seinen Göttern Flynz und Radegast in dunklen Hainen und auf hohen Bergesgipfeln geheimnissvolle Opfer brachte, bis endlich das heilige Kreuz des Christenthums über den zerstörten Altären auf blutgenässtem Boden sich erhob, und der überwundene Slave zum Hörigen der deutschen Sieger herabsank. Ueber die Bedeutung des Namens Neschwitz herrschen verschiedene Meinungen, indem Manche denselben von dem wendischen Worte neswadzicz, welches so viel als „sich nicht veruneinigen“ bedeutet, ableiten, so dass Neschwitz so viel wie Friedheim heissen würde; Andere dagegen behaupten, die Benennung komme von nesswadzicz – nicht Vesperbrod essen – her, und stützen sich dabei auf den Umstand, dass bis auf den heutigen Tag in Neschwitz die Feierabendglocke eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang geläutet werde, weil einst vor vielen Jahrhunderten ein Edelmann auf dem Neschwitzer Rittersitze mit seinen Leibeigenen sich dahin verglichen habe, ihnen täglich eine halbe Stunde der Frohnarbeitszeit zu erlassen, wenn sie ihren Ansprüchen auf das ihnen zustehende Vesperbrot entsagen wollten. Ueber jener fernen Vorzeit des Ortes Neschwitz liegt ein undurchdringlicher Schleier, erst mit dem dreizehnten Jahrhundert erhellt sich das Dunkel und erlaubt uns einige Blicke in Neschwitz’s Vergangenheit.

Historisch erscheint Neschwitz zuerst im Jahre 1268 in der Theilungsurkunde der Oberlausitz, datirt Plawe die Philippi Jacobi, wo es unter dem Namen Nyzwacz zu dem Budissiner Kreise geschlagen wurde. Zu dieser Zeit gehörte der Ort bereits den Rittern von Schreibersdorf, deren Familie es bis zum Jahre 1572 besass. Lucas von Schreibersdorf wird 1286 als Zeuge erwähnt, und 1309 bis 1334 kommt verschiedene Male urkundlich ein Leuther oder Lothar von Schreibersdorf vor, dem Hennig und Albrecht im Besitze des Gutes folgten. Caspar von Schreibersdorf entlehnte 1416 von Hans von Biberstein 200 Schock böhmische Groschen, wofür er dem Gläubiger sein Haus zu Neschwitz mit Zubehör verpfändete. Albrecht von Schreibersdorf, der erbittertste Feind der Hussiten, besass Neschwitz bereits vor dem Jahre 1463, trat 1467 am Tage Allerheiligen zu Görlitz einem Bündnisse vieler oberlausitzischen Städte und Edelleute gegen den hussitischen König Podjebrad bei, und zeichnete sich in dem darauf folgenden Kampfe nicht wenig aus, so dass Podjebrad, oder König Girsick, wie er gewöhnlich genannt wurde, den Ritter Albrecht zu seinen gefährlichsten Gegnern zählte. Dieser Albrecht von Schreibersdorf muss noch vor dem Jahre 1481 gestorben sein, denn zu dieser Zeit wird urkundlich Herr Martin von Maxen als Besitzer von Neschwitz genannt, dem jedoch das Gut schon 1492 nicht mehr gehörte, da es in diesem Jahre bereits wieder die Schreibersdorfe besassen, und zwar drei Brüder, mit Namen Hans, Caspar und Dietrich. Der letzte Schreibersdorf auf Neschwitz war Dietrich, der 1572 das Gut an den kaiserlichen Rath Hans Haubold von Schleinitz, Herrn auf Tollenstein, Rumburg, Nischeborn und Hainspach verkaufte. Dieser Haubold von Schleinitz war seit dem Jahre 1572 Landvoigt der Oberlausitz, und verwaltete dieses Amt getreulich zweiundzwanzig Jahre lang unter den Kaisern Maximilian II. und Rudolph II.; aber trotz aller Redlichkeit und völligen Tadellosigkeit hinsichtlich seiner Amtsführung, gelang es seinen Feinden dennoch, den edlen Mann bei dem schwachen, ängstlichen Kaiser Rudolph zu verdächtigen, so dass dieser ihn absetzte. Am 6. Juli 1594 hielt Haubold von Schleinitz vor den zusammenberufenen Ständen seine Abschiedsrede, und schied tief ergriffen aus einer Stellung, in der er sich die Liebe und Achtung des ganzen Kreises erworben hatte. Der schwer gekränkte Mann überlebte die ihm widerfahrene Ungerechtigkeit nicht lange, der Gram darüber brach ihm das Herz; er starb schon am 1. Januar 1595 auf dem Schlosse zu Neschwitz.

