Raisonirendes Journal vom deutschen Theater zu Hamburg (1.–13. Stück)
Hamburgs Publikum unterstüzt, seit einigen Jahren, beyde in seinen Ringmauern bestehende Schaubühnen, die deutsche und französische, sehr freygebig. – Es bestätigen fast tägliche Beyspiele diese Behauptung. Der Direction des deutschen Theaters liegt aber die Pflicht, diese behauptete freygebige Unterstützung dankbar anzuerkennen, vorzüglich ob, weil ihr Wirkungskreis ungleich weiter ausgedehnt ist, als der denen Unternehmern der französischen Bühne vorgezeichnete. – Ein geräumigeres Schauspielhaus, und die überwiegende Menge hiesiger Einwohner, welche, nur mit ihrer Muttersprache bekannt, im französischen Schauspielhause keine Befriedigung finden können, verschaffen der deutschen Theaterkasse von Zeit zu Zeit den ergiebigerendesten [[Korrektur: ergiebigsten]] Zufluß. –
[4] Ob Hamburgs Publikum auch durch seinen herrschenden Geschmak die theatralischen Geschäfte derer Unternehmer erleichtert, ob es mit jener Freygebigkeit immer die gerechteste und feinste Behandlung gegen diejenigen verbindet, welche für sein Vergnügen, für seine Veredelung, auf denen Bühnen täglich arbeiten müssen? diese allerdings jezt nur problematisch aufgeworfenen Fragen bejahend, oder verneinend, zu beantworten, sollen erst künftige Ereignisse und Erfahrungen den Verfasser gegenwärtiger Wochenschrift berechtigen.
Schon der Titel, welchen diese Wochenschrift führet, bestimmt sie eigenthümlichst für Hamburgs deutsches Theater – mithin ziehe ich mich, als deren Autor, ausser denen, bis hieher, bloß der Ideenverbindung halber, gethanen Erwähnungen der hiesigen französischen Bühne, ganz von allen weitern Raisonements über leztere zurük, und schränke jedes fernere einzig auf ersteres ein.
Ueber die apatictische [[Korrektur: apodiktische]] Gewißheit also, daß aus der zeitherigen Freygebigkeit des Hamburger Publikums die beträchtlichsten Vortheile in die Kasse des hiesigen deutschen Theaters floßen, bleibt kein Zweifel übrig, findet kein Widerspruch statt, weil fast tägliche Erfahrungen solche Jahre lang bestätiget haben, eben dieselben sie auch fernerhin, presumtorisch, bestätigen werden. Drum [5] abstrahire ich daraus gründlichst die logische und juristische Schlußfolge: So lange, als jene Freygebigkeit fortdauert, hat Hamburgs Publikum ein evidentes, dingliches Recht, von der Direction, und von denen ausübenden Künstlerinnen, auch Künstlern seines deutschen Theaters sowohl im Ganzen, als bey jeder einzelnen Darstellung, den höchsten Grad möglicher Vollkommenheit zu fordern – denn für gute, promte Zahlung fordert jeder Käufer mit Recht – die beste Waare.
Eben diese Schlußfolge wird auch von heute an die unerschütterliche Basis eines jeden Urtheils seyn und bleiben, das ich, als Autor dieses raisonirenden Journals, in der Folge niederschreibe.
Strenge müssen daher unumgänglich meine Urtheile von Zeit zu Zeit ausfallen.
Nichts darf, nichts werde ich von heute an verschweigen, was meinen Bemerkungen im Ganzen, und im Einzelnen, als Unvollkommen begegnet. Ich werde vielmehr, es liege nun die Schuld der verfehlten Vollkommenheit an der Direction, oder an einem ausübenden Mitgliede, unsers deutschen Theaters, den bemerkten Fehler ersterer, oder lezterm, mit gleichabgewogener Freymüthigkeit zeigen, von einer, oder dem andern, dessen schuldige Verbesserung in der Folge erbitten.
[6] Mein Tadel wird aber auch mit meinem Lobe immer gleichen Schritt halten. Nie will ich es unbemerkt, nie ungepriesen lassen, wenn Direction und Mitglieder, im Ganzen oder im Einzelnen, zur Vervollkommnung des hiesigen deutschen Theaters etwas Wesentliches – auch nur eine Kleinigkeit – beygetragen haben, sobald nur mein Kunstgefühl dem Erfahrenem [Korrektur: Erfahrenen], Gesehenem [Korrektur: Gesehenen] oder Gehörtem [Korrektur: Gehörten], Gerechtigkeit wiederfahren lassen kann.
Ununterbrochene Zusammenhaltung eines zureichenden, in jedem individuellen Fache brauchbaren, Personals; Auswahl derer Stücke; adäquate Besetzung derer Rollen; Decorationen, Garderobe und Erleuchtung auf einer – Mimik, Declamation, Gesang, Anzug auf der andern Seite; selbst die Mitwirkung des Orchesters aufs Ganze, besonders bey Opern, werden daher von Zeit zu Zeit Gegenstände meiner Beurtheilung seyn. Sie sammt und sonders wird mein gerechter Tadel, mein unpartheiisches Lob, immer, nach Befinden, treffen.
Nach dem mir vorgezeichneten Plane schreibe ich also von heute an dieses Journal für Hamburgs Publikum, und vertheidige seine Ansprüche an die Direction, und an jedes einzelne Mitglied, unsers deutschen Theaters. –
Jedem Schriftsteller eignet auch noch unser aufgeklärtes Zeitalter, nach dem Beyspiel vorheriger, [7] das nemliche Vorrecht, wie dem Prediger auf der Kanzel, zu, ja es macht es ihm sogar zur Pflicht: ungeschminkte Wahrheit, ohne Menschenfurcht, vorzutragen. Auch ich vindicire daher eben dieses Vorrecht, so lange ich gegenwärtiges Journal fertige; und kein Individuum, es gehöre zur Direction, oder zu denen Mitgliedern unsers deutschen Theaters, an das ich in der Folge Wahrheit, wäre sie auch nicht immer lobpreisend, zu schreiben mich berufen fühle, wird mich, wie ich bitte und erwarte, deshalb anfeinden. Eben so wenig darf Hamburgs Publikum es mir verübeln, wenn künftige Ereignisse und Bemerkungen mich nöthigen sollten, jene problematischen Fragen: über seinen herrschenden dramaturgischen Geschmack, und über sein individuelles Benehmen gegen die für sein Vergnügen, und für seine Veredelung auf der hiesigen deutschen Bühne täglich Arbeitenden, manchmal verneinend zu beantworten, und eben dieses Publikum zu angemeßenerer Berichtigung des erstern, zu gerechterer und ermunterenderer Aeusserung des letztern, aufzufordern. Denn wenn ich auch, als Autor dieses Journals, des Publikums Ansprüche an das hiesige deutsche Theater vertheidige; so bleibe ich doch immer zugleich gewissenhafter, uninteressirter, Schiedsrichter zwischen beyden Partheien.
[8] Ich versprach ja aber auch in der öffentlichen Ankündigung dieses wochenschriftlichen Journals: es für jeden Dilettanten der deutschen Dramaturgie im Auslande ebenfalls interessant zu machen, und von Zeit zu Zeit zu erhalten. – Mehr, als ich bereits in jener Ankündigung, und in dieser, mein erstes Stück füllenden, Einleitung an Hamburgs Publikum versprochen habe, noch folgend versprechen werde, kann ich freylich auch keinen Auswärtigen zusichern. – Hoffentlich aber werden leztere damit ebenfalls vorlieb nehmen.
Ein Rükblik in die Vergangenheit erinnert und überzeugt gewiß jeden Kenner, jeden Freund der deutschen Dramaturgie, daß ehedem Hamburgs Bühne das Ideal war, nach welchem sich alle die, so jezt noch in Deutschland aufrecht stehen, ursprünglich bildeten. – Der verdienstvolle, der unvergeßliche Schröder zeichnete jenes Ideal, im belehrendesten Colorit, der allgemeinen Aufmerksamkeit vor, und realisirte es viele Jahre lang durch manche speculativische, sumtuose, und persönliche, Anstrengung. Fünf sachkundige, und charakteristisch schäzbare, Männer, die Herren Eule, Löhrs, Langerhans, Stegmann und Herzfeld, deren Vereinigung Schröder das, aus wohl erwogenen Gründen, von ihm niedergelegte Ruder in die Hände gab, steuern nun mit vollen Segeln auf [9] der vorgezeichneten Strasse fort, und werden, höchstwahrscheinlich, Jeder an seinem Theil schon jezt sich mit der Ahndung beruhigen, einst laut bekennen:
Erfährt nun jeder ausländische Dilettant der deutschen Dramaturgie künftig durch mich wahrheitsgemäß, was seit dem 1. October d. J. bey Hamburgs deutschem Theater überhaupt, und insbesondere bey jeder einzelnen Vorstellung auf selbigem, Tag für Tag Merkwürdiges vorgieng, so wird er auch, wie ich mir schmeichle, diese Notizen schäzen, mit dem Autor des gegenwärtigen Journals zufrieden seyn und das Seinige dazu beytragen, um es von Zeit zu Zeit im Gange zu erhalten.
Keinesweges verkenne ich die Schwierigkeiten, welche in meinem projectirten Unternehmen, und in seiner Ausführung, liegen. Meine Phantasie sieht vielmehr manches zweifelhafte Achselzukken, ob ich auch jedem einzelnen Gegenstande, zu dessen künftigen Bearbeitung ich mich bestimmt habe, gewachsen sey? – manchen warnenden Wink: nicht mehr zu versprechen, als ich halten kann! mir jetzt schon entgegen treten.
Doch das Publikum soll aus nachfolgender Skizze meiner eigenen Charakteristik mich erst näher beurtheilen lernen, und dann selbst entscheiden, [10] ob es sich künftig von meinen schriftstellerischen Produktionen etwas Genügeleistendes versprechen darf? –
Meine jugendliche Erziehung, von einem eben so einsichtsvollen als zärtlichen Vater, und von treuen Lehrern geleitet, bestimmte mich zum wissenschaftlichen Geschäftsmann. Die Verwendungen darauf wurden von den besten natürlichen Anlagen unterstüzt – ich reifte frühzeitig, und trat, als Jüngling schon, mit aufgeräumtem Kopfe, mit unverdorbenem Herzen in den Wirkungskreiß der großen Welt.
Ich habe Königen und Fürsten abwechselnd in der Militair- und Civil-Carriere gedient; ich stand mehrmals von Angesicht zu Angesicht vor ihnen. Ich habe Heerführer und Minister, im Berufe und im Umgange, kennen lernen. Ich habe in Lagern und Garnisonen gestanden. Die Zelte und Wohnungen derer Befehlshaber waren mir eben so wenig verschlossen, als eigne Pflicht mich in die Barakken der Gemeinen führte. An mehrern Höfen, in Audienzzimmern, in Antichambren, und in gesellschaftlichen Zirkeln, hatte ich freyen Zutritt. In Cabinetten, Collegien, Canzleyen, in Amts- Raths- und Gerichtsstuben, durfte ich mich oft umsehen; – ich habe selbst für sie, und in ihnen, gearbeitet.
[11] Als Jüngling und Mann huldigte ich stets dem sanften, weiblichen, Geschlechte mit wärmster Anhänglichkeit. Ich habe Weiber und Mädchen, ohne Zahl – junge und alte, schöne und häßliche, gute und schlechte, aus allen Ständen gekannt. – An junge, schöne und gute, schmiegte ich mich immer mit glühendem Herzen an – denen alten und häßlichen ließ ich, sobald sie nur sonst geistige und moralische Verdienste besaßen, nicht selten Verehrung, stets Gerechtigkeit, widerfahren – die schlechten verachtete ich unbedingt. – Im traulichen Umgang mit erstern, genoß ich oft die seligsten Wonnen des Lebens. – Ich war noch kürzlich seelenfroher Gatte; jetzt bin ich leider einsamer Wittwer, aber – glüklicher Vater.
Ich habe in und außer Deutschland manche Reise gemacht, manche Residenz, manche andere große und kleine Stadt besehen, auch abwechselnd bewohnt. Mithin hat nicht blos das Studium der alten und neuern Geschichte, sondern auch eigne Erfahrung, mich mit dem Charakter, mit denen Sitten, und Gebräuchen, mehrerer Nationen bekannt gemacht.
Lectüre war von jeher ein absolutes Bedürfnis meiner Existenz – in ihr, und in belletristischen Geschäften, fand mein Geist seine unentbehrlichste Nahrung, ich, die schmakhafteste Erholung von erschöpfenden Berufsarbeiten.
[12] Unter jenen Geschäften ritt ich die Dramaturgie, und ihr Studium, von Zeit zu Zeit als Stekkenpferd. Der öftere Besuch eines jeden Theaters, das ich erreichen konnte, fast zudringlich gesuchte Bekanntschaft mit seinen Mitgliedern, gespannte Aufmerksamkeit auf Alles, was die Kunstrichter darüber schrieben, scribelten, und sprachen, beschäftigten mich von Jugend auf, als herrschende Leidenschaft.
Diese allmählig abgekühlte, verfeinerte, und berichtigte Leidenschaft attaschirte mich in der Folge ausschließend an die Theater zu Dresden, Leipzig, Weimar, Frankfurt a. M., Caßel und Amsterdam; sie verschaffte mir die nähern Bekanntschaften mit Borchers, und Döbelin dem Vater, mit Reineke, Spengler, Schouwarrt und ihren Gattinnen, mit Opiz, Thering, Bösenberg und seiner Tochter, mit Madame Koch, und Sophie Albrecht, mit Mamsel Zucharini, und Kneisel[1], mit Haßloch und seiner Gattin, mit Steiger, Hartwich, Schlegel, Keilholz, Ellmenreich, Madame Lange, und Mamsell Meyer; sie ließ mich aus Leßings, Engels, Göthens, systematischen Schriften die solidesten Belehrungen schöpfen.
Sollte ich nun unter diesen zusammentreffenden Combinationen nicht im Stande seyn, eine [13] gründliche, beyfallswerthe, Kritik über Hamburgs deutsches Theater zu schreiben? – zumal da ich schon über zwei Jahre hier privatisire, da ich dieses Theater indessen oft besuchte, da ich es künftighin täglich besuchen werde, da meine Vorliebe für Alles, was zur praktischen Dramaturgie gehört, noch immer in vollem Feuer stehet, da ich, dermalen von allen öffentlichen Geschäften frey, dem selbst erwählten Berufe, diese Wochenschrift zu authorisiren, meine ganze Zeit, alle meine Kräfte, widmen kann, und aufopfern will. – Ich dächte doch!
Eben um deswillen aber, weil ich die theatralische Kunst studiert, weil ich sie in ihren vielfältigen Ausübungen so fleißig beobachtet habe, weil ich mit manchem Meteor an ihrem Horizont bekannt war, und noch bin, weil ich hiernächst aus eigner Erfahrung weiß, wie Könige und Fürsten, Feldherrn und Minister, Präsidenten, Räthe, Amtleute und Bürgermeister, Höflinge und Officiers, in denen Audienzzimmern, Antichambren, Seßionen, und gesellschaftlichen Zirkeln sich zu betragen pflegen, – wie der abgeschliffene Weltmann sich wechselseitig gegen sie nach denen Gesetzen der Convenienz, zu benehmen hat; weil ich im gesuchten, auch gefundenen Umgang, mit manchem edlen Frauenzimmer die feinsten weiblichen Nüancen belauschte; [14] weil ich theils aus der Geschichte, theils auf Reisen, so verschiedene Nationen und ihre Eigenheiten kennen lernte; weil Lectüre, Studium, und Erfahrungen, meine Menschenkenntnis überhaupt erweitert und berichtigt haben – und weil endlich jede gut organisirte Bühne die Vorgänge des menschlichen und geselligen Lebens mit der treffendsten Aehnlichkeit darstellen soll – aus allen diesen recapitulirten Gründen werden, müssen, meine künftigen Forderungen an die Directoren des hiesigen deutschen Theaters, und an die dabey angestellten Künstlerinnen und Künstler, etwas hoch gespannt, meine Urtheile über ihre öffentlichen Produktionen strenge ausfallen. Doch das wird alles nicht schaden, so bald sich nur unter erstere keine übertriebenen Capricen, unter letztere keine Partheilichkeiten, keine Indiscretionen, keine Beleidigungen, einmischen. Diese alle verachte und hasse ich an andern, wo ich sie treffe, mir selbst werde ich daher gewiß keine zu Schulden kommen lassen.
So gewiß ich also nach eigenem Vorgefühl darauf rechne, daß mein Kopf und meine Grundsäze, von Zeit zu Zeit mir bey dem Unternehmen dieses Journals auf dem gewählten eißglatten Wege forthelfen werden, eben so zuversichtlich kann das einheimische und auswärtige Publikum sich auf meine Kenntnisse, auf meine [15] Erfahrungen, und auf die Festigkeit meines biedern Characters verlassen – von ihnen jede mir mögliche Befriedigung erwarten.
Nur lasse – mit diesem Winke, mit diesem Wunsche, mit dieser Bitte, schließe ich meinen ersten Bogen – die Güte eben dieses Publikums meinen schriftstellerischen Spekulationen fernere sattsame Unterstüzzung widerfahren, denn ohne solche findet keine Fortdauer statt, denn sonst – stirbt das Kind in der Wiege! –
Dieses Journal, wovon gegenwärtige Einleitung, als nöthig, vorangeht, soll wöchentlich regelmäßig am Sonnabend Vormittage erscheinen. Die Herren Abonnenten erhalten stets 13 Bogen in einem Quartal, und bezahlen dafür gegen Schein 2 m& Cour.; jedes einzelne Stück aber kostet 3 Schillinge. Bey mir und in allen Zeitungsläden wird Pränumeration angenommen, und dafür auf Verlangen das Blatt wöchentlich ins Haus gebracht.
Wenn der Verfasser, woran nicht zu zweifeln, hält, was er dem Publikum in diesem Bogen versprochen, und ich dadurch zu einem Absatze, der den Auslagen angemessen ist, zu [16] hoffen berechtigt werde, so soll alle Vierteljahr ein interessantes Kupfer den Titelbogen zieren, und überhaupt das Publikum auf das reelleste bedient werden.
Vorstellungen in der künftigen Woche, wenn nicht Krankheit oder sonstige Umstände eine Aenderung nothwendig machen.
Sonntag, den 5ten: Lohn der Wahrheit, Schauspiel in 5 Aufzügen.
Montag, den 6ten: Oberon, Singspiel in 3 Aufzügen.
Dienstag, den 7ten: der Scheintodte. Lustspiel in 1 Aufzug. Der bestrafte Hochmuth, Singspiel in 2 Aufzügen.
Mittwoch, den 8ten: das Vaterhaus, Schauspiel in 5 Aufzügen.
Donnerstag, den 9ten: die Räuber, Trauerspiel in 5 Aufzügen.
Freytag, den 10ten: die Eifersüchtigen, Lustspiel in 4 Aufzügen. Die verliebten Werber, Singspiel in 2. Aufzügen.
[19] Im gesellschaftlichen Umgang, bey Tische, beym Koffee, beym Thee, beym Gläschen Wein oder Punsch, im Knaster Dampf, wird so Manches besprochen. Auch über dieses Theater-Journal wird bey solchen Gelegenheiten noch mancher Tadel, manches Lob, gerecht und ungerecht, gerade und schief, hervor treten. Geschieht es in meiner Abwesenheit, so ist die Sprichwortsregel: was man nicht weiß macht einen nicht heiß, anwendbar, bin ich dabey gegenwärtig, so hängt es, nach jenem erwähnten Vorrechte, immer von meiner freyen Willkür ab, ob ich mich in den Diskurs mischen, ob ich aufgeworfne Fragen beantworten, welchem gefällten Urtheile ich beytreten, oder ob ich auf dem meinigen beharren, mir aus dem, was ich hörte, das Beste zur nüzlichen Anwendung stillschweigend abstrahiren, blos stummer Zeuge der Conversation bleiben will? – Sobald mein Ich in direkten, mir widrigen, Anspruch genommen wird, bleibt es mir ja unbenommen, jeden Anspruch, der mir lästig fällt, an den Autor des raisonirenden Theater-Journals höflichst zu verweisen.
Ganz etwas Anderes aber wird es seyn, wenn ein Freund und Vertrauter, deren ich zwar nicht viele, aber doch Manchen, sehr schätzbaren, habe, mir zur Seite tritt, mir über meine Schriftstellerey einen belehrenden Wink gibt, mir einen wohlgemeinten Rath ins Ohr sagt. – Dann werde ich gewiß zu jeder mündlichen Explication mich willig hingeben; solche Winke, solcher Rath, sollen nie den wirksamsten Eindruck auf mich verfehlen, [20] jeden will ich in der Folge dankbar erkennen, und benuzen.
Wer also, als Leser dieses Journals, sich künftig berechtigt und berufen fühlt, mit dem Autor über dessen Inhalt näher zu conversiren, und dadurch seinen Inhalt interessanter, vollkommener, gemeinnüziger, zu machen; wer den Wunsch hegt, darinn seine eigne Reflectionen über den oder jenen einzelnen Gegenstand, entweder wörtlich eingerückt, oder hier und dort mit dem Uebrigen verwebt, zu lesen, der beliebe es schriftlich zu erklären, adressire das Geschriebne
und lasse es in der Nestlerschen Buchdruckerey, grosse Bleichen Nr. 323., abgeben. Von dort aus kommt Alles richtig in meine Hände.
Selbst die Direction unsers deutschen Theaters lade ich ein, wenn Sie zuweilen wünschen sollte, durch dieses Journal irgend Etwas, zur früheren Wissenschaft des einheimischen und auswärtigen Publikums zu bringen, ehe es, als Thatsache, wirklich hervor tritt, wie das besonders bey noch bevorstehenden aber schon fest resolvirten, Veränderungen im Personale wohl oft der Fall seyn könnte, mich mit vertraulichen Nachrichten davon zu beehren, mir aber auch jedesmal zu erdeutlichen, ob ich solche Nachrichten blos spekulativisch gebrauchen, oder sie zur Publicität befördern soll?
Aber! – voraus sey es betheuert! – ich bürde mir keine andere als die Verbindlichkeit auf: künftig von allem Eingesendeten nur willkürlichen Gebrauch zu machen – es [21] zu erwähnen, es öffentlich auszustellen, es ganz mit Stillschweigen zu übergehen, wie ich es für gut finden werde. – Auf bloße litterarische Sophistereyen, in Klopgefechte über Ortographie, Interpunction, Stil, Structur der Perioden, und dergleichen, lasse ich mich nie ein.
Meinen fernern Vortrag individueller Critiken über die einzelnen Produktionen auf Hamburgs deutschen Theater, soll die Anzahl derselben nie genieren. Ueber jede schreibe ich so viel, als ich nach meinen, im ersten Bogen bestimmten, Verbindlichkeiten schuldig zu seyn glaube, bis der Raum des wöchentlichen Bogens damit angefüllt ist. Nur dafür will ich, nach Möglichkeit, und absolut, sorgen, daß nie eine tägliche Critik von einem in den andern Bogen absetzend überspringe, und daß ich an jedem Quartalschluß dieses Journals über alle einzelne Vorstellungen, so während der vergangenen drey Monate auf Hamburgs deutscher Bühne hervortraten, mit dem Publikum, der Reihe nach, richtig abgesprochen habe.
Vorstehendes Alles mußte zwischen dem Publikum und mir zuförderst ins Reine gebracht werden; dadurch erfülle ich, als Schriftsteller, meine Pflicht gegen ersteres und, sichere zugleich mich für allen künftigen, meine Lust und Liebe zur vorgesezten Berufsarbeit stöhrenden, Zudringlichkeiten, sie möchten nun spaßhaft oder ernsthaft versucht werden, im Voraus. – –
[22] Mittwochs, den 1sten October 1800, wurde auf Hamburgs deutschem Theater, eines von Mozarts beliebtesten Meisterstücken, die Zauberflöte, nach Schikanederschem Text, und unter hier Directions-wegen getroffenen Abänderungen, in 4 Akten aufgeführt.
In Urtheilen über den eigenthümlichen dichterischen, und musikalischen Werth, der Zauberflöte, haben sich zeither die Kunstrichter, und Journalisten, fast ausgeschrieben; ich kann also ganz kurz das Meinige darauf einschränken: erstern hat sie gar nicht, der letztere erhebt sie zu denen wichtigsten Produkten der deutsch-vaterländischen Tonkunst.
Von dem splenditen Apparat in Dekorationen, Garderobe, und Erleuchtung, womit sie die jezigen Directoren am 18. October 1799 zuerst wieder auf Hamburgs deutsche Bühne einführten, ist auch schon manches lobpreisende Zeugnis seit Jahr und Tag, oft wiederholt, publicirt worden – ich stimme jenen Zeugnissen im Hauptwerke von Herzensgrund bey. –
Aber eben um deswillen, weil der höchste Werth der Zauberflöte in Mozarts unvergleichlicher Composition liegt; so muß auch jede große Parthie in selbiger, Pamina, die Königin der Nacht, Tamino, und Sarastro, mit Meisterstimmen, Papageno, und Monostatos, [23] mit guten Sängern, besetzt seyn. – Nur dann kann das Ganze in der Erhabenheit hervortreten, welche Mozart ihm würklich zugeeignet hat.
Gern wollte ich dieses, als Thatsache, auch von ihrer heutigen Darstellung in Hamburg behaupten, und ich könnte es mit wärmster Ueberzeugung thun, hätte nicht Herr Scholz seinen Sarastro so durchgängig verstümmelt. Ich habe ihn heute zum erstenmal singen gehört – er hatte den Husten, und konnte gar nicht – singen. Angst und bange wurde mir bey seinem Vortrage der sonst Herz und Seele erhebenden Arie: In diesen heil’gen Hallen etc. etc. Sein Anstand, die ganze Haltung und Bewegung seines Körpers, sein Mienenspiel, waren unter aller Kritik. – Es thut mir wahrlich wehe, ein so gar strenges Urtheil gleich anfänglich niederzuschreiben, aber – Wahrheit und Unpartheilichkeit dringen mir es ab! Ich schike es wohlbedächtig allen andern voraus, und eile davon weg, um in meinen fernern Reflectionen, und Raisonnements, über jedes Schöne, Vortrefliche, Vollkommene, was ich heute auf Hamburgs deutscher Bühne sah, und hörte, nicht weiter gestört zu werden.
Ein Paar wichtige Sängerinnen Madame Willmann und Madame Haßloch wetteiferten [24] heute, Mozarts Zauberflöte in ihren einzelnen Partien zur höchsten Vollkommenheit empor zu heben.
Erstere, eine Künstlerin vom Wiener Theater, bewirkte es, als Pamina. Diese, ihrer Talente, und ihres sittlichen Verhaltens, halber gleich schäzbare Frau, besuchte, auf einer musikalischen Reise, so sie, von ihren Gatten begleitet, jezt durch Deutschland macht, unlängst auch Hamburg; producirte sich während ihres hiesigen Aufenthalts in verschiedenen Opern, und in einem Conzert, auf unsrer deutschen Bühne als vollendete Sängerin; erndtete jedes einzelne mal ungetheilten Beyfall, und erwarb zugleich in jedem gesellschaftlichen Zirkel allgemeine Achtung. Heute spielte sie, als Pamina, hier die letzte Gastrolle.
Naturgabe eignet Madame Willmann keine allzustarke, aber eine höchst angenehm eindringende, Stimme, welche vom tiefen C bis ins viergestrichne E reichet, zu. Ihre Produktionen bewiesen heute, daß Studium und Routine diese Stimme ganz in ihre Gewalt sezzen. Sie sang ihre Verzierungen mit dem feinsten Geschmack, und, wenn sie zumal nicht überhäuft in einer Arie vorkamen, mit dem glüklichsten Erfolg. Am Schluß des dritten Akts legte sie eine andere Arie da ein, wo Mozart das schöne Adagio, welches blos [25] mit reinem Portamento di Voce, oder Tragen des Tones, ohne Weiteres, gesungen werden soll, componirt hat. – Diese Demarsche kann ich nicht billigen, so künstlerisch auch Madame Willmann ihre eingelegte Arie sang. – Schon das Unternehmen: an Mozarts Meisterarbeit Etwas zur Verbesserung abzuändern, oder zuzusezen, darf, als zu gewagt, kein kompetenter Kunstrichter rechtfertigen; Mozart selbst würde Madam Willmann keinen Beyfall zugeklatscht haben, hätte er sie an der Stelle, wo Pamina vom Jammer zerknirscht ist, ihr heutiges Rondo, nebst dem brillanten Schluß-Allegro aus A dur, singen gehört, wenn er auch allenfalls das vorhergehende Cantabile, aus Galanterie gegen das artige Weibchen, gelten lies. –
Am Schlusse des Terzets vom 4. Akt, zwischen Pamina, Sarastro, und Tamino, kam durch eine kleine Versäumniß der Madame Willmann, an der Stelle: Tamino lebe wohl! etc. beynahe die ganze Oper ins Schwanken.
Mit künstlichem, und eindringendem, Gesang verband Madame Willmann ein anständiges, zur Rolle passendes, gefälliges, Spiel. Gleich bey ihrem heutigen ersten Auftreten, da, wo Monostatos Paminen unter dem Gesang: „Du feines Täubchen nur herein“ [26] etc. auf die Bühne geschleppt bringt, wurde sie mit lauten Applaudissements empfangen, riß sich vom Monostatos los, und dankte ans Publikum mit tiefer Verbeugung. – Das Klatschen galt directe der beliebten Madame Willmann, Pamina hatte noch kein Wort gesprochen, keinen Ton gesungen; Pamina, die vom zudringlichen Mohr bis zur Todesangst verfolgte Pamina, hätte schlechterdings nicht danken sollen – – dergleichen Absprünge von der Rolle stören im Kunstgefühl attenter Zuschauer die Illusion. Madame Willmann war sehr elegant, und wohlständig, aber nicht ganz adäquat, gekleidet. Die neumodischen europäischen Schuhe contrastirten fehlerhaft zu der übrigen Tracht des altgriechischen Costüms – in fleischfarbenen Sandalen, bis über die Knöchel mit schmalem Bande geschnürt, hätten sich ihre Füße zeigen sollen.
Madame Haßloch legte heute in die Königin der Nacht gerade die hohe Würde, welche von dieser Rolle unzertrennlicher ist, als von jeder andern, wenn sie nicht die ganze Oper entstellen soll. Hinreißend arbeitete ihre schöne Stimme im schwersten Gesange; majestätisch war jede ihrer Attitüden; in jedes Wort, in jede Miene, legte sie richtigen, durchgreifenden, Ausdruk. Wie glüklich [27] gelangen ihr, vorzugsweise, in der Arie des III. Akts: „Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen etc.“ Die vier Tacte Triolen, mit welcher unübertreflichen Energie endete sie in denen Worten: Rache, Götter! [[Korrektur: Rache-Götter!]] – Hört der Mutter Schwur! – diese magnifique Arie; wie prächtig, wie geschmakvoll, war sie gekleidet? – – So muß es aber auch seyn! Eine solche Figur, ein solcher Gesang, ein solches Spiel, ein solcher Anzug, müssen die Königin der Nacht in der Zauberflöte auszeichnen – fehlt ihr eines dieser Attribute: so verliert sie gewiß aus ihrem Diadem einen Edelstein, den jeder delikate Kunstrichter mit Widerwillen vermißen wird. – – Schon ehedem in Cassel hatte ich öftere Gelegenheit, Madame Haßloch in ihren theatralischen Ausübungen zu beobachten; ich überzeugte mich damals, daß sie auf der Bühne sehr viel zu leisten vermag; ich freute mich herzlich, sie in Hamburg, noch in voller Kraft der ausübenden Künstlerin, wieder zu sehen, und wünsche ungeheuchelt, daß sich Alles vereinigen möge, sie von Zeit zu Zeit bey frohem Muthe zum hiesigen Berufe zu erhalten, sie fortdauernd an unser deutsches Theater zu attaschiren! – Nur eine kleine, schon mehrmals, und auch heute wiederholt, von mir gemachte Bemerkung wird Madame Haßloch nicht mißdeuten: Wenn sie Passagen singt, zupft sie fast immer mit denen ersten beyden Fingern der linken Hand in tempomäßiger Bewegung an ihrem Kleide. – Bey eigner Prüfung dieses Winkes, bey manchmaliger Erinnerung an ihn, wird Madame Haßloch eine so auffallende Grimasse sich gewiß bald abgewöhnen.
[28] Herr Kirchner, ist jezt, als theatralischer Künstler, hier recht beliebt; er verdient auch wegen seiner Talente, und emsigen Aplication, Achtung. – Durch seine prevenante Figur, durch seinen angenehmen Tenor, hat er sich immer, und in mancher gut ausgeführten Rolle schon oft, an Hamburgs Publikum vortheilhaft empfohlen. Auch für die heutige Darstellung des Tamino verdient er gerechtes Lob. Er sang seine erste Arie vorzüglich gut, und führte die ganze Partie mit gefälligstem Anstande durch. Nur bey der Feuer- und Wasser-Probe schien er um seine Pamina zu wenig bekümmert, er ließ sie zu weit hinter sich, sahe immer, ohne einen einzigen Rükblik auf sie, nur gerade vorwärts, arbeitete sich nicht, wie er eigentlich sollte, sondern gieng fast ganz gelassen, mit zu festen Tritten, durch Flammen und Wellen. – Pamina mußte ihm nothwendig folgen, wollte sie nicht völlig von ihm getrennt seyn, drum kamen beyde, da ohnedem der Raum der Decoration an diesen Stellen schmal ist, da Feuer und Wasser nahe beysammen stehen, zu geschwind durch. – Herr Kirchner lies die Zauberflöte zu wunderthätig wirken, und an der beabsichtigten Illusion dieser interessanten Scene, nach welcher die Zuschauer beyde Geprüfte in der äußersten Lebensgefahr glauben, für sie zittern, mitleidig gespannt auf ihre zweifelhafte Rettung harren sollen, ging dadurch viel verlohren.
