Ravensburg und seine Umgebung, eine Versifikation
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Ravensburg und seine Umgebung, eine Versifikation
von Pfarrer Joh. Christoph Merkel.
O höchstbeglücktes Volk, von Gott begabte Brüder!
Die Ihr das holde Thal um Ravensburg bewohnt,
Euch legt kein saurer Schweiß von schwerer Arbeit nieder,
Denn Eures Fleißes Last wird tausendfach belohnt.
Da mich der rege Fuß auf meinen Lustberg trägt,
und der beschwitzte Leib, an einem warmen Morgen,
Sich zu gesuchter Ruh, auf harte Bänke legt.
Denn, o was schaue ich? was hören meine Ohren?
Hier wird man nicht erquickt, nein! völlig neugeboren,
Und was das Herze känkt, bleibt gänzlich unbewußt.
Die Sonne lauft im Krebs und trocknet Fluß und Seen
Mit feuerreichem Strahl in wenig Tagen aus,
Der Schweizerberge Schnee füllt ihn mit Frost und Graus.
Bald aber, wann er sich zu ihren blauen Gründen
Und zu dem Bodensee mit schnellem Fluge kehrt;
Kann er der Augenlust bey schwarzen Wäldern finden,
Dort steiget Tettnangs Thurm in angenehme Höhe
Und pranget durch das Holz mit lieblich weissem Grau;
[642] Hier, wo ich anders nur mich gegen Eschach drehe,
Ergötzet Aug und Sinn, das schöne Weissenau.
Die sich zu unsrer Stadt, auf Berg und Flächen ziehn,
Ja denen Durstenden erfreute Hoffnung geben,
Zu Strömen Weinbeerblut, weil sie erquickend blühn.
Du Sanct Christina riechst, in deines Pfarrhofs Wänden,
Und Vitus bey dem Schloß sucht mit bemühten Händen,
Auf reich gehofften Herbst den frohen Wimmlerlohn.
Der zwanzig Keltern Last beginnet auch zu krachen,
Weil sie erfreute Frucht für vieler Arbeit drückt.
Worauf der Mähder Fleiß dem Vieh das Futter schickt.
Seht, wo der Schusse Naß durch krumme Ufer eilet,
Und, gleich dem schnellen Nil die Wiesen oft verschwemmt,
Wenn sie mit raschem Lauf das Feld in Gruben theilet,
Seht, wie bey diesem Fluß zerschiedne Haufen wandeln,
Zur Kirche die dabey nächst an der Mühlbruck steht.
Der erste denkt an Gott, der zweyte an das Handeln,
Der dritte opfert Dank, der vierte schreyt und fleht.
Hier nächst das Sennerbad, dort der Verstorbnen Platz.
Weil ich bey jener Grab auch lebend sterben lerne,
Findt ein gekränkter Leib hier der Gesundheit Schatz.
Und du geliebte Stadt, prangst dort in engen Mauren,
Dein Glücke müsse stets und ohne Wanken dauren,
Es jauchze was du hast, Holz, Felder, Berg und Thal!
Dein Frauenkloster will fast einem Schlosse gleichen,
Dem seiner Mauren Pracht der hohe Mehlsack schützt.
Indem Gerechtigkeit auf unserm Rathhaus sitzt.
Dein Waaghaus ist geschickt und trefflich angeleget,
Das Seel- und Lederhaus spart mit dem Kornhaus Brod,
Und wenn der Zuchthaus Stock erboste Menschen schläget,
Dein Carmeliter bringt aus nah und fernem Lande
Zu seinem Scapulier geschenkte Güter ein.
Hier muß dein Bruderhaus dem ärmsten Bürgerstande,
Das Steinhaus aber dort dem Fremdling hülflich seyn.
Wo unsers Adels Glanz oft in Gesellschaft spielt.
Hier kommt ein junger Herr mit stolzem Schritt gegangen,
Weil er in seiner Brust das Recht zur Balle[2] fühlt.