Nach des Landvoigts von Schleinitz Tode kam Neschwitz an Friedrich von Pannewitz, von dem es jedoch schon zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts durch Kauf an die Familie von Ponickau überging, von welcher Hans von Ponickau als erster Besitzer genannt wird. Ihm folgte Georg Rudolph von Ponickau, der sich als ein sehr frommer Herr viele Verdienste um Kirche und Schule erwarb. Durch eine Schenkungsurkunde, datirt vom 12. November 1604, überliess er auf ewige Zeiten dem Pfarrlehn zu Neschwitz einen Hüfner mit allen Frohnpflichten und sieben Thalern trocknen Zinsen; auch entwarf er im Jahre 1608 eine neue sehr strenge Schulordnung mit dem Titel: „Instruction, wie es mit den Knaben so in der Schule allhier zu Neschwitz instituiret werden und dem Organisten commandiret sind, hinfüro gehalten werden soll.“ Ebenso stiftete er auch am 8. April 1615 ein Legat, wodurch der Besitzer einer in Neschwitzer Flur gelegenen Wiese alljährlich achtzehn Groschen Erbpacht an die Schulkasse zu zahlen hat, wofür die Kinder am Charfreitage nach abgehaltenem Examen zur Aufmunterung mit Fastenbrezeln traktirt werden sollten. Das Vermächtniss besteht noch jetzt, da aber die jugendliche Bevölkerung zu Neschwitz zur Zeit zahlreicher ist, als vor dritthalbhundert Jahren, so musste die Kirchenkasse sich zur Zahlung eines Zuschusses verstehen, wofür die Wiese gegen den bestimmten Erbpacht an die [10] jedesmaligen Kirchenväter des Orts übergegangen ist. – Georg Rudolph von Ponickau’s Plan, Neschwitz zu einem Marktflecken zu erheben, weshalb er auch schon einen freien Platz vor dem jetzigen Kaufmannshause anlegen liess, misslang, indem er die landesherrliche Genehmigung nicht erhalten konnte. – Später erkaufte Neschwitz Conrad von Theler; 1674 gehörte es Frau Annen von Theler, gebornen von Güntherode, die zu Gunsten des Pfarrherrn, der Armen und der Schule ein Legat stiftete; 1676 George Bernhardt und 1689 Conrad Heinrich von Theler, von welchem Letztern es durch Kauf in Besitz des churfürstlich sächsischen Obersten von Schan-Rumohr überging. Dieser besass Neschwitz bis zum Jahre 1722, wo es der Herzog Friedrich Ludwig von Würtemberg, Graf von Mömpelgard, Herr zu Heidenheimb und kaiserlicher Generalfeldmarschall-Lieutenant erstand.

Zu dieser Zeit, wo nach dem Vorbilde des üppigen französischen Hofes die Fürsten und der hohe Adel fast aller europäischen Staaten einer ungemeinen Prunksucht fröhnten, entstanden durch den neuen Herrn in Neschwitz die prachtvollsten und kostspieligsten Anlagen. Das alte, mit Wallgräben umgebene Schloss, welches ein Ritter von Schreibersdorf in der Mitte des funfzehnten Jahrhunderts auf der Stelle der abgebrochenen ältesten Burg Neschwitz, einem engen Gebäude, errichtete, und in dem sich eine Kapelle befand, welcher vom Jahre 1454 bis zur Reformation besondere Schlosskapläne vorstanden, reichte mit seinen wenigen Räumlichkeiten für den prachtliebenden Herzog und seine zahlreichen Umgebungen nicht aus; deshalb liess er das alte Gebäu abbrechen und baute mit Ueberwindung unsäglicher Schwierigkeiten auf einem Hügel, der wegen des sumpfigen Grundes von Kies und Erde aufgeworfen werden musste, das jetzt sogenannte