Am öftersten unter allen Rollen wird Papageno auf denen Bühnen vergriffen, wechselseitig als Dummkopf, und Possenreißer, nicht selten als Pendant zum Peter in Menschenhaß [29] und Reue dargestellt. – Er ist keiner von Allen, sondern ein frohmüthiger gesunder Naturmensch, dem es nicht am sinnlichen Verstande, aber an aller Cultur und Erfahrung fehlt, dessen Aufmerksamkeit von je her nur an die einförmigen Gegenstände gewöhnt war, die ihn täglich umgaben, der daher vor jedem fremden zaghaft stuzte, dessen Wünsche sich auf Sättigung, Bedekung, und Sicherstellung seines Körpers so lange concentrirten, bis die erwachende Leidenschaft für das schöne Geschlecht in ihm eine Hauptcrisis, Entwiklung, und Aufklärung bewirkte.
Ich glaube daher, daß ein nach dieser Skizze richtig gespielter Papageno eine mit so viel Schwierigkeiten verkettete Rolle ist, der nicht leicht ein Schauspieler gewachsen genug seyn wird, um sie ganz erschöpfen zu können.
Herr Ritzenfeld hat seinen heutigen Papageno durch keinen Fehler verunstaltet. Da aber körperlicher Mechanismus, Teperament und Humor, Herrn Ritzenfeld überhaupt mehr zu starken als feinen, mehr zu stürmischen als sanften und schwebenden Attitüden auf der Bühne qualificiren; so wünschte ich allerdings, daß er seinen komischen Vortrag in der Rolle des Papageno immer mehr abschliffe und verfeinerte – dann würde er sie jedesmal munter und frölich, nie ausgelassen, gewiß aber desto gefälliger, spielen. Herr Ritzenfeld sang heute mehrentheils, besonders das Duet mit Madame Willmann im ersten Akt: bey Männern welche Liebe fühlen etc. sehr brav, aber bey der Stelle, wo Papageno mit Paminen in Terzen singt: Mann und Weib etc. verspätete sich Hr. Ritzenfeld absichtlich um ein Achtel. [30] Dieser Spaß, zu verführerisch für das Orchester, konnte sehr nachtheilige Folgen für das Ganze hervorbringen. Alle Instrumente sollen hier forte einfallen, läßt sich ein einziges hinreissen, mit dem Sänger gleichen Schritt zu halten: so verspätigt es sich auch gegen die andern – und eine allgemeine Zerrüttung des Tempo wird dann unvermeidlich.
Monostatos fordert von seinem Producenten keine tiefstudierte Kunst, mithin leistete Herr Gollmik dieser Rolle gewiß Genüge, da er seine Ariette: Alles fühlt der Liebe Freuden etc. sehr jovialisch und wohlklingend sang, im Uebrigen das heisse Brennen auf Paminen natürlich ausdrükte, und die Stellungen des, bald aus Liebesglut verwegenen, bald gegen seinen Gebieter sclavisch kriechenden, Mohren im beständigen Hüpfen, heute noch sehr gemäßigt, einschränkte.
In allen Nebenrollen, zu welchen ich bey der Zauberflöte die Papagena, die Nimpfen der Königin der Nacht, die Genien, beyde Sprecher, und das Priesterchor rechne, habe ich, keinen Fehler, bemerkt. Doch war unter denen Priestern Herr Petersen der einzige, welcher in der Ordnung und 1sten Scene des III. Akts auf Sarastros rechten Seite die Fakkel in der linken, das Horn in der rechten Hand trug, – er verschob dadurch die schöne Simetrie des Ganzen merklich.
Das Orchester strengte sich heute rühmlichst an, zur Erhebung der Zauberflöte, von seiner Seite mitzuwirken. Besonders gelang es denen Flöten und Fagots, die Takte, wo sie mit Octaven zusammen gehen, ganz rein, ohne den mindesten Anstoß, zu blasen. Für beyde [31] Instrumente sind gerade diese Takte, wegen der vorkommenden Semitonien, die schwersten. Doch hätte ich gewünscht, das Accompagnement in der Introduktion moderater zu hören, um an Taminos entferntem Gesang Nichts zu verlieren. Das gleich nach dem ersten Akt wieder eintretende Stimmen, welches bis zum Präludiren accrescirte, war mir, ich kann es nicht bergen, widerlich – selbst beym Anfang jeder Oper wünschte ich fernerhin nicht, wie bisher, wiederholte Stimmungen zu hören, noch weniger sogar zwischen denen Akten Saitengeklimper zu bemerken. – Man gönne doch, von Seiten des Orchesters, mir und Andern die Befriedigung, ausser der ersten Stimmung bis zu denen Ouvertüren die indessen niedergelegten Instrumente gar nicht zu hören! Alle Decorationen der Zauberflöte im neueren Apparat, sind nach dem Raume, welche die Bühne ihnen verstattet – zu Herrn Mauberts Lobe sey es auch von mir gesagt – unverbesserlich; nur wünschte ich, daß der Machiniste, welcher auf unserer deutschen Bühne die Gewitter dirigirt, seinen Blizzen einen stärkern Druk zu geben wüßte – heute prallte Papageno vor einem solchen Bliz über das halbe Theater zurük, der kaum den Effect eines ausgeblasenen Lichts bezeichnete. – Könnte nicht Herr Maubert, als Dekorateur, diesfalls andere Anordnungen treffen? –
Einige Requisiten zur Zauberflöte gefallen mir nicht! Papagenos mistisches Amulet hat mit der äussern Figur eines Spiegelfutterals gar zu frapante Aehnlichkeit; andere, Papagenos Lokpfeiffe, die Becher, welche ihm vom alten Weibe, und aus der Vertiefung, zum Trinken [32] gereicht werden, sind durch zeitherigen Gebrauch sehr im Gold- und Silberpapier verrostet, ja sogar Taminos Zauberflöte hat den obern elfenbeinernen Knopf verloren. – Ich empfehle der Direction diese kleinen Defecte zur baldigsten Wiederherstellung in brillanten Stand! – –
Vorstellungen in der künftigen Woche, wenn nicht Krankheit oder sonstige Umstände eine Aenderung nothwendig machen.
Sonntag, den 12ten: das Sonnenfest der Braminen, Singspiel in 4 Aufzügen.
Montag, den 13ten: die Räuber, Trauerspiel in 5 Aufzügen.
Dienstag, den 14ten: der Baum der Diana, Singspiel in 3 Aufzügen.
Mittwoch, den 15ten: Die beyden Grenadiere, Lustspiel. Die beyden kleinen Savoyarden, Singspiel.
Donnerstag, den 16ten: das Vaterhaus, Schauspiel.
Freytag, den 17ten: Gustav Vasa.
S. 3, Z. 1, v. u. l. m. statt ergiebigerendesten: ergiebigsten.
S. 4, Z. 20, v. o. l. m. statt apatictische: apodictische.
S. 6, Z. 5, v. o. l. m. statt Vervollkommnung: Vervollkommung.
S. 6, Z. 8, v. o. l. m. statt Erfahrenem: Erfahrenen.
S. 6, Z. 9, v. o. l. m. statt Gesehenem oder Gehörtem: Gesehenen oder Gehörten.
[33]
Donnerstags, den 2ten Oktober d. J., trat auf Hamburgs deutscher Bühne das Vaterhaus, Schauspiel in fünf Aufzügen von Iffland, hervor.
Wenn denn einmal die beliebten Jäger fortgesezt werden sollten: so war wohl nur ein Iffland vermögend, das neuere Produkt dem älteren paralel zu stellen. Und doch wage ich es, aber blos mit Berufung auf mein eigenes Gefühl, zu behaupten: daß selbst Ifflands Meisterhand in das Vaterhaus den hohen, für allen Widersprüchen, und mehreren Anforderungen, sichergestellten Werth, welcher denen Jägern von jeher allenthalben und einstimmig zugestanden worden ist, um dessen willen sie noch jezt, nach unzähligen Darstellungen, auf jeder guten Bühne willkommen sind – nicht gelegt hat.
[34] Man kann die Jäger oft wiederholt lesen, und sehen, man wird über Alles mit dem Verfasser eins seyn, Nichts davon, Nichts dazu, wünschen, und jedes einzelne mal aus dem Lesen, und Sehen, neue Zufriedenheit, neue Herzerwärmung, schöpfen – Vom Vaterhaus können mein individuelles Gefühl, und meine Erfahrung, nicht das nemliche rühmen, zumal da ich den Inhalt dieses noch ungedrukten Schauspiels nicht lesend studiren konnte, mich blos mit den Eindruk begnügen muß, welche dessen zeitherige Darstellungen von Hamburgs Bühne herab auf mich gemacht haben. Große, einzelne, Schönheiten sind gewiß meiner Bemerkung nicht entgangen, aber der Zusammenhang des Ganzen, Ver- und Entwikkelung, haben nicht so mächtig auf mich gewirkt, mich nicht so vollständig befriedigt, als die Jäger immer es thaten.
Auf unserm deutschen Theater waren heute sämtliche Rollen des Vaterhauses mit eben so viel Discernement besezt, als sie alle, selbst die unbedeutenden, glüklich durchgeführt wurden.
Als Schauspieler vom erstern Range ist Herr Steiger in Deutschland anerkannt; als solcher arbeitet er jezt auf Hamburgs Bühne sich immer zur höheren Vollkommenheit empor, als solchen schäzt, und liebt, ihn unser Publikum einstimmig. Schon öfters hat Herr Steiger auswärts, und hier, in denen Jägern den Oberförster Warberger meisterhaft, accurat mit der humoristischen Eigenheit, mit allen Nüancen des cholerischen Temperaments und der predominirenden Gutmüthigkeit, strenger Grundsäzze und des weichsten Herzens, welchen Ifflands Genie, [35] und Menschenkenntniß, so glücklich in diesen Charakter verwebten, dargestellt. Die gespanntesten Ansprüche konnten daher im Vaterhause von eben dieser Rolle, von eben diesen Producenten, nicht mehr erwarten, als was Herr Steiger heute wirklich geleistet hat. – –
Wenn dieses Urtheil, von Selbstgefühl und Ueberzeugung meiner Feder dictirt, sich nur im Mindesten darzu eignet, des Künstlers auswärtigen Ruf zu bestätigen, zu erhöhen: so wird Herr Steiger auch das folgende seiner Prüfung nicht unwerth achten, es, bewährt erfunden, vielleicht in der Folge benuzzen. Mit Recht bricht Oberförster Warberger in denen Jägern, da wo er erfährt, daß sein Liebling, sein Einziger, sein Anton, unter sehr wahrscheinlichem Verdachte, als Mörder eingezogen ist, in Klagen, in Heftigkeiten, die der Verzweiflung nahe treten, aus. – Nicht das Nemliche darf der Oberförster im Vaterhause thun, wenn ihm der intriguante v. Zecck ins Ohr flüstert: sein Sohn sey abgereist, um sich zu duelliren. Erschrekken kann er über die von jedem ernsthaften Duell unzertrennliche Gefahr, in der er seinen Anton weis, welcher er ihn durch den ihm kurz vorher, unverdient, zugeworfnen Schurken noch recht entgegen gejagt hat; rasch sich zu seiner Rettung als liebender Vater, als zu voreiliger Beförderer der Catastropfe [Korrektur: Catastrophe]], entschließen; Consternation, und jede Anstrengung frühzeitig genug auf den Tummelplaz zu kommen, äußern; mit stürmender Hastigkeit die Bestellungen dazu machen; statt aller weitern Explication mit der Familie, seinen Vorsaz, seinen Beruf: ich will, ich muß ihn [36] retten, ankündigen; – aber nicht, wie ein Desperater, die Hände einmal nach dem andern über den Kopf zusammenschlagen, nicht fürchterlich schreien. Zwischen der damaligen wahrscheinlichsten Gefahr, zum Tode auf dem Blutgerüste, als Mörder, verdammt zu werden, und der gegenwärtigen, noch sehr zweifelhaften, in einem Duell auf Pistolen umzukommen, vielleicht aber auch nur eine Bleßur davon zu tragen, oder, wenn eins von beyden den Gegner betreffen sollte, eine Zeit lang außer Landes zu fliehen, ist notorisch eine große Kluft befestiget.
Madame Fiala muß man billig zu denen unentbehrlichen Mitgliedern unserer hiesigen Bühne in dem Fache rechnen, wozu sie bestimmt ist, und wozu sie mehr, als die übrigen Individua, welche von Zeit zu Zeit in ganz diversen Fächern sehr mit ihren Attributen kontrasirende Rollen entweder aus Selbstsucht spielen, oder nach Vorschrift spielen müssen, ausschliessend gebraucht wird.
Gutmüthige, egoistische, bald polternde, bald tämpernde, an Vorurtheilen, an Rokkenphilosophie, an Aberglauben, an Capricen, festhangende, auszeichnend redeselige, Weiber, Gattinnen, Mütter, prescibirte Jungfern, stellt Madame Fiala gewiß jedes einzelne mal dem vorgezeichneten Charakter getreu, mit wahrhaftestem Ausdrukke dar. Sie kennt ihr bestimmtes Fach durchaus; sie studirt und spielt ihre Rollen mit Nachdenken und Kunstgefühl; sie memorirt sehr gut; sie kleidet sich immer wohlständig und angemessen; ihre Stellungen, ihre Gestikulationen, ihr Mienenspiel, passen mehrentheils zum Ganzen [37] sehr natürlich, oft, für das Eigenthümliche des Augenbliks, meisterlich. Mit allen diesen Attributen ausgerüstet, und jedes derselben am rechten Orte anstrengend, spielte sie heute die Oberförsterin sehr gut, gewiß zum vollständigen Vergnügen des Publikums.
Forstmeister Warberger im Vaterhaus soll, nach absichtlicher Vorzeichnung des Dichters, gegen Antonen in denen Jägern auffallend abstechen. Dieser war ein Jüngling von gutem Stoff, in dessen Handlungen des Vaters warmes Blut, der Mutter Treuherzigkeit, als combinirte Triebfedern eingriffen, der aber, ausser der elterlichen Leitung, wenig Kultur, noch weniger Weltkenntnisse, gesammelt hatte. Der Forstmeister im Vaterhaus hingegen ist seit fünf Jahren durch Standeserhöhung, Dienstverhältnisse, Connectionen am Hofe und in der Residenz, zum Weltmann sichtlich verfeinert, durch vertraulichen Umgang mit Herrn v. Zeck, durch Leidenschaft für eine italiänische Buhlerin, in seiner Moralität sehr verschraubt – keineswegs aber ganz verdorben worden. Die von braven Eltern in der jugendlichen Erziehung ihm eingeprägten Grundsäzze stehen noch fest in seinem Innersten, Zufälligkeiten haben blos ihre stete Ausübung verdrängt, ohne sie zu vernichten.
Alle diese künstlichen Abstufungen in dem Character, und in dem Aeußern, des Forstmeisters Warberger mußte Herr Solbrig sehr forschend durchgedacht haben, denn er verfehlte keine derselben bey dessen heutiger Darstellung. Er blähete sich von vorne herein mit stolzer Anmaßung [38] gegen Jedermann im väterlichen Hause, fast auch gegen Vater und Mutter; die schönsten zu seinem Empfang von lezterer getroffenen Anstalten, die von beyden für seinen Knaben herbey geschaften Spielsachen, schien er gar nicht zu bemerken; überhaupt war ihm im Hause Alles zu enge; seinem geschwinden Durchfahren aus einer Stube in die andere konnte man es deutlich abmerken, wie sehr er sich an Antischambern und Prunkzimmer gewöhnt hatte; nur einzelne warme Zuthätigkeiten marquirte er gegen die liebevollen Eltern, jede mußte ihm abgenöthigt oder abgelokt werden; der bidern Moral des Vaters, denen ängstlichen Warnungen der Mutter, setzte er in Worten und Mienen hör- und sichtbare Widersprüche entgegen; seiner Gattin, der sonst so heiß geliebten Friederike, begegnete er höchstens mit höfischen Complimenten, so oft er sie nicht mit verächtlichem Kaltsinn, oder lauten Vorwürfen, quälte; dem Pastor Seebach, dem Schulzen, gönnte er nur selten ein gnädiges Kopfnikken; seine sonstigen Cammeraden, die Jäger Rudolph, und Hans, würdigte er keiner Bemerkung, geschweige denn eines Grußes; selbst dem Herrn v. Zeck imponirte er seine Protection oft sehr auffallend. – In allen diesen abwechselnden Nüancen erhielt sich heute Herr Solbrig sehr meisterhaft bis ans Ende des Stüks.
Als der Vater den Sohn von dem, durch thätige Verwendung glüklich abgelehnten, Duelle unversehrt nach Hause zurük bringt, da erst strömen die in lezterm neuerwekten edlern Gefühle wieder aus; eben da war auch heute Herr Solbrig im Aeußern nicht mehr der arrogante, luftige [[Kommentar: -- hier wohl tatsächlich "luftig", nicht "lustig", vgl. Grimm. Wörterbuch, Bd. 12, Sp. 1257 ("luftig", Bedeutung 9) --]] [39] Welt- und Hofmann, sondern ganz der ehemalige Anton. Dann zeigte er in jeder Stellung, in jeder Miene, daß seine Reue, und sein Vorsaz zur Besserung, ernsthaft waren, daß er gewiß denen früheren Grundsäzzen seiner Erziehung fernerhin als Sohn, Gatte, und Vater, treu bleiben werde.
Da ich Herrn Solbrig ehedem schon den Anton in denen Jägern spielen sahe: so machte mich sein rühmliches Studium in der heutigen Rolle desto aufmerksamer. – Herr Solbrig hat von der Natur in seinem regelmäßig gebauten Körper, in seinem männlich schönen Gesicht, in seinen wirksamen Sprachorganen, trefliche Anlagen erhalten, um als Schauspieler zu brilliren; er besizt ausserdem wissentschaftliche Kenntniße, und Belesenheit; wie weit kann es dieser, noch in voller Blüthe stehende, junge Mann bringen, wenn er, so lange er die theatralische Carriere verfolgt, alle Kräfte diesem Berufe widmet; wenn er besonders beym auswendig Lernen jeder Rolle sein Gedächtniß so anstrengt, wie es bey der heutigen gewiß geschehen seyn mußte, weil ihm kein Wort daran fehlte; wenn er sich auf der Bühne nie, selbst im kleinsten Bestandtheile seines Anzugs, die mindeste Nachläßigkeit erlaubt? – – Des Forstmeisters Jagduniform war höchst elegant, und stand Herrn Solbrig vortreflich – Aber wie konnte er mit so rostigen Sporen auftreten, diese Sporen durch kaum fingerbreite, nicht einmal schwarz gefärbte, Lederchen anschnallen? – Schon die Art von Spazierstiefeln, wie Herr Solbrig sie heute trug, paßten zu dem sonstigen Anzuge gar nicht. Stiefeln mit ganz steifen gebrannten Schäften, die [40] bis über die Biegung des Knies reichen, spiegelblank abgewichßt, würden ihn, schon seines Wuchses halber, immer vortheilhafter kleiden, als solche, die nur bis unter das Knie langen – an dergleichen Stiefeln gehören immer silberne, oder blizzend polirte, Sporen, mit händebreiten, nach denen Fußzehen zugespizten, Ledern angeschnallt. Bey bürgerlichen Anzügen aber, welche keine Steifstiefeln gestatten, wünschte ich, daß Herr Solbrig jedesmal – wenn seidene Strümpfe und Schuhe sich zur Rolle absolut nicht schikken – Pantalons, und Zischmen, trüge.
Friedrike steht im Vaterhause bey weitem nicht in der interessanten Verbindung mit dem Ganzen, als wie in denen Jägern. Madame Langerhans, welche es sehr in der Gewalt hat, auch in unwichtige Rollen durch ihre Person, und durch ihr Spiel, Wirksamkeit zu legen, sparte heute keine Kunst, keinen Fleiß, die vom Dichter der Forstmeisterin Warberger zugetheilten Eigenthümlichkeiten hervorstechend darzustellen; und colorirte daher Friederikens unveränderte innige Anhänglichkeit an die bidern Pflegeeltern, ihr Mißvergnügen über des Herrn Gemahls Standeserhöhung und über ihr eigenes, damit verbundenes, Verseztseyn in die große Welt, ihren nagenden Seelenkummer über die wankelmüthige Liebe des Gatten, ihren Scharfblik, mit dem sie des Herrn v. Zeck angezettelte Cabalen durchschaut, ihre Willfährigkeit, jede erkannte, und bereute, Verirrung dem Formeister zu verzeihen, ihre überströmende Freude, als sie mit Grunde glauben durfte, ihren Anton, und [41] dessen sonstige Liebe, wieder gewonnen zu haben, und ihre emporfliegende Hoffnung: fernerhin, entfernt vom Geräusche der Residenz, jedes häusliche Glük im Schooße der Warbergerischen Familie ungestört zu genießen – sehr expressiv und wohlgefällig.
Pastor Seebach, und der Schulze, wurden heute durch die Herren Langerhans, und Löhrs, treffend und richtig vorgestellt – Beyde aber fühlten gewiß ihre künstlerischen Talente im Vaterhause weit enger, als in denen Jägern, eingeschränkt.
So oft Herr Wohlbrück die Bühne betritt, legt er unverkennbare Proben ab, daß er ganz für seinen Beruf lebt, daß er durch discretives Studium tief in den eigentlichen Sinn seiner Rollen eindringt. Je schärfer man ihn beobachtet, desto fühlbarer überzeugt man sich, daß er jeden Perioden seines Vortrags vorher durchdenkt, daß er dazu passendes Mienenspiel, expressive Gesticulationen, und eleganten Anzug, mit der feinsten Ueberlegung auswählt, daß er sich noch nicht für vollendet schäzt, aber mit schnellen Schritten der Vollendung zueilt. Herr Wohlbrück spielte daher auch heute den Herrn v. Zeck ganz in der von dem Dichter vorgeschriebenen Mensur.
Die Herren Gollmik, und Ehlers, bezeichneten durch angemeßnes Spiel aufs deutlichste, daß seit fünf Jahren der Jäger Rudolph an sittlicher Verfeinerung viel gewonnen hatte, Hans hingegen, bey aller Emsigkeit im Dienste, bey aller unerschütterlichen Treue gegen seine gute Herrschaft, sich immer noch nicht unter die Aufgeklärten zählen durfte.
[42] Ausdruksvolle Phisionomie, feine Figur, körperliche Gewandheit, und theatralische Routine, sezzen Herrn Haßloch in den Stand das Publikum, als Chretien, zu interessiren. Er beeiferte sich, jene Attribute alle heute geltend darzustellen – und er hat seinen Zwek gewiß nicht verfehlt. Chretien machte in jedem Betracht, selbst durch glänzenden Anzug, ob er gleich nur Livre bestimmte, seinem Posten, als Leibjäger des arroganten Forstmeisters, Ehre. Nur das sogenannte Hornfessel, so schön auch sein Silberglanz wirkte, gefiel mir nicht; nach dem eigentlichen Jägercostüm, dürfen die Zipfel daran nicht sichtbar seyn, das Hüft-Horn muß beyder Verbindung dekken, über ihm aber eine große Masche von grünem Bande befestigt seyn. –
Freytags den 3ten October kehrten die, bisher exilirten, Räuber, ein Trauerspiel in fünf Acten, von Friedrich Schiller, auf Hamburgs deutsche Bühne zurük. Sie wurden nach der von Plümeke im Jahr 1787 gefertigten Travestie, aber noch mit manchen, auch in lezterer hier regulirten, Abänderungen gegeben. Mehr als zu viel ist schon Jahre lang über den innern Werth dieses berühmten Stüks geschrieben, und gestritten, worden, aber weder Dramaturgen, noch Moralisten, konnten sich [43] bisher in ihren Urtheilen darüber vereinigen. – Bekannt sind die Räuber weit und breit; jede große Bühne schäzt und benuzt sie, als eines der einträglichsten Producte für die Theatercassen, denn nicht leicht wird eine derselben, nach Vorstellung der Räuber, ungefüllt seyn. Ich begnüge mich daher, blos von ihrer heutigen auf unserm deutschen Theater, zu schreiben, sogar meine Raisonnements nur auf das Merkwürdigste in selbiger einzuschränken, weil in der That der Umfang dieses Trauerspiels zu ausgedehnt, zu reichhaltig, ist, als daß der scharfsichtigste Beobachter aus einer einzigen Production im Detail, und gründlich genug, darüber urtheilen könnte.
Die Hauptrollen bearbeiteten heute Herr Löhrs als Maximilian, Herr Herzfeld als Carl, Herr Wohlbrück als Franz, Grafen v. Moor, und Madame Herzfeld als Amalia. Den Bastard Herrmann spielte Herr Solbrig. Die sieben Libertiner, nachherige Banditen unter Carls Moor Anführung: Glaßberg, Schweizer, Grimm, Schufter, Roller, Razmann und Kosinzky, waren mit lauter geübten Schauspielern, denen Herren Eule, Langerhans, Leo, Ehlers, Stegmann, Golmik und Haßloch besezt. So viel vereinigte Kräfte, an rechten Orten zur individuellen [44] Wirkung angestellt, mußten unumgänglich ein vollendetes Ganzes hervorbringen – und sie brachten es wirklich hervor.
Herr Löhrs führte seinen Maximilian, troz aller in dieser Rolle liegenden, den Schauspieler fast zermalmenden, Schwierigkeiten, trefflich durch. In denen epineusesten Situationen, bey dem wiederholten Ausrufen: Mein Fluch ihn gejagt in den Tod! Gefallen mein Sohn in Verzweiflung! – bey der wüthenden Forderung an Franzen: Scheusal! Scheusal! Schaff mir meinen Sohn wieder! – bey denen schreklichen Worten, womit er den hinausgelaufenen Franz verfolgt: Tausend Flüche dir nach! Du hast mir meinen Sohn aus den Armen gestohlen – – erschöpfte heute Herr Löhrs die reinsten Quellen der dramatischen Kunst.
Madame Herzfeld, die liebliche Blume in Thaliens Hamburgischem Kunstgarten, stellte uns heute Amalien gerade so verehrungs- gerade so bedauernswürdig dar, wie sie Schillers glühende Phantasie gezeichnet hat. – Gerechter, concentrirter, weiß ich die holde Frau, die bewährte Künstlerin, nicht zu loben! – Hätte sie doch bey ihrer lezten Scene, wo sie im Walde, mitten unter denen Räubern, den Oheim, den Geliebten, wieder findet, wo sie erfährt, daß ihr Carl Räuber- [45] und Mörderhauptmann sey, wo sie den Oheim in Verzukkungen hinsterben sieht, wo ihr selbst der Tod aus Carls Händen entgegen tritt, mehr wildes Feuer in ihr Spiel gelegt! – bis zur Unübertrefflichkeit würde sie es dadurch erhoben haben! – Doch vorherige Anstrengungen hatten vielleicht bis dahin die Künstlerin schon zu sehr abgemattet.
Herr Solbrig exprimirte deutlich jedes Gefühl, das der Dichter Hermannen zueignet. Immer sah er dem heimtükkischen Franz tief in die Karte; nur unbezwingliche Leidenschaft für Amalien konnte ihn von Zeit zu Zeit hinreissen, sich zum Werkzeug von Franzens Bosheit wegzuwerfen; kaum aber überzeugte er sich, daß ihn jener nicht mehr schone, daß ihm auf Amalien nicht die mindeste Hoffnung mehr übrig bleibe, so gieng er von geheuchelter Freundschaft rasch zur executiven Rache über. Von allen diesen eben so feinen, als schweren, Nüancen verfehlte heute Herr Solbrig keine; er hielt sich vom Anfang bis zum Ende fest im richtigsten Spiele.
Als Libertiner arbeiteten heute, schon erwähnter maßen, lauter gute Schauspieler; kein Wunder, daß auch in diesem Chaos genügeleistende Ordnung herrschte, selbst aus ihm einzelne Vollkommenheiten hervor schimmerten! –
[46] Wenn das lesende Publicum vielleicht denkt: unser Journalist hat ja in dieser Critik Carl und Franz Mooren ganz überhüpft: so thut es mir Unrecht. Ich habe mein Urtheil über ihre heutige Darstellung wohlbedächtig bis zulezt verspart, denn warlich die Herren Herzfeld, und Wohlbrük, leisteten beyde mehr, als mein Lob unfassen kann. Da wo ersterer am Schloß [Korrektur: Schluße]] des vierten Acts, Schweizern zubrüllt: jezt will ich bezahlen, Rache meinem Vater! [Korrektur: Räche meinen Vater!]] hätte ich auf die Bühne springen, ihm, danken mögen, mir das non plus ultra der theatralischen Kunst anschaulich gemacht zu haben. Zum Anfang des fünften Acts versezte Herr Wohlbrük mein Blut durch sein Spiel in fieberhafte Bewegungen; noch jezt habe ich den Eindruk jener beyden Scenen nicht verwunden. Im Ganzen spielte Herr Herzfeld erhaben, Herr Wohlbrük fürchterlich, schön. Wäre Melpomene diesen Abend auf Hamburgs deutsche Bühne herab gestiegen, um unter ihre hiesigen Eingeweihten Preise des Danks auszutheilen, sie würde warlich zwischen Herrn Herzfeld und Wohlbrück lange zweifelhaft gestanden, und doch endlich – hier lese das Publikum mein gewagtes Urtheil – den ersten Preis – Herrn Wohlbrük zugetheilt haben. – –
Sonnabends den 4ten Oktober gab auf dem hiesigen deutschen Theater Madame Willmann ihr zweites Conzert. – Auch dieses gehört, [47] seines Standpunkts halber, in mein journalistisches Departement. Das Haus war mit Zuhörern sattsam gefüllt, um des Publikums Wohlwollen für die nächstens abreisende Künstlerin nochmals zu bezeugen. Das Orchester fand ich äußerst ökonomisch besezt. Alle Produktionen, besonders die von Madame Willmann bewirkten, nenne ich vortrefflich. Am Schluß des Ganzen beurlaubte sie sich von Hamburg in Tönen, die ihrer Stimme und Kunst, in Worten, die ihrem dankbaren Herzen Ehre machten, sie sang:
Gesegnet sey die Stunde,
Die mich in Hamburgs Mauern
Als fremde Künstl’rin führte!
Hier schäzzet man Talente,
Auch mein’s ward aufgemuntert.
Mit innig warmem Danke
Verlaß ich dich, mir theure, Stadt!
Im Ausland werd’ ich stets
Es preisen, welche Güte hier
Mir widerfuhr! –
meisterhaft! –
[48] Der Verfasser dieses Journals erhielt am 13ten ein Handbillet N. K. unterzeichnet, aus der Nestlerschen Buchdrukkerey. Dessen Inhalt stimmt aufs Genauste mit seinem eignen Urtheile überein; er dankt dafür, und wird nächstens, sobald die Critik vom 12. dieses Monats der Reihe nach eintritt, davon den freymüthigsten Gebrauch machen.
Vorstellungen in den 3 ersten Tagen der künftigen Woche, wenn nicht Krankheit oder sonstige Umstände eine Aenderung nothwendig machen.
Sonntag, den 19ten: Der Deserteur, Singspiel in 3 Aufzügen. Die Martinsgänse, Lustspiel in 1 Aufzuge.
Montag, den 20sten: Gustav Wasa, Schauspiel in 5 Aufzügen.
Dienstag, den 21sten: Das rothe Käppchen, Singspiel in 3 Aufzügen.
S. 27. Z. 5. lese man statt Rache, Götter! – Rache-Götter!
[49]
Lohn der Wahrheit, ein Schauspiel in fünf Aufzügen von Kozebue, wurde Sonntags, den 5. October d. J. auf Hamburgs deutscher Bühne gegeben. In dem Stükke selbst liegt außerordentliche Kraft zur Wirksamkeit auf die Zuschauer, und es wurde heute so vollständig gut ausgeführt, daß gewiß alle Anwesende mit fühlbarer Sensation, und befriedigten Erwartungen, das Schauspielhaus diesen Abend verlassen haben.
Julie Sendheim, die elegante Wittwe, wurde von Madame Langerhans, mit dem Anstande, mit der Innigkeit, gespielt, zu deren richtigsten und interessantesten Darstellung diese Künstlerin nicht einmal ihre Kräfte zu spannen braucht, sondern nur ganz in ihrem natürlichen Wesen bleiben darf, um allgemeinen Beyfall zu verdienen.
