Textdaten
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Titel: Reiseerinnerungen/I. Bamberg
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aus: Die Gartenlaube, Heft 33, S. 473-474
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1858
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Reiseerinnerungen.[1]
1. Bamberg.

Der Michelsberg und das Bürgerhospital in Bamberg.

Wenn der schaulustige Reisende seinen Fuß durch die deutschen Gauen setzt, so prägen sich ihm vor allen solche Punkte ein, die ihm Auge und Herz besonders befriedigten und große geschichtliche Erinnerungen in ihm wach riefen. Darum sei es mir vergönnt, meine flüchtigen Reisebilder mit dem herrlichen Bamberg und seinen Umgebungen zu beginnen. Ist dieses doch eine der reizendsten Stellen in dem schönen, malerischen Garten, der den Main und die Regnitz umsäumt! Schon von Weitem gewährte mir Bamberg, die uralte, geschichtlich berühmte Bischofsstadt, einen zugleich majestätischen und deutsch gemüthlichen Anblick. Hoch über ihr emporragend winkte der Michelsberg mit seiner prächtigen ehemaligen Abtei, welche gegenwärtig in ein Bürgerhospital und eine Leihanstalt verwandelt ist, sowie seine Altenburg und aus der Mitte der Stadt wie ein ehrwürdiger Patriarch sein hehrer Dom einen ergreifenden Willkommengruß entgegen. Aber das Gefühl freudigen Entzückens und der Bewunderung ergriff mich, als ich die Staffeln des Michelsberges erstiegen hatte und in der Nähe der einzig schönen Abtei meine Blicke weit über die Stadt und ihre in jeder Beziehung reizende, üppige Umgebung schweifen ließ. Hier, in den schattig grünen Lindenalleen des ehemaligen Klostergartens, vor mir im Thal die ewig merkwürdigen Gebäude der Stadt und weiterhin die unermeßlichen Reichthümer einer gottgesegneten Flur, heimelte es mich an, als befände ich mich am hochklopfenden Herzen des deutschen Vaterlandes; wahrlich, ein Genuß, der den Touristen für lange Strapazen köstlich belohnt!

Bamberg, vormals die Residenz eines reichsfreien Hochstifts, ist eine der ältesten Städte Deutschlands und zählt gegenwärtig noch etwa 20,000 Einwohner. Sie ist im Allgemeinen in gutem Style erbaut und hat mit wenigen Ausnahmen lauter schöne, breite Straßen. Seinen Dom baute Kaiser Heinrich II. in reinem byzantinischem Style. Er enthält das Grabmal dieses Kaisers und seiner Gemahlin, des Papstes Clemens II. und vieler Bischöfe, welche einst hier in voller geistlicher Herrlichkeit den Krummstab schwangen. Die alte Residenz der Bischöfe, ein verwitterter und geschmackloser Palast, ist durch die im Jahre 1702 vom Kurfürsten und Fürstbischof Lothar von Schönborn auf demselben Platze aufgeführte neuere Residenz ganz in Schatten gestellt worden. Diese neuere Residenz, 1803 sammt allen übrigen Klostergütern säcularisirt, ist unter Anderem dadurch merkwürdig, daß der französische Marschall Berthier sich am 1. Juni 1815 aus Verzweiflung über den Untergang des Napoleonischen Waffenglückes vom dritten Stock in die Tiefe stürzte und auf der Stelle verschied. Außerdem fesseln in der Stadt das ehemalige Jesuitencollegium, gegenwärtig zu einem katholisch-theologischen Seminar, einer öffentlichen, trefflich [474] eingerichteten Bibliothek und einem ausgesuchten Naturaliencabinet dienend; ferner auf der äußersten Spitze der Stadt die alte Gertrudenkirche und die, jetzt protestantische, Kirche Sanct Stephan, aus dem elften Jahrhundert stammend. Den bei Weitem imposantesten Anblick aber gewährte mir die auf der Höhe des Michelsberges ruhende ehemalige Benedictinerabtei, ebenfalls von Kaiser Heinrich II. erbaut und seit 1803 säcularisirt. Ihre beiden Thürme ragen wie mächtige Erinnerungszeichen an die versunkene Glorie der Hierarchie in die Wolken und man kann sie nicht anschauen, ohne lebhaft daran zu denken, wie sie einst Zeugen waren von dem großen Einflusse geistlicher Herrschaft.

Ein helleres, freieres Leben waltet und entfaltet sich jetzt überall in der Runde. Muntere Gewerbthätigkeit, welche nicht mehr, wie vor Zeiten, blos einem exclusiven Stande zinsbar ist, verleiht der ohnehin freundlichen fränkischen Städteperle einen überaus gemüthlichen Charakter. Dieser magische Eindruck verstärkte sich in mir, als ich Bambergs Mauern verließ und vor seinen Thoren all' die herrlichen Flächen mit Spargel, Bohnen, Schoten, Salat, Zwiebeln, Radieschen, Kohlköpfen, gelben Rüben, Anis, Koriander, Mohn, Süßholz etc. bemerkte, welche ein Zeugniß geben von der großen Ausdehnung der landwirtschaftlichen Gärtnerei Bambergs, namentlich auch des Anbaues officineller Kräuter. Statistische Ausweise nennen in Bamberg allein an 540 Gärtner mit circa 400 Gehülfen.