Alte Palais,


welches er mit Kanälen und einem Wallgraben umgab, jedoch weniger als Wohnhaus, sondern vielmehr als Jagdschloss für sich und seinen Hofstaat während der Dauer der Jagdzeit benutzen wollte. Zugleich mit dem Palais entstanden die vier noch jetzt im Garten befindlichen symetrischen und massiven Pavillons; die herrlichsten neuen Anlagen zierten den Garten – der natürlich nach französischem Geschmacke angelegt wurde – und werthvolle Statuen, nebst einer auserlesenen Orangerie, trugen nicht wenig zur Verschönerung des ländlichen Fürstensitzes bei. Die Vergrösserung des Gartens machte es nothwendig, die alten Wirthschaftsgebäude abzubrechen und weiter westlich einen neuen Oeconomiehof zu erbauen, in dem sich zugleich ein schöner Marstall befindet. Von zwei, jetzt längst verschwundenen, für Roth- und Damwild eingerichteten Thiergärten ist blos ein Jagdhäuschen übrig geblieben, das in der Mitte des einen stand, und sehr vortheilhaft in die Augen fällt.

Der prachtliebende Herzog Friedrich Ludwig von Würtemberg starb um das Jahr 1733, und seine Wittwe, Ursula Katharine, geborne Fürstin von Teschen und Khotiborsch, behielt die Güter ihres Gemahls noch bis 1737, wo Neschwitz durch Kauf Eigenthum des Grafen Alexander Joseph von Sulkowsky, königlich Polnischen und churfürstlich Sächsischen Kabinetsministers und Generals der Infanterie wurde, der als eifriger Katholik seine Glaubensgenossen ausserordentlich begünstigte, so dass sie unter seinem Schutze sich zahlreich in der Umgegend ansiedelten. Während der Sulkowsky’schen Herrschaft trafen Neschwitz schwere Drangsale durch die Stürme des siebenjährigen Krieges: Misshandlungen der Einwohner, Brandschatzungen und Requisitionen, sowie die mehrmalige nahe Aufstellung preussischer und österreichischer Lager brachten die Bevölkerung von Neschwitz fast an den Bettelstab.

Im Jahre 1764 gelangte Neschwitz, nebst Zubehör, durch Kauf an den kaiserlich Oesterreichischen Rath und nachmaligen Sächsischen Geheimrath Freiherrn Wolfgang von Riesch, der es zu seinem Sommeraufenthalte wählte und die bereits ungemein schönen Gartenanlagen noch vielfach vergrösserte und verbesserte. Ein Herr von grossem Reichthum, Prachtliebe und Geschmack, schuf Freiherr Wolfgang von Riesch neue Fernsichten, liess Sümpfe entwässern, den Boden erhöhen, fruchtbare Erde herbeiführen und Kanäle ziehen. Durch ihn entstand das


Neue Palais,

nebst dem Orangeriehause, und dieser herrliche Bau, ein Werk des Architekten Krubsacius, Erbauers des Dresdner Landhauses, war nicht nur eine neue Zierde des Ortes, sondern er wurde auch für die Bewohner von Neschwitz und den umliegenden Ortschaften dadurch höchst wohlthätig, dass seine Herstellung ihnen bei der damals herrschenden schrecklichen Theuerung und Armuth eine reiche Erwerbsquelle eröffnete. Das neue Schloss enthält im Erdgeschoss das wunderschöne Orangeriehaus von 170 Ellen Länge, 19 Ellen Tiefe und 16 Ellen Höhe, in der Mitte über dem Orangeriehause aber befindet sich das Corps de Logis des Schlosses mit einem prachtvollen Balkon. Die Orangerie besteht aus den verschiedenartigsten Sorten und enthält 400 Stämme, darunter Exemplare von seltener Stärke und Schönheit, namentlich zeichnen sich vier Prachtstämme aus, welche als ein Geschenk des Fürsten Esterhazy aus Ungarn nach Neschwitz gelangten. Da die früher im Garten befindlichen drei Gewächshäuser eingegangen sind, so werden in der kälteren Jahreszeit mit der Orangerie auch die übrigen perennirenden und exotischen Gewächse im Orangeriehause aufbewahrt.