[50] Antoinetten, das Kammermädchen, spielte Madame Löhrs. Beständiges Lachen, immerwährendes Hüpfen, Springen, Flattern von einer Stelle zur andern, beym Auf- und Abtreten, sind gewiß keine eignen Attribute für jede Kammer-Jungfer auf der Bühne, sie kleiden auch nicht eine, so gut als die andere, und können leicht durch zu sichtbares Anstrengen, durch zu öftere Wiederhohlungen, ins Misempfehlende ausarten. Antoinette im Lohn der Wahrheit, kann und soll sich zwar durch jovialische Laune, aber nicht als Irrwisch, auszeichnen, und vorzüglich müßen natürlicher Wiz, schneller und tiefer Blik in fremde Charaktere, richtige Würdernng [[Korrektur wohl: Würderung ?]] Anderer, Enthusiasmus für alles Wahre und Gute, innigste Anhänglichkeit, an die Person, und an das Interesse, ihrer Herrschaft, in dieser Rolle hervorstechen. Madame Löhrs that heute manchen einzelnen Meistergriff. Der künstlichste war wohl der, wo sie das Kozebuische Wortspiel: erpreßen mit der frappantesten Energie benuzte. Ueberhaupt gelangen ihr die in Verbindung mit Graxelmann gespielten Scenen durchgängig sehr gut – die mit Mopsen, weit weniger.
Lorenz Graxelmann, war heute auf unserer Bühne trefflich besezt. Herr Leo hat zum feinen comischen Vortrag große Talente, und die günstigsten Naturgaben; mit beyden verbindet er viel dramaturgisches Studium, und eine sehr ausgedehnte Theaterroutine. Wenn daher Herr Leo von dem heroischen Fache sich ganz zurükzieht, wenn er sich vom guten Humor nie aus dem Feinen zum Niedrigen hinreißen läßt, wenn er nie auf der Bühne sich das Mindeste [51] erlaubt, was sein eignes Kunstgefühl nicht ganz rechtfertigen kann: so wird er gewiß jede seiner Rollen eben so glüklich, wie die heutige, als Schauspieler von ächtem Werth, durchführen. Selbstsucht, desto linkischeres Streben nach Größe, Beyfall, und Ruhm, je öfterer ihm innres[WS 1] Bewußtseyn, oder Andere, sagten, daß er gar nichts tauge, unersättlicher Geiz, sind die einzelnen Bestandtheile, woraus der Dichter das Ideal zum Graxelmann geformt hat; Herr Leo benuzte heute seine eigenthümliche Kraft im Gebehrdenspiel, in der Gesticulation, und im Sprachtone, um das Ganze treffend darzustellen – selbst der Anzug konnte nicht passender seyn, als ihn der Sachkenner gewählt hatte – nur am Ende übermeisterte in einer Minute der Humor die Kunst. In dem Misverständniße, daß Julie Sendheim Graxelmannen heirathen wolle, stürzte Herr Leo torkelnd in die Coulisse, und fiel – es war warrlich schade – aus dem bis dahin behaupteten Feinen, ins Platte.
Wenn es darauf ankömmt, sanfte, gefühlvolle, rechtschaffene Hausfrauen, Gattinnen, und Mütter, ohne alle Carricatur von der Bühne herab darzustellen: so wird Madame Eule in jeder Rolle dem genauesten Beobachter, dem delicatesten Kunstrichter, Genüge leisten. Ihre Figur ist gefällig, ihr Anstand edel, ihre Sprache rein, ihr Accent richtig, ihre Manieren sind cultivirt, sie sucht sehr selten Hülfe bey dem Soufleur, und kleidet sich immer so geschmakvoll, so angemessen, als es die Rolle erlaubt, oder vorschreibt. Auch heute, als die fromme, zwar in der häuslichen [52] Lage äußerst eingeschränkte, von Nahrungssorgen gedrükte, aber immer mit stiller Ergebung duldende, für das Wohl zweyer guten, innig geliebten Kinder, ängstlicher als für sich selbst sorgende, Wittwe Hellmuth verdiente, und erhielt, Madame Eule, gerechten, ungetheilten, Beyfall.
Den höchsten Schwung gab allerdings dem heutigen Stükke Herr Solbrig, als Advocat Hellmuth. Prächtig spielte er die beyden Scenen, die 5te des IIten Akts mit Secretair Schwenzel, und die 2te des IIIten mit Julien Sendheim im Garten; überhaupt nahm er von Anfang bis zu Ende jede in ihm liegende Kraft zusammen, um sich in einer Triumphrolle zu zeigen, und – er reußirte glüklich! Der schwarze Anzug bezeichnete Hellmuths Attention auf sich selbst, und auf den äußern Wohlstand, zugleich aber seine eingeschränkten Umstände, sehr schiklich – nur bäte ich Herrn Solbrig, darzu ein andermal lieber ein buntes, wo möglich seidnes, Gilet, von modester Farbe, zu tragen, das leinene, ganz weiße, wirkt nicht gut vom Theater herab.
Molly, des Advacaten Schwester, ein sanftes Mädchen, welches der kindlichen Pflicht Alles, selbst den von Herzensgrunde geliebten, aber armen, Wolgast aufzuopfern bereit ist, um ihre Hand dem um sie werbenden, reichen, Schwezel zu geben, dadurch der Mutter Wünsche zu erfüllen, und lezterer ein sorgenfreyes, bequemes, frohes, Alter zu vermitteln, erregte heute, von Madame Herzfeld, innig und wahrhaft dargestellt, allgemeine Sensation.
[53] Herr Wohlbrük, spielte den Secretair Schwenzel, wie man es von seiner unermüdeten Application zum Beruf, vorher erwarten konnte, – sehr charaktermäßig, und gut.
Die Rolle des Polizey-Commißair Dankwardt ist an sich selbst episodisch, aber Herr Kruse gab sich auch allzu wenig Mühe, sie nur im Mindesten zu heben – ich habe schon weit beßere Productionen von ihm gesehen –
Friz Wolgast, der Schreiber, wurde vom Herrn Schröder dargestellt. Der heutige Wirkungskreiß war für die Fähigkeit dieses anerkannten, und allgemein beliebten, Künstlers zu enge beschränkt. Sein Feuer loderte besonders von vorne herein zu hoch auf, er legte zu viel Pathos in sein Spiel; hätte er mit beyden bis an die von ihm meisterhaft durchgeführte Scene, wo Wolgast seine Stiefmutter wiederfindet, und von ihren großmüthigen Entschließungen für ihn überrascht wird, an sich gehalten, so würde auch ich in dieser ersten niedergeschriebenen Beurtheilung über ihn, mich gewiß im gerechten Lobe haben weiter ausdehnen können. Doch ich finde dazu unfehlbar nächstens günstigere Gelegenheit, und freue mich im Voraus darauf, weil schon längst meine herzliche Achtung auf Herrn Schröders Seite stehet.
Als Mops, Aufwärter im Gasthof, erschien heute Herr Ehlers; er hatte viel Gelegenheit zum Spasmachen; er benuzte, und erschöpfte sie. Auf eben diesem Wege hat sich Herr Ehlers schon manches Applaudißement, in Hamburg erworben, sein Lob schon in mancher hiesigen Flugschrift begründet, aber meine [54] Unpartheilichkeit, und Wahrheitsliebe, nöthigen mir die Erklärung ab: so lange Herr Ehlers blos mit dem Munde, mit denen Gebehrden, höchstens mit denen Händen, Spas macht, gefällt er auch mir sehr wohl, denn er hat in der That eine ausgezeichnete Anlage zu niedrig komischen Carricaturrollen – er zielt als Buffon mehrentheils scharf, und trift nicht selten ins Schwarze; so bald aber Herr Ehlers seinen ganzen Körper ins Spiel bringt, ihn von einer Ekke der Bühne zur andern in halben Purzelbäumen umherwirft – dann schweift er ins Widerliche aus – Der leztere Fall trat auch heute mehr als einmal ein.
Herr Rizenfeld bearbeitete seine kleine Rolle als Todtengräber genügeleistend, und sang das dazu gehörende Lied recht wohlgefällig. Manche im Schauspielhause konnten vielleicht in zu weiter Entfernung den Inhalt jenes Liedes nicht ganz verstehen; ihnen zu gefallen folgt es hier wörtlich eingerükt:
Kinder sammeln sich zu Greisen;
Wunsch und Hoffnung gehn zur Ruh;
Narren schlafen unter Weisen –
Meine Hand dekt Alles zu! – –
Dem Erobrer mit dem Schwerdte
Schien die halbe Welt zu klein,
Doch mit dieser Schaufel Erde
Muß er hier zufrieden seyn.
Schlummert, die ihr treu gewesen
Jedem Recht, und jeder Pflicht!
Meine Erde drükt die Bösen,
Gute Menschen drükt sie nicht! –
[55] Die Kirchhofs-Decoration ist im Ganzen sehr artig, aber die Figur, unter welcher Hellmuth, der Vater, ruhen soll, hat gar nicht die mindeste Aehnlichkeit mit einem Grabeshügel.
In der lezten Scene dieses Stüks tritt eine überraschende allegorische Verzierung der Bühne hervor – ein transparenter Tempel, in dessen Mitte Madame Langerhans, als Göttinn der Wahrheit, sehr brillirt. Am Schluße des Ganzen stellt sie, in Verbindung mit Herrn Solbrig, eine höchst interessante Groupe dar.
Montags, den 6ten October, wurde Oberon, ein Singespiel in drey Aufzügen, von Friederike Seyler, nach Wranizkyscher Composition, gegeben. Auch in Hamburg erhält sich diese Oper immer noch unter denen, die aller Wiederhohlungen ungeachtet, immer jedesmal willkommen sind.
Mamsell Stegmann die ältere spielte heute den Oberon. – Hervorschimmernde Talente liegen in dieser jungen Künstlerin, und unter der Cultur eines so einsichtsvollen Dramaturgen, eines so bewährten Compositeurs, wie ihr Herr Vater ist, mußte es ihr desto leichter werden, auf dem Wege zur Vollendung schnell vorwärts zu schreiten. Aber gerade unter diesen Combinationen günstiger Verhältnisse wundere ich mich am meisten über Herrn Stegmann, daß er das, nur noch in der Entwiklung stehende, Genie seiner Tochter so sehr mit ersten Rollen aus allen Fächern jezt schon überladen läßt. Sie singt und spielt Göttinnen, Feen, Königinnen, Damen von Stande und Bäuerinnen, die Isabelle, und die Lilla, die Königinn der Nacht, und Paminen, frisch weg, bunt durcheinander. Was soll daraus werden? – Gewiß [56] eine nie ganz richtige Vollendung! Mamsel Stegmann kennt, ich räume es ein, das ihr vorgestekte Ziel; sie versäumt, ich bezeuge es öffentlich zu ihrem Ruhme, keine Anstrengung, sich ihm zu nähern, aber sie wird in ihrer jezigen Carriere auf so viele verschiedene, einander immer durchkreuzende, Wege gestellt, daß sie schlechterdings schwankend zweifeln muß, ob für sie dieser, oder jener, der rechte und kürzeste zum Ziel sey. – Es kann dem denkenden Beobachter unmöglich entgehen, daß die Direction jezt alle Ressorts zu Gunsten der ältern Demoiselle Stegmann bis zum springen spannet. Aber warrlich in der bisherigen Mensur kann die junge Künstlerin leichter auf immer verschraubt, als zum Factotum der Hamburgischen deutschen Oper hinauf geschnellt werden.
Als Oberon sang und spielte Mamsel Stegmann heute recht gut – vorzüglich gelang ihr gleich die erste Arie, und doch erfolgte kein rauschendes Applaudissement – wie sonst; die Künstlerin vermißte es, und sang das darauf folgende Recitativ mit sichtlich erschütterter Contenance. – Den Anzug der Demoiselle Stegmann umstralte heute der expreßiveste Directorial-Nimbus – begreifen aber kann ich es nicht, warum dieser Anzug sich so wenig als männlicher auszeichnete? Wer die heutige Oper zum erstenmal auf unserer deutschen Bühne gesehen hätte, dessen Augen mußten unumgänglich fragen: wo ist denn der König der Elfen? Ich habe den Oberon auf mehreren großen Theatern, aber immer in Halbstiefeln, im seidnen, bis über die Knie reichenden, Schurz, im Mantel, und mit dem Casquet auf dem Kopfe – nirgends, als hier, in Flor gekleidet, getroffen.
[57] Madame Herzfeld legte in die Titania jede der Rolle angemeßene Würde, und theilte durch ihren Gesang im Adagio eigne Empfindungen auch denen Zuhörern mit.
Herr Gollmik, als Hüon, wirkte lobenswerth durch Gesang und Spiel zur Hebung des Ganzen; treflich executirte er die Arie im ersten Akt: Des Lebens Freuden etc. Mit Recht konnte man dem Hüon überhaupt einen brillanteren, nicht schon so merklich abgenuzten, Anzug wünschen; mit dem im dritten Act tragenden aber sollte die Direction Herrn Gollmik schlechterdings nicht auftreten lassen – Das Westchen hatte mit denen Pantalons verschiedene Farbe, leztere waren bis zur Verunstaltung kurz und weit. Dergleichen rebutante Ereignisse decreditiren Hamburgs Bühne!
Den Scherasmin führte heute Herr Rizenfeld zwar comisch, aber doch in richtiger, nicht ausschweifender, Haltung durch. Er sang besonders die Arie: Einmal in meinem achten Jahr etc. sehr brav. Das Publikum gönnte ihm dafür keine einzige ermunternde Beyfallsbezeugung, und handelte unrecht. Besser glückte es ihm mit der andern Arie: Heisa, lustig! ohne Sorgen etc. Er wurde beklatscht, sogar durch Ancora! zur Wiederholung aufgefordert, repetirte nicht – und handelte recht. – Gleich beym Auftreten im ersten Acte hatte Herr Rizenfeld vergessen, seinen goldnen Fingerring abzulegen, zum übrigen Costüm des Scherasmin stach er frappant ab – in der Folge war der Fehler redessirt – der Ring weg.
Madame Langerhans versäumte gewiß Nichts, um Hamburgs Publikum auch heute, als Amanda, zu interessiren; sie erreicht ihren [58] Zweck unfehlbar, als sie im zweyten Act so innig, so empfindungsvoll, sang: Dem ich Hohn gesprochen habe etc.
Die jüngere Mamsel Stegmann sang, als Fatime, unmittelbar darnach die Ariette; Ein Mann im Traum etc. sehr naiv, und munter – doch wünschte ich, daß ein andermal unser Orchester eben diese Ariette vorsichtiger behandelte; es fehlte nicht viel, so artete heute deren Accompagnement in einen Tanz aus. Entgeht denn so Etwas der Attention, und der Reform, des Herrn Musikdirector Hönike?
Almansaris wurde von Madame Haßloch schön und herrlich gespielt, doch sang sie die beyden eingelegten Arien, von Stegmannischer Composition, nicht mit dem edlen Zutrauen in sich selbst, welches ihre sonstigen Productionen zu begleiten pflegt. Im sublimen Stil, im hohen Feuer, sind allerdings beyde Arien geschrieben, und daher ein wahres hic Rhodus, hic salta! für jede Sängerin – aber in Alle dem konnte doch für eine Haßloch nichts Abschrekkendes liegen? ich vermuthe daher, daß Zufälligkeiten vielleicht gerade in diesem Zeitpunkt widrig auf die Ideen, und Gefühle, der Künstlerin wirkten.
Gleich nach der lezten von diesen beyden Arien folgte ein ebenfalls vom Herrn Stegmann componirtes Duet, von dem ich aber nichts Deutliches vernommen habe – die Singestimmen schwankten, und das Orchester konnte mit ihnen kaum Schritt halten. Hinterdrein gerith lezteres noch mehr in Irrung – Häufiges Blättern in denen Noten verrieth sie, und der vorgeschriebene Marsch verspätigte sich.
[59] Die Neben- und Ausfüllrollen des Mehmet, Babekan, Almansor, und Osmin, waren mit denen Herren Langerhans, Leo, Solbrig, und Petersen, besezt.
Noch verdient es eine rühmliche Bemerkung, daß die heutige Ouvertüre von dem Orchester treflich executirt wurde. Richtig genommenes Tempo, so schwer es auch besonders am Schluß dieser Ouvertüre zu halten ist, bestätigte die ungemeine Deutlichkeit ihres Vortrags. Im ersten Finale verdankte ich denen Trompeten eine sehr angenehme Ueberraschung. Sie blasen an der Stelle, wo Oberon die Derwische aufwekt, in Octaven, und sie intonirten so rein, sie trugen die Stelle selbst so sanft vor, daß ich kaum glaubte, Trompeten zu hören. Das Chor: Nimm meinen Dank für deine Lehren etc. hätte allerdings mit etwas geschwinderer Begleitung durchgeführt werden sollen.
Dienstags, den 7. October, wurde zum Anfang der Edelknabe, Lustspiel in einem Aufzuge von Engel, gegeben – Ein altes, aber mit Recht beliebtes Stük, voll wahren inneren Werth, von unfehlbarer Wirkung auf jedes Publikum, wenn es richtig dargestellt wird. Die heutige Rollen-Besezung war folgende: es spielten den Fürsten Herr Herzfeld, die Frau v. Detmund Madame Eule, ihren ältern Sohn, den Fähndrich, Herr Ehlers, den jüngern, als Edelknaben, die kleine Christine Löhrs, den Hauptmann Herr Löhrs, den Director des fürstlichen Gimnasiums Herr Langerhans, den Kammerdiener des Fürsten Herr Nätsch.
[60] Des Herrn Herzfeld Figur und Kleidung paßten heute ganz zum fürstlichen Anstand – kein Fürst durfte sich beyder schämen – nicht so vollkommen sein Spiel. Er figurirte manchmal, besonders mit hochgehobenen Armen zu theatralisch, wo er besser gethan hätte, mit auf den Rükken gelegten Händen, nur in ruhiger Stellung, nur im Conversations- höchstens im Sentenzentone, zu bleiben.
Madame Eule weiß duldende Hausfrauen mit der treffendesten Aehnlichkeit darzustellen; nie aber habe ich den Ausdruk des Kummers, und des gebrochnen Herzens, lebhafter als in ihren heutigen Mienenspiel gesehen – sie weinte, ohne Verzerrung des Gesichts, als wenn sie in Wehmuth zerfließen wollte.
Anstandsrollen werden dem Herrn Ehlers am seltensten glükken; doch füllte er seine heutige kleine, weil der Fähndrich mit frechem Blik vor dem Fürsten stehen soll, ziemlich gut aus, und war dabey recht militärisch adjustirt.
Christine Löhrs ist würklich noch zu sehr Kind, um als Edelknabe, Sensation zu erregen.
Herr Löhrs war heute höchst fehlerhaft angezogen. Er trug Stiefeln und Sporen, auch zwey Epaulets; der Fähndrich, mit ihm von einem Infanterie-Regiment, Camaschen, und nur ein Epaulet. Der Hauptmann unterscheidet sich in keinem Dienst von denen ihm nachstehenden Subalternen in der Uniform. Nur bey denen Staabs-Officiers, vom Major an aufwärts, finden dergleichen Auszeichnungen statt. – Herr Löhrs trat, ganz wider alle militärische Vorschriften, in der 6ten Scene mit dem Stokke in der Hand vor des Fürsten Angesicht – er mußte den Stok schlechterdings, ob er gleich [61] wachhabender Officier war, im ersten Vorzimmer, wo man sich die Schildwachen, und die Livree, denken konnte, ablegen. Ich weiß gar wohl, daß in der 9ten Scene der Dichter dem Hauptmann gewisse Manövers mit dem Stokke ausdrüklich vorgezeichnet hat, dies führte wahrscheinlich Herrn Löhrs irre – aber, abgerechnet, daß in lezterer Scene der Fürst gar nicht gegenwärtig ist, in der 6ten hingegen der Hauptmann gerade vor ihm steht, ich sage es frey heraus, daß Herr Professor Engel selbst wider alle militärischen Reglements fehlte, wenn er seinem Hauptmann in des Fürsten zweytem Vorzimmer mit dem Stokke zu erscheinen, herum zu fechten, und lärmend aufzustoßen, vorschreibt.
Herr Langerhans benahm sich sehr devot gegen den Fürsten, oft ängstlich wie ein Verbrecher – warum das leztere? habe ich nicht verstanden. Diese kleine Ueberspannung abgerechnet, trug Herr Langerhans das ächte Bild des Bidermans, und treuen Dieners, in jeder Mine, in seiner ganzen Haltung.
Des Herrn Nätsch Stelle wäre zuverläßig heute weit besser durch Herrn Petersen besezt gewesen – Zum fürstlichen Kammerdiener ist ersterer gar zu wenig abgeschliffen. – –
Dem Edelknaben folgte heute in der Darstellung auf unserer deutschen Bühne der bestrafte Hochmuth, Singspiel in drey Aufzügen, aus dem Italiänischen, nach Gerls Musik.
Welch ein Chaos von übertriebenen Narrenspossen! – –
[62] Wer die seinigen am höchsten spannte, zugleich aber mit satirischer Feinheit zu verbinden wußte, spielte heute am besten. –
Dies that vorzüglich Herr Stegmann, als Canello – Aus jeder seiner Mienen blikte schlauer Spott hervor; er narrirte nur, dem Sohne zu gefallen, im Zusammentreffen mit Andern – und sang bey dem allen im zweyten Act die Arie: Collcardo Marchese di Bargamo etc. meisterlich.
Herr Golmik war, nebst Lisetten, der Einzige, welcher als Federiko in den Schranken der gesunden Vernunft sich erhalten durfte; er that es redlich, zeigte sich aber fast zu wenig als Gek’ doch beruhet es darauf, ob Federiko in Auroren, als schönes Mädchen, oder als reiche Gräfin, verliebt ist. – Im erstern Fall ist Herr Golmik ganz gerechtfertigt, dann läßt es sich denken, daß ächte, sanfte, Herzensgefühle jenen von Zeit zu Zeit im Gleichgewicht erhielten. Gewiß schön sang im zweyten Act Herr Golmik die Arie: Aurora, mein Himmel etc. Er war anständig und gut gekleidet, bloß der Hut schien mir ein wenig chifonirt, die Feder aber empfehle ich, auf jeden Fall, nächstens der Wäscherin!
Herr Eule zählte heute, als Buchhalter Roberto, eine ungeheure Summe von Buffonerien auf; aber, warrlich, jede Sorte derselben im [63] richtigsten Gehalte, und sang dabey seine Arie im ersten Act: Wie in dem Schauspielhause etc. Die ganze Savojardenscene im Finale des zweyten, und das französische Duet mit Lisetten, im dritten, unverbesserlich.
Herr Ritzenfeld erschöpfte als Balbarone jede Carricatur, jede Harlekinade, jeden Unsinn, den Welschlands Bühnen irgend hervorgebracht haben, absichtlich; sang aber, dessen ungeachtet, überhaupt, und besonders beyde Arien: Hör! zum Beyspiel bis zur Treppe etc. im zweyten – Dieses Brautpaar mit Pracht zu besingen etc. – im dritten Acte, beyfallswürdig.
Das heutige Spiel der älteren Mamsel Stegmann, als Aurora, verfehlte zu oft die stolze, eitle Närrin, gieng zur Unzeit in’s sanfte, liebende, Mädchen über. – Desto niedlicher sang sie dagegen die kleine Cavatina, desto prächtiger die Arie: Stets will ich mit Sechsen fahren etc.
Das Kammermädchen Lisette wurde von Madame Langerhans ganz mit der muntern Naivität gespielt, die Jeder von dieser liebenswürdigen Dramaturgin immer noch eher erwartet, als sie auftritt. Auch sie blieb, der Rolle getreu, in denen Schranken gesunder Vernunft – ihre Arie: Mädchen, merket, was ich sage etc. sang sie charmant. –
[64] Ein für mich sehr interessantes Handbillet, mit M. unterzeichnet, erhielt ich am 20sten d. M. Jeder Gedanke darinnen ist aus meiner Seele geschrieben – aber, ehe ich davon öffentlichen Gebrauch mache, wünschte ich, mich über Manches mit dessen Absender näher zu verständigen. Ich ersuche ihn, meine privative Antwort auf jenes morgenden Sonntag in der Nestlerischen Buchdruckerey abhohlen zu lassen; sie wird dort, unter der Adresse M., versiegelt parat liegen.
Vorstellungen in der künftigen [falsch: küntigen] Woche, wenn nicht Krankheit oder sonstige Umstände eine Aenderung nothwendig machen.
Sonntag, den 26sten: die Zauberflöte, Singspiel in 4 Aufzügen.
Montag, den 27sten: Gustav Wasa, Schauspiel in 5 Aufzügen.
Dienstag, den 28sten: Die beyden Grenadiere, Lustspiel in 3 Aufz. Der kleine Matrose, Singspiel in 1 Aufz.
S. 35. Z. 6. v. u. lese man, statt Catastropfe: Catastrophe.
S. 46. Z. 8. v. o. lese man, statt Schloß: Schluße.
S. 46. Z. 10. v. o. lese man, statt Rache meinem Vater: Räche meinen Vater!
[65]
Mittwochs, den 8ten October d. J. konnte eigentlich Hamburgs Publikum, nach meiner Ankündigung vom 4. d. M., das Vaterhaus auf seiner deutschen Bühne erwarten; allein unser guter Steiger liegt sehr krank darnieder und es wurde um deswillen statt das [[Korrektur: des]]Vaterhauses, Edelsinn und Armuth, Lustspiel in 4 Aufzügen von Kozebue, aufgeführt.
Dieses Stük hat an sich selbst manche einzelne Kraft und Schönheit in der Charakterzeichnung, greift aber, besonders zum Schluß, nicht passend und stark genug zusammen, um allgemein interessant zu werden.
Hier war es heute sehr gut besezt, und die darinnen arbeitenden Gesellschaftsmitglieder bestrebten sich rühmlichst, durch ihren applicativen Fleis und Eifer dessen wohlgefällige Ausführung zu befördern.
[66] Herr Löhrs als Peter Plum, Madame Langerhans als Josephine, Herr Langerhans als Heinrich Plum, Herr Stegmann als Fabian Stöpsel, Madame Fiala als Frau Rose, Madame Herzfeld als Louise, Herr Solbrig als Cederström, und Herr Herzfeld als von der Husen, verdienen samt und sonders das Lob, Jeder und Jede, nach der Vorzeichnung des Dichters, ihre Rollen treu, gefühlvoll, und wahrhaft, gespielt zu haben – nur in die beyden des Stöpsels, und der Rose, hat Kozebue Carricatur verwebt, Herr Stegmann, und Madame Fiala, versäumten Nichts, solche mit hervorstechender Feinheit zu coloriren.
Der Bediente Claas in Peter Plums Hause, mit Herrn Nätsch besezt, hat eine einzige interessante Scene, gleich die erste im Stük – sie gelang heute, besonders die comische Anspielung in selbiger von der Rhabarber Farbe, und dem altväterischen Zuschnitt, der Claasischen Livree auf den Plumischen predominirenden Geiz, in der That Herrn Nätsch recht sehr gut.
Donnerstags, den 9ten October, erfolgte eine Wiederhohlung der famosen Räuber.
Da die heutige Rollenbesezzung mit der vom 3. d. M. aufs Genaueste übereinstimmte, da jedes Individuum heute mit der nemlichen [67] Kunst, und Anstrengung, wie neulich, auf der Bühne, besonders in denen Hauptrollen, arbeitete, da der kleinste Raum im Schauspielhause mit Menschen-Maße gefüllt war – so berufe ich mich auf meine erstern Raisonements über dieses Stük im dritten Bogen, und bekräftige hiemit jedes derselben wiederholend.
Auch heute spielte Madame Herzfeld die 8te Scene des Vten Acts, wo der Dichter eine schauderhafte Situation auf die andere gehäuft hat, viel zu sanft; sie läßt sich vielleicht durch die Worte: ich unschuldiges Lamm etc. welche die Rolle ihr in den Mund legt, irre machen; – doch, da dieses vom Dichter nicht ganz glüklich gewählte Bild des Lammes sich mehr auf Amaliens schuldlosen Charakter, als auf den Ausdruk ihrer Gefühle beziehen kann, so darf ich von der Behauptung nicht abweichen: Amaliens Spiel muß in jener Scene an Raserey grenzen, wenn es treffend seyn soll.
Dem Herrn Herzfeld macht ein großer Theil unsers denkenden, und fühlenden, Publikums den Vorwurf, daß er in denen heroischen und Affectrollen seine Lunge und Sprachorgane mehrentheils zu unnatürlich anstrenge, kurz – zu heftig schreye. Auch auf sein heutiges Spiel als Carl Moor fiel mit unter, wie ich beobachtet, [68] und gehört habe, der nemliche Tadel. Allein, ob ich gleich im Allgemeinen, und wenn ich an sonstige Productionen vom Herrn Herzfeld, die ich mit ansahe, deren aber gegenwärtiges Journal noch keine befaßt hat, mich zurükerinnere, jenem Vorwurf absolut nicht widersprechen darf, so finde ich mich doch berufen, diesen Tadel von Herrn Herzfelds neulicher und heutiger Darstellung des Carl Moor ganz abzulehnen. Man denke sich überhaupt den Zeitpunkt, woinnen das Stük spielt, ungefähr das Ende des funfzehenden Seculums! Man denke sich die Lebensart, welche Carl Moor schon lange her führt, wie er sich in schlechten Gasthöfen, auf denen Landstraßen, in Wäldern und Höhlen, der Witterung und allen Elementen, bey Tag und Nacht blosgestellt, immer unstet umher treibt! Mußte nicht dabey sittliche Rauheit ihm schon zur andern Natur geworden seyn? – äußert sich diese nicht, zumal in der Verbindung mit einem robusten Körper, mit einem stets Feuersprudelnden Temperamente, gewiß bey den mehresten Menschen am Natürlichsten, durch starken, schreyenden, Ausdruk der Sprache? Man denke sich endlich die Nothwendigkeit, in welcher sich Carl befand, oft, und immer, blos durch den Donner seiner Stimme eine Bande zügelloser Bösewichte im Zaum zu halten, bald jeden [69] Einzelnen, bald die ganze Rotte, zur augenbliklichen Befolgung seiner Befehle zu vermögen; und man muß einräumen, daß Herr Herzfeld als Carl Moor in, und unter, denen Räubern, sich weder neulich, noch heute, überschrien hat, sich nicht leicht überschreyen kann.
Daß Herrn Wohlbrüks Meister-Scenen, die 1ste und 4te im Vten Act, heute auch nur für einzelne Augenblikke Gelächter effectuirten, hat mir warlich wehe gethan, zumal da ich gar keine Veranlassung dazu, auf der Bühne, bemerkt habe. – Denn selbst Herr Petersen, als Daniel, hat sich in beyden Auftritten Nichts zu Schulden kommen lassen, was jenes unschikliche Lachen nur im Mindesten rechtfertigen konnte.
Freytags, den 10ten October, füllte die erste Darstellung auf unserer deutschen Bühne ein Lustspiel in 4 Aufzügen nach dem Englischen von Schröder unter dem Titel: Keiner hat Recht, oder die Eifersüchtigen, bearbeitet.
Herr Herzfeld, und Madame Langerhans, haben beyde, er als Kaufmann Rost [[Korrektur: Rast]], sie als dessen Gattin, durch ein richtig überdachtes, und künstlich angelegtes Spiel, ihre Rollen zur wahren Vollkommenheit erhoben. Beyde nüancirten meisterhaft alle characteristischen [70] Eigenheiten der leidenschaftlichsten Eifersucht, welche ein sich wirklich liebendes, sich durch keine wahrhafte Untreue beleidigendes, und sich doch stündlich quälendes Ehepaar, stets bey Tag und Nacht auf Kundschaften Horchen und Lauschen, umher trieb, welche es zum steten überspanntesten Mißtrauen gegen sich und Andere, nicht selten zum ausbrechenden Zank, zum immerwährenden Schelten, und Lärmen, im Hause, bald zu erniedrigenden Familiaritäten, bald zu unverdienten Mißhandlungen gegen die Domestiken, die zu Aufpassern über alle Tritte und Schritte des Mannes, oder der Frau, wechselseitig bestellt, und doch auch als Unterhändler verdacht wurden, kurz zu allen Thorheiten hinriß, wodurch sich auch in der wirklichen Welt noch Mancher und Manche Tag für Tag lächerlich machen.
Herr Herzfeld gefiel mir heute außerordentlich, er hatte eine gewisse Vorwärtshaltung des Körpers, ein Gebehrdenspiel, einen Gang, und einen Sprachton angenommen, welche einzeln und zusammen, das immerwährende Kochen und Toben der unbezwinglichen Leidenschaft in dem Innern des Eifersüchtigen über alle Beschreibung treffend auszeichneten.
Die andern Rollen, welche in das Interesse des Stüks wesentlich eingreifen, wurden, und zwar der Kaufmann Bernau durch Herrn [71] Löhrs, Charlotte durch Madame Herzfeld, Doctor Schönhof durch Herrn Schröder, und Frau Aesch durch Madame Fiala, mit der lobenswerthesten Accuratesse executirt.
Herr Leo aber zeigte als Schäfler vorzüglich, was der Künstler auf der Bühne vermag, wenn er mit Natur-Gaben und Talenten ausgerüstet ist, wenn er von beyden den angemeßensten Gebrauch macht. Denn er erhob heute in der That die kleine Rolle eines alten ehrlichen Dieners vom Rastischen Hause durch seine Kunst und durch seinen Fleiß zum theatralischen Meisterstück.
Die ganz episodischen Rollen, des Simons, der Susanne, des Lieschens, und der zwey andern Bedienten, wurden von Herrn Ehlers, Mamsel Kruse, der jüngeren Mamsel Stegmann, Herrn Erdmann, und Nätsch, ohne die mindeste Vernachlässigung gespielt.
