Ravensburg und seine Umgebung, eine Versifikation

Textdaten
Autor: Johann Christoph Merkel († 1766)
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Ravensburg und seine Umgebung, eine Versifikation
Untertitel:
aus: Johann Georg Eben: Versuch einer Geschichte der Stadt Ravensburg von Anbeginn bis auf die heutigen Tage, 2. Band, S. 641–645
Herausgeber: Johann Georg Eben
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1835
Verlag: J. A. Gradmann
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Ravensburg
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: MDZ München
Kurzbeschreibung: Beschreibung der Stadt Ravensburg und vor allem ihrer nächsten Umgebung in Versform, verfasst Mitte des 18. Jahrhunderts.
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]

[641]

Ravensburg und seine Umgebung, eine Versifikation
 von Pfarrer Joh. Christoph Merkel.

O höchstbeglücktes Volk, von Gott begabte Brüder!
     Die Ihr das holde Thal um Ravensburg bewohnt,
Euch legt kein saurer Schweiß von schwerer Arbeit nieder,
     Denn Eures Fleißes Last wird tausendfach belohnt.

5
So sagt mein frohes Herz, nach abgelegten Sorgen,

     Da mich der rege Fuß auf meinen Lustberg trägt,
und der beschwitzte Leib, an einem warmen Morgen,
     Sich zu gesuchter Ruh, auf harte Bänke legt.
Denn, o was schaue ich? was hören meine Ohren?

10
     Was fühlet jeder Sinn für ungewohnte Lust?

Hier wird man nicht erquickt, nein! völlig neugeboren,
     Und was das Herze känkt, bleibt gänzlich unbewußt.
Die Sonne lauft im Krebs und trocknet Fluß und Seen
     Mit feuerreichem Strahl in wenig Tagen aus,

15
Doch sieht der ferne Blick den kalten Winter stehen,

     Der Schweizerberge Schnee füllt ihn mit Frost und Graus.
Bald aber, wann er sich zu ihren blauen Gründen
     Und zu dem Bodensee mit schnellem Fluge kehrt;
Kann er der Augenlust bey schwarzen Wäldern finden,

20
     Die grüner Wiesen Pracht, durch ihre Anmuth mehrt.

Dort steiget Tettnangs Thurm in angenehme Höhe
     Und pranget durch das Holz mit lieblich weissem Grau;
[642] Hier, wo ich anders nur mich gegen Eschach drehe,
     Ergötzet Aug und Sinn, das schöne Weissenau.

25
Der edle Weingartshof zeigt mir die ersten Reben,

     Die sich zu unsrer Stadt, auf Berg und Flächen ziehn,
Ja denen Durstenden erfreute Hoffnung geben,
     Zu Strömen Weinbeerblut, weil sie erquickend blühn.
Du Sanct Christina riechst, in deines Pfarrhofs Wänden,

30
     Den stärkend-süssen Duft der Traubenblüthen schon,

Und Vitus bey dem Schloß sucht mit bemühten Händen,
     Auf reich gehofften Herbst den frohen Wimmlerlohn.
Der zwanzig Keltern Last beginnet auch zu krachen,
     Weil sie erfreute Frucht für vieler Arbeit drückt.

35
Indessen schaue ich die bunten Wiesen lachen,

     Worauf der Mähder Fleiß dem Vieh das Futter schickt.
Seht, wo der Schusse Naß durch krumme Ufer eilet,
     Und, gleich dem schnellen Nil die Wiesen oft verschwemmt,
Wenn sie mit raschem Lauf das Feld in Gruben theilet,

40
     Wo nicht des Höchsten Arm der Fluthen Toben hemmt:

Seht, wie bey diesem Fluß zerschiedne Haufen wandeln,
     Zur Kirche die dabey nächst an der Mühlbruck steht.
Der erste denkt an Gott, der zweyte an das Handeln,
     Der dritte opfert Dank, der vierte schreyt und fleht.

45
Zwey Orte rühren mich, eins nah, das andre ferne,

     Hier nächst das Sennerbad, dort der Verstorbnen Platz.
Weil ich bey jener Grab auch lebend sterben lerne,
     Findt ein gekränkter Leib hier der Gesundheit Schatz.
Und du geliebte Stadt, prangst dort in engen Mauren,

50
     Mit deiner Thürme Höh, in sechszehnfacher Zahl.

Dein Glücke müsse stets und ohne Wanken dauren,
     Es jauchze was du hast, Holz, Felder, Berg und Thal!
Dein Frauenkloster will fast einem Schlosse gleichen,
     Dem seiner Mauren Pracht der hohe Mehlsack schützt.

55
[643] Eilf Kirchen[1] sollen Gott ein schuldig Opfer reichen,

     Indem Gerechtigkeit auf unserm Rathhaus sitzt.
Dein Waaghaus ist geschickt und trefflich angeleget,
     Das Seel- und Lederhaus spart mit dem Kornhaus Brod,
Und wenn der Zuchthaus Stock erboste Menschen schläget,

60
     So reist der Hospital die Armen aus der Noth.

Dein Carmeliter bringt aus nah und fernem Lande
     Zu seinem Scapulier geschenkte Güter ein.
Hier muß dein Bruderhaus dem ärmsten Bürgerstande,
     Das Steinhaus aber dort dem Fremdling hülflich seyn.