Dem Freiherrn Wolfgang von Riesch folgte im Jahre 1776 sein ältester Sohn Isaak Wolfgang, Freiherr, und seit 1792 Graf von Riesch, churfürstlich Sächsischer Geheimrath und königlich Polnischer Kammerherr, der während eines Zeitraums von beinahe vierzig Jahren die väterlichen Güter mit Liebe und Sachkenntniss pflegte, von seinen Reisen in Italien, Frankreich und England mannigfaltige Kunstschätze zurückbrachte und in Neschwitz eine Gallerie von mehreren hundert zum Theil sehr werthvollen Gemälden, eine bedeutende Bibliothek, eine Antiken-, Münz- und Mineraliensammlung, sowie ein Conchylienkabinet gründete. Um zugleich den Grundbesitz seines Hauses für die Dauer zu consolidiren, erhob er denselben mittelst Stiftungsurkunde vom 5. März 1800, confirmirt unter dem 31. März 1801, zum Majorat und Familien-Fideicommiss. Sein wohlwollender und menschenfreundlicher Sinn verband mit dieser Fundation die Begründung einer Cassa pia, welcher jährlich aus den Revenuen der Majoratsgüter eine Summe von ungefähr 450 Thalern zufliesst, die zum Besten der Armen und Nothleidenden, z. B. auch zur [11] Unterhaltung eines Arztes für unbemittelte Kranke, in diesen Ortschaften verwendet wird. Das Andenken des edlen, im Jahre 1810 verstorbenen frommen Stifters wird fortwährend in Segen gehalten. – Auch Graf Isaak Wolfgang brachte der Verschönerung des Gartens ausserordentliche Opfer, und verwendete auf seine Unterhaltung die grösste Sorgfalt, namentlich interessirte er sich sehr für die Anpflanzung neuer Baumgattungen. An dem Todestage des edlen Mannes (25. März) und dem seiner Gemahlin (19. März) liegt dem Ortspfarrer zu Neschwitz die Verpflichtung ob, im gräflichen Erbbegräbniss eine Gedächtnissrede zu halten.

Die Fideicommissgüter übernahm nach Graf Isaak Wolfgangs Tode sein einziger Bruder, der kaiserlich Oesterreichische General der Cavallerie Johann Sigismund Graf von Riesch, des militairischen Maria-Theresia-Ordens Ritter und Inhaber des sechsten Dragonerregiments. Auch er unterhielt die von seinen Vorfahren geschaffenen Garten- und Parkanlagen auf das Beste, und dieselben genossen damals eines so ausgebreiteten Rufes, dass aus der Nähe und Ferne zahlreiche Besucher dadurch herbeigeführt wurden. – In die Zeit der Regierung des Grafen Johann Sigismund fiel die unglückliche Periode des Krieges von 1813, wo auch Neschwitz empfindlich litt, namentlich am 9. Mai während des Kampfes bei Königswarthe zwischen York und Barklay de Tolly auf der einen, und Lauriston auf der andern Seite.

Die beiden nächstfolgenden Besitzer Franz Sigismund Graf von Riesch, k. k. Rittmeister von der Armee und königlich Bairischer Kammerherr, gestorben 1833 zu Dresden, und dessen Sohn, Graf Franz Theodor, bewohnten die Familiengüter nur wenig, und Letzterer, bis zum Jahre 1840 noch minorenn, fand sich bald nach erlangter Mündigkeit bewogen, dieselben an den nächstberechtigten Successor und gegenwärtigen Majoratsherrn Johann Wolfgang Sigismund Grafen von Riesch, Sohn zweiter Ehe des im Jahre 1821 mit Tode abgegangenen k. k. Generals der Cavallerie, Grafen von Riesch, abzutreten, welcher unter dem 22. Februar 1843 damit beliehen wurde. Derselbe besitzt zugleich die Allodialgüter Schmochtitz in der königlich Sächsischen, sowie Hermsdorf an der Spree in der königlich Preussischen Oberlausitz, und gehört seit dem Jahre 1852 der ersten Ständekammer des Königreichs Sachsen als Mitglied an.