Auf dieses, so gut durchgeführte, Stük folgte heute auch noch der verliebte Werber, ein Singspiel in 2 Aufzügen. Vom Sujet, und vom Dialog, dieser Oper läßt sich leider gar Nichts rühmen, um daher nicht in zu bittern Tadel auszuschweifen, will ich lieber von beyden Gegenständen schnell abspringen, desto theilnehmender aber bemerken, daß in der fehlerfreyen, und gut gerathenen, Musik des [72] verliebten Werbers Herr Carl Eule, der Sohn des hiesigen Sängers und Schauspielers, auch Condirectors unsers deutschen Theaters, das erste Product eigener Composition geliefert hat. Als solches verdient es in der That Aufmerksamkeit, ja es gebührt ihr [[Korrektur: ihm]]vor mancher andern neuen Oper, welche die competenten Richter schon zu denen mittelmäßigen zählen, verschiedentlicher Vorzug. Da der junge, erst, sechszehnjährige, Künstler jezt, unter der Aufsicht und Leitung eines großen Meisters, in Dresden lebt, und seine musikalischen Talente ausbildet, so kann sich das Publikum von ihm in baldigster Folge das Beste versprechen.
Die heutige Rollenbesezzung im verliebten Werber war folgende: Es spielten, und sangen, Herr Kruse den Steuer-Einnehmer Rescher, Herr Gollmik den Leutnant Carl, Herr Eule den Unterofficier Beller, Herr Rizenfeld den Lucas, Herr Ehlers den Schulmeister, Madame Kruse die Pachterswittwe Thomsen, die ältere Mamsel Stegmann Lieschen, die jüngere Dorchen.
Dabey zeichneten sich Herr Gollmik in der mit so außerordentlichen Schwierigkeiten vom Compositeur verflochtenen Arie: Ha! wenn Berg’ und Meer uns trennen etc.; Herr Eule in der mit manchem Zusaz von eigner Invention recht niedlich ausgepuzten Anwerbungsscene, und [73] Mamsel Stegmann die ältere in dem trefflichen Gesang: Hoffnung du erfreust das Leben etc., wobey ihr die Wiedereinleitung in das Thema vorzüglich gelang – besonders aus.
Herr, und Madame, Kruse besizzen allerdings theatralische Verdienste, und bestätigen solche in manchen Rollen, aber von aller singenden Concurrenz in Operparthien wünschte ich beyde für immer entfernt.
Sonnabends, den 11ten October, unterhielten die Herren Gebrüder Romberg Hamburgs Publikum mit einem sehr interessanten Concert im deutschen Schauspielhause. Beyde sind als Virtuosen von ächtem Werth in und außer Deutschland anerkannt, und beliebt, als solche zeigten sie sich auch in jeder heutigen Ausübung. Beyde wetteiferten auf der Violine, und auf dem Violoncel, um allgemeinen, beyde erhielten ungetheilten Beyfall. Konnte er ihnen wohl fehlen? – Leistete nicht Jeder Alles, was man von der Kunst und vom Fleiße zu fordern berechtiget ist? – Erhaben und schön waren die eignen Compositionen, so sie heute vortrugen. Schnell und leicht, wie die Gedanken darinnen, tanzten ihre Finger abwechselnd durch den ausgedehntesten Raum zwischen Tiefe und Höhe auf denen Instrumenten. Reine Töne, schmelzende Harmonie, entlokten sie ihnen – und tiefen Eindruk bewirkten sie dadurch [74] auf jedes musikalische Ohr, auf jedes empfindsame Herz, welches heute im deutschen Schauspielhause lauschte, und schlug. Sehr überraschte gewiß Viele Herr Bernard Romberg mit der für das Violoncel variirten spanischen Arie. Herr Petersen blies ein schönes Hofmeisterisches Flöten-Concert. Demoiselle Friederike Stegmann, und Demoiselle Grund, sangen, die erste eine Arie von Righini, welche aber – wahrscheinlich aus phisischen Ursachen – in der Kraft der Töne, und in der Reinheit der Cadancen manche Eigenheit ihres sonstigen Vortrags, vermißen ließ, leztere ein Recitativ, nebst Arie, von Mozart. – Mamsel Grund zeichnete sich dabey durch angenehme, aus freyer Brust gehobene, Modulationen aus, und verdiente es ganz, durch ein lautes Bravo! von der warmen Theilnehmung ihrer Zuhörer überzeugt zu werden. Das Orchester war vollständig besezt, es wurde sehr gut dirigirt, es arbeitete mit unverkennbarer Application, und executirte besonders die erste Sinfonie von Hayd’n unverbeßerlich.
Die Herren Gebrüder Romberg reisen, wie der Ruf sagt, nächstens nach Paris, und es erwartet sie dort eine fixirte Anstellung. – Wohl gehe es ihnen in dieser Carriere – belohnend wohl, wenn sie durch ihr Beyspiel auch [75] eine fremde Nation überzeugen, wie weit es deutsche Tonkünstler bringen können! – –
Das Sonnenfest der Braminen, ein Singspiel in 4 Aufzügen, von Wenzel Müller componirt, wurde Sonntags, den 12ten October unter nachstehender Rollen-Besezzung gegeben. Gouverneur Medau Solona [[Korrektur:Medan Solana ]]Herr Scholz; Oberpriester Herr Kruse; Oberpriesterin Madame Kruse; Kaleph Herr Petersen; Bella Madame Herzfeld; Lora Madame Hönike; Lord Johnson [[Korrektur: Janson]] Herr Langerhans; Laura Windsor Mamsel Friederike Stegmann; Barzello Herr Eule; Pirokko Herr Stegman; und Mika Madame Langerhans.
Madame Herzfeld, Herr Kirchner, und Mamsel Friederike Stegmann, zeichneten sich durch Spiel und Gesang heute sehr aus.
Erstere hatte in ihrem Anzug zwar nur eine Kleinigkeit vernachlässiget, sie bewirkte aber immer dadurch einen in die Augen fallenden Contrast. Madame Hönike trug, wie es dem Fischermädchen gehörte, geschnürte Sandalen, Madame Herzfeld moderne Schuhe.
Mamsel Stegmann wurde von dem ungesitteten Theile des Hamburger Publikums, welcher besonders an Sonntagen im Parterre, und auf der Gallerie, predaminirt [[Korrektur: predominirt]], im Anfang der schönen Arie: Goldne Freyheit eil’ hernieder etc. [76] sehr gestört, und doppelt war es zu bedauern, daß der pöbelhafte Lärm gerade die Wirkung eines so interessanten Vortrags vereiteln mußte.
Herr Scholz äußerte heute mehr Kraft in seiner Stimme und in seinem ganzen Wesen, als neulich bey der Darstellung des Sarastro, er bestätigte dadurch die Wahrheit, daß damals erschöpfte Gesundheit ihn nur zufällig am genügeleistenderen Gesange und Spiel verhinderten, und ich kann desto freymütiger bekennen, daß mein Urtheil über ihn im 2ten Bogen nur für jene Production vom 1sten d. M. passend war, keinesweges für immer auf Herrn Scholz anwendbar ist – Welche Gründe mochten wohl Herrn Scholz heute bewegen, im Final des 2ten Acts die Worte des Recitativs: auf meine Getreuen! hohlt eure Pfeile etc. nicht gerade so zu declamiren, wie sie der Componist niedergeschrieben hat? –
Madame Langerhans, Herr Stegmann, und Herr Eule, benuzten jedes eigenthümliche Attribut, um ihre Rollen naiv, lebhaft, und wohlgefällig darzustellen.
Außerordentliche Harmonie herrschte heute in unserm Orchester; das gleich von der Ouvertüre an richtig genommene Tempo erhielt sich bis ans Ende der Oper fest und ohne Wanken [77] – nur hätten die blasenden Instrumente Herrn Kirchners Arie im 1sten Act, in der Stelle: Ohne Laura wird die Qual etc. ungleich sanfter, als es geschahe, accompagniren sollen.
So wäre denn alles aufgesucht, und gesammelt, woraus man nur das mindeste Lob für das Sonnenfest der Braminen abstrahiren konnte. – Mit Anstrengung habe ich aufgesucht und gesammelt, um diejenigen nicht zu kränken, die als handelnde Personen das Ihrige redlich zur Aufrechthaltung der heutigen Oper beygetragen haben. – Was soll ich aber über deren Darstellung im Ganzen für ein Urtheil fällen? In gerechten Klagen über unsre Direction müßte ich mich erschöpfen, daß sie auf Hamburgs deutscher Bühne so überhäufte und ekelhafte Plattiduten dulten, selbst durch eignes, individuelles, anstekkendes, Beyspiel authorisiren kann, wie sie heute ohne Zahl unter denen Statisten einander jagten. Drum soll mein eigner Tadel zurüktreten, ich will lieber aus einem an mich gelangten Handbillet die Raisonements des Publikums über diesen Gegenstand abschriftlich einrükken: – Nur einige Stellen darinnen, die mich zu schmeichelhaft complimentiren, habe ich weggelassen, oder [78] umgeändert, damit Niemand denken darf, sie hätten meine Tadelsucht angefeuert. Man lese also die Sprache des Publikums – ich will gerne schweigen! –
- Mein Herr!
- Einige Freunde der deutschen Schauspielkunst, welche zugleich Ihren angefangenen Critiken über unser hiesiges Theater allen Beyfall zugestehen, ersuchen Sie bey nächstkünftiger Erwähnung des Sonnenfests der Braminen nicht nur das oft unbeschreiblich defecte Spiel, mit dem das Publikum am 12 d. M. abgefertigt wurde, und die unzähligen Vernachläßigungen, die wir uns gefallen lassen mußten, sondern auch das niedrige Betragen, den miserabeln Anzug, derer groupirenden Braminen, Indianer, und Soldaten, vorzüglich aber das auffallende Possenreissen verschiedener sonst guter Schauspieler, die unter denen Statisten, wie die Affen in der Zauberflöte, figurirten, so strenge zu rügen, wie es ihre Vernunft fordern, ihre Feder vermögen,
[79]
- wird. – Wir sezzen voraus, daß jene Absurditäten Ihr Kunstgefühl in eben so hohem Grade empört haben, als das unsrige, daß es in Ihren Plan paßt, daß es mit ihren Grundsäzzen übereinstimmt, unsere gegenwärtige Bitte zu erfüllen, und versichern Sie dagegen, daß Sie in solchem Fall den aufrichtigsten Dank eines Jeden verdienen werden, welcher die letzte Vorstellung des Braminen Sonnenfestes auf Hamburgs deutscher Bühne als Sachkenner abgewartet hat, und sich als Verehrer der dramatischen Kunst, über diese horrente Production fast krank ärgern mußte. – Die erste Ankündigung des raisonirenden Journals hat uns ganz für Ihr braves Unternehmen erwärmt. – Sie müssen aber auch männlich Wort halten! Wir stellen Sie jezt auf die Probe! Wir machen Sie auf eine sehr dringende Veranlaßung aufmerksam, Ihre Wahrheitsliebe, Ihre Unpartheilichkeit, öffentlich, ohne Menschenfurcht, an den Tag zu legen! – Ist es Ihr Wunsch, befriedigen Sie unsere Erwartung: so sollen Sie
[80] uns, so sollen Sie noch mehrere Freunde Ihrer Raisonements, aus Hamburgs gutdenkendem Publikum, gelegentlich näher kennen lernen. –
N. K.
Heute Sonnabends, den 1sten November, Concert, von Mademoiselle Schmalz.
Vorstellungen in der künftigen Woche, wenn nicht Krankheit oder sonstige Umstände eine Abänderung nothwendig machen.
Sonntags, den 2ten: Das große Geheimniß.
Montags, den 3ten: Der Corsar aus Liebe.
Dienstags, den 4ten: Der Lorberkranz.
Mittwochs, den 5ten:
Donnerstags, den 6ten: wegen des eintretenden Bußtages, und seines Vor-Abendes, keine Vorstellung.
Freytags, den 7ten: Der Corsar aus Liebe.
Sonnabends, den 8ten: Benefiz-Concert, für Herrn Dufaur.
[81]
Nach meiner Ankündigung vom 11ten Oct. d. J. sollten wir Montags, den 13. desselben, die Räuber auf unserm deutschen Theater abermals wiederholt sehen – allein es trat ein obrigkeitliches Verbot dazwischen, und es wurde statt ihrer die Zauberin Sidonia, Schauspiel in vier Aufzügen von Heinrich Zschokke, dem Verfasser des Abällino, gegeben.
Viel Werth und Wichtigkeit liegt in diesem Stük, und seine heutige Ausführung entsprach beyden vortrefflich.
Herr Herzfeld, als Hugo, arbeitete in einem großen Wirkungskreiße, und ließ wenig Raum darinnen unausgefüllt. Die richtige Darstellung des vorgezeichneten Charakters [82] steht mit ungemeinen Schwierigkeiten für den theatralischen Künstler verkettet. Denn Hugo ist ein schwankendes Rohr, das jeder Affect hin und her schaukelt; nie mit sich selbst einig; immer zur practischen Tugend, und zum ausübenden Verbrecher, in gleichem Grade schwach. Er kennt den ganzen Umfang seiner Macht, als Beherrscher von Modena, sattsam, er fühlt in sich den regen Wunsch, diese Macht stets zum Guten anzuwenden, aber eine unbändige Leidenschaft für Sidonien unterjocht ihn zum Sclaven, lange zum unentschlossenen Thoren, endlich zum Verbrecher. Hugo hat Jolanden, seine Gemahlin, bis zur Bekanntschaft mit Sidonien, immer heiß, und einzig, geliebt, seine fortdaurende Ueberzeugung kann ihren hohen Werth nicht verleugnen, drum hört er auch nie auf, sie zu achten; seit dem, und so oft, sie ihm aber, als Hinderniß näherer Verbindung mit Sidonien entgegen tritt, findet er sie unerträglich – Trennung von ihr zeichnet sich daher seine schwankende Phantasie als den einzigen Weg vor, auf dem er zum wahren Erdenglük gelangen kann. Er versucht es, Jolanden zu einer von ihr bewilligten Ehescheidung zu überreden – aber ihre standhaften Widersprüche, und selbst Sidoniens Erklährungen darüber, vereiteln den Plan. Nun reift unter dem moralischen [83] Unvermögen, zu seinen Pflichten als Gatte, und Vater, zurükzukehren, und der berechneten Unmöglichkeit, seine Leidenschaft zu befriedigen, in Hugos Seele verbrecherischer Vorsatz – er beschließt Jolandens Vergiftung – er bewerkstelliget sie. Kaum ist die That vollbracht, schon in denen Augenblikken, da er Jolanden den vergifteten Wein trinken siehet, so bereut er sie bitter, und doch kann der schwache Mann sich nicht zu Jolandens Rettung, die damals vielleicht noch möglich war, entschließen, sondern er eilt von ihr weg auf die Jagd, überläßt sie – nach seiner Ueberzeugung – hülflos dem Tode. Gewißensangst und Reue beherrschen ihn von da an allgewaltig; er ringt, beyde durch Zerstreuungen abzustumpfen, und doch schaudert er vor Allem, was ihn an sein Verbrechen auch nur aus der Ferne mahnet. Gewißensangst und Reue ertödten sogar seine Leidenschaft für Sidonien, er liebt sie nicht mehr, aber er giert nach ihrem Besiz, um die schreklichste That nicht umsonst begangen zu haben. So eilt er, zum Beyspiel, bey der Nachricht: Sidonia sey verhaftet und angeklagt, nicht mit liebevollem Herzen, doch mit festem Vorsaz vor Gericht, sie für sich frey zu machen, in ihrer Rettung das Ziel seines Verbrechens zu erreichen; kaum aber hört er unter denen Beschuldigungen [84] wider sie aus dem Munde des Abts das Wort Giftmischerey: so verläßt ihn seine ganze Stärke, er schreyt nach dem Beystand seiner Trabanten, und Furcht, selbst ermordet zu werden, treibt ihn in die schleunigste Flucht. Dieser elende Gemüthszustand wirft auf einer Seite seinen Kopf in die Philosophie der Verzweiflung – nicht in wirkliche – und untergräbt auf der andern seine körperliche Gesundheit bis zum Einsturz. Dadurch erhalten seine Reden einen Anstrich von Wahnsinn – sie sind aber im Grunde nur denen unverständlich, die sein Inneres nicht kennen. So an Seele und Leib erschöpft, schleppt er sich auf den Kirchhof, ins Erbbegräbniß, bis zu Jolandens Sarg. Der Anblik ihrer Leiche führt die ganze erste Liebe in sein Herz zurük, giebt seinem ganzen Wesen eine andere Stimmung. Jezt fühlt er einzig die Größe seines Verbrechens, klagt sich deßen laut an, rechtfertigt Sidoniens Unschuld, bittet sie nicht mehr um Zuneigung, blos um Mitleid, weil er Linderung seines Jammers, Ersaz seines Verlustes, für unmöglich hält. Noch spannt er seine lezten Kräfte, Sidonien gegen den Abt, gegen die Diener des geistlichen Gerichts, gegen die aufgewiegelte Volksmenge, zu vertheidigen – greift endlich, da seine Befehle, seine Drohungen, fruchtlos bleiben, mit zusammengeraffter [85] männlicher Stärke zum Schwerd, um den Abt zu vernichten, und um – wahrscheinlichst – mit dem nemlichen Schwerd seine eigenen Martern zu enden – Da entwikkelt sich die Catastrophe. Jolande erwacht, erhebt sich aus dem Sarge, eilt liebevoll an Hugos Brust. Er, vom unbegreiflichen Wunder bestürzt, doch anschaulich und sichtbar von der Gattin Leben überzeugt, dankt Gott für ihre Rettung, für seine Entsündigung, inbrünstig – erfährt aus Aldobrandinis Munde: Jolande habe nie Gift – nur einen Schlaftrunk – bekommen – belohnt ihn dafür fürstlich – verbreitet, so bald der Abt aus seinen Augen geschaft ist, Wohlthaten um sich her – faßt für seine Zukunft den großen festen Entschluß, unter Jolandens Leitung im Dienste der Tugend zu leben, zu sterben – und beschwört ihn vor dem versammelten Volk von Modena, als deßen Beherrscher.
So hat der Dichter seinen Hugo gezeichnet, so stellte ihn heute Herr Herzfeld, jede Schwierigkeit besiegend, keine der oft contrastirenden Abstuffungen verfehlend, mit innigstem Selbstgefühl, treffend, und wahrhaft dar. – In der 6ten Scene des V. Acts bey der erschütternden Stelle: Mein Weib lebt! – O Gott! O Gott! ich bin kein Mörder! O Gott im Staube lieg’ ich weinend, lieg’ ich dankend – erhob sich Herr Herzfeld zum höchsten Gipfel theatralischer Größe, obgleich sein Körper in der nemlichen Minute, edel geformt, erst auf beyde Knie, dann tiefer zur Erde, endlich mit der Stirne bis auf den Boden, sank. – –
Madame Langerhans hat schon durch so manche Probe ihr hinreißendes Spiel in eleganten, naiven, und launigen, Rollen bestätigt, [86] heute zeigte sie als Jolande, gewiß zu allgemeiner Zufriedenheit, wie glüklich sie auch erhabene durchzuführen vermag. Die 3te Scene des I. Acts gegen Sidonien spielte sie perfect – in die einzelnen Stellen derselben, bey denen wiederholten Wortern: ich haße dich nicht Sidonia, aber lieben kann ich dich nicht mehr. Geh! – legte sie eine Energie, die schwerlich zu übertreffen seyn wird.
Aldobrandini, Hugos Arzt, und Vertrauter, soll nach des Dichters Plan ein Mann seyn, der seinem Gebieter unbedingt ergeben ist, dessen inneres Gefühl aber sich nie, im Widerspruch mit der Menschlichkeit, unter das Joch des Herrenwillens knechtisch beuget, dessen feste Tugend sich nie, aus blindem Gehorsam, zum Werkzeug des Verbrechens brauchen lässet. – Aldobrandini war heute auf der Bühne gerade der Nemliche, unter des Herrn Langerhans durchstudirten Darstellung.
In der kleinen Rolle des Castellan Tolomeo, eines wakkern Kriegs-Gesellen, leistete Herr Kruse Alles, was ihr beschränkter Umfang erlaubt.
Abt Gregorius hat von Seiten des Verstandes, und der Empfindung, manche Anlage zum Guten, aber Stand und Verhältnisse, in steten Widersprüchen mit seinen glühenden Leidenschaften, die Unmöglichkeit jene zu diesen wechselseitig zu accomodiren – stimmten ihn zum Heuchler, zum heimlichen Sünder – er war nicht zum Mönch gebohren, und artete deshalb endlich auch zum Wegwurf der Menschheit aus. Herr Stegmann verdiente in dieser Rolle ungetheilten Beyfall, gerechtes Lob, – denn er dekte mit tief durchdachtem Spiel, [87] mit der feinsten Kunst, das Rebütante, das Gehäßige, des Charakters meisterhaft zu.
Sidonia wurde von Madame Herzfeld fast durchgängig zum Unverbesserlichen erhoben. Eigentlich hat Sidonien der Dichter keinen idealisch großen Charakter zugeeignet. Nur Edelsinn, und Sittenreinheit, bestimmen dessen hervorstechendes Colorit, aber mannigfaltig, und fein, sind seine Schattirungen – Sidoniens Freundschaft für Jolanden ist ächt; die nachgiebige Schonung, die einschmeichlende Sanftheit hingegen, womit sie den zudringlichen Hugo um deswillen behandelt, weil ihre critische Lage seine Protection nicht entbehren kann, sind blos affectirt; gekränkter Stolz und tiefe Verachtung erfüllen Sidonien gegen den Abt, doch richtet sie oft die schmelzendesten Bitten an ihn, weint manche Thräne an seiner Brust, gestattet ihm Ansprüche an ihre ewige Dankbarkeit, nennt ihn lieber, edler, Mann! weyhet seinem Wohlbefinden die besten Wünsche, empfiehlt sich dringend seinem Andenken – und thut dies Alles unter der Maske feinster Weiberlist so lange, als sie noch auf mögliche Rettung aus seinen Klauen hoffen darf; kaum aber verschwindet der lezte Anschein dazu: so wirft sie jene Maske ganz weg, und dringt mit desto expreßiverm Hohn, Troz, und jedem verwirkten Vorwurf, auf ihn ein. Heiße Leidenschaft für Cinthio, glüht, als erste Liebe, in Sidoniens Seele; sie fühlt das Inconsequente derselben recht gut – drum verschleyert sie solche aufs behutsamste bis zu der Crisis, da sie, vom Abte überrascht, angeklagt, verhaftet, sich für unrettbar verlohren selbst achten muß; dann sagt Sie dem [88] Abt ins Gesicht: Cinthio sey ihr Liebling – dann gesteht sie das Nemliche unumwunden an Gerichtsstelle. Alle diese einzelnen Nüancen mahlte Madame Herzfeld treffend aus, und spielte besonders die 3te und 4te Scene des I. Akts; die 3te und 4te des II.; die 3te, 4te und 10te des III., und die 3te des IV. schmelzend, hinreissend, erschütternd schön.
Cinthio – ein sanfter, reizender, treuer, gewißenhafter Jüngling, der noch in denen Feenträumen erster Liebe wandelt; den anspruchslose Blödigkeit kaum daran denken läßt, daß die leisen Wünsche seines glühenden Herzens je erfüllt werden können; der aber, von der zuvorkommenden Geliebten eines Andern belehrt, zu jeder Aufopferung für sie bis zum Tode sich schnell hingiebt; den nur eine so unnatürliche Lage wie die, in welche er sich Scene 3. Akt IV. verwikkelt sieht, aus dem Lamm zum Tyger umwandeln konnte – wurde von unserm talentvollen, und fleißigen, Künstler, Herrn Wohlbrük, ganz nach der Natur, doch im sanften Tone weit eingreifender, als im wüthenden, dargestellt.
Herr Leo konnte, als President des geistlichen Gerichts, so wenig, als deßen Beysizzer, eine interessante Auszeichnung bemöglichen – die immediate Groupe war richtig geordnet, aber da sie nirgends anders als in den tiefsten Grund der Bühne gestellt seyn durfte, da der Dialog um deswillen unkräftiger aufs Ohr, als die zwar costümmäßig, doch immer grotesk, gekleideten Figuren, frappant aufs Auge des Publikums wirken mußten, so erfolgte auch heute, was mich bey jeder ernsthaften, rührenden, gut behandelten Darstellung so bitter kränket – hörbares Gelächter – Ueberhaupt spielte das Stük, [89] nur bis zur 10ten Scene des III. Akts im Ganzen, und im Einzelnen, mit ununterbrochener Perfection, von da an schwankte, und verlohr es manchmal im Leztern.
Dienstags, den 14ten October wurde der Baum der Diana nach d’Ariens Uebersezzung aus dem Italienischen, und Vincenz Martins Composition, aufgeführt.
Das Süjet dieser durchgängig bekannten Oper ist so unsinnig, und langweilend, daß Menschenverstand und Kunstgeschmack, sich lediglich an die schöne Musik halten, sich begnügen müssen, wenn die Singeparthien gut besezt sind, die Vorschriften derselben richtig befolgt werden.
Die Direction, die handelnden Gesellschaftsmitglieder, und das Orchester, hatten heute für beyde Fälle aufs Beste gesorgt, mithin darf auch das Publikum keinesweges über gänzlichen Mangel aller Befriedigung klagen. Man kann ja nicht immer Lekerbißen genießen, man muß auch zuweilen mit Haußmannskost vorlieb nehmen, um sich den Magen nicht zu verderben – wenn man nur nicht ganz hungrig wieder von der Tafel gehen darf.
Madame Haßloch ersezte als Diana durch das Brillante ihrer Figur, und durch vortrefflichen Gesang, die eigenthümlichen Mängel der Rolle – denn man kann es schwerlich bestimmen, wie es die beste Künstlerin anfangen soll, um selbige für den feinen Geschmak nur einigermaßen wohlgefällig auszubilden. Singend excellirte Madame Haßloch in der großen Bravour-Arie des 1sten Acts: Hoch über Meer und Welten etc. – – Oft, und mehrentheils, habe ich die nemliche von andern Künstlerinnen zu langsam vortragen gehört, nur ein so rasches [90] Tempo, wie das heute genommene, kann Dianens Götter-Zorn treffend ausdrükken.
Die ältere Mamsel Stegmann war als Amor niedlich gekleidet, spielte, nach denen Verhältnißen ihres Körpers, etwas schwerfällig, nicht mit der lesten Gewandheit, die von dem Ideal des mitologischen Liebes-Gottes unzertrennlich ist; – sang aber die Arie des I. Acts; Man schwazt zwar dort und da etc. Die des II. Sanftes Entzüken umschwebt schon die Seele etc. meisterlich schön.
Doristo, Hüter des heiligen Baumes, war mit Herrn Ritzenfeldt besezt. Er sang gut, und übertrieb sein Spiel nicht zu sehr ins Lächerliche.
Herr Gollmik leistete als Silvio, besonders in der Arie: Sanfte Glut, wallt im Blut etc. Alles, was man von einem guten Sänger fordern kann.
Bey der Rolle des Endimion gilt gewiß das Nemliche was ich vorhin von der, der Diana, behauptete; ob sie gleich die erste männliche im Stük ist, so liegt doch nicht der mindeste zusammenhängende Verstand, geschweige denn Kunststoff, darinne, von dem der Producente günstigen Gebrauch zu machen vermöchte. Man sahe es Herrn Kirchner deutlich an, daß der Unsinn und die Magerheit seines heutigen Vortrags ihn sehr genirten, desto braver aber war sein Gesang; – mit Gefühl und Kunst führte er vorzüglich die Arie: Schön wie die Mörgenröthe, und das Duet mit Dianen im II. Acte, durch.
Britomarte, Klizia, und Kloe, Dianens drey Nymphen, waren mit Madame Herzfeld, Mamsel Kruse, und der jüngeren Demoisel Stegmann besezt. Unter ihnen zeichnete sich leztere durch die ganz naiv, und einnehmend, [91] gesungene Arie: Fremde Gefühle etc. bemerkenswerth aus.
Vom Orchester wurden die schon angeführten Arien, des Endimion, des Silvio, des Amors, und der Kloe, am Besten vorgetragen. Sie müssen samt und sonders, wenn das Accompagnement treffend gelingen soll, mit äußerster Leichtigkeit, welche stets die Singestimmen dominiren läßt, behandelt werden. Diese Vorsicht beobachtet unser Orchester nicht immer, oft verfehlen sie besonders die blasenden Instrumente, so viel sichtliche Mühe sich auch Herr Musicdirector, Hönike, giebt, leztere im Moderato zu erhalten.
Directionswegen determinirt, auch im raisonirenden Journal Seite 32 angekündigt, waren für Mittewoch, den 15. October: Die beyden Grenadiers, und die kleinen Savoyarden; – gegeben wurde: Menschenhaß und Reue, Schauspiel in fünf Aufzügen von Kozebue.
Den Grund der Abänderung kann ich nicht bestimmen, der auf dem Anschlagezettel mir entgegen tretende: wegen abermaligen Rükfall der Krankheit des Herrn Steigers, paßt nicht; ich vermuthe daher, Herr Soufleur Burlow [[Korrektur: Barlow]], der überhaupt das raisonirende Journal, seinem Autor, und Verleger, nicht in große Affection zu nehmen scheint, hat uns wahrscheinlich wegen der ersten Bestimmung für die heutige Production falsch berichtet – bitte aber, als Autor, bey dieser bequemen Gelegenheit, Herrn Burlow [[Korrektur: Barlow]]: in der Folge pünktlich zu erfüllen, was die Direction an ihren Soufleur zu verfügen, Hrn. Nestler jüngsthin, am 1. Oct. d. J. versprach – jenes schriftliche Versprechen, leistet für die wirklich erfolgte Verfügung nicht zu bezweifelnde Gewähr! –
[92] Hamburgs Publikum hat bey der Abänderung gewiß nicht verlohren, es hat vielmehr unsaglich gewonnen. – Der reichhaltige, innere, Werth von Menschenhaß und Reue ist hier, in- und außerhalb Deutschland, bestätigt; dies Schauspiel gilt überall für ein dramatisches Meisterstük, und eine bessere Darstellung davon, als unser deutsches Theater sie heute bewerkstelligte, kann Herr von Kotzebue nie wünschen, Nirgends finden.
Madame Eule, und Herr Löhrs, sie als Gräfin, er als General, Graf v. Wintersee spielten vom Anfang bis zum Ende mit einer Wärme, mit einer Innigkeit, mit einem Anstande, bald launig, bald rührend, kurz so durchaus gut, wie es der strengste, und begehrlichste, Kunstrichter nur immer fordern konnte.
Herr Solbrig lies in der Darstellung des Maior von der Horst keine, auch nicht die kleinste, Pflicht unerfüllt, welche Rolle und Kunst ihm vorschrieben; man mußte sich durchgängig für die Figur, für die Stellungen, für den Conversationston, für jede Demarche des edeln Mannes, erwärmen. Ein eignes Compliment aber mache ich Herrn Solbrig über die 2te Scene des I. Acts. – War der Eindruk, den Madame Müller beym ersten Anblik auf ihn machte – nicht wirkliche Natur: so war es hohe, laut zu preisende, Kunst – daß Herr Solbrig in jeder Miene, in seiner ganzen Haltung, die Natur so treu copirte. – Herr Solbrig muß es mir einmal im Vertrauen sagen: ob er Madame Haßloch schon vor dieser Scene hinter denen Coulißen gesehen, und gesprochen hatte, sagt er Nein! so hat zwar die Kunst verlohren, die Natur aber einen herrlichen Triumph davon getragen! –
[93] Lotte, das Kammermädchen, wurde von Mamsel Stegmann, der jüngern, sehr wohlgefällig gespielt; sie scheint zum Soubretten-Fach vorzügliche Anlagen zu haben. – Ich wünschte, künftig alle dahin einschlagende Rollen nur durch Sie auf unserer Bühne besezt zu treffen.
Bittermann, eine wichtige Rolle, muß gerade so subtil behandelt werden, wie sie Herr Eule executirte, wenn nicht dadurch das Ganze einen entstellenden Flek erhalten soll. – Bittermann ist ein pudelnärrischer, zugleich aber sehr pfiffiger, Phantast, der den Schalk hinter den Ohren trägt – der ihn spielende Künstler hat es in seiner Gewalt, durch Wiz, Laune, seinen Spaß, das Stük zu heben, durch die mindeste trivialische Aeußerung das Ganze zu verunstalten. – Herr Eule würzte gewiß sein heutiges Spiel mit dem raffinirtesten Hautgout – nur ein einzigesmal vergriff er sich – am Schluße der 6ten Scene im II. Act schleuderte er Petern beym Abgehen unanständig über die halbe Bühne weg. –
Peter ist ein blödsinniger linkischer, in der Erziehung ganz vernachläßigter, Pursche, – aber gewiß, nach des Dichters Meinung, kein bäurisch plumper – Kerl; Lezterer dürfte in denen Zimmern der Herrschaft, nicht ab und zugehen, würde in ihrer Gesellschaft nie geduldet, selbst von Madame Müller nicht zum Besteller ihrer wohlthätigen Geschäfte gebraucht werden. – Peter muß abgeschmakt, aber nicht so gekleidet seyn, daß man ihn mit einem Bauerjungen aus Wintersee verwechseln kann. Franz, der gar kein Freund von Complimenten ist, selbst Madame Müller, unterreden sich mit ihm durch – Sie! Kurz der Dichter verlangt, wenn ich ihn recht verstehe, daß Peters Darstellung das bekante Sprüchwort: [94] wie die Alten sangen, so zwitscherten die Jungen, realisiren – daß Peter Pittermannen zum Model nehmen, und doch, aus natürlicher Ungewandheit, nicht einmal erreichen soll. Fände Herr Ehlers es der Mühe werth, diese Remarquen zu prüfen, und gelegentlich zu benuzzen: so spielt er gewiß in der Folge seinen Peter noch beßer, als heute.