65
Jetzt sieht mein Blick den Först des rothen Esels prangen,

     Wo unsers Adels Glanz oft in Gesellschaft spielt.
Hier kommt ein junger Herr mit stolzem Schritt gegangen,
     Weil er in seiner Brust das Recht zur Balle[2] fühlt.
Acht Zünfte schlichten hier des HandwerksHeeres Streite,

70
     Acht Mühlen liefern Mehl und eine stampfet Lohr;

Auf fünfen walket man die Loden, Strümpf und Häute,
     Sechs machen gut Papier, zwey sägen vor dem Thor.
Kommt man dann hinter dich auf jene Rauhe Ecke,
     Die uns den besten Wein in dieser Gegend schenkt;

75
So schaue ich vergnügt die angenehmste Strecke,

     Die sich vom stolzen Berg sanft in die Thäler senkt.
Wie manches Sommerhaus ziert vor dem Frauenthore,
     Bis zu dem heilgen Creuz der bunten Gärten Pracht?
[644] Wie mancher Schütze schießt aus lang gezognem Rohre,

80
     Das Geld und Muth dahin, noch eh’ er’s selbst gedacht.

Wie traurig ziehet er, mit halb verzagten Schritten,
     Der CapuzinerKirch und Klosterthür vorbey?
Und wünschet, daß der Tag, an dem er sehr gelitten,
     Zusamt des Weibes Zank nur bald vergessen sey.

85
Viel froher leget dort der Albertshofer Bauer

     Das dicht gewachs’ne Gras mit schnellen Sensen um.
Des Oppeltshofers Knecht wird seine Arbeit sauer,
     Doch jagt er sich im Feld mit seiner Magd herum.
Die röthlich gelbe Frucht bey lieblich grünen Wiesen

90
     Läßt bey dem Burach hin am dunkeln Haßlach schön.

Weit angenehmer doch und tiefer unter diesen,
     Kann man Herrn Wildens Gut und Senners Schlößchen seh’n.
Noch eh man Langquart schaut, steht dort das kleine Lochen
     Und pranget um und um mit gelber Wintersaat.

95
Hier wird von manchem Mund der Kirche was versprochen,

     Die klein von aussen scheint, doch vierzehn Helfer hat.
Drey Thürme blinken dort mit schön vergoldten Spitzen,
     Drey kleinen Sonnen gleich recht blendend gegen mich,
Weingarten lässet mir diß Feu’r entgegen blitzen,

100
     Und streut von seinem Bau den reichsten Glanz von sich.

Vor Altdorf siehet man die sieben größte Schmerzen
     Des Heils der ganzen Welt des Herrn Jesu steh’n,
Und wie geschärften Stahl in seiner Mutter Herzen
     Bis hin nach Bayerfurth in großen Bildern geh'n.

105
Und endlich lieget noch am Walde von Nordosten,

     Das Frauenkloster Baindt in grün gefärbtem Thal.
Hier zieht das hohe Berg der Heil’gen Gelder Posten,
     Von vielen Bauren ein, in Summen sonder Zahl.
Des Mummenwinkels Loch eröffnet Allen-Winden,

110
     Bis zu dem Eisenfang den ungemessenen Raum.

[645] Du Bleicher magst dein Tuch auch noch so feste binden,
     Tritt unsre Schusse aus, o! so erhältst du’s kaum.
Pelzmühle hast du wohl noch alte WeiberHauben?[3]
     Doch was? ich kaufe ja jetzt keine Waar von dir.

115
Vielmehr gelüstet mich nach Kirschen aus dem Strauben,

     Nach jenes Friedbergs Wein und nach des Heimbrands Zier.
Des Semper-Gutes Herr ist eifrig in dem Bauen,
     Obgleich der Erben Zahl die Lust für ihn genießt.
Dort mag der Wernerbaur auf Storch und Bühel schauen,

120
     Weil sich zum Rahlen nun mein ReiseZirkel schließt.

Fußnoten

[wohl des Herausgebers J. G. Eben]

  1. Es waren dieses, ausser den Hrrn. P. P. Capuziner und MühlbruckKirchen, welche besonders benennt worden, folgende: die FrauenKlosterKirche, der CarmeliterChor, dasselbe Langhaus, die Pfarrkirch, St. Jodok, zur H. Dreyeinigkeit, St. Leonhard, St. Georg, H. Creuz, Zuchthaus, die Spitalkirche.
  2. Die Balle war eine Gesellschaft von Kaufleuten, Apothekern und andern bürgerlichen Gelehrten.
  3. Ohe, jam satis est! –

Anmerkung

Eben schreibt auf S. 473–474 zu dem Gedicht:

Eine genaue Beschreibung der Stadt und ihrer Umgebungen hat der Pfarrer Joh. Christoph Merkel † 1766 (s. Verzeichniß der sämmtlichen Evangel. Geistlichen im 5ten Hefte S. 230) in einer gemüthlichen Laune versifizirt und auf vielfältig geäußerten Wunsch liefern wir jenes Produkt im Anhang unter Nr. 5.