Der Complex der Gräflich Rieschischen Fideicommiss-Besitzungen umfasst unter königlich Sächsischer Landeshoheit ein Areal von 3408 Ackern mit 34525 Steuereinheiten, und vertheilen sich hiervon 1100 Acker auf die Felder, 300 Acker auf Wiesen, 200 Acker auf Teiche und 1800 Acker auf Waldungen, zu welchen Letztern noch ausserdem auf Preussischem Gebiete 1500 Morgen Forstungen gehören. Von den Allodialgütern enthält das Rittergut Schmochtitz 200 Acker 30 Quadratruthen mit 3832,40 Steuereinheiten, sowie das Rittergut Hermsdorf einen Flächengehalt von 2724 Morgen. – Zu dem Rittergute Neschwitz gehören als Pertinenzorte Neudorf und Lomske mit herrschaftlichen Vorwerken, sowie Lissahora und Siebitz; den Complex der Majoratsbesitzungen bilden aber ausserdem noch die Rittergüter Holscha mit Holsch-Dubrau, Uebigau mit Krinitz, Zescha, Milkwitz mit Gross- und Kleinbrösern und Niederuhna.

Die kirchlichen Angelegenheiten betreffend, ist Neschwitz eine der volkreichsten Parochien Sachsens, welche vierunddreissig Dörfer umfasst, und zwei Geistliche, einen Oberpfarrer und einen Diakonus, erfordert. Die Kirche steht in der Mitte des Dorfes, umgeben von den Wohnungen der Prediger und den Schulgebäuden. Wann die Kirche erbaut wurde, ist nicht bekannt, doch ist es gewiss, dass ein Theil derselben schon zu Anfang des vierzehnten Jahrhunderts als Kapelle vorhanden war, in welcher der Pfarrer zu Göda den Gottesdienst verrichtete. In der zweiten Hälfte des genannten Jahrhunderts scheint die Kirche bereits Pfarrkirche gewesen zu sein, da zu dieser Zeit mehrere katholische Pfarrer von Neschwitz vorkommen, auch mehrere Altäre, wie der des heiligen Leichnams, der Mutter Gottes und des heiligen Kreuzes sich in ihr befanden, welche ihre besonderen Altaristen hatten. Interessant ist der alte, aus Sandstein errichtete, und im Jahre 1799 restaurirte Altar, in dem eine Nische mit ausgehauener Abendmahlsscene sich befindet, deren Figuren nicht ohne Kunst gearbeitet sind und höchst wahrscheinlich von derselben Hand herrühren, welche den massiven, aus einem Granitblock gemeisselten Taufstein schuf. Der Thurm wurde im Jahre 1693 wahrscheinlich zugleich mit dem westlichen Theile der Kirche von Grund aus neu erbaut, mit Blech gedeckt und grün angestrichen. Er trägt ein sehr melodisches, aus drei Glocken bestehendes Geläute.