Madame Müller, wurde von Madame Haßloch dargestellt. – So sittliche Feinheit; so tief ins Herz dringender Sprachton; so expressiver Verstand und Wiz in der Phisionomie; so unverkennbare Herzensgüte in jeder einzelnen Gebehrde; ein so innig natürliches Spiel, das bald zum heitersten Frohsinn, bald zur mitleidigsten Theilnahme hinriß, bald schmelzte, bald erschütterte, eine solche Figur, ein so netter Anzug wie Madame Haßloch bey dieser Rolle, in der seltensten Combination, zeigte, mußten ein Ganzes hervorbringen, das meine Wenigkeit für unübertrefflich schäzt. – Ja! ja! es giebt der Madam Müllers auch auf denen Bühnen viele – schon manche lernte ich kennen, die ich herzlich bewunderte, aber die Eulalia wünschte ich noch zu finden, welche mehr zu leisten vermöchte, als Mad. Haßloch heute geleistet hat – Nur dann könnte ich mich von einer Möglichkeit überzeugen, an der mein Verstand, mein Gefühl, und meine Erfahrungen, bis dahin absolut zweifeln müßen.
Herr Herzfeld spielte den Unbekannten als Künstler, der sein Fach kennt, der seine Talente zu brauchen versteht – aber um seiner eignen Würde willen bitte ich ihn, von dieser Rolle ja alles Pathos abzusondern, äußerst wenig Declamation in sie zu verweben. Je trokner Meinau seine Worte, seine Aphorismen, hinwirft, desto lebhafter wird sein Darsteller auf der Bühne [95] intereßiren. Selbst Meinaus charakteristische Güte darf nur äußerst selten in Mienen und Worten hervorblikken – er kann wohlthätig handeln, muß aber immer dabey menschenfeindlich aussehen, und sprechen – Denn ungewöhnliche Duldungen haben nicht seine Grundsäzze verschoben, nicht seinen Kopf, aber sein Herz, mit Eise umzogen – Erst in der 2ten Scene des IV. Acts darf man es merken, daß dieses Herz sich allmälig am Hauche der Horstischen Freundschaft erwärmet; die Erschütterung, Scene 10. Act IV. kann jenes Eis vollends zerknikken; von der 7ten Scene des V. Acts an, kann sich Meinaus Herz ganz aufgethaut zeigen, am Schluße der 9ten, und des Stüks, darf es im Feuer der Gefühle schmelzen. – Ich weiß recht gut, daß in der Rolle des Unbekannten extreme Schwierigkeiten liegen, daß es leichter ist, dergleichen Zeichnungen mit der Feder aufs Papier zu tragen, als sie auf der Bühne practisch zu realisiren – Aber welche Schwierigkeiten wären wohl für einen Künstler von Herrn Herzfelds Werth, und Kraft – an dem Plazze, wo er steht – abschrekkend, unübersteiglich? –
Herr Kruse spielt den Franz, des Unbekannten alten Diener, in ziemlich treffender Mensur – Franz copirt seinen Herrn, wenigstens im äußerlichen Ton und Benehmen – nach gar nicht verstekter Vorschrift des Dichters – Herr Kruse vermeide daher ja in dieser Rolle jede pathetische Declamation, und Bewegung, die kleinste derselben wird beym Franz zum auffallenden Fehler. –
Der alte Bauer, war mit Herrn Langerhans besezt – in der 3ten Scene des II. Acts, wo jener Greis fast allein spricht, und handelt, floßen im Amphitheater manche – floßen anhaltende [96] Thränen der innigsten Rührung. – Von Grund des Herzens theilnehmend, schließe ich mit diesem ausgezeichneten, und doch wahrhaften, Lobe meine heutigen Raisonements!
Meine Antwort an Hrn. M. ist am 27. Oct. – wie ich gewiß weiß – in der Nestlerischen Drukkerey abgehohlt worden. Warum mangeln mir seitdem alle weitern Nachrichten von Ihm? Findet er meine Bitten nicht statthaft? –
Vorstellungen in der künftigen Woche, wenn nicht Krankheit oder sonstige Umstände eine Aenderung nothwendig machen.
Sonntags, den 9ten: Abällino.
Montags, den 10ten: Don Juan.
Dienstags, den 11ten: Das Vaterhaus.
Mittwochs, den 12ten: Gustav Wasa.
Donnerstags, den 12ten: Der Corsar aus Liebe.
Freytags, den 14ten: Fisko [[Korrektur: Fiesko]].
Sonnabends, den 15ten: Concert, des Hrn. Musikdirector Fränzl, aus Offenbach.
S. 65. Z. 6 v. o. lese man, statt das: des.
S. 69. Z. 5 v. u. lese man, statt Rost: Rast.
S. 72. Z. 6 v. o. lese man, statt ihr: ihm.
S. 73. Z. 16 v. o. lese man, statt heitigen: heutigen.
S. 75. Z. 7 v. o. lese man, statt Medau Solona: Medan Solana.
S. 75. Z. 11 v. o. lese man, statt Johnson: Janson.
S. 75. Z. 2 v. u. lese man, statt predaminirt: predominirt.
Seite 75. schalte man noch die, vom Autor vergeßenen, Worte: Eduard Herr Kirchner, zwischen der 11ten und 12ten Zeile v. o. beym Lesen ein.
[97]
Das fortdaurende Uebelbefinden des Herrn Steiger machte die, Seite 32. des raisonirenden Journals, angekündigte Darstellung des Vaterhauses unmöglich. Wir wurden statt dessen Donnerstags, den 16ten October d. J. mit Don Juan, Oper in 4 Aufzügen, von Mozart componirt, sehr angenehm unterhalten.
Daß die Worte: sehr angenehm, [[Korrektur: "die" gestrichen]] sich nicht auf das Sujet, sondern lediglich auf die meisterhafte Composition, und deren Vortrag, beziehen können, bedarf wohl keiner weitern Auseinandersezzung. Jenes schwimmt eben so unstreitig im Wasser, als anerkanntermassen fast jeder Tact von dieser, Brillanten-Feuer sprühet, als gewiß heute diese Oper durchaus mit Kunst und Fleiße executirt wurde.
Herr Schröder hat, als Don Juan, bey dessen Vorstellung zu seinem Debüt auf Hamburgs deutscher Bühne, schon am 18ten April d. J. so allgemeinen und ausgezeichneten Beyfall erhalten, daß ich mein jeziges Raisonnement am füglichsten auf die doppelte Behauptung [98] einschränken darf: Herr Schröder verdiente jenen Beyfall vollkommen; er würde ihn heute in dem nemlichen Grade erworben haben, wäre sein damaliger Debüt für den 16ten October d. J. anberaumt, wäre nicht heute das Ganze Wiederholung gewesen. Er spielte als Bonvivant, dem es an Erziehung, und sittlicher Feinheit, gar nicht fehlt, er sang ohne merkbare Anstrengung gerade so leichte weg, wie es zum Sinn der Rolle paßte, und war sehr elegant angezogen.
Donna Elvira, mit der ältern Mamsel Stegmann besezt, wurde von ihr im Spiel und Gesang Nirgends vernachläßiget.
Herr Ritzenfeldt, als Comthur, soutenirte das Duel mit Don Juan, das Hinsinken und Sterben, die Attitüden als reutende Bildsäule auf dem Monument, und als nachher erscheinendes Gespenst, durchaus mit Anstand, er überwand besonders die notorischen Schwierigkeiten des Intonirens, Scene 6. Act IV. und im Finale des leztern, sehr glüklich.
Madame Haßloch sang in der Parthie der Donna Anna überhaupt, die erzählenden Recitative aber, und die Arie: Ich grausam, o nein, mein Werther! etc., vorzüglich gut.
Herr Haßloch hob mit seiner manierlichen Haltung, mit seinem netten Anzuge, mit seiner angenehmen Tenorstimme, durch cultivirtes Spiel und braven Gesang die Rolle des Don Octavio ungemein heraus – trug zur Vervollkomnung des so schön von Elviren und Annen vorgetragenen, vom augenbliklichen Zusammenstimmen derer blasenden Instrumente im Orchester so günstig unterstüzten, Terzets im Finale vom II. Act, seiner Seits viel bey, [99] und excellirte zum Anfang des III. in der Arie: Eilt wieder zur geliebten – etc.
Herr Eule verwendete, bey dem launigten Vortrag womit er den Leporello aufstuzte, zugleich die rühmlichste Aufmerksamkeit auf die, ihm als Sänger obliegenden, Pflichten.
Das Publikum wurde auch vom Herrn Ehlers, in der Rolle des Masetto, mit manchem Spaße bewirthet, ohne daß einer derselben ins Unanständige ausartete.
Zerlinen, ein jovialisches Bauermädchen, am Hochzeittage, welches bey manchem Schwindel im Kopfe, reine Unschuld im Herzen trägt, stellte nicht Madame Herzfeld, wie der Anschlagezettel bestimmte, sondern Madame Langerhans, durch angemeßenes Spiel, und muntern Gesang, der Natur gemäß, dar.
Herr Leo hatte als Kaufmann Martes nur zwey Scenen zu spielen, die ein förmliches Intermezzo ausmachten, und gewiß zur wohlthätigen Erschütterung der Zwergfelle sich ganz eigneten.
Auf den nemlichen Zwek arbeitete auch die 7te Scene des I. Acts anschaulich los, und Herr Nätsch trug, als Anführer derer Gerichtsbedienten, das Seinige hinreichend bey, jenen Zwek, ohne alle Verlezzung des Anstandes, zu befördern.
Freytags den 17ten October erschien auf unserm deutschen Theater zum erstenmal, Gustav Wasa, Schauspiel von Kozebue, durch fünf Aufzüge in Jamben geschrieben.
Einheiten des Orts – veralterte Regel der Dramaturgie – hat der Dichter gewiß nicht beachtet; wer wollte sich auch in denen Jahren Tagen, und Stunden, jezziger Aufklärung noch [100] nach solchen Alfanzereyen geniren? – Gustav Wasa spielt zu Wasser und zu Lande – bald in Schenken, bald in Burgen, bald in Dörfern, bald in residenzlichen Prunkzimmern, bald unter Gottes freyem Himmel – zum Glük immer in Norden! – Drey und dreißig handelnde Rollen müßen, die Statisten ausgenommen, darinnen besezt seyn. – Das nenne ich ein wahres Spectakel-Stük! – und den Journalisten nenne ich eben um deswillen einen Hexenmeister, welcher über deßen erste Darstellung für ihn, ohne alles weitere Anhalten, außer dem, das seine Augen und Ohren ihm gewährten, gründliche Raisonements niederschreiben kann. Ich bin kein solcher Hexenmeister; mir hat leider die gegen mich ausgezeichnet unerbittliche Theaterdirection das einzige mögliche Anhalten, die Einsicht des Manuscripts, welches ich nur in der Wohnstube ihres Soufleurs zu bewerkstelligen mich erbot, rund abgeschlagen. – Ich schlüpfe also für heute denen, die dies Journal lesen, wie ein Aal durch die Hände – und verspare alle Raisonements über Gustav Wasa bis zu dessen künftiger Darstellung.
Für leztere leistet mir das merkantlische Speculationsvermögen unserer Direction untrügliche Gewähr – ohne erlangte Einsicht des Manuscripts, kann ich mir es berechnen, daß Gustav Wasa mehr als einmal – kurz hinter einander – hervortreten wird! –
Sonnabends den 18ten October gab Madame Plomer Salvini, als musikalischer Zugvogel, im deutschen Schauspielhause Concert – Dem Annecdotensammler konnte es reichhaltigen Stoff in die Feder liefern, ich will ihn blos zur concentrirtesten Anzeige benuzen – Die Sängerin [101] arbeitete mit starker Stimme im Umfange vom tiefen F. bis zum 4 gestrichenen E. hatte solche aber ganz nicht in ihrer Gewalt. Wenn sie sich zur Höhe empor schwingen wollte, versank sie oft in die widerlichste Unreinheit der Töne. Sie begleitete ihren Vortrag mit Grimaßen, und körperlichen Contorsionen, wie ich sie noch von keiner Concertsängerin hinter dem Flügel gesehen habe, wie man sie kaum einer Wüthenden auf der Bühne verzeihen würde. Durch drey einzelne Productionen hatte sie sich bis nahe zum allgemeinen Auspfeifen befördert, einzelnes wurde schon hörbar; – in der vierten, einem Recitativ und Rondo von Zingarelly, rettete sie sich – sie wagte das Aeußerste – reußirte, und erhielt – für diesen casum in terminis – wohlverdiente – Applaudißements. Durch frühere Winke in denen Zeitungen, und durch expreßive auf denen Anschlagezetteln, war das Publikum mit der Hoffnung: Lord Nelson würde das Concert persönlich besuchen, geschmeichelt, zahlreich ins deutsche Schauspielhaus gelokt worden. Lord Nelson blieb außen – Madame Plomer Salvini aber strich dem ungeachtet eine sehr ergiebige Einnahme in ihre Caße. – Herr Düfaur, und Herr Bultos, unterstüzten, in Verbindung mit einem gut besezten, auch practisch fleißigen, Orchester, ersterer durch ein Clarinet- lezterer durch ein Violoncel-Concert die heutige Entrepriese.
Sonntags, den 19ten October, wurden die Martinsgänse, Lustspiel in einem Aufzuge von Hagemann, zum Anfang gegeben.
Dieses kleine dramatische Familien-Gemählde mußte gewiß, zumal bey einer so energischen Vorstellung, wie die heutige auf unserer [102] Bühne war, jedes Herz im Amphitheater, das für characteristische Rechtschaffenheit, und häusliches Glük, Achtung, und Gefühl, hatte, durchaus erwärmen.
Herr Herzfeld spielte den Pfarrer Kühnow; Madame Herzfeld Marthen, seine Frau; Herr Solbrig den Schauspieldirector Friderici; und Herr Kruse den Bauer Hanns, individuel, und im Ganzen, mit so inniger, Empfindung, mit so treuem Anhalten an Natur und Wahrheit, daß sie insgesamt dafür das ausgezeichneteste, lauteste, Lob verdienen. Wenn ich es ihnen vorenthielte, wenn ich nicht ins besondere bemerkte, daß Madame Herzfeld in der Minute, da sie ihre baumwollne Schürze abband, und damit die zerrissene Kappe des alten Großvaterstuhls zudekte, sich auf die erste Stufe der ausübenden theatralischen Kunst erhob, und daß Herr Kruse in seiner heutigen kleinen Rolle weit mehr geleistet hat, als in allen übrigen zusammengenommen, welche ich bisher von ihm gesehen, und beurtheilet habe: so wäre ich nicht der discretive Kenner des Fachs, das ich jezt bearbeite, für den ich mich im ersten Bogen des rais. Journ. ausgab; nicht der enthusiastische Verehrer alles wahrhaft Großen, Schönen, und Guten, zu dem meine geläuterten Gefühle, meine unerschütterlichen Grundsäzze, mich bestimmen – so vernachläßigte ich wenigstens bey einzelnen Fällen die Pflichten, welche ich mir Seite 6. dieses Journals, als Autor, freywillig auflegte.
Kaum aber wird es fehlen, daß nicht vorstehende Periode den Vorwurf erneuert, welcher sich im Publikum weiter, als ich wohl wünschte, schon wider mich ausgedehnt hat: [103] unser deutscher Theater-Journalist schweift im Loben aus. Da hat er nun schon wieder – so wird es bey und nach dem Lesen des 7ten Stüks vielleicht lauten – zwey Directions- zwey Gesellschafts-Mitglieder, bis zum Himmel erhoben; er muß doch seine privativen Absichten dabey haben, daß er die Gunst des hiesigen dramatischen Zirkels so zu erschleichen strebt, wie der Lombrespieler den vierten Stich im schwankenden Solo – u. s. w. –
Urtheilte wirklich ein Sachkenner also über mich, der die Darstellung der Martinsgänse am 19. October selbst abgewartet hat, dann müßten allerdings meine Beurtheilungskraft, und mein Kunstgefühl, den verdienten Vorwurf hinnehmen, – auf Beßerung sich befleißigen. Hielte sich aber der Tadelnde blos an die Worte jener Periode, so bitte ich nur, sie auf eine richtige Wage zu legen, sie nicht anders zu deuten, als ich sie dachte. In ihr sind nicht die Personen Herzfeld, Solbrig, Kruse, sondern Kühnow, Marthe, Friderici und Hanns, wie sie am 19. October auf Hamburgs deutscher Bühne standen, und handelten – verdientermaßen gelobt. – –
Bey dem allen entging es meiner Aufmerksamkeit nicht, daß man in der Scene, wo Kühnow seiner Frau die von Friderici erhaltene Uhr zeigt, für keine goldene, wie doch gewiß mehr als eine unter dem Personale hinter denen Coulissen zu finden gewesen wäre, gesorgt hatte, daß die nemliche silberne, welche kurz vorher der Pastor dem Schauspieldirector gegeben hatte, wieder zum Vorschein kam, so sehr sie auch Herr Herzfeld in seiner Hand zu verstekken sich mühte. Es ist ja durch den vorher [104] laut verlesenen Brief, der Begeiff einer goldnen Uhr apodictisch bestimmt, es liegt in dieser Idee, die Entwiklung des ganzen Stüks, und doch gieng ein so unverzeihlicher Fehler gerade in einer Scene vor, wo Herr Herzfeld selbst spielte! – –
Wollte unsere Direction mir die Freude machen, und Nächstens eine Wiederholung der Martinsgänse veranstalten, würden in selbigen die Handelnden nicht weniger als am 19. Oct. leisten – so wette ich drauf im Voraus: das Publikum applaudirt dem Stükke laut, feine Kenner billigen meine heutige Critik darüber einstimmig! –
Zur planmäßigen Ergänzung der leztern, bemerke ich noch, daß außer denen berührten Hauptrollen, die übrigen, episodischen, nemlich die Aufwärter im Gasthofe, Peter und Wilhelm, mit denen Herren Nätsch, und Straubenmüller; die Bauern, Görge und Ehrlich, mit Herren Petersen, und Langendorff; deren Weiber, Anne, und Margarete, mit Madame Kruse, und Gollmik, besezt waren.
Auf die Martinsgänse folgte: der Deserteur, Singspiel in 3 Aufzügen, aus dem Französischen von Sedaine, durch Monsigny in Musik gesezt.
Es sangen und spielten den Alexis Herr Schröder; Louisen die ältere Mamsel Stegmann; den Bertram Herr Ehlers; den Himmelssturm Herr Ritzenfeld, vorzüglich gut, nächst ihnen Herr Kruse den Invaliden Ludewig; Madame Kruse die Tante; Mamsel Kruse Hannchen; Herr Scholz den Courtchemin; und Herr Nätsch den Gefangenwärter.
[105] Es distinguirten sich im Gesang Herr Schröder bey der Arie des III. Acts, welche er zugleich als Brief an Louisen niederschreibt, Mamsel Stegmann bey der im Gefängnis producirten: hast du mich je geliebt, etc. Herr Ritzenfeldt führte die Carricatur des Betrunkenen, ohne Uebertreibung durch, hielt aber oft, wenn die Singeparthie ihm Fermaten [[Vorlage: Formaten]] vorschrieb, das Publikum zu lange auf.
Daß übrigens denen Soldaten, nur im Dienste, zur Galla, weiße Camaschen vorgeschrieben, nie auf Urlaub über Land welche zu tragen erlaubt sind; daß ein arretirter, schon zum Tode verurtheilter, Delinquent, absolut geschloßen seyn und bleiben muß, bis er auf den Executionsplaz tritt; daß er am allerwenigsten auf der Stokwache unbegleitet aus und ein gehen darf; daß seine Besuche auch nicht willkührlich bey ihm ab und zu gehen können – und daß dies Alles heute auf unserm Theater geschahe, erwähne ich nur mit wenig Worten, als offenbare Fehler wider jedes militärische System, denn ich kenne das sonderbare Principium: in einer Oper muß man auf solche Kleinigkeiten nicht achten! – Unsere mehresten Operfabrikanten machen sich diese Conuivenz treflich zu Nuze, und schütten kraft selbiger auf Deutschlands Bühnen so manchen Unsinn aus.
Montags, den 20. October, erfolgte eine Wiederholung von Gustav Wasa.
Lord Nelson besuchte heute Hamburgs deutsches Theater zum erstenmal – eine ungeheure Volksmenge drängte sich daher in und vor dem Schauspielhause zusammen, nicht um das Stük, sondern um den Lord, zu sehen. Er wurde beym Ankommen, und Herausgehen, mit [106] lautem Zurufen empfangen und begleitet. Das Parterre war so gestopft voll Menschen, daß ich, bis zum Erstikken gequetscht, wenig Aufmerksamkeit aufs Theater, und auf dessen Vorgänge, verwenden konnte.
Zur Nachricht für das Ausland will ich an dieser Stelle blos die hiesige Rollenbesezzung von Gustav Wasa einrükken; sie wird mehr Raum ausfüllen, als mir lieb ist – ich kann aber von der einmal für dies Journal gewählten Ordnung nicht abweichen.
Es spielten heute: Christiern den Zweyten, Usurpator von Schweden, Herr Löhrs; Gustav Trallen, Erzbischof zu Lübek, Herr Stegmann; den königl. Kämmerling Herr Wohlbrük; Bannern, und Rasmus Juthen, zwey dänische Edelleute, die Herren Solbrig und Ritzenfeldt; den dänischen Hauptmann, Hans Fynbo, Herr Haßloch; den Gustav Wasa Herr Herzfeld; Cecilien Wasa, Gustas Mutter, Madame Eule; Margrethen, verwittwete Brahe, Gustavs Schwester, Madame Haßloch; Margrethen Löwenhaupt Madame Herzfeld; deren Hofmeisterin, Gertrude, Madame Fiala, den Bürgermeister, Gregorius Holst, zu Stokholm, Herr Kruse; Lars Olofsen, und Arendt Pehrson, zwey schwedische Edelleute, die Herren Eule, und Gollmik; des leztern Gattin, Barbara Stigsdotter, Madame Langerhans; den Bürgemeister, Nicolaus Bröms, zu Lübek, Herr Langerhans; den hansestädtischen [[Vorlage: hanseestädtischen]] Admiral, Friedrich Brun, Herr Leo; den Commendanten Berend von Malem, zu Calmar, Herr Schröder; des Bauers, Swen Nilson, Frau, Madame [107] Kruse; die Wirthin, zum goldenen Anker vor Lübek, Madame Löhrs; deren Dienstmädchen, Brigitten, Mamsel Stegmann, die jüngere; einen Spion Herr Zahrt; eine Nonne in St. Clarens Kloster, Madame Hönike; einen Boten Herr Erdmann; einen dänischen Reuter, einen deutschen Officier, einen schwedischen Reuter, die Herren Nätsch, Ehlers, und Kirchner.
Zu doppelten Rollen waren angestellt: Herr Kruse, als Hans Greyerson, ein alter Diener der Familie Wasa; Herr Eule, als Peter Bohn, ein Lübekischer Schiffer; Herr Solbrig, als Pfarrer zu Suerdsiö; Herr Langerhans, als Bauer Swen Nilson; die Herren Leo und Ritzenfeldt, als zwey Viehhändler, Born und Jendel.
Welche ungeheure Menge von wirklich sprechenden Personen! – Mein Kopf schwindelt beym Niederschreiben! Aeußern sich etwa ähnliche Simtomen beym Lesen; so bitte ich die Periode zu überspringen; dies geschieht ja zuweilen wohl in wichtigern Schriften, zu denen der bescheidene Autor dieses Journals seine Brochüre gar nicht zählen darf – der heutige Bogen ist ja ohne dies vollgepfropft genug. –
Eine dreyfach stärkere Anzahl von deutschen Officiers, dänischen Reutern, deutschen und schwedischen Soldaten, Dalekerlen, Jägern, Bürgern und Bürgerinnen aus Stokholm, Bauern und Knechten, sollten eigentlich, nach Verhältnis, die Statisten befaßen, wenn nur die Bühne Raum genug dazu hätte. –
Bey der nächsten Wiederholung von Gustav Wasa getraue ich mir über das Stück selbst, [108] und über dessen hiesige Production, gründlicher, als ich es heute vermag, zu urtheilen. – Che va piano – va sano! –
Dienstags, den 21sten October, wurde das rothe Käpchen, Singspiel in 3 Aufzügen, nach Dittersdorfs Composition, gegeben.
Den Ruf, und den Werth, dieser allgemein eben so bekannten, als beliebten, Oper, bestätigte deren heutige Darstellung auf unserer deutschen Bühne neuerdings; nur war es Schade, daß sie vor einem fast leeren Hause spielen mußte – denn gewiß erhielt jeder anwesende Kenner und Verehrer dramatischer Kunst vollständige Befriedigung, und wer von solchen den Besuch des deutschen Theaters heute versäumte, hat eben so gewiß viel verlohren.
Die Anschlagezettel stellte eine doppelte Bemerkung dar, welche der Erfolg anders realisirte: Die ältere Mamsel Stegmann, nicht Madame Haßloch, erschien als Lina; nicht Madame Langerhans, sondern Madame Haßloch, als Schulzin Hedwig.
Herr Ritzenfeldt legte als Emmrich den angemeßensten Humor in sein Spiel, und sang vorzüglich gut.
Mamsel Friederike Stegmann stellte [[Vorlage: stellten]] als Lina, ein sehr interessantes, und liebenswürdiges, Frauenzimmer dar – die Arie: Flieht ihr quälenden Gedanken etc. berechtigte sie zu allgemeinem Beyfall.
Herr Kirchner verdiente den nemlichen als Leutenant v. Felsenberg; er spielte anständig, sang die Arie: Mich dauert das Weibchen mit feurigen Blik etc. äußerst wohlgefällig, und legte in den Vortrag der Romanze: es war einmal ein alter Mann etc. außerordentliche, mit der richtigsten Mimik verbundene, Leichtigkeit.
[109] Herr Gollmik nahm den Castellan Sander schon im Anzuge, und dann im ununterbrochenen Spiele, nicht als Narren, sondern als Gek, von einer Seite, wie ich ihn noch auf keiner Bühne gesehen habe – die Idee war neu, gewiß im hohen Grade gefällig, fein überdacht, und sehr treffend soutenirt. – Ich becomplimentire ihn darüber. – Auch Herrn Gollmiks Gesang verdient rühmliche Erwähnung; er war sehr brav, und paßte ganz zur übrigen Anlage.
Madame Löhrs spielte die Mariane mit ganz besonderer Application auf den Sinn der Rolle – sie sang gegen den Schulzen die Arie: Will die Frau den Mann regieren etc. mit ungemein paßendem Ausdruke. [[Hierzu drucktechnische Anmerkung auf S. 128: "Beym Umschreiben des Manuscripts vom 7ten Bogen für die Drukerey, ist ein wesentlicher Fehler vorgegangen; Seite 109. muß die von Madame Löhrs im II. Act des rothen Käpchens gesungene Arie: Dumme Streiche fängt er an etc. statt der, Zeile 14, inducirten gelten." - Ende d. Anm.]]
Hans Christoph Nitsche, der Schulze, wurde heute vom Herrn Eule, zum wahren Meisterstük erhoben. – Verfeinerte Laune, natürlicher Wiz, beseelten sein ganzes Spiel, und drängten es doch eben so wenig, nur eine Minute lang, aus denen Schranken des Wohlstandes, als er bey dem Allen auch nur die kleinste Vorschrift der Singeparthie verfehlte.
Madame Haßloch brillirte auch heute, als Hedwig, – in jedem Betracht. Daß ihr in der Arie: dies Gefühl ist mir geblieben etc. bey der ersten Fermate die Wiedereinleitung in das Tempo äußerst glüklich gelang; daß sie bey der wichtigen Arie im II. Act: Endlich fliehet alle Plage etc. die schon von mancher Sängerin gebrauchte Licenz nicht benuzte – nicht zwey Drittheile davon wegließ, sondern sie ganz, und prächtig, durchführte, muß ich bemerken, ohne in monotonischem Lobe auszuschweifen.
Als Jacob, unter jüdischer Verkleidung, zeichnete sich Herr Ehlers durch Carricatur des [110] Spiels, der Sprache, selbst des Gesanges, löblich – durch den Anzug aber nicht empfehlend aus; warum hatte er denn gerade das Costüm eines Betteljuden gewählt; warum schleppte er sich mit einem so ungeheuer großem Sakke; und – besonders frage ich – warum rennte er beym ersten Erscheinen Herrn Eule fast über den Haufen? –
Nach erfolgter Genesung des Herrn Steiger, wurde Mittewochs den 22. Oct. das Vaterhaus, von Iffland, unter der nemlichen Rollenbesezzung, und mit ganz ebenmäßiger Application derer handelnden Personen, wie ich sie im dritten Stük dieses Journals angezeigt, beurtheilt, und gerühmt habe, wiederholt.
Das Publikum empfieng Herrn Steiger bey seinem ersten Auftreten mit Applaudissements. Dieser Beweiß öffentlicher Theilnahme, und Achtung, war dem braven Künstler gewiß zu gönnen – mich freute er herzlich! –
Herr Steiger spielte gut – nicht mit der sonstigen Festigkeit, nicht mit seinem gewöhnlichen Feuer – am deutlichsten bemerkte man es, an seinem Gange, als er nach dem Stük für den folgenden Tag ankündigte, wie sehr ihn die Krankheit erschöpft hatte – es ist zu wünschen, daß er sich durch die heutige Anstrengung nicht neuen Schaden zugefügt hat! –
Meine Corespondenz in Beziehung auf dieses Journal erweitert sich – Bis hieher hat sie mir viel Vergnügen verschafft, mein emsiges Streben nach dem Beyfall des hiesigen cultivirten, und gutdenkenden, Publikums mehr als einmal im Stillen belohnt – Ein für alle mal aber bitte ich: die mir zugesendeten Billets zu [111] datiren; ich kann sie sonst nicht chronologisch im Kopfe behalten.
Herr Hg. hat sehr recht – aber schwer ist für mich die Aufgabe: jenen Vorgang, der meiner eignen Bemerkung gewiß nicht entging, den ich noch expreßiver, als er mir angezeigt worden ist, detailliren könnte, öffentlich zu rügen – Doch wenn ich auf das relative Stük, in der Reihe derer einzelnen Critiken, treffe, will ich vielleicht sehen, was ich mit Bescheidenheit darüber schreiben kann. Uebergehe ich aber das Ganze mit Stillschweigen: so soll Herr Hg. zuverläßig vorher meine Bewegungsgründe dazu, unter der mir vorgeschriebenen Adreße an Ihn, privative erfahren – und dann rechtfertigt Er meine Procedur gewiß. – –
Herr Nu fordert mich, etwas despotisch, auf; in der Beurtheilung derer einzelnen Vorstellungen unsers deutschen Theaters rascher fortzuschreiten. – Die Inconvenienz der zeitherigen Verspätigung fühlte ich gewiß eher selbst, als ich daran vom Herrn Nu tadelnd erinnert wurde – aber der Hauptplan machte sie bis jezt unvermeidlich – sie wird sich mit jeder folgenden Woche vermindern, bald ganz verlieren. Auf Extrablätter, oder doppelte Bogen in einem achttägigen Zeitraum, bin ich vor der Hand nicht eingerichtet. Schriftstellerische Producte, wie ich sie seit 7 Wochen an Hamburgs Publikum lieferte, lassen sich nicht aus dem Ermel schütteln. – Herrn Nu ersuche ich: meine Erklärung im raison. Journal Seite 21. gefälligst und prüfend, nachzulesen! – Ueber die Erfüllung oder Vernachläßigung deßen, was ich dort versprach, kann ich erst am 1sten Januar 1801. – wenn [112] ich ihn gesund erlebe – gerichtet werden. Herr Nu wünschte für sich, und für mehrere Abonnenten (warum just Abonnenten? Wer dieses Journal ließt, hat gleiches Recht, wie jene, mit dessen Autor, nach der Bestimmung Seite 20. zu conversiren) eine öffentliche Antwort auf sein Handbillet an mich – Hier steht sie gedrukt! – –
Herrn S. den jüngern, bitte ich: eine privative Antwort auf seinen Brief vom 10. d. M. künftigen Dienstag, d. 18ten Vormittags, in der Nestlerischen Buchdrukkerey abholen zu lassen – sie liegt dort unfehlbar an Herrn S. adreßirt parat. – Daß der Inhalt jenes Briefes für mich ächten Werth hat, declarire ich hiermit öffentlich!
Noch hat mich Herr M. mit keinen weitern Nachrichten von sich beehrt – erhalte ich nicht Nächstens welche in meine Hände: so leiste ich, ohne weitere Erwähnung, für immer Verzicht darauf! –
Vorstellungen in der künftigen Woche, wenn nicht Krankheit, oder sonstige Umstände, eine Abänderung nothwendig machen.