Acht Zünfte schlichten hier des HandwerksHeeres Streite,
Auf fünfen walket man die Loden, Strümpf und Häute,
Sechs machen gut Papier, zwey sägen vor dem Thor.
Kommt man dann hinter dich auf jene Rauhe Ecke,
Die uns den besten Wein in dieser Gegend schenkt;
Die sich vom stolzen Berg sanft in die Thäler senkt.
Wie manches Sommerhaus ziert vor dem Frauenthore,
Bis zu dem heilgen Creuz der bunten Gärten Pracht?
[644] Wie mancher Schütze schießt aus lang gezognem Rohre,
Wie traurig ziehet er, mit halb verzagten Schritten,
Der CapuzinerKirch und Klosterthür vorbey?
Und wünschet, daß der Tag, an dem er sehr gelitten,
Zusamt des Weibes Zank nur bald vergessen sey.
Das dicht gewachs’ne Gras mit schnellen Sensen um.
Des Oppeltshofers Knecht wird seine Arbeit sauer,
Doch jagt er sich im Feld mit seiner Magd herum.
Die röthlich gelbe Frucht bey lieblich grünen Wiesen
Weit angenehmer doch und tiefer unter diesen,
Kann man Herrn Wildens Gut und Senners Schlößchen seh’n.
Noch eh man Langquart schaut, steht dort das kleine Lochen
Und pranget um und um mit gelber Wintersaat.
Die klein von aussen scheint, doch vierzehn Helfer hat.
Drey Thürme blinken dort mit schön vergoldten Spitzen,
Drey kleinen Sonnen gleich recht blendend gegen mich,
Weingarten lässet mir diß Feu’r entgegen blitzen,
Vor Altdorf siehet man die sieben größte Schmerzen
Des Heils der ganzen Welt des Herrn Jesu steh’n,
Und wie geschärften Stahl in seiner Mutter Herzen
Bis hin nach Bayerfurth in großen Bildern geh'n.
Das Frauenkloster Baindt in grün gefärbtem Thal.
Hier zieht das hohe Berg der Heil’gen Gelder Posten,
Von vielen Bauren ein, in Summen sonder Zahl.
Des Mummenwinkels Loch eröffnet Allen-Winden,
[645] Du Bleicher magst dein Tuch auch noch so feste binden,
Tritt unsre Schusse aus, o! so erhältst du’s kaum.
Pelzmühle hast du wohl noch alte WeiberHauben?[3]
Doch was? ich kaufe ja jetzt keine Waar von dir.
Nach jenes Friedbergs Wein und nach des Heimbrands Zier.
Des Semper-Gutes Herr ist eifrig in dem Bauen,
Obgleich der Erben Zahl die Lust für ihn genießt.
Dort mag der Wernerbaur auf Storch und Bühel schauen,
Fußnoten
[wohl des Herausgebers J. G. Eben]
- ↑ Es waren dieses, ausser den Hrrn. P. P. Capuziner und MühlbruckKirchen, welche besonders benennt worden, folgende: die FrauenKlosterKirche, der CarmeliterChor, dasselbe Langhaus, die Pfarrkirch, St. Jodok, zur H. Dreyeinigkeit, St. Leonhard, St. Georg, H. Creuz, Zuchthaus, die Spitalkirche.
- ↑ Die Balle war eine Gesellschaft von Kaufleuten, Apothekern und andern bürgerlichen Gelehrten.
- ↑ Ohe, jam satis est! –
Anmerkung
Eben schreibt auf S. 473–474 zu dem Gedicht:
Eine genaue Beschreibung der Stadt und ihrer Umgebungen hat der Pfarrer Joh. Christoph Merkel † 1766 (s. Verzeichniß der sämmtlichen Evangel. Geistlichen im 5ten Hefte S. 230) in einer gemüthlichen Laune versifizirt und auf vielfältig geäußerten Wunsch liefern wir jenes Produkt im Anhang unter Nr. 5.