Vor der Reformation hatte der Pfarrer zu Göda das Recht, die Plebane für Neschwitz und Gaussig zu ernennen, welche dem Pfarrherrn gehorsam zu sein, und ihm jährlich zwanzig böhmische Groschen zu entrichten verpflichtet waren. Beim Beginn der Reformation verwaltete das Pfarramt zu Göda Johann Temmler, der sich mit allem Eifer der neuen Lehre widersetzte, und, wie es scheint, nicht ohne Erfolg, denn noch 1559 gab es in Göda einen katholischen Pfarrherrn, Peter Pelk, welchen Johann Leisentritt, Decan zu Budissin, des Gehorsams gegen den nach Temmlers Entweichung von Göda neugewählten Pfarrer, der zur neuen Lehre übergetreten war, feierlich entband. Auf jeden Fall war Pelk der letzte katholische Geistliche, dem Joachim Beltin als erster lutherischer Pastor folgte. Johann Temmler, der sich nach Crostwitz zurückgezogen hatte, gab sich noch immer die grösste Mühe, der Reformation entgegen zu wirken, und schickte sogar, als Beltin bereits im Amte war, Kapläne nach Neschwitz, um dort nach katholischem Ritus Gottesdienst abzuhalten. Der letzte dieser Kapläne scheint Michael Caswigk gewesen zu sein, der in einer noch vorhandenen Urkunde vom Jahre 1576, Altarist des heiligen Wahrleichnams der Pfarrkirche zu Neschwitz genannt wird. Der letzte Altarist und Kaplan in der Kapelle zu Unserer lieben Frau auf dem alten Schlosse zu Neschwitz hiess Michael Cossmann, der sein Amt im Jahre 1515 antrat, woraus die Wahrscheinlichkeit hervorgeht, dass die damaligen Herren dieses Edelsitzes schon sehr zeitig Luthers Lehre huldigten, obgleich die Verhältnisse jener Zeit es ihnen unmöglich machten, die Reformation auch auf ihren Besitzungen einzuführen.

Eine Eigenthümlichkeit der Neschwitzer Parochie ist es, dass in derselben mehr als irgendwo Protestanten und Katholiken untermengt leben, und die Anzahl der Letztern in einigen Ortschaften sogar die überwiegende ist. Die Parochie umfasst gegenwärtig vierunddreissig Dörfer, nämlich Neschwitz (Nesstaczidto[WS 1]), Neudorf (Nowa Wess), Lomsske (Lomssk), Lissehore (Lischa-Hora), Holscha (Holeschow), Holsch-Dubrau (Holeschowska Dubranka), Uebigau (Rohow[WS 2]), Krinitz (Krojuza[WS 3]), Quoos (Kassow), Wietrau (Wjetrow), Puschwitz [12] (Buschizy), Neupuschwitz (Nowe Buschizy), Guhra (Hora), Lausske (Lussz), Neulausske (Nowa Lussz), Jessnitz (Jassonza), Neujessnitz (Nowa Jassonza), Doberschitz (Dobroschitzy), Kasslau (Kosslow), Eytrich (Jitk), Niesendorf (Niza Wess), Zescha (Scheschow), Kommerau (Kommerow), Luga (Luh), Neubuga (Nowy Luh), Milkwitz (Mitkezy)[WS 4], Grossbrösern (Wulki Pschjesdrjen), Kleinbrösern (Maly Pschjesdrjen), Niederruhne[WS 5] (Delny Hunjow), Dreikretscham (Hasslow), Weidlitz (Wutowczizy), Pannewitz (Bahnezy), Loga (Lahow) und Saritsch. Die Seelenzahl in allen diesen Ortschaften zusammen beträgt ungefähr 3800, die theils wendischer, theils deutscher Abkunft sind – doch bilden die Deutschen bei Weitem die Mehrzahl – weshalb an jedem Sonn- und Festtage der Gottesdienst in beiden Sprachen stattfindet. Die hauptsächlichste Beschäftigung der Bevölkerung besteht in Acker- und Feldbau, doch fehlt es, namentlich in Neschwitz, auch nicht an den nöthigen Handwerkern. Sämmtliche evangelische Schuljugend der Parochie beläuft sich auf etwa 600 Köpfe.

Otto Moser, Redact.     



Anmerkungen (Wikisource)

  1. ł in Njeswačidło bzw. "Njesłačidło" wurde hier fälschlich als t wiedergegeben
  2. B in Bohow (Wbohow) wurde hier fälschlich als R wiedergegeben
  3. n in Krojnca (Króńca) wurde hier fälschlich als u wiedergegeben
  4. ł in Miłkecy wurde hier fälschlich als t statt als l wiedergegeben
  5. Niederuhna (Delni Wunjow), vgl. auch den Eintrag im Digitalen Historischen Ortsverzeichnis von Sachsen