Sonntags, den 16ten: Geschwind eh’s Jemand erfährt, und das Automat.
Montags, den 17ten: Lodoiska.
Dienstags, den 18ten: Der Scheintodte, und Irrthum an allen Ekken.
Mittwochs, den 19ten: Der Corsar aus Liebe.
Donnerstags, den 20sten: Fiesko.
Freytags, den 21sten: Im Trüben ist gut Fischen.
Sonnabends, den 22sten: Benefiz-Concert, für Herrn und Madame Haßloch.
Seite 9. Z. 6 u. 12 v. u. lese man statt Burlow: Barlow.
Seite 96. Z. 19. v. o. lese man statt Fisko: Fiesko.
[113]Donnerstags, den 23sten October, d. J. erfolgte die dritte Vorstellung vom Kozebuischen Schauspiele, Gustav Wasa, und es waren sämtliche Rollen darinnen, unverändert, so besezt, wie ich sie Seite 106 und 107 d. Journ. angezeigt habe.
Nun darf ich wohl nicht länger einer detaillirten Beurtheilung dieses Stüks ausweichen? Sie würde aber dem lesenden Publikum kaum verständlich, geschweige denn im Mindesten interessant werden, wenn man sich nicht vorher eine richtige Darstellung von dem historischen Inhalt, wie ihn der Dichter, nicht einmal ganz rein aus der ältern Geschichte, sondern mit unter blos aus seiner Imagination, geschöpft hat, machen könnte. Um eine solche Darstellung zu bewerkstelligen, mußte ich, aus mancherley Ursachen, die erschöpfendesten Schwierigkeiten bekämpfen, und wer weiß, ob ich viel Dank dafür verdienen werde.
[114] Die Basis vom Schauspiele, Gustav Wasa, beruht keineswegs, wie mehrentheils bey andern dramatischen Producten, auf Ver- und Entwiklungen, die der Zeitraum einiger Stunden, oder Tage, knüpfet, und auflöset, sondern auf periodischen Ereignißen einer ehemaligen Revolution in der schwedischen Regierungsform, die ohne stricten Zusammenhang sich durch viele Monate aus einem Jahre ins andere ausdehnen. – Um diese mit so viel Deutlichkeit zu erzählen, daß man sie beym Lesen festen Bliks übersehen kann, finde ich nur einen Ausweg; auf ihm will ich daher blos die Thatsachen, welche jeder einzelne Act, einer nach dem andern, befaßt, auch Orte und Gegenden, wo sie sich ereignen, so zusammengedrängt, als es bey beabsichtigter Verständlichkeit möglich seyn wird, beschreiben, und damit meine raisonirenden Bemerkungen, wie eben dieselben auf unserm deutschen Theater behandelt worden sind, an jeder schiklichen Stelle verbinden. Nur auf diese Art kann ich den Zwek erreichen: Jeden, der dieses Journal theilnehmend, nachdenkend, und prüfend, lieset, mit dem Inhalt des bis jezt ungedrukten Schauspiels, Gustav Wasa, bekannt zu machen, ihm ein sicheres Anhalten zum Urtheil über dessen innern Werth, und über dessen hiesige Darstellung, zu verschaffen.
Der erste Act spielt anfänglich in einem Dorfs-Wirthshause, dem goldnen Anker, unweit Lübek – hernach in der Stadt selbst, im Hause, und Wohnzimmer, des dortigen Bürgemeister, Nicolaus Bröms.
Zwey niedersächsische Viehhändler, Born und Jendel, zu denen sich kurz vorher Gustav [115] Wasa unter Wegs in der Gegend von Flensburg gesellet, und als Knecht vermiethet, hat, kehren bey sehr schlimmen Regenwetter, schon unter Licht brennen, in jenem Wirthshause ein, um daselbst zu übernachten. Beyde verlassen sich, wegen der Pflege ihres Viehes im Stalle, lediglich auf die Achtsamkeit des Knechtes, mit dessen zeitheriger Aufführung sie sehr zufrieden sind, und sorgen blos für ihre Bequemlichkeit in der warmen Stube, und für ein gutes Warmbier mit Honig, das sie bey der geschäftigen Wirthin zum Abendessen bestellen. Bald nach ihnen tritt der Knecht auch in die Stube; sie sagen ihm zwar, er soll sich gütlich thun, mit eben so viel Freundlichkeit, als ihn die Wirthin willkommen heißt, aber alle drey bekümmern sich nicht weiter drum, wo er Etwas zum gütlich thun hernimmt; er sezt sich abwärts auf eine Bank, langt aus dem bey sich habenden Sakke schwarzes Brod, und verzehrt es trokken, ohne daß es Jemanden einfällt, ihm nur einen Trunk, geschweige denn einen sonstigen Anbiß, zu bieten. Unterdeßen entwikkelt sich beym Genuß des Warmbiers zwischen denen Viehhändlern und der Wirthin ein Gespräch über politische Gegenstände; es wird viel, und besonders von denen in Schweden obwaltenden Kriegsunruhen gekannegiesert. Der Viehhändler Jendel scheint mit der Geschichte ziemlich bekannt zu seyn; er erzählt seinem Cammeraden, der weniger darinnen bewandert ist, und doch den eigentlichen Grund der zeitherigen Regierungsveränderungen in Schweden, des darüber ausgebrochenen Bürgerkriegs, und derer noch jezt in jenem Reiche fortdauernden Gährungen, erfahren möchte, Folgendes:
[116]
- Je nun! Es war vor Zeiten ein Vertrag: die nordischen Reiche, Dänemark, Schweden, und Norwegen, sollten von einem König beherrscht werden; eine Zeitlang gieng es; als aber durch der Dänen Uebermuth der Druk unleidlich wurde, da brach endlich der Bürgerkrieg in helle Flammen aus; die Schweden schüttelten das Joch vom Nakken. Nun sind es 30 oder 40 Jahre, seit das Geschlecht der Sture, als Reichsverweser, das Regiment mit Kraft und Milde führte, bis nun vor Kurzem König Christiern, aufgehezt von dem verschmizten Erzbischof, dem Gustav Trolle, für verjährte Rechte den günstigen Zeitpunkt zu ersehn vermeinte, mit Heeres-Macht in Schweden einbrach – nun das Uebrige geschah in unsern Tagen.[2]
Der auf der Bank sizende Knecht beachtet von Zeit zu Zeit merklich diese und jede folgende Erzählung, worinne von Schweden die Rede ist. Eben tritt noch ein anderer Reisender in die Wirthsstube, Hans Greyerson, ein. Er begrüßt die Viehhändler, und die Wirthin, ohne den Knecht auf der Bank sonderlich zu bemerken, er fragt jene, ob ihnen nicht ein junger Rittersmann von gutem Ansehen unter Wegs begegnet, diese, ob ein solcher nicht kürzlich bey ihr eingekehret sey? Man antwortet ihm durchaus Nein? Er sagt, daß er diesen jungen Mann, [117] wichtiger Ursachen halber, schon seit mehreren Tagen ängstlich suche, und nennt den Gesuchten Gustav Wasa. Der Nahme ist beyden Viehhändlern gar nicht unbekannt – aber sehr wundern sie sich, daß jener im Holsteinischen, nicht in Schweden, seyn sollte. Greyerson erwiedert darauf: Gustav Wasa habe lange in dänischer Gefangenschaft geseßen, wäre aber daraus entflohen, und wahrscheinlichst jezt in der Nachbarschaft von Lübek verstekt. Der Knecht auf der Bank wird dabey immer aufmerksamer, er kennt sogar Greyerson, als alten Diener des Hauses Wasa, hält sich aber fortdauernd zurük. Von denen Viehhändlern, und der Wirthin aufgefordert, beginnt aus Greyersons Munde eine ausführliche Erzählung, wie es jezt in Schweden hergeht, eine grause Schilderung aller Tyranneyen, welche Usurpator, Christiern, jüngsthin in diesem Reiche an denen Edelsten seiner Vasallen, und an andern Dienern des Staats, verübt hat; Man erfährt daraus, daß Stokholms Thore durch Verrätherey denen Dänen geöffnet wurden; daß Christiern sich dort als Schwedens König krönen lies; daß bald darnach bey ihm Erzbischoff Trolle, welcher wegen erwiesener Unthaten unter der Stureischen Reichsverwesung abgesezt, dessen Burg geschleift worden war, die Ersten des Adels, der Geistlichkeit, und der bürgerlichen Beamten, als Kezer, unter Berufung auf Päbstlichen Bann privative Rache schnaubend, anklagte; daß Christierns mißtrauische Grausamkeit diesen Vorwand benuzte; die von Trolle Angeklagten heuchlerisch zum Gastmahle laden, die Erschienenen greifen, in Ketten und Kerker werfen, verurtheilen, wenig [118] Tage nachher, und unter ihnen auch Ehrich Wasa, Gustavs Vater, auf dem Chavot hinrichten lies.
Während Greyersons Erzählung ist der Knecht von der Bank aufgestanden, und hat sich dem Tisch genähret, doch so, daß er nicht vor jenes Blik tritt; pantomimisch äußert er den schreklichen Eindruk, welchen das Erzählte auf ihn macht; ja er mengt sich sogar, vom Schmerzgefühl hingerissen, nur in einzelnen, jedoch so treffenden, Worten in die Unterredung, daß sein einer Herr ihm zuruft: du gerähtst ja so ins Feuer, als wenn du selbst ein Schwede wärst etc., in dem Augenblik aber, da Greyerson Gustavs Vater unter denen in Stokholm Hingerichteten nennet, stürzt er ohnmächtig, so lang er ist, auf den Boden.
Alle springen auf, laufen zu, drängen sich zur Hülfsleistung – Greyerson nimmt ein Licht vom Tische, leuchtet dem Ohnmächtigen ins Gesicht, und erkennt ihn für Gustav Wasa. – Jezt müht sich Greyerson, vor allen Dingen die Anwesenden zu entfernen, mit Wasa allein zu bleiben – die Viehhändler lassen sich nicht lange zureden, empfehlen den Kranken wirthlicher Pflege, und suchen die Streu – auch die Wirthin retirirt sich auf Greyersons wiederholtes Verlangen aus der Stube, mit dem Versprechen, noch einen Kloz in den Ofe zu schieben, ehe sie sich niederlegt.
Gustav Wasa, von Greyerson unterstüzt, aufgerichtet, erholt sich allmälig, und erkennt den alten Diener seines Hauses. Von ihm erfährt er neue Schreknisse in weiterer Erzählung – daß außer dem Vater, auch sein Schwager Brahe, und Löwenhaupt, seiner [119] Braut Vater, zusammen 94 edle Schweden an einem Tage unter dem Beile des Henkers gefallen sind; daß Cicilia Wasa, Gustavs Mutter, zwar noch lebt, aber in Christierns Kerker schmachtet; daß Gustavs Schwester, die Wittwe Brahe nach Calmar geflohen ist. Greyerson zeigt Gustav auf dem rechten Ermel seines Wamses einen Flek, den Wasa, des Vaters, beym Henkershieb sprüzendes Blut zeichnete; er giebt ihm ein Tuch, das er in jenes Blut, ehe es noch auf dem Chavot mit anderm sich mischte, tief eingetaucht hat.
Der über alle nach und nach erfahrne Greuel fast wüthende Gustav schwört bey dem Blute des erschlagenen Vaters, bey denen Manen der übrigen Gerichteten: des Vaters, der Verwandten, der Freunde, der Edeln, Tod an Christiernen zu rächen; Cecilien, die Mutter, aus dem Kerker zu befreien, Margarethen Brahe, die Schwester, Margarethen Löwenhaupt, die Braut, in Sicherheit zu bringen, ganz Schweden dem Sclaven Joch des Tyrannen zu entreissen – wenn ihm Gott beysteht, wenn er Anhang und Unterstüzzung findet.
Vorerst beschließt er, sich in den schüzenden Arm der Hanseestädte zu werfen – durch ihn sich auf irgend eine Art den sichern Weg nach Schweden zu öffnen – Greyersons Warnungen, daß schon in der Gegend ein dänischer Ritter mit Gefolge ihn aufsuche, ihm bereits auf der Spur sey, machen keinen Eindruk – er fühlt innern Beruf zum großen Zwek, er traut auf Gottes Beystand zur gerechten Sache; er reißt Greyerson mit sich fort – und eilt nach Lübek.
[120] Alles bis jezt von mir Zusammengetragene füllet nur den Raum der ersten 6 Scenen. –
Die Gleichgültigkeit mit der die beyden Viehhändler ihren Knecht behandeln, daß sie sich um seine Verpflegung im Wirthshause weniger bekümmern, als er sich, nach ihrer geäußerten Zuversicht, um das Schlachtvieh im Stall vorher schon, ehe er noch in die trokne und warme Stube trat, bekümmert hatte; daß sie ihn so sorgenlos während seiner Ohnmacht einem fremden Reisenden, und der Wirthin, für die ganze Nacht überlaßen, sich aber, ohne zu wissen ob er tod ist, oder wieder aufleben wird, auf die Streu begeben; daß Greyerson der Gustav Wasa so genau kennet, so ängstlich suchet, ihn nicht gleich an der Stimme erkennt, wie dieser sich mit dem ersten lauten Worte in die allgemeine Unterredung mengte – diese Combinationen samt und sonders sind auffallende Ungereimtheiten, beruhen auf unwahrscheinlichen[WS 2] Ideen, wofür ich gerechten Tadel dem Dichter hier, schon im Einzelnen, entgegen stellen muß.
Die Herren Leo und Ritzenfeld, besonders Ersterer durch Mimik[WS 3] und Anzug, auch Madame Löhrs, und Mamsel Stegmann, die jüngere, leisteten gewiß durchgängig ihren Rollen bemerkens- und lobenswerthe Genüge.
Wie Herr Leo beym Eintreten in die Wirthsstube sich das Regenwaßer abschüttelte, den Huth ausschwenkte, hätte ich gerne diese so natürlich ausgezeichnete Nüance beklatscht – aber ausgelacht wäre ich vielleicht darüber im Parterre worden, tadeln wird man vielleicht beym Lesen des Journals, daß ich über solche Unbeträchtlichkeiten so viel Aufhebens mache, [121] manche Zeile, die Etwas Interessanteres fassen könnte, mit einer unerheblichen Bemerkung ausfülle – O! Kunstgefühl, wie allgewaltig reißest du deine Geweihten hin, wie kränkend wirst du von der Menge verkannt! –
Herr Kruse würde, wenn er bey dem geschwinden Erzählen, welches allerdings die richtigste Mensur des Vortrags war, seinen Sprachorganen precisere Deutlichkeit abgewonnen hätte, mich in der Rolle des Greyerson ganz befriedigt haben.
Herr Herzfeld ist nach allen dramaturgischen Regeln verbunden, sein Feuer in jenen sechs Scenen mehr zurükzuhalten, als er es that – mit weit gedämpfterer, eigentlich mit so verstellter Stimme, wie sie oft in andern Rollen ihm ausnehmend gelingt, muß er seine einzelnen Beyträge zur allgemeinen Unterredung im Wirthshause einwerfen – wie kann ihn sonst der, seines Wißens, anwesende Greyerson nur einen Augenblik verkennen? – Einzig beym Niederstürzen in Ohnmacht darf er laut aufschreyen; – hätte einst Gustav Wasa in der traulichen Unterredung mit Greyerson, Scene 6. selbst bey dem feyerlichen Eide auf die Rache an Christiern, auf seiner Geliebten, und Schwedens, Rettung, in dem Grade geschrien, wie Herr Herzfeld auf der Bühne, und wären die ihm nachspürenden Dänen, zufällig in des Wirthshauses Nähe gewesen: so kam er nie nach Lübek, so erfuhr wenigstens Jedermann im goldnen Anker sein Geheimniß, seine noch nicht zur Publicirung reifen Plane! – Hätten ihn wohl dann seine Dienstherren, bey aller Anhänglichkeit an Ruhe auf der Streu, unaufgehalten reisen lassen?? – –
[122] Ich lenke nun wieder auf den weitern historischen Inhalt des Schauspiels ein.
Von der 7. Scene an befindet man sich in Lübek, im Hause, und Zimmer, des Bürgemeister Bröms. An seinem Schreibetisch sieht man den edlen Greis sizzend arbeiten, er legt die Feder aus der Hand, und wiederholt summarisch in denen Worten:
- Steh dem Schwächern bey, laß nie ihn ganz vernichten, es möchte sonst der Stärkere wider dich die Waffen kehren!
ein politisches, auf die Crisis der dänischen und schwedischen Angelegenheiten sich beziehendes, Gutachten, das er wahrscheinlich vorher auf dem Papiere weiter auseinander gesezt hatte. Noch vertieft in diese weitaussehenden Ideen ist er, als Schiffer Bohn aus Lübek bey ihm eintritt; – Bohn meldet seine nächstbevorstehende Abfahrt nach Schweden, und will sich beurlauben. Bröms ertheilt ihm den Auftrag: die jezzige Stimmung der Gemüther in Schweden klug und schlau zu erforschen – hörte er blos wimmernde Klagen über den Druk der dänischen Regierung: so soll er gänzlich schweigen; fände er aber planmäßige Gährungen, die gewaltsames Abschütteln des dänischen Sclavenjochs intendirten, und Männer, denen man Kopf und Muth genug zur Ausführung zutrauen könnte, sich ausdrüklich merken zu lassen, daß die Hanseestädte gar nicht abgeneigt wären, Schwedens Befreyung erst im Stillen, dann öffentlich, zu unterstüzzen. Bröms äussert selbst, daß ein solcher Auftrag sich eigentlicher für einen expreßen Abgesandten, als für einen in Handelsgeschäften nach Schweden reisenden Schiffer, schikke – aber der feine Politiker berechnet zugleich, daß seine Absichten [123] durch Verhandlungen im Stillen wirksamer, als durch Negociationen nach diplomatischer Form unter öffentlichem Aufsehen, befördert werden dürften – und kennt übrigens an Bohnen seinen Mann. Dieser faßt den ehrenvollen Auftrag mit schneller Uebersicht, fühlt sein Gewicht, dankt für so viel Zutrauen, gelobt, es mit redlichster Betriebsamkeit zu erwiedern, und bestimmt auf die erste günstige Wendung des Windes sein Absegeln aus Lübek nach Schweden.
Unmittelbar nach Bohns Abtritt wird beym Bürgemeister Bröms ein dänischer Ritter angemeldet, und eingelaßen. Er nennt sich Banner, erklärt: daß er, vom König Christiern beauftragt, den aus dänischer Gefangenschaft entflohenen Gustav Wasa verfolge, ihn um Lübek herum, vielleicht in der Stadt selbst, verkleidet, oder verstekt, zu finden hoffe, und bittet um jeden obrigkeitlichen Beystand, damit er bald des Ausreißers habhaft werde. Ohne auf den leztern Punkt mit Ja! oder Nein! determinirt zu antworten, versichert der Bürgemeister blos, daß er noch nicht die mindeste Notiz von Wasas etwaigem Aufenthalt in der Nähe eher, als jezt, erhalten habe; – indem läßt ein Bauer, der seine Geschäfte als unaufschieblich angiebt, um Gehör beym Bürgemeister bitten. Es wird ihm bewilligt, kaum aber ist er ins Zimmer getreten: so erkennt ihn Banner für Gustav Wasa, und fordert, mit Berufung auf die zwischen Dänemark, und denen Hanseestädten obwaltenden Tractaten, dessen augenblikliche Auslieferung. Gustav Wasa verläugnet sich nicht, provocirt aber, da er keines Verbrechens schuldig sey, auf Lübeks gastfreundschaftlichen Schuz, insbesondere auf [124] Bröms allgemein bekannte, characteristische, Rechtschaffenheit und Menschenliebe. Zwischen Bannern und Wasa knüpft sich ein Gespräch zur wechselseitigen Explication an. Banner rechnet es Wasa zum Verbrechen an, daß er ihn gegen Verpfändung von 6000 Gülden an König Christiern, aus dem strengen Gefängniß los gebeten, in seine Burg eingeführt, und ihm dort ein sehr leidliches Schiksal bereitet; Wasa hingegen Bannern durch seine Flucht Christierns höchster Wuth blosgestellt, veranlaßt habe, daß, nach bereits mit 6000 Gülden bezahlter Bürgschaft, jezt Banner nebst Frau und Kind darben, bald für sein Leben zittern müße, wenn er nicht Nächstens Wasa in des Tyrannen Gewahrsam zurük liefern könne. Wasa rechtfertigt dagegen die Entweichung aus Banners Burg mit seiner wider alles Völkerrecht von Christiern usurpirten Gefangennehmung, erinnert Bannern, daß er nicht als überwundener Krieger, sondern als freywillige Geissel, an Bord des dänischen Schiffes gekommen sey, welches ihn alsbald in den Kerker nach Copenhagen geschleppt habe, – sucht durch die Darstellung seiner unglüklichen Lage, durch die erzählte Hinrichtung seines Vaters, Schwagers, und mehrerer theuren Freunde auf Christierns blutgierigen Befehl, den zürnenden Banner mit sich auszusöhnen; bittet ihn beweglichst, sein großes Vorhaben für Schwedens Rettung nicht im ersten Beginnen zu zerstöhren, und verspricht theuer, sobald lezteres gelungen seyn wird, Bannern vollständig zu entschädigen. Bröms bekräftigt besonders die leztern Punkte von Wasas Erzählung als wahr, und leistet zugleich, damit Banner früher noch, als [125] Wasa verheißen, und auf jeden Fall gewiß, entschädigt werde, im Nahmen des Lübekker Magistrats für 6000 Gülden Bürgschaft. Bannern bricht das Herz; freundschaftlich schließt er Wasa in seine Arme, billigt seinen Entschluß, ermuntert ihn zu deßen raschen Ausführung, und reißt sich dann von ihm, und von Bröms, mit dem Abschiede los:
- Zieh hin! Ich habe keinen Theil an dir! – Die Bürgschaft erlaß ich euch, Herr Bürgemeister! – hätte ich nicht für Weib, und Kind, zu sorgen, – bey Gott! – ich zöge selber mit!
In der Zwischenzeit, als Wasa und Banner mit einander capitulirten, hat Bröms den Schiffer Bohn nochmals zu sich bescheiden lassen; sobald er kömmt, übergiebt er ihm Gustav Wasa als Reisegefährten – bindet es ihm aufs Leben ein, den Jüngling unverlezt an Schwedens Küste abzusezzen, und erklärt deutlich, daß eben dieser Gustav Wasa aus der Hanseestadt Lübek von nun an jede Unterstüzzung mit Geld, und Volk, zu verlangen – zu erwarten habe.
Bohn entfernt sich, um Wasa am Bord des segelfertigen Schiffes zu erwarten; Bröms öfnet dem, ihm so theuer gewordenen, Jüngling sein ganzes Herz; schon sieht er ihn im Geist als Schwedens Erretter, und Beherrscher; er empfiehlt ihm Lübek zur dankbaren Rükerinnerung, er legt es ihm ans Gewissen, jeden Gedanken an Privatrache zu verbannen, sobald des Vaterlands Freyheit errungen seyn würde – Wasa gelobt es – Bröms segnet den Vaterlosen väterlich – und der I. Act des Schauspiels endet.
In dessen leztern Hälfte hat der Dichter weit glüklicher gezeichnet, als in der erstern, auch die [126] in dieser Periode auf der Bühne arbeitenden Künstler erwarben sich den vollständigsten Beyfall. Herr Langerhans, vor allen übrigen, spielte durchaus seinen Bröms mit einer Würde, mit einer Energie, die tief ins Herz jedes Beobachters eindringen mußte. Herr Eule bewiß deutlich, daß seine Kunsttalente dann am hervorstechendesten glänzen, wenn er sie ganz in keine Carricatur zwängt. Herr Herzfeld leistete in Lübek weit mehr, als vorher im ländlichen Wirthshause. Herr Solbrig trug von seiner Seite nicht Wenig zu der interessanten Wirkung beyder Scenen, welche er mit Bröms und Wasa zu spielen hat, bey.
So viel, bey der heutigen Darstellung von Gustav Wasa, über dieses Schauspiel im Ganzen! Künftige, unfehlbare, Wiederholungen, werde ich nach dem nemlichen Zuschnitt, bis meine Critiken seinen Schluß erreichen, benuzzen.
Freytags, den 24. Oct. wurde der Lügner, Lustspiel in vier Aufzügen, nach Goldoni, von Schletter, unter folgender Rollenbesezzung, gegeben.
Es spielten den Dr. Werner Herr Langerhans; Friederiken, und Louisen, deßen Töchter, Mamsel Eule, und Madame Hönike; den Hofkammerrath Richter, Herr Löhrs; dessen Sohn, Herr Herzfeld; die Liebhaber der Wernerischen Töchter, Wintern, und Bergern, die Herren Gollmik, und Haßloch; Hanchen, des Aufwartemädchen, Madame Löhrs; die Bedienten Ludewig, Jacob, und Martin, die Herren Eule, Leo, und Nätsch; den Kaufmannspurschen, Herr Erdmann; die Sängerin, Mamsel Stegmann, die ältere.
Das ganze Stük ist ein elendes Machwerk voller unnatürlichen Verwirrungen; die Mühe, welche [127] sich die Handelnden um die Production gaben, war in der That verschwendet; selbst Herr Herzfeld, dem sonst die Rollen im Fache derer Chevaliers und Bonvivants so gut gelingen, konnte heute den Lügner zu keiner Wichtigkeit erheben. Es liegen in der Rolle selbst eine zu überhäufte Menge absurder Widersprüche, die auch das beste Spiel nicht releviren, oder dekken, konnte.
Auf den Lügner folgte der Schornsteinfeger, Oper in einem Aufzuge, nach dem Italienischen von Zschiedrich bearbeitet, von Portogallo componirt.
Die Direction hatte heute nicht gut für die Bewirthung des Publikums gesorgt – die Hauptgerichte reizten den guten Geschmak wenig, oder gar nicht, der Nachtisch war kaum zu geniessen.
Die Herren Gollmik, und Schröder, mußten es selbst fühlen, daß sie, jener als Graf Montalbor, dieser als Peter, mit aller Anstrengung im Spiel und Gesang, Wasser durchs Sieb goßen.
Schade war es, daß Madame Langerhans, als Donna Flora, da sie heute vorzüglich bey Stimme war, da ihr besonders in der Arie: Komm o du Heißegeliebter etc. bey der Fermate die Wiedereinleitung ins Tempo so gut gelang, ihr Kunsttalent auf keine würdigere Rolle verwenden konnte.
Bey Mamsel Stegmann, der älteren, bemerkte man gerade das Gegentheil – sie sang heute als Rosine, gegen sonst, kaum mittelmässig, und wurde in der Polonoise: die Küsse von dem Liebchen etc. offenbar irre.
Das Gräfliche Domestik Departement, war der Secretair Fabio mit Herrn Ritzenfeldt, der Cammerdiener Thomas mit Herrn Petersen, [128] besezt. – Wohl ihnen daß sie nicht Viel zu thun hatten! Auch Herr Leo, als Zahnarzt, Balsamo, konnte dem Ganzen keinen Schwung verschaffen. –
Beym Umschreiben des Manuscripts vom 7ten Bogen für die Drukerey, ist ein wesentlicher Fehler vorgegangen; Seite 109. muß die von Madame Löhrs im II. Act des rothen Käpchens gesungene Arie: Dumme Streiche fängt er an etc. statt der, Zeile 14, inducirten gelten.
Vorstellungen in der künftigen Woche, wenn nicht Krankheit, oder sonstige Umstände, eine Aenderung nothwendig machen.
Sonntags, den 23sten: der Tabuletkrämer, und die Zauberzitter.
Montags, den 24sten: Menzikoff und Natalia.
Dienstags, den 25sten: Das Familien-Abendessen, und Liebe wagt Alles.
Mittewochs, den 26sten: Das Vaterhaus.
Donnerstags, den 27sten: Der Apotheker und der Doctor.
Freytags, den 28sten: Das Gelübde.
Sonnabends, den 29sten: Benefiz-Concert, für Herrn Maßonneau.
S. 97. Z. 15. v. u. fällt nach dem Worte angenehm, das Wort die ganz weg.
S. 105 Z. 8. v. o. lese man statt Formaten: Fermaten.
S. 108 Z. 17 v. o. lese man statt stellte: stellten.
[129]
Im deutschen Schauspielhause gab Sonnabends, den 25sten October, Herr Ritzenfeldt sein Benefiz-Concert. Dessen erster Theil befaßte den Tod Abels, ein bekanntes, von Rolle componirtes Drama. In jeder Kirche hätte es unter so guter Besezung, wie die hiesige war, mächtig gewirkt, im Concert, und im Schauspielhause, langweilte es gleichmäßig. – Zur leztern Bestimmung würde ich es nie auswählen! – Herr Scholz executirte die Parthie des Adam; Adam, der Erste unter den Menschen, war heute nicht der Erste unter den Baßisten.
Im zweyten Theile bestimmten die Anschlagezettel ein Rondo von Bianchi für Herrn Schröder, er sang aber eine Discant-Arie von Sarti, aus der Oper: im Trüben ist gut fischen! Darauf folgte ein Clarinet-Concert, vortreflich vom Herrn Dufaur geblasen. Dann sangen Herr Ritzenfeldt eine Arie aus Mozarts Figaro; Madame Haßloch, Herr Schröder, und Herr Ritzenfeldt, ein Terzet [130] aus dem Donau-Weibchen von Kauer. Herr Binger, aus Amsterdam, spielte ein Violin-Concert von Giornowichi – nicht so perfect, als ich ihn anderwärts schon gehört habe. Den Schluß des Ganzen machten verschiedene comische Canons, welche die Herren Kirchner, Gollmik, und Ritzenfeldt, im wohlgefälligsten Gesange, vortrugen.
Durch diese Productionen insgesamt gewann Herr Ritzenfeldt aus dem mit Volksmenge durchaus gestopften Hause eine ungewöhnliche Einnahme. Keiner, und Keine, können sich einer solchen aus einem Hamburgischen Concert bis hieher rühmen. Aber, es war Herrn Ritzenfeld ein großes Lotterie-Loos zugefallen – Lord Nelson besuchte das heutige Concert in Person, wartete es vom Anfang bis zum Ende ab. –
Sonntags, den 26. October, wurde die Zauberflöte aufgeführt. Sie war gerade so, wie ich es im zweyten Stük d. Journ. angezeigt habe, nur mit der Abänderung besezt, daß heute Mamsel Stegmann, die ältere, als Pamina erschien.
Herr Scholz sang heute besser, als am 1sten October d. J. – und beschloß damit seine Carriere auf Hamburgs deutscher Bühne.
Herr Kirchner blieb heute, gegen damals, sich ganz gleich. Als Tamino wird er in solchem Spiel und Gesang immer, und allenthalben, sehr gefallen. Meinen neulichen Wink, wegen seiner Haltung in der Feuer- und Wasserprobe, beachtete Herr Kirchner heute augenscheinlich; ich danke ihm dafür öffentlich – denn ich erkenne es für schäzbaren, obgleich seltnen, Lohn des schriftstellerischen Bemühens, [131] wenn bescheidener Tadel durch freywillige Verbesserungen gerechtfertiget wird.
Madame Haßloch war heute, gegen neulich, entweder nicht so gesund, oder nicht in gleich gutem Humor. – Ohne absolut zu fehlen, mangelte der Königin der Nacht göttliches Feuer.
Mamsel Friederike Stegmann spielte, und sang, als Pamina, sehr gut. Besonders lobenswerth führte sie die Scene im IV. Act mit denen Genien durch – aber desto leichtsinniger behandelten eben dieselbe die drey Genien. – Wenn Anfängerinnen es sich schon erlauben, auf der Bühne zu schäkern: so machen sie gewiß nie glükliche Fortschritte in der Kunst; jede Gewohnheit, mithin auch unschikliche, wird zur andern Natur. – Die Direction sollte dergleichen Unfug nicht unbemerkt lassen, ihn vielmehr mit doppelter Strenge an Anfängerinnen ahnden. –
Herrn Ritzenfeldt bitte ich noch ein für alle mal, bey seinen Fermaten die Erwartungen des Publikums seltener zu ermüden; einzelne Stellen seines heutigen Gesangs dringen mir diese Bitte ab.
Des Herrn Gollmiks Ariette: Alles füllt der Liebe Freuden etc. muß schlechterdings vom Orchester, besonders von denen blasenden Instrumenten, gemäßigter, als es heute geschahe, begleitet werden. – Pamina schläft ja! – Monostatos manövrirt ja bey Nacht, und Mondschein! –
Im Ganzen verschweige ich nicht, daß die Zauberflöte heute, gegen sonst, vermuthlich als Sonntagsvorstellung, deren jede bisher ohne Concurrenz ihres Werths, ein volles Haus gewährte, [132] merklich auf leichte Achseln genommen wurde.
Montags, den 27sten October, sahen wir Gustav Wasa, mit unveränderter Rollenbesezung, wiederholt. – Meine Erzählungen davon, meine Raisonements darüber, fangen heute wieder an, wo ich sie Seite 126 abgebrochen habe.
Der Anfang des IIten Acts befördert die Zuschauer an Schwedens Küste bey dem Vorgebürge Stensio, unweit der Festung Calmar; gerade dahin, wo die Burg des hingerichteten Löwenhaupt gelegen ist, wo Margarethe, Gustavs Braut, mit ihrer Hofmeisterin Gertrude, hauset.