Noch einmal weckte der Anblick der kaum eine Viertelstunde von der Stadt entfernt hoch auf dem Berge liegenden Alten oder Babenburg, der Wiege Bambergs, in mir trübe, geschichtliche Erinnerungen. Hier, wo das Auge des Reisenden bis nach Nürnberg, Würzburg, Koburg, Baireuth etc. schweifen kann, ermordete Otto von Wittelsbach im Jahre 1208 den unglücklichen Kaiser Philipp von Schwaben; hier vollführte ein elender Bischof den schändlichen Verrath gegen den Grafen Adalbert von Babenberg, indem er, als Bote eines die Burg belagernden feindlichen Heeres gekleidet, in die Burg kam, und ihren Besitzer aufforderte, zu Friedensverhandlungen ihm gegen das Versprechen des freien Geleits ins feindliche Lager zu folgen. Graf Adalbert erklärte sich ohne Furcht bereit dazu, denn er war ein gerader deutscher Mann, wie das schöne Bamberg auch damals deren viele barg. Nachdem er den Bischof köstlich bewirthet und dieser ihm geschworen hatte, ihn unversehrt in seine Burg zurückbringen zu wollen, ritten Beide über die Zugbrücke der sicheren Veste in’s Freie, dem bischöflichen Feldlager entgegen. Kaum tausend Schritte weit hatten sie ihre Rosse getragen, da fing der Bischof an zu jammern und meinte, sein Tod müsse nahe sein. „Ach,“ rief er, „lasset uns nach Eurer Burg umkehren, auf daß ich nicht im Freien verende!“ Graf Adalbert hieß ihn umkehren. Beide ritten wieder in die Burg. Da aber genas der Bischof so schnell, daß er in Begleitung des arglosen Grafen schon kurz darauf wieder herausreiten konnte. Im Lager angekommen, warf der Bischof plötzlich die höllische Maske ab, und ließ den Grafen fesseln. „Bindet den Hund!“ schrie er jetzt, „und henkt ihn an den Galgen!“ Graf Adalbert berief sich auf das ihm zugeschworne freie Geleit. „Wie,“ entgegnete der Bischof, „habe ich Dich nicht, wie ich geschworen, unversehrt in Deine Burg zurückgebracht, als ich unterwegs erkrankte, und wir umkehrten?“ „O schändlicher Verrath!“ rief schmerzvoll der getäuschte Mann, indem er die Hände vor’s Gesicht schlug und solche pfäffische Bosheit nicht fassen konnte. Er mußte sterben. Mit Wehmuth ward mein Herz erfüllt, als ich durch eine Halle, die mit Schilden, Wappen und anderen Denkmälern einer längst erstorbenen Zeit geschmückt ist, in den inneren Burghof schritt, und den in dessen Mittelpunkt liegenden hohen Thurm bestieg. Erst als sich hier vor meinem Blicke das bezaubernde Panorama einer meilenweiten Umgebung mit Anhöhe und Thal, Holz, Feld und Garten aufrollte, und die glänzende Fluth der Regnitz flüchtig nach dem Maine dahinschoß, da ward der traurige Eindruck magisch verwandelt, und ich athmete wieder freier auf.

Noch muß ich, bevor ich die alte Babenburg verlasse, eines Mannes gedenken, dessen Name in der Literatur Deutschlands noch immer vielfach genannt wird, nämlich J. T. Hoffmann’s, des Verfassers der „Phantasiestücke in Callots Manier“, der einst in einem Thurmzimmer der Babenburg hauste, und hier mehrere seiner genial verfratzten Phantasien zeichnete, z. B. „die Elixire des Teufels“, und so dem classischen Boden seine classische Narrheit einimpfte. Nur ungern scheide ich von dir, schönes Bamberg, und mein schautrunkenes Auge hängt an deiner lächelnden Flur, wie der Blick des liebedürstenden Jünglings am Antlitz der holdseligen Jungfrau. Du hast mich reich erquickt, Perle im Frankenlande, und zum Danke nehme ich dich als erstes Bildlein mit wenigen starken Strichen in meine Reisemappe auf. Da ist dieses Bildchen, freundlicher Leser der Gartenlaube; sieh Dir's an, und wenn Du Deinen Wanderstab durch das reich wechselnde Franken setzest, so vergiß ja nicht, Dir sein lockendes Urbild anzuschauen.



  1. Unter diesem Titel werden wir unsern Lesern eine Reihe Abbildungen bringen, die ihnen in den Winterabenden als Erinnerungszeichen dienen sollen an schöne Sommer- und Ferienreisen, an sonnige Fahrten durch Berg und Wald. Die Stoffe dazu werden wir aus Nord, Süd, Ost und West unseres schönen Vaterlandes wählen.      D. Redact.