Bohns, aus Lübek, Schiff, auf dem sich Gustav Wasa befindet, kämpfet in jener Gegend mit dem heftigsten Sturm, mit der nächsten Gefahr zum Scheitern. Margarethe bemerkt beyde von einer Warte herab, die vor der väterlichen Burg zunächst am Ufer der See stehet. Die Macht der Simpathie erzeugt in ihr die wärmste Theilnahme an dem Schiksale jenes Schiffes, und derer, die auf selbigem Noth leiden, den sehnlichen, aber unnüzen, vom Sturm in seine Wirbel verschlungenen, Wunsch: zu helfen, zu retten. Ein Bothe vom König Christiern, deßen Auftrag sie durch Gertruden erfährt, der sie unverzüglich nach Stokholm beruft, nöthigt Margarethen, die Warte zu verlassen, sich ins Innre der Burg zu begeben. Indessen legt sich der Sturm. – Der sachkundige Schiffer Bohn wagt sich mit einem Bote, durch die gefährliche Brandung, sezt aus selbigem Gustav Wasa, der als Ritter glänzend gekleidet ist, nebst seinem Waffenknecht, Greyerson, [133] glüklich ans Land, und bezeichnet ihnen den jezt betretenen, als schwedischen, Grund und Boden. Gustav dankt Gott; nimmt von dem ins Bot zurükgehenden Bohn Abschied; wird von Greyerson auf ein nahe am Ufer stehendes, mit einem Fähnlein bezeichnetes, Monument gewiesen; bemerkt an dessen Inschrift:
- Hier trauert einsam die verwaiste Tochter um den erschlagenen Vater, Ehrich Löwenhaupt
daß die vor ihm liegende Burg die, ihm sonst wohlbekannte, Löwenhauptische, daß ihm Margarethe vielleicht ganz nahe seyn müße. In beyden Vermuthungen bestärkt ihn noch die kleine Fahne auf dem Monumente, welche er für die nemliche wieder erkennt, die er einst in der Schlacht bey Dufwenäs erbeutet, Margarethen, als sein erstes Siegeszeichen, geschenkt hat. Er beschließt nähere Untersuchung, und diesem für sein Herz so wichtigen Geschäfte nur eine Stunde zu widmen; er befehligt Greyerson nach Calmar vorauszugehen, dort Gustavs Schwester des Bruders baldigen Besuch zu melden, vorzüglich aber zu erforschen, was die deutsche Garnison in der Festung Calmar im Schilde führt; er verspricht, ihm baldigst zu folgen.
Margarethe will, ehe sie auf Christierns erhaltenen Befehl die Reise nach Stokholm mit Gerdruden antritt, am Monument ihren Gefühlen noch das lezte Opfer bringen,
- sich mit dem Fähnlein die Abschiedsthräne troknen;[3]
sie gewahrt an jenem einen fremden Ritter, stuzt, und erkennt ihn unmittelbar darauf für Gustav Wasa.
[134] Nach inniger Umarmung, genießen beyde wechselseitig das Wiedersehen im Gemische von Freude mit Trauer, und machen einander mit ihren zeitherigen Schiksalen näher bekannt. Gustav eröfnet Margarethen den Entschluß: Schweden, das Vaterland, von Christierns Tiranney zu befreyen. Ihre glühende Liebe bestärkt ihn darinne mit heldenmüthiger Resignation. – Beyde schwören am Monumente: ihre Verbindung eher nicht, als nach Schwedens vollendeter Rettung, zu feyern, und eilen dann, sie in die Burg zurük, um nach Stokholm zu reisen, er nach Calmar, um den großen Plan zu verfolgen.
Gustav hat sich dort, noch ehe er in seiner Schwester Wohnung eintritt, das Volk zur Rebellion aufzuwiegeln bemüht, – dies erfährt man aus der Erzählung einiger Officiers von der Garnison, welche Abends unter Lichtbrennen in dem Zimmer der verwittweten Margarethe Brahe zusammen kommen. Bald nach ihnen erscheint auch Gustav Wasa in dem nemlichen. Er glaubt die Officiers, weil sie Deutsche, sind auf seine Seite zu ziehen, hofft unter ihnen wenigstens persönlich sicher zu seyn, erfährt aber, so bald Margarethe ihn als ihren Bruder behandelt, und darstellt, gerade das Gegentheil. Jene wissen, welch einen Preis Christiern auf Gustavs Kopf gesezt hat, berufen sich auf ihre Pflicht, mit der sie im dänischen Sold stehen, beschließen Gustavs Auslieferung, und fordern ihm sein Schwerd ab. Er sezt sich zur Wehre, zieht sein Schwerd, und bedroht Jeden, der ihn angreift, mit tödlicher Erwiederung. Die geängstete Schwester wirft sich dazwischen, bittet flehentlichst, den Bruder zu schonen, endlich nur [135] um wenige Minuten Freyheit, in welchen sie mit Gustav allein seyn, ihn überreden will, sich selbst unterwürfig vor Christiern zu stellen. Leztere werden ihr zugestanden; die Officiers entfernen sich; ihr Hauptmann, Berend von Melem, bleibt allein zurük; Margarethe weiß, daß sie von ihm geliebt wird, ihn bestürmt sie mit ängstlicher Bitte um Gustavs Rettung, ihn schmeichelt sie mit der Hoffnung: den Jüngling einst Bruder zu nennen, ihm fordert sie den Schlüssel zu einer Fallthüre ab, welche aus dem Zimmer in ein unterirdisches Gewölbe führt, das den Pulvervorrath der Garnison befaßt, und aus welchem man in den Festungsgraben kommen, dann aber jenseits des leztern vor die Thore ins freye Feld, zwar mit Gefahr, doch möglicher Weise, gelangen kann. Von Melem giebt den wiederholt geforderten Schlüssel in Margarethens Hand, läßt sie mit Gustav allein. Kaum ist sie es, so treibt sie den Bruder durch die geöfnete Fallthüre auf den vorher bezeichneten Weg – zur Flucht. Er betritt ihn, kann aber kaum das unterirdische Pulvergewölbe erreicht haben, als man schon den äußern Lärm der wieder nach dem Zimmer Eindringenden bemerkt. Margarethe ergreift eine an der Erde liegende Fakel, zündet sie am Lichte an, tritt damit in aufgehobener Hand vor die geöffnete Fallthüre, an den Rand der Treppe, welche aus dem Zimmer ins Souterrain führet. Im nemlichen Augenblik stürzen die vorigen Officiers wieder ins Zimmer. Sie vermissen Gustav, sehen den geöffneten Eingang zum Pulvergewölbe, errathen seine Flucht, machen Miene, ihn auf dem nehmlichen Wege zu verfolgen. – Da schreyt ihnen die entschlossene [136] Margarethe den Vorsaz entgegen; daß sie bey dem ersten Schritte, den einer von ihnen näher zur Treppe thun würde, die brennende Fakel aufs nächste offene Pulverfaß werfen, lieber den Bruder der wahrscheinlichsten Lebensgefahr aussezzen, lieber sich, und sie Alle, gewis in die Luft sprengen, als den Entflohenen lebendig in die Hände seiner Verfolger kommen lassen wolle. Die Officiers halten die Drohung für möglichen Ernst, schaudern vor der Gefahr, welcher kein inmediater Beruf sie entgegenstellt, getrauen sich, Gustav noch, ihm nachreutend, ausser der Festung einzuholen – und eilen davon. Margarethe wirft die Fakel von sich, sinkt auf die Knie, hebt Augen und Hände zum Himmel, und schließt mit dem Ausruf:
- Guter Gott! er ist gerettet!
den II. Act. – –
Daß Margarethe Löwenhaupt in dem entsezlichen Sturm unter freyem Himmel auf der Warte so lange, als ihr Monolog Scene 1. dauert, es aushalten kann, ohne von jenem umgerissen, oder von denen damit verbundenen Regengüssen fast ersäuft zu werden, hat mich sehr gewundert; – ich will gerne glauben, daß diese Situation gerade so unwahrscheinlich vom Dichter vorgeschrieben ist, denn auch Gertrude geht zur nemlichen Zeit, wie im heitersten Wetter, vor der Burg spazieren. Aber hier konnte und sollte in der That die Direction der dichterischen Unachtsamkeit, entweder durch eine auf der Bühne angebrachte Mahlerey, welche denen Handelnden eine Bedekung für den Plazregen von der Burg aus verschaffte, oder am füglichsten durch Abkürzung der ersten 4 Scenen, insbesondere des Monologs in der ersten, nachhelfen.
[137] Gustav Wasa geht aus dem Zimmer des lübekischen Bürgemeister, Bröms, ohne Geldunterstüzung wirklich empfangen zu haben, in der Kleidung des Viehhändlerknechts, gerade an Bord des Bohnischen Schiffes, und steigt jezt aus dessen Bote, mit glänzender Rittertracht, in Schweden ans Land. – Wo er nur leztere in der Zwischenzeit herbekommen haben mag? – Gustav Wasa steht doch der Kopf auf dem rechten Fleke, wie kann er so unsinnig handeln, und seine Demarchen in Calmar, in einer von dänischen Söldnern besezten Festung, mit öffentlicher Aufwieglung des Volks zur Rebellion anfangen? Warum vermittelt er sich nicht vorher eine geheime Unterredung mit seiner Schwester, um von der Stimmung der Einwohner und der Garnison überzeugt zu werden? Hat denn Margarethe Brahe, eine edle Frau, wenn sie auch unmittelbar in die Festung Calmar geflüchtet ist, nicht ein einsames Stübchen, in welches die Officiers der Garnison sich nicht zu jeder Zeit und Stunde eindrängen dürfen, wo sie ihren Bruder – auf dessen Kopf ein Preis stehet, von dessen Ankunft sie noch dazu prevenirt ist – vertraulich, ohne Zeugen, empfangen, und sprechen darf? – Ueber alle diese Fragen kann nur Herr von Kotzebue Auskunft geben. Wird er wohl die Absprünge seiner Phantasie ins Unwahrscheinliche zu rechtfertigen im Stande seyn? Die Grundregeln, des ernsthaften, vollends des heroischen, Drama dulden dergleichen absolut nicht.
In der 15ten Scene verliehrt die Illusion durch die nicht hinreichend vollendete Decoration der Bühne sehr Viel. Es kommt alles darauf an, sich von der Nähe eines Pulvermagazins [138] zu überzeugen. Margarethe droht ausdrüklich mit einem offenstehenden Pulverfasse, auf das sie die brennende Fakel werfen will – sie ruft denen Officiers entgegen:
- Schaut nur hin! geöfnet ist jenes Faß!
man sieht aber keins; man würde die Idee, in der doch so viel Wichtiges, und Interessantes, liegt, gar nicht faßen, wenn nicht Margarethens Worte sie bestimmten. – Wäre es denn dem erfindungsreichen Decorateur unserer deutschen Bühne, Herrn Maubert, gar nicht möglich, durch mahlerische Zusäze künftig in dieser Scene auch die Augen des Publikums zu fixiren? – Ich befürchte nicht, daß Herr Maubert, was ich hier schrieb, als Rapsodie verachten soll, würde es aber im Erfolge auf ein blosses pium desiderium reducirt, so muß ich mir es gefallen lassen. –
Herr Herzfeld schmükte den II. Act, durch richtig gehobenes Spiel, im heroischen Feuer, Herr Eule bestätigte in der einzigen 5. Scene alles von seinem Schiffer Bohn schon Seite 126 Erwähnte, nur sollte er beym Anlanden des Botes das Ruder etwas sanfter bewegen, man hörte dessen Stöffe auf den Dielen der Bühne durchs ganze Amphitheater. Herr Kruse leistete, bey eingeschränkterern Erfordernissen, als im I. Act, der Rolle fortdauernd Genüge. Herr Schröder nüancirte den Soldaten, den edlen Liebhaber, den biedern Mann, treffend und anständig. Die übrigen Officiers der Calmarischen Garnison machten nicht immer die richtigsten Groupen, sie liefen allzuoft Einer dem Andern unschiklich in den Weg. Madame Herzfeld spielte mit der ihr eigenen Innigkeit das sittliche, treuliebende, im künstlerischen Relief das zu grossen Entschlüssen, Resignationen, und Thaten [139] gestimmte Mädchen, treffend so, wie Kotzebue Margarethe Löwenhaupts schönen Character sehr glüklich gezeichnet hat. – Doch ersuche ich sie, künftig den, aus schon angeführten Gründen, die Producentin allerdings genirenden Monolog Scene 1. auch wenn er nicht abgekürzt werden sollte, weniger erzählend, mehr mit emphatischer Declamation, vorzutragen; beym feyerlichen Gelübde Scene 9. am Monumente ja so langsam, so laut, als es ihr möglich ist, zu sprechen, damit keines der wichtigen Worte für das denkende und fühlende Publikum verlohren gehe. Was Madame Haßloch gestern in der Zauberflöte, nach meinem Urtheile, versäumt hat, holte sie heute doppelt nach. Warmen Dank könnte Herr von Kotzebue ihr nicht vorenthalten, hätte er seine idealische Margarethe Brahe, das edle, die dringendesten Gefahren mit steter Gegenwart des Geistes ablehnende, oder mit Selbstverleugnung überspringende, deutsche Weib von Madame Haßloch durch die letztern 6 Scenen des II. Acts so trefflich soutenirt, hätte er sie am Schlusse der 15ten, beym Wegwerfen der Fakel, beym Niederknien, beym energischen Ausruf:
- Guter Gott! er ist gerettet!
zur theatralischen Vollkommenheit erhoben gesehen. – Ich, als raisonirender Journalist, würde meine Pflicht vernachlässigen, wenn ich Ein solches Ereignis auf Hamburgs deutscher Bühne, unausgezeichnet übergienge.
Dienstags, den 28. October, wurden zu Anfang die beyden Grenadiere, Lustspiel in 3 Aufzügen, von Cords, nach dem Französischen frey bearbeitet, gegeben. Es waren darinnen die Rollen des Amtmanns Scholle mit Herrn Kruse; seines Sohnes Wilhelm, mit Herrn [140] Herzfeld; seiner Tochter Therese mit Madame Langerhans; des Gastwirths Wohlgemuth mit Herrn Löhrs; seiner beyden Kinder Gustav, und Caroline, mit Herrn Solbrig und Mamsel Eule; der Aufwärterin Beate mit Madame Gollmik; des Dragoner Schwarzbart mit Herrn Langerhans; des Niclas mit Herrn Ehlers; des Unterofficiers mit Herrn Ritzenfeld besezt. Das Stük hat weder richtigen Plan, noch wirkendes Interesse. Auf der Idee einer zwischen denen beyden Grenadiers Wilhelm und Gustav, die aus einem Dorfe gebürtig sind, und in einem Regimente dienen, bestehenden so großen vollständigen Aehnlichkeit, daß sie an hellem lichten Tage von ihren nächsten Verwandten verwechselt werden können, beruht die ganze Verwikklung. Wo existirt aber wohl in der wirklichen Welt eine solche Aehnlichkeit? Berechnet man nun noch, daß Herr Herzfeld, und Herr Solbrig, schon in der Größe, merklich von einander unterschieden sind, kaum in der Dämmerung, geschweige denn im Hellen, von einem Nüchternen und Vernünftigen nur auf den ersten Blik, noch weniger geraume Zeit lang, verwechselt werden können: so ist man mit dem Resultate bald fertig, daß diese Darstellung den gesunden Menschenverstand mehr strapazirt, als im Mindesten behaglich unterhält, mithin das Publikum weder belustigt, noch gerührt hat. Verlangt man von mir ein Urtheil, ob die beyden Rollen derer Grenadiers anders, mit Rüksicht auf persönliche Aehnlichkeit, besser, als durch die Herrn Herzfeld und Solbrig aus dem hiesigen[WS 4] Personale besezt werden konnten? so entscheide ich zwar verneinend, füge aber hinzu, daß, eben um deswillen, lieber das ganze Stük nicht [141] hatte gewählt, und producirt, werden sollen. – Der Mangel an interessanterern ist ja nicht so groß, um einen solchen Nothnagel ergreifen zu müßen.
Auf die beyden Grenadiers folgte noch der kleine Matrose, Oper in einem Aufzuge, von Herklots aus dem Französischen übersezt, von Gaveaux componirt. Sie gehört zu denen leichten Singestükken, welche dem hiesigen Publikum immer willkommen sind, zumal da diesem Madame Langerhans, als Leopold, jedes einzelne mal mit humoristischer Naivität den wirksamsten Schwung giebt. – Sie that es auch heute, und wurde dabey von allen übrigen Mitspielenden eifrigst unterstüzt. Herr Stegmann, als Pachter Thomas, Madame Gollmik, als dessen Frau, legten in ihr Spiel, zumal wenn sie wechselseitig gegen einander handelten, viel expreßiven Wiz, und feine Laune. Herr Eule verdiente, als Schiffscapitain Sabord, mehr als einmal beklatscht zu werden. Er behandelte seine Rolle ganz unverbesserlich. Madame Herzfeld, und Mamsel Stegmann die ältere, sangen und spielten, jene als Lieschen, diese als Hanchen, zu allgemeiner Zufriedenheit, welche man auch Herrn Ehlers als Basil, und Herrn Gollmik als Notarius, nicht verweigern konnte. Daß übrigens die vollendete Weiblichkeit der Demoisel Fried. Stegmann, mit der Idee eines vierzehnjährigen Mädchens, zu dem der Opern-Dichter Hanchen wörtlich bestimmt, allerdings contrastiret, läßt sich nicht widerstreiten.
Warum heute im kleinen Matrosen die musicalischen Ensembles sich weniger rundeten, als die Vorträge jeder einzelnen Parthie? – [142] könnte die Direction wohl am sichersten beurkunden, ich will es einmal an ihrer Stelle thun: weil diese Oper lange geruht hat, neuerdings nicht probirt worden ist. –
Mittewochs, den 29. October, erschien abermals Gustav Wasa auf unserer deutschen Bühne unverändert besezt, wie vorher. Meine Rechnung Seite 100 d. Journ. ist nicht ohne Wirth gemacht worden! –
Wenn die Gardine zum III. Act auffliegt, sieht man Gustav Wasa in Bauernkleidung nicht weit vom Thore eines Landschlosses auf Ornäs, das dem schwedischen Ritter Arendt Pehrson zugehört, auf bloßer Erde, unter freyem Himmel, an einen Baum gelehnt, im tiefsten Schlafe liegen. Greyerson hat die Nacht an seiner Seite in gleichen Verhältnissen zugebracht. Der Tag bricht an. Bediente gehen vor und in dem Schlosse ab und zu – beschäftigen sich mit Anstalten zu einer großen Jagd, die der Besizzer für sich, und verschiedene ihn besuchende Freunde, auf den Morgen geordnet hat. Der lauschende Greyerson hört in der Entfernung von Hunden sprechen, welche eine Spur verfolgen sollen; glaubt, man wolle damit seinen Herrn hezzen; besorgt, daß Gustav, wenn er ihn wekt, mit der nahen Gefahr bekannt macht, sich aufs neue in die Wälder, worin er seit der Flucht aus Calmar Monden lang ohne Obdach herum geschweift hat, verkrichen werde; getraut sich, seines Alters halber, ein so unstetes Leben nicht länger in Gustavs Begleitung auszuhalten; legt den Sak mit dem lezten Brodvorrath neben den Schlafenden, empfiehlt seine Rettung der wunderthätigen Allmacht, verläßt ihn, und wandert in seine Heimath.
Gustav erwacht, findet den Sak neben sich, vermißt Greyerson, ahndet seine Entweichung, trauert, auch von ihm verlaßen, nun ganz einsam, zu seyn.
Jezt tritt A. Pehrson aus seinem Schloße, um im Forste die getroffenen Jagd-Anstalten zu mustern, Gustav ihm entgegen. Bald erkennen einander beyde – denn Ersterer hat unter des Leztern Commando Campagne gemacht. Dieser bittet um ritterliche Hülfe, jener will, ehe er was Gewisses verspricht, mit andern Freunden [143] berathschlagte Abrede nehmen, ladet Gustav einsweilen gastfreundlich im Schloß, empfiehlt ihn der Pflege seiner herbeygerufenen Hausfrau, Barbara Stigsdotter, gebietet ihr aber durch Winke, und abgebrochene Worte, ein wachsames Auge auf ihn zu haben. Barbara ergründet bald die Absichten ihres Mannes, führt aber scheinbar gehorsam, Gustav als willkommenen Gast ins Schloß.
A. Pehrson äußert monologisch den heimtükkischen Vorsaz: Gustav Wasa in Christierns Gewalt zu befördern, sich dadurch beym König Gnade, und Lohn, zu verdienen; theilt solchen gleich darauf seinen dazukommenden Freunden mit, verschiebt die Jagdparthie, und beauftragt leztere, wie sie Gustavs Auslieferung, jeder an seinen Theil unterstüzzen sollen. Alle sind bereitwillig; nur Rasmus Juthe, ein dänischer, und Lars Olofsen, ein schwedischer Edelmann, sondern sich ab, beschließen vertraulich, Gustav zu warnen, auf seine Seite zu treten, ihm allenthalben hülfreiche Hand zu leisten.
Auch Frau Barbara denkt für Gustav redlicher, als ihr Gatte; ohne leztern ausdrüklich zu verrathen, zeigt sie jenem die Gefahr eines längern Aufenthalts im Schloße – und den Weg durch den benachbarten Wald, über einen gefrornen Strom, nach Isale im Kirchspiel Räthwik, wo ihn so leicht Niemand aufsuchen würde, zu fliehen. Sie bietet ihm dazu einen bespannten Schlitten, und Geld an. Gustav benuzt erstern, giebt lezteres zurük, befolgt den guten Rath – und fliehet.
Auf dem von Barbara bemerkten Strome bricht, als Gustav darüber fährt, das Eis; aus Lebensgefahr rettet ihn ein Landmann, bringt ihn nach Isale in Nilsons, eines sehr redlich denkenden schwedischen Bauers, Haus, und Wohnstube. Schon als Verunglükter nimmt man ihm da gutmüthig, als er sich aber für Gustav Wasa angiebt, von dem Pfarrer aus Suerdsiö, der gerade bey Nilson zum Besuch ist, als solcher, und als sein Jugendfreund, erkannt wird, mit lautem Jubel, mit Verehrung, auf. Doch auch in Nilsons Wohnung treten dänische Reuter unvermuthet ein, um Gustav Wasa aufzusuchen. Nilsons, und seines Weibes, feine List vereitelt die Entdekung. Sie [144] geben ihn für ihren Dienstknecht aus, und jagen ihn, im Beyseyn der Reuter, aus der Stube, zur Arbeit, zum Dreschen in die Scheune. Kaum haben sich die Reuter entfernt: so verstekt der patriotische und kluge Nilson Gustaven in einen mit Stroh beladenen Wagen, und führt ihn so zu denen Dalekerlen nach Räthwik.
Dorthin sind schon die Ritter Juthe und Olofsen voraus geeilt, und haben die Dalekerlen bereits aufs Beste zu Gustavs Aufnahme vorbereitet; Nilson kömmt mit Gustav bald nach, überliefert ihn glüklich dem versammelten Volk in Räthwik. Gustav erzählt auf ofnem Plaze Christierns Unthat an Schweden, verkündigt seinen Vorsaz das Vaterland zu befreyen, bittet um Beystand und Hülfe. Erzählung und Bitte greifen schnell in die Herzen der Anwesenden. Juthe und Olofsen weihen sich ihm als Waffenbrüder; die Dalekerlen als untergebene Anhänger auf Leben und Tod. – Die Revolution beginnt; – ein Haufe dänischer Räuter nähert sich: Alles eilt ihm, unter Gustavs Anführung, aus dem Dorfe Räthwik bewaffnet, zum Widerstand, oder zum Angriff, entgegen; und der III. Act endet. – –
Die Verwirrung so verschiedentlicher Thatsachen, welche dieser Act denen Zuschauern entgegen stellt, zu denen er sie bald dort bald dahin fortreißt, wird überlästig.
Obgleich die Hrn. Herzfeld, Kruse, Gollmik, Eule, Ritzenfeldt, Langerhans, Solbrig, und Mad. Kruse, ihre Rollen sammt und sonders mit applicativesten Fleiße, und Feuer, bearbeiteten, so hat doch gewiß Niemand im Publikum Zeit gewonnen, sich für eine derselben zu erwärmen – denn es gieng Alles gar zu bunt durch einander. Mad. Langerhans gelang es vielleicht allein, durch ihr ganz hervorstechend characteristisches Spiel, als Barbara, bey denen wenigen von ihr ausgeführten Scenen individuelles Interesse zu bewirken.
Was nur Herr von Kotzebue beym Dichten und Dramatisiren dieses Spectakelstüks gedacht und gefühlt haben mag? Er muß die paradoxe Absicht gehabt haben: ein Chaos, wie noch keins existirte, auf Deutschlands Bühnen zu werfen. –
Da die Festsezzung der im künftigen Monat zu gebenden Vorstellungen, erst heute, den 29. Statt hat, so können wir selbige unsern Lesern nicht mittheilen.
[145]Donnerstags, den 30. October, erfolgte auf Hamburgs deutscher Bühne eine Wiederholung des Vaterhauses. Sämtliche Rollen waren unverändert, wie am 2. und 22. des nemlichen Monats, besezt. Herr Steiger spielte heute wieder in voller sonstiger Kraft, und Alle, die mit ihm auf der Bühne handelten, unterstüzten ihrer Seits das Ganze so eifrig, so beyfallswerth, als man es nur wünschen konnte. Es mußte gelingen – es gelang.
Freytags, den 31. October, wurden wir mit einer für Hamburg neuen, auf andern Theatern aber schon längst introducirten, Oper in zwey Aufzügen, dem Corsar [Vorlage: Corsae] aus Liebe, aus dem Italienischen von Ihlée übersezt, vom K. K. Capellmeister Weigel komponirt, ziemlich angenehm unterhalten – wenigstens fehlte es an Veranlassung zum öftern Lachen nicht.
Im Sujet dieses Singespiels findet man zwar, wie gewöhnlich in der Opera buffa, fast keinen Zusammenhang, den vernünftiges Nachdenken, ohne allenthalben von lauter Unsinn zurükgescheucht zu werden, verfolgen kann. Die [146] Music aber ist desto gefälliger, ob sie gleich wenig Großes, und für den weiblichen Gesang keine Bravour, liefert.
Herr Ritzenfeldt, als Capitain Lubeccio, spielte nach Vorschrift der Rolle anständig – sang aber im I. Act das Duet mit Lucillen: Dies Auge voll Liebe etc. ein wenig zu tief, und seine Stimme reichte nicht zu, das gleich darauf folgende mit Dorimante durchzuführen.
Herr Haßloch benuzte als Dorimante seinen schönen Tenor zum einnehmendesten Gesange; er spielte auch mit Application; aber angezogen war er nicht gut. – Wozu ein gestiktes Gallakleid, in sehr altväterischem Geschmak, für einen jungen Bonvivant im Hause seines Vaters? – Ein moderner, eleganter, Frak würde sich weit beßer ausgezeichnet haben.
Lucille, verkleideter Corsar, wurde von Madame Haßloch, ohne in dieser Rolle, wie sonst in andern, zu glänzen, untadelhaft dargestellt. Recht gut sang sie im II. Act das kleine Duet mit Dorimante: Da ist er etc. und die lezte Arie: Größer noch als meine Leiden etc. Aber es wird merklich, daß Madame Haßloch die Kraft ihrer Stimme sehr einschränkt; liegt hier wirkliche Abnahme des sonstigen Vermögens, oder premeditirte Nachahmung eines neuern Models zum Grunde? – Zur leztern würde ich nicht rathen. –
Mamsel Stegmann, die ältere, war heute nicht im guten Humor – man konnte ihr aber auch nicht verargen, daß sie an der Rolle der Clarette kein Wohlbehagen fand; der Inhalt des Dialogs und Gesangs hat wenig Empfehlendes, selbst der Componist sezt leztern mehr als einmal ins Langweilende. Ich führe dießfalls [147] den Wechselgesang zwischen Claretten [Vorlage: Ciaretten] und Dorimante im I. Act: Du würdest von mir dich trennen etc. und das, mit verstellter Ohnmacht begleitete, Terzet im II: Fächle sanft mir Stirn und Wange etc. zu expreßiven Beweisen an.
Herr Kirchner, als Merlino, stand heute an einem Plaze, auf dem jedes Bemühen etwas Gefälliges zu leisten absolut fruchtlos bleiben mußte.
Auf die Rolle des Capellmeisters, ist eigentlich das Ganze gearbeitet, und es kann ihr nur ein so gewiegter Tonkünstler, als Herr Stegmann, in dem Grade der paßendsten Pünktlichkeit Genüge leisten, wie er es heute gethan hat.
Den Graf Quaglio stellte Herr Gollmik in der überspanntesten Carricatur dar, und es mußte ihm zugleich die äußerste Anstrengung kosten, das immerwährende Stottern, und die absichtlich verschobene Haltung seines Körpers, als decrepiter Gek, mit denen doch nie verfehlten musicalischen Vorschriften durchaus zu vereinigen.
Pasquale wurde durch Herrn Schröders launiges, und zugleich anständiges, Spiel, sehr über den Schlag von Bedienten, an welchen man in denen mehresten Opern sich leider, man mag wollen oder nicht, gewöhnen muß, erhoben. Gemeiniglich sieht man jene als die niedrigsten Buffons sich auf der Bühne herumkollern, und in platten Späßen erschöpfen; Herr Schröder stellte dagegen der allgemeinen Beobachtung so viel nuancirten Wiz, und sittliche Feinheit entgegen, daß dadurch auch das wahre Kunstgefühl Befriedigung gewinnen konnte.
Bey künftigen Wiederholungen dieser Oper, werden sich hoffentlich die Finals überhaupt, besonders [148] aber das mit so manchen musicalischen Schwierigkeiten verkettete des II. Acts am Schluße des Ganzen, mehr runden, als es heute durchgängig, und hinreichend, geschehen ist.
Sonnabends, den 1. November gab, Demoisel Schmalz, Königl. Preuß. Cammersängerin aus Berlin, im deutschen Schauspielhause Concert. Ihre Stimme füllt die Tiefe vom B, bis ins viergestrichene Es, und eignet sich ganz zu theatralischen Productionen. Mamsel Schmalz macht als ausgebildete Schülerin ihrem Lehrer, dem verdienstvollen Naumann in Dresden – Ehre. Ihr Vortrag im Recitativ ist unverbesserlich; mit voller Kraft, mit expressiver Sicherheit, executirte sie heute vorzüglich die erste Arie: Fingano etc. Hinreißend schön sang sie mit Herrn Kirchner das bekannte Mozartsche Duet aus der Entführung a. d. Serail zwischen Constanzen und Belmonte: Welch’ ein Geschik! o Quaal der Seele! etc. – Herr Steinhard blies ein Hofmeisterisches Flöten-Concert, verrieth aber dabey, daß er im öffentlichen Vortrage noch nicht Uebung genug sich verschafft hat. Herr Fränzl, Musikdirector aus Offenbach, spielte ein desto trefflicheres auf der Violine nach eigner Composition, und machte dadurch die günstigste Einladung zu seinem privativen Unternehmen auf künftigen Sonnabend über 8 Tage. Das Orchester leistete zur Vollendung des Ganzen sehr hülfreiche Hand. Die Ouvertüre, aus der Oper Protesilao von Naumann, wurde im ersten Theil, im Zweyten aber keine Sinfonie von Hayd’n, wie die Anschlagezettel bestimmten, sondern die Ouverture aus der Höhle des Trophonio von Salieri, äußerst wohlgefällig vorgetragen.
[149] Sonntags, den 2. November sahen wir das große Geheimniß, ein fürstliches Familiengemälde in vier Aufzügen, von Ziegler.
Der Dichter hat den Plan dieses Schauspiels in eine sehr abstracte Idee gelegt, die man schlechterdings vorher ganz umfassen muß, ehe man seinen Zusammenhang sich erdeutlichen, seinen Werth beurtheilen, kann.
Die bereits verstorbene Gemahlin des hier aufgestellten Herzogs ist in einer Nacht, wo gerade der Feind die Residenz bombardirte, mit einem Prinz entbunden worden. Gräfin Odellina, die jezt als Hofmarschallin erscheint, hat sich damals zum Beystand der Herzogin eingefunden. – Angst über das Bombardement, Sorge für die Herzogin, wirken aber so heftig auf ihren eignen körperlichen Zustand, daß sie, selbst hoch schwanger, zu frühzeitig in der Herzogin Zimmer, und fast in der nemlichen Minute wie jene, ebenfalls mit einem Sohn niederkömmt. Augenbliklich fliegt eine Bombe in das Zimmer beyder Wöchnerinnen, tödtet den Arzt, nebst zwey Kammerfrauen, und zündet zugleich – die Herzogin, die Gräfin Odellina, und noch eine Zutrittsdame, Gräfin Marasini, damals nur 15 Jahr alt, doch schon verheyrathet, fliehen in den andern Flügel des Schloßes – eine Kammerfrau reißt aus dem schon ganz im Feuer stehenden Wochenzimmer die beyden neugebohrnen Knaben, wikkelt sie in Ein Küßen, und bringt sie denen Müttern dahin nach, wohin sie sich vor dem Feuer gerettet haben. Beyde Kinder sind einander an Bildung, selbst an den Haaren, ganz gleich. Keine von den Müttern kann das ihrige mit Zuversicht erkennen. Die Herzogin will nach idealischem Gefühl [150] wählen, irrt, und bestimmt den Sohn der Gräfin Odellina zum Erbprinzen. Nur die Gräfin Marasini hat mit ungefährem Blike bey dem Niederkommen der Herzogin auf dem Herzen des wirklichen Prinzen ein Mahl, als Dreyek geformt, bemerkt; sie zeigt es an, aber man giebt ihr, als einem Kinde, keinen Glauben, und es bleibt, da zumal Gräfin Odellina, nebst der Cammerfrau, die Wahl der Herzogin bestätigen, bey der Verwechselung. – Der eigentliche Graf wird als Erbprinz getauft – gleich darauf aber nimmt die Herzogin denen drey einzigen Zeuginnen des Ereignißes, denen Gräfinnen Odellina, und Marasini, und der Cammerfrau, einen furchtbaren Eid ab: Das Geheimnis dieses Vorgangs mit ins Grab zu nehmen, damit auch ein nur möglicher Irthum, oder Zweifel, nie für die Successionsrechte des Fürstenhauses, oder für das Land, gefährliche Folgen haben könne.
Auf dieser Basis ruht Zieglers Entwurf zum großen Geheimnis, der sich, nach folgender concentrirten Erzählung, des Weitern also ver- und entwikelt.
Der vermeinte Graf Odellina kömmt frühzeitig schon in die Dienste eines benachbarten Monarchen. Seine Entfernung aus dem Vaterlande ist durch eine auffallende Aehnlichkeit zwischen ihm und dem regierenden Herzog, die sich mit des Grafen Wachsthum immer expreßiver in dessen Gesichtszügen entwikelt, und worüber schon hie und da am herzoglichen Hofe gemurmelt wird, befördert worden. In jenen auswärtigen Diensten hebt sich Odellina durch seine Meriten, und durch seinen moralischen [151] Character, allmälig zum Viceadmiral, ja bis zum königlichen Liebling, empor.
Zwischen dem anerkannten Erbprinz als Jüngling, und der in der Zwischenzeit Wittwe gewordenen Gräfin Marasini, hat sich ein, dem Vorwand nach, nur auf Platonismus gegründetes Liebesverständnis entsponnen, und geraume Zeitlang erhalten. Dem Herzog wird es, da der Prinz mannbar geworden, und nächstens mit jenes Monarchen, bey dem Graf Odellina in Diensten steht, Schwester, die schon als declarirte Braut sich am herzoglichen Hofe aufhält, vermähltwerden soll, mißfällig; er untersagt dessen Fortsezung dem Erbprinz ernstlich. – Dieser hat sich schon längst dadurch genirt gefunden, am mehrsten jezt, da seine bestimmte Braut ihm sehr wohlgefällt, und ergreift darum die erste beste Gelegenheit mit Marasini förmlich zu brechen. Sie geräth darüber in die eifersüchtigste Wuth, bricht ihren Schwur, und verräth aus Rache das große Geheimniß von der ehemaligen Verwechselung beyder Knaben an den benachbarten Monarchen schriftlich, ja sie sagt so gar dem Erbprinzen, bey einer zufälligen Unterredung das Paradoxon ins Gesicht:
- „er sey nur so lange Prinz gewesen, als sie gewollt; mit ihrer Achtung und Liebe habe er Braut und Reich verlohren; eine Bombe hätte ihn einst zum Fürsten gemacht; ein Weib stoße ihn jezt wieder in die Sphäre, aus der er gekommen.“
Aus der Gräfin Marasini Briefe weis bereits der benachbarte Monarch nicht allein, daß sein Vice-Admiral, und Liebling, des Herzogs Sohn, und rechtmäßiger Erbfolger, hingegen der bis jezt anerkannte Erbprinz der [152] einst von der verstorbenen Herzogin verwechselte Graf Odellina ist, sondern er hat auch in eben diesem Briefe von ihr einen Wink bekommen, daß seine Princeß Schwester für den bestimmten Bräutigam gar keine Neigung, wohl aber eine heimliche für den Graf Odellina, mit dem sie an dem Hofe ihres Vaters, und Bruders, die ersten Jugendjahre durchlebte, verstekt im Herzen trage.
Bald nach jener heftigen Unterredung, welche Gräfin Marasini mit dem Erbprinz gehabt hat, erscheint Vice-Admiral Gr. Odellina, als Abgesandter des benachbarten Monarchen, am Herzoglichen Hofe. Er hat den mündlichen Auftrag, den Aufschub der Vermählung des Erbprinzen mit der königlichen Schwester zu verlangen – und eigenhändige Depeschen von seinem König an die Princeß, und an die Gräfin Marasini, welche er in Person bey denen Behörden abgeben soll.
Nachdem sich nun schon durch mancherley Wirkungen der Simpathie die eigentlichen Verhältnisse des Vice-Admirals gegen den Herzog geäußert haben; die mitgebrachten Briefe abzugeben, der Gesandte verhindert, die Gräfin Marasini bald für wahnsinnig ausgegeben, bald wegen Meineid und Hochverrath arretirt, auch der Hofmarschallin Odellina Wache gegeben worden ist: zwischen dem Erbprinz und dem Gesandten sehr heftige Debatten vorgefallen sind, ersterer auch durch plözliche Entfernung aus der Residenz vermuthen läßt, daß er seine gekränkten Rechte mit gewafneter Hand geltend machen will, und nachdem diese Verwiklungen bis zur Hälfte des IV. Acts einander gejagt haben: so erkennt endlich der [153] Herzog den Vice-Admiral an dem dreyekigen Mahle über dem Herzen für seinen rechten Sohn; dieser erfährt bald darnach aus dem endlich geöfneten Briefe des Königs an seine Schwester, daß der Monarch, seine Anerkennung schon vorhersehend, auch das Geständnis seiner Liebe gegen die Princeß genehmige, ihre Hand aber nur dem künftigen Erben und Regenten des Herzogthums bestimme.
Der, zum Grafen Odellina reducirte, Erbprinz, kehrt, nachdem seine erste Wuth ziemlich schon verraucht ist, freywillig, ganz in bürgerlicher Kleidung, ohne Stern und Band, an den Hof zurük, erfährt die nähern Umstände seiner bald nach der Geburt erfolgten Verwechselung, wird von den bittenden Demonstrationen des alten Herzogs vollends ganz gewonnen, resignirt auf Braut und Regierung, bestimmt sich blos für seine Zukunft zum guten Unterthan, und leistet dem anerkannten Erbprinz die erste Huldigung. – Alles löset sich darauf in Versöhnung und Contestationen wechselseitiger Liebe und Freundschaft auf. –
So der wesentliche Inhalt des Stüks. – Es ist, so viel ich weis, noch ungedruktes Manuscript, drum war es meine Pflicht, das Publikum mit detaillirter Erzählung des erstern bekannt zu machen. Großen Werth eigne ich dieser Zieglerschen Rapsodie nicht zu, denn absolute Unwahrscheinlichkeiten gelten ohne Widerspruch für dramaturgische Fehler. Nur eine, aber die auffallendeste, will ich von mehrern abgesondert ausheben, und darstellen: Das Liebesverständnis des verwechselten Erbprinz mit der Gräfin Marasini schürzt den wichtigsten Knoten der eigentlichen Verwiklung – [154] die Gräfin war, schon verheyrathet, bey des Prinzen Geburt anwesend, und in jedem Fall 15 Jahr älter als er – die Zieglersche Idee kann das Nachdenken zu spaßhaften Resultaten hinreißen!! – Doch will ich dem Stük individuelle Verdienste deswegen nicht absprechen; die beyden Charactere des Erbprinzen, und des Vice-Admirals, sind interessant, und so verfehlen auch manche einzelne Scenen gewiß die rührende Wirkung aufs Publikum nicht ganz. –
Nun noch einige Raisonements über die heutige Darstellung.
Herr Steiger spielte den Herzog matter, als ich ihn noch in keiner Rolle gefunden habe; selbst sein Anzug, insbesondere seine Coeffure, contrastirten auch in denen Scenen, wo ihm gar keine Verstekung vorgeschrieben war, zu widerlich mit der vom fürstlichen Costum unzertrennlichen Eleganz.
Die Herren Solbrig und Schröder, jener als Erbprinz Carlo, dieser als Vice-Admiral Ferdinando, Madame Eule als Gräfin Odellina, und Madame Haßloch als Gräfin Marasini, versäumten Nichts, durch abgemessenes edles Spiel, wo nicht dem ganzen Stük, doch ihren eignen Rollen, die Würde zuzueignen, welche freylich bey einem fürstlichen Familiengemälde Nirgends hätte fehlen sollen.
Madame Herzfeld war als Princeß Marie von dem Dichter in einen sehr engen Wirkungscreis eingeschlossen. Ich erwartete, ehe ich mit dem Inhalt des Stüks in der Vorstellung bekannt wurde, daß auf ihrer Rolle viel wesentliches Interesse des Ganzen beruhen würde; die nachherige Erfahrung aber überzeugte [155] mich vom Gegentheil, denn man konnte sie, die 3. Scene des IV. Acts abgerechnet, füglich für episodisch anerkennen.
Warum Herr Ziegler die Würde des Hofmarschalls und des Ministers in einer Person vereinte, kann ich nicht gründlich begreifen, noch weniger aber, warum Herr Stegmann in den Character des alten Grafen Odelina durch sein heutiges Spiel einen expreßiven Stumpfsinn, eine Art von Blödigkeit, legte, die den ersten Minister, der noch dazu die wichtigste Hofcharche bekleidet, schlechterdings lächerlich machen mußte, warum er ihn gerade in dem Ton spielte, wie den Canzley-Director im Augenarzt? –
Die Rollen des Cammerherrn Spino, und derer Herzoglichen Adjutanten, Trosso und Grisola, waren mit denen Herren Wohlbrük, Leo, und Gollmik, besezt, und arbeiteten blos auf die unumgängliche Ausfüllung derer Episoden.
Die vor dem Herzoglichen Zimmern Schildwache stehenden Gardisten, ließen es am öftern Presentiren nicht fehlen. Vor dem Herzog, vor dem Erbprinz, vor der Princeß, vor dem Hofmarschall, vor dem fremden Vice-Admiral, wurde ohne Unterschied immer frisch weg presentirt, da doch diese militärische Honneur, nur dem Herzog und Erbprinz, nicht einmal der ausländischen Princeß gebührte, vor denen Andern aber die Posten nur scharf schultern mußten. Es wundert mich, daß von Seiten der Direction auf Vermeidung solcher comischen Unschiklichkeiten gar kein Bedacht genommen wird.
[156] Montags, den 3. November, wurde der Corsar aus Liebe wiederholt. In Besezung derer Rollen war Nichts gegen neulich verändert. Die heutige Vorstellung hatte mehr Festigkeit, als die vom vorigen Freytag. Herr Stegmann excolirt seinen Capellmeister immer mehr und mehr. Madame Haßloch spielte und sang heute mit mehr Kraft und Leben, als neulich – sie wurde dafür im I. Act nach der Arie: Entglühn in unserm Herzen etc. mit allgemeinen Applaudissements, und mit manchem Bravo! signalisirt. Daß Herr Schröder als Pasquale mit dem jungen Herren Dorimante ziemlich familiär umgeht, mit der fremden Gesellschaft im Hauße aber noch weniger Umstände macht, läßt sich mit dem Inhalt der Rolle sehr paßend vereinigen; in denen Scenen aber, wo er ausschließend mit seinem Dienstherrn, dem Capitain Lubeccio, zu thun hat, muß er unumgänglich mehr respektuose Zurükhaltung nuanciren, um die Feinheit, womit er die ganze Parthie vorträgt, Nirgends zu verlezen. Herr Golmik hatte heute als Quaglio seinen Kopf natürlicher, als zum erstenmal, aufgepuzt. Mamsel Fried. Stegmann war mit der tragenden Feder von Zeit zu Zeit sehr embaraßirt. Herr Kirchner hatte gerade den rostigsten Degen, der nur in der Garderobe seyn kann, zum heutigen Gebrauch ergriffen. – Der größere Theil des hiesigen Publikums scheint an dieser Oper viel Geschmak zu finden – Parterre und Gallerie waren heute ganz voll, die Logen, besonders im ersten Range, desto leerer.
Dienstags, den 4. November, wurde der Lorbeercranz, Original-Schauspiel in fünf [157] Aufzügen von Ziegler, gegeben. Es ist schon vor dem Jahre in Wien gedrukt worden, mithin habe ich keinen Beruf, seinen Inhalt im Journal zu zergliedern; an innerm Werthe übertrifft der Lorbeercranz das große Geheimniß bey Weitem.
Herr Langerhans stellte den Herzog als bejahrten Feldherrn dar. Man kann unpartheiisch behaupten, daß dergleichen Rollen dem würdigen Künstler nie mißglüken. Ob sich gleich seine heutige Handlung nur auf die lezten 9 Scenen des V. Acts einschränkte, so bestätigte er doch auch in diesen wenigen mein obiges Urtheil. Herr Langerhans trug nur eine seidne Feldbinde – selbst in Campagne schikt diese sich nicht für einen regierenden Herzog, der sein Militair in Person commandirt. – Friedrich der Einzige war gewiß kein Freund vom Flitterstaat, und doch trug er nie eine andere, als reiche, Feldbinde.
Herr Steiger verdiente als Oberster, Gr. v. Grauenstein, eben so einstimmigen Beyfall, als er sich in dieser Rolle durchgängig auszeichnete.
Herr Solbrig spielte den Erbprinz unverbesserlich, und wurde dabey durch seine Figur, und durch glänzendes Adjoustement, sehr günstig unterstüzt. Am Collet fehlte Herrn Solbrig eine Kleinigkeit: Auf der rechten Achsel muß ein goldnes Knöpfchen und eine solche doppelte Rundschnur als Schleife befestiget seyn, damit unter lezterer das Ordensband nicht rutschen, nicht immer bis auf den Ellenbogen herabfallen, und die Gesticulation geniren, kann.
[158] Den Rittmeister, Gr. von Seeburg, stellte Herr Herzfeld mit dem empfehlendesten Anstande dar; sehr künstlich marquirte er den innern Kampf kochender Eifersucht, mit der dem Erbprinz schuldigen Ehrfurcht, und meisterlich gelang ihm daher die 15. Scene des II. Acts.
Die übrigen Officiersrollen, des Major v. Blauen, des Lieutenant v. Rose, und des Adjutant v. Reisig, waren mit Herrn Löhrs, Kirchner und Gollmik, der Auditeur Waller, mit Herrn Ritzenfeldt besezt.
Den intriguanten Cammerjunker von Windek nuancirte, und spielte durchaus, Herr Wohlbrük sehr gut.
Die Herrn Kruse zugetheilte Rolle des Grenadierfeldwebels befaßt zwar nur eine einzige Scene, ist aber nichts weniger als unbedeutend. Es gehört viel Kunst dazu, in selbiger den Ausbruch tiefster Wehmuth mit der vorschriftlichen Haltung bey einem militairischen Raport zu vereinigen.
Madame Herzfeld verdiente, und erhielt, als Gräfin Amalie einstimmigen Beyfall.
Die Rolle der Gräfin Josephe wäre meines Erachtens mit Madame Langerhans weit beßer besezt gewesen; Madame Kruse konnte sie nicht ausfüllen. Standesrollen erfordern eigenthümliche Attribute, die, wenn sie der Person fehlen, durch keine Anstrengung der Kunst, und des Fleißes, ersezt werden können.
Herrn Leo gelang in der 14. Scene des III. Acts, wo er als Kuraßier Krake Schildwache stand, das ungefähre Losgehen des Gewehrs nicht gut; man sahe es zu deulich, daß er vorsäzlich abdrükte.
[159] Daß dem Erbprinz Act II. Scene 2. der Lorbeercranz in einer ganz ordinairen Schachtel überschikt wird, hat mir äußerst mißfallen; für ein Geschenk aus den Händen der Gräfin Amalie sollte er, und auch das Publikum, den Lorbeercranz halten; – läßt es sich nur denken, daß Gräfin Amalie, welche kurz vorher 30 Eimer Wein an das Regiment spendirt hatte, die von ihr dem Erbprinz zugedachte Galanterie in eine hölzerne weiße Schachtel, welche keine 6 Schillinge werth war, gepakt haben konnte? – Ein wirkliches, oder täuschend nachgemachtes, Etui von Chagrin wäre hier wohl schiklicher angebracht gewesen! Das hätte aber freilich der Directorial Caße mehr als 6 Schillinge gekostet –
Mittewochs, den 5, und Donnerstags, den 6. November, blieben, wegen des eintretenden Bußtags, die theatralischen Vorstellungen ausgesezt.
Freytags, den 7. November, wurde abermals der Corsar aus Liebe, bey unveränderter Rollenbesezung, aufgeführt. Die heutigen Erfahrungen bestätigten meine über diese Oper bereits gefällten Urtheile allenthalben. Sie rundet, und befestigt, sich immer mehr, je öfterer sie gegeben wird, und mit jeder Wiederholung gewinnt ihr das Publikum beßern Geschmak ab. – –
Herr Dufaur, Virtuose auf der Clarinette, und engagirtes Mitglied des hiesigen deutschen Orchester, gab Sonnabends, den 8. November, sein Benefiz-Concert. Der Künstler erhielt für seine eignen Productionen ungetheilten Beyfall. Das Unternehmen überhaupt wurde durch drey, gut gesungene Arien von Demoisel [160] Friederike Stegmann, auch denen Herrn Kirchner und Ritzenfeldt; durch ein Viottisches Violin-Concert von Herrn Eloy; durch selbstcomponirte Variationen für die Flöte von Herrn Petersen; durch zwey große Sinfonien von Mozart und Haydn, und durch applicatives Accompagnement, vom Orchester, sehr empfehlend unterstüzt. Die Erfolge müssen für Herrn Dufaur auf jeden Fall beruhigend gewesen seyn; das Publikum hatte sich ziemlich zahlreich im Schauspielhause gesammelt, und gieng wohl zufrieden wieder auseinander.
Vorstellungen in der künftigen Woche, wenn nicht Krankheit oder sonstige Umstände eine Abänderung nothwendig machen.
Sonntags, den 7ten: Oberon.
Montags, den 8ten: Fiesko.
Dienstags, den 9ten: Die Eifersüchtigen, und der Verliebte Werber.
Mittwochs, den 10ten: Das Gelübde.
Donnerstags, den 11ten: Lodoiska.
Freytags, den 12ten: Der Fremde von Iffland, (zum erstenmal).
Sonnabends, den 13ten: Benefiz-Concert für Herrn Gollmik.
[161]
Abällino, der große Bandit, Schauspiel in 5 Acten von Zschokke, wurde Sonntags, den 9. November aufgeführt. – Sattsam bekannt ist dessen Inhalt; schon seit mehrern Jahren hat er auf denen deutschen, und ausländischen Bühnen viel Lärm gemacht, viel Sensation erregt; er ist bereits in mehrere Sprachen übersezt, und noch immer bleiben die Urtheile über seinen eigenthümlichen Werth im Widerspruch. – Auch ich würde sie daher durch Hinzufügen des meinigen nicht fixiren können; drum will ich nur seine heutige Darstellung auf unserm deutschen Theater in kurzen Raisonements bezeichnen.
Das große Probestük für jeden Schauspieler: die so sehr contrastirenden Rollen des Flodoardo und des Abällino in einer Person zu vereinigen, und beyden Genüge zu leisten, lag in den Händen des Herrn Herzfeld. Blos aus meinem Gefühle kann ich die, sonst Niemand aufzudringende, Behauptung [162] herleiten, daß vom Herrn Herzfeld die Carricatur des Banditen weit künstlicher, weit expreßiver, durchgeführt, als der mit Hang zur melancholischen Schwärmerey, mit enthusiastischem Streben nach einem fast für jede vernünftige Erwartung unerreichbaren Zwek, gemischte Character des bald schüchternen, bald tollkühnen, Flodoardo allenthalben richtig getroffen worden ist.
Herr Löhrs spielte den Doge Andreas Gritti fehlerfrey – aber so monotonisch, wie er seine Helden alle spielt; am öftersten vergaß er in seinen heutigen Haltungen, daß der Dichter den Doge ins Alter des siebzigjährigen Greises gestellt hat.
Rosamunde von Corfu war mit Madame Herzfeld besezt. – Weibliche Naivität, vom Verstande unterstüzt, mit reinem Gefühl für alles Schöne und Erhabene verschmolzen, bestimmen Rosamundens Character; Madame Herzfeld blieb der Natur, blieb sich selbst, getreu, und erschöpfte die Rolle.
Iduella, die Hofmeisterin, wurde von Madame Eule anständig dargestellt.
Die Herren Stegmann und Langerhans nuancirten, jener den kalten, rauhen, aber biedern Dandoli, dieser den sanften, noch als Greis sehr reizbaren, empfindsamen, Canari, wie Künstler, die ihr Fach kennen, sich ihm mit voller Kraft und Application auch heute widmeten.
Herr Steiger exprimirte durchaus richtig den vom Dichter dem Cardinal[4] Grimaldi [163] zugeeigneten Character. – Sein ganzes Spiel stellte den Geistlichen in der Kleidung, den intriguanten Weltmann in Denkungsart und Grundsäzen dar, welcher, mit despotischer Herrschaft über seine Affecten, immer bedächtlich und horchend, das Imposante seiner Plane sehr fein unter jesuitische Heiligkeit zu verstekken wußte. – Die 5. Scene des III. Acts spielte unter eben diesen Verhältnißen Herr Steiger außerordentlich brav.
Die Venezianischen Nobili’s, Parozzi, Falieri und Cantarino, wurden von denen Herrn Schröder, Gollmik und Solbrig, sehr genügeleistend executirt; die äußerst expreßive Mimic, mit welcher Herr Gollmik die 10te Scene des IV. Acts bearbeitete, in selbiger die Ereigniße in der Marterkammer ausmahlte, verdient gewiß eine besondre, sein Studium und deßen Erfolg preisende, Erwähnung.
Herr Ehlers gewöhnt sich so sehr an den outrirt comischen Vortrag, daß er fast jeden andern ganz verfehlt; – er thut sich damit selbst unfehlbaren Schaden, denn sein Spiel verliert alle Feinheit, alles Wohlgefällige, für den edlern Theil des Publikums. Dem Nobili Memmo, deßen Rolle Herrn Ehlers für heute zugetheilt war, fehlt es ja, als jungen Venetianer aus einer der ersten Familien, an Erziehung und Sitten gewiß nicht, aber Poltronie ist seine characteristische Schwäche; statt diese, dem Wohlstand unbeschadet, hervorstechen zu lassen, stellte ihn Herr Ehlers als wahren Schafkopf, dar, und warf dadurch, daß er immerwährenden Spaß anbringen wollte, die feyerliche Verschwörungsgroupe am Schluße [164] der 11ten Scene vom IV. Act beynahe ins Lächerliche um.
Herr Eule würzte das Wenige, was er als Bandit Matteo zu leisten hatte, ebenfalls mit humoristischem Salze, jedoch ohne dadurch den Geschmack des Kunstliebhabers im Geringsten zu verderben. – Die Gesezze des Wohlstandes müssen bei jeder Bühne unverbrüchlich gelten, welche auf allgemeine Achtung, und guten Ruf Anspruch machen will; leider aber werden sie auf unserer deutschen nur allzuoft, zur Satisfaction der Gallerie, mit Füßen getreten.
Montags, den 10. November, wurde die Oper Don Juan unter der nemlichen Rollenbesezung, wie sie das 7te Stük dieses Journals bezeichnet, gegeben.
Herr Schröder excellirte heute in dem Duet mit Zerlinen. Mamsel Stegmann war besser bey Stimme als das leztemal im Corsar aus Liebe. Herr Ritzenfeldt sang als Komthur, und als reutende Bildsäule, recht gut, aber viel zu tief, im lezten Final, als Gespenst. Madame Haßloch führte ihre Recitative wieder mit voller Kraft und die lezte Arie sehr wohlgefallend aus. Dem Herrn Haßloch gelang die Arie des III. Acts abermals sehr unverbeßerlich. Herr Eule blieb sich gegen neulich ganz gleich. Madame Langerhans legte in ihren Gesang gegen den Masetto vieles Intereße, aber Herr Ehlers hätte dabey manchen Spaß weniger machen können. – Er hat von diesem Waarenartikel so viel Vorrath, daß er gar nicht mehr weis, wo er deßen genug absezen soll. Das Terzet im Final des II. Acts zwischen Octavio, Elviren [165] und Annen, wurde zwar brav gesungen, aber jämmerlich stimmten die blasenden Instrumente. Auch die Ouverture wurde gegen sonst merklich vernachläßiget. Dem Statisten, welcher bey des Don Juan Tafelmusic zum Schein die Flöte bläßt, sollte man es doch zeigen, wie er wenigstens das Instrument richtig halten muß; es machte einen rebutanten Effect, wenn man ihn immer mit der linken Hand das Mundloch tangiren sahe. – Wäre es denn nicht möglich, daß die Groupe am Schluße dieser Oper anders geordnet werden könnte? In beyden von mir beurtheilten Vorstellungen derselben, am 10. October, und heute, drängten die tanzenden Furien den Don Juan in der Tiefe des Theaters zur Couliße hinaus. – Weit mehr würde aber die Illusion und das Auge der Zuschauer gewinnen, wenn Don Juan am Ende des Schlußchors sich auf eine Versenkung in der Mitte der Bühne, am besten dahin, wo vorher der Eßtisch gestanden hat, stellte, und mittelst selbiger, schnell verschwindend, herabführe, die Furien ihre Fakeln über den geöfneten Schlund schwenkten, und dann beym lezten Tacte der Music die fallende Gardine das Ganze beschlöße. – Salvo meliori judicio, sey diese Idee zur Beherzigung der Direction, und zum beliebigen Gebrauch unsers Herrn Maubert, niedergeschrieben! –
Dienstags, den 11. November, wurde das Vaterhaus abermals wiederholt. In der Rollenbesezung war Nichts abgeändert. Der innre Werth des Stüks, und seine gewiß vorzüglich gute Darstellung auf unsrer Bühne, beförderten [166] auch heute des Publikums Zufriedenheit.
Mittewochs, den 12. November, wurde Gustav Wasa zum sechstenmal aufgeführt. Bey der Rollenbesezung hatte sich, nach meiner Seite 106 und 107 davon gemachten Anzeige, weiter Nichts geändert, als daß die zeither vom Herrn Eule begleitete Rolle des schwedischen Edelmanns, Lars Olofsen, heute Herrn Steiger zugetheilt worden war.
Mit einem Rükblik auf den Schluß des Neunten Stüks, von d. Journ., wird man sich erinnern, daß die von Gustav Wasa beabsichtigte Revolution sich bereits zu Räthwik entwikelt hatte, daß die Dalekerlen auf Gustavs Seite getreten, unter seiner Anführung schon mit denen dänischen Truppen handgemeng worden waren.
Eben diese Revolution macht sehr schnelle Fortschritte; Gustavs Anhang in Schweden wächst stündlich, wie die Gewäßer wenn das Wintereis aufthauet; Tausende strömen ins schwedische Lager, um unter seinen Fahnen für des Vaterlands Befreiung zu fechten; mehrere Festungen sind schon erobert, ganze Provinzen unterwerfen sich ihm; entschiedenes Glük begleitet seine Waffen; wo die Dänen ihm Widerstand thun wollen, werden sie geschlagen; so rükt er mit einem furchtbaren und siegreichen Heere bis vor Stokholm, und eröfnet deßen förmliche Belagerung.
Beym Anfang des IV. Acts kann man schon aus den Fenstern des Schloßes zu Stokholm das schwedische Lager, welches die Residenz eingeschloßen hat, deutlich bemerken.
[167] Usurpator Christiern befindet sich in Person auf diesem Schloße. Er kennt die ihn bedrohende Gefahr, er weiß, daß er allgemein gehaßt wird, er fühlt, daß er seiner Tiranney wegen so gehaßt zu werden verdient. Zaghaftes Mißtrauen in Jeden, der sich ihm nähert, Furcht für Verrätherey, quälen ihn Tag und Nacht, begleiten jeden seiner Tritte. Drum wählt er bald in dem, bald in jenem, Zimmer des Schloßes seine nächtlichen Schlafstellen; drum darf selbst kein Officier den Audienzsaal betreten, bevor er nicht seine Waffen an deßen Eingang bei der Wache abgelegt hat, von selbiger aufs strengste visitiret worden ist; drum muß jeder, der ihm Etwas zu melden hat, wenigstens vier Schritte von seiner Person entfernt stehen, ehe er sprechen darf; drum gebietet er dem Cämmerling: das Frühstük zu kosten, die eingehenden Depeschen zu erbrechen, und dadurch zu bestätigen, daß sie nicht vergiftet sind.
In dieser Lage erhält Christiern vom Hauptmann Fynbo, vom Erzbischoff Trolle, und von einem ausgeschikten Spion, bestätigte Zusicherungen, daß mehrere Festungen, und Provinzen, ja, außer der Residenzstadt, fast das ganze Land von Gustav bereits erobert sind, oder sich ihm freywillig unterworfen haben. Christiern schmeichelt sich, daß der gesunkene Muth, oder die Treulosigkeit, seiner Truppen, und ihrer Befehlshaber, die Gefahr fürchterlicher finden, als sie wirklich ist; tröstet sich insbesondere mit der baldigsten Ankunft einer dänischen Flotte, die er zum Succurs der Residenz stündlich aus Kopenhagen erwartet. Der Spion erwiedert die leztere Reflexion [168] des Königs mit dem warnenden Wink: daß Gustav, von dem erwarteten Succurs schon benachrichtiget, einen Hauptsturm auf Stokholm noch eher, als jener ankommen könne, zu wagen entschlossen sey, und Christiern daher, für die Sicherheit seiner Person zu sorgen, die höchste Zeit habe.
Christiern fordert vom Erzbischoff Trolle in der nun anerkannten dringenden Gefahr schnellen Rath zur wirksamen Rettung. Trolle sagt zwar: man habe schon in der Ferne dänische Flaggen bemerkt, deren Schiffe vermuthlich den aus Copenhagen erwarteten Succurs überbrächten, und nur durch widrigen Wind am Einlaufen in Stokholms Hafen verhindert würden, rathet aber zugleich: dem siegreichen Gustav mit der angedrohten Hinrichtung seiner, in Stokholm eingekerkerten, Mutter einen Zaum anzulegen, ihn wenigstens zum Aufschub des Sturms auf die Residenz für einen Tag zu bewegen.
Cäcilie Wasa, Gustavs Mutter, wird aus dem Gefängnis in den Audienzsaal geholt. Christiern macht sie mit Gustavs naher Anwesenheit, mit seinen gefährlichen Absichten auf die Residenz, bekannt; sie jubelt darüber, sagt dem Usurpator trozig ins Gesicht:
- Nun sterb’ ich gern! ich hab’ ihn gebohren den Mann, der des Tyrannen Geißel wird. Ich bin seine Mutter! O! nun sterb’ ich gern!
Christiern fordert von Cäcilien: ihren Sohn zum Abzug von Stokholm schriftlich zu bewegen, wo nicht, so solle ihr blutiger Kopf ihm als Sieger, beym Einzug in die Residenz von der Mauer herab, entgegen grinzen. Cäcilie schlägt es rund ab, erwiedert auf Christierns erhöhte Drohungen: [169]
- Verstümmeln kannst du mir die Hand, zum Schreiben zwingen nicht.
Er ändert die Forderung, schränkt sie auf einen zweytägigen Waffenstillstand ein, und läßt dabey ein Wort über den aus Copenhagen erwarteten Succurs fallen; sie schlägt nochmals das Schreiben ab. Christiern will einen Bothen ins Lager schiken, der Gustav mit der Todesgefahr, worinne seine Mutter schwebt, bekannt machen, ihn zum Waffenstillstand dadurch bewegen soll. Der leztere Vorsaz determinirt Cäcilien, sie erbietet sich, um beym Schreiben nicht zu viel Zeit zu verlieren, zu einer mündlichen Unterredung mit Gustav in dem zwischen der Residenz und dem schwedischen Lager gelegenen St. Clarens Kloster. Christiern bewilligt diese Unterredung, nachdem Cäcilie vorher geschworen hat, nicht zu entfliehen, sondern auf jeden Fall aus dem Kloster nach Stokholm zurükzukehren.
Indeßen meldet sich bey Gustav im Lager der Lübekische Admiral Brun; er führt ihm zehn ausgerüstete Schiffe als Succurs von denen Hanseestädten zu, giebt solche für die nemlichen aus, welche man schon in der Entfernung bemerkt, nach ihren Wimpeln für dänische gehalten hat, weil Admiral Brun zur Täuschung derer Belagerten dergleichen aufsteken lassen, und hinterbringt zugleich die Nachricht, daß auch 900 Mann Fußvolk, vom Obersten Stammel angeführt, zu Gustavs Beystand im Lager eingetroffen sind.
Gleich nach Brun erscheint auch bey Gustav der königliche Bothe, welcher ihn zur Unterredung mit seiner Mutter im Kloster der heil. Clara einladet. Gustavs Unterbefehlshaber, und Freunde, argwohnen Verrätherey, [170] und wollen den Feldherrn nicht fortlassen; bey Gustav überwiegt aber Sohnesliebe jede andre Bedenklichkeit; er eilt mit dem Ausruf:
- Wer seine Mutter liebt, der folge mir! –
dem Bothen nach; seine Vertrauten begleiten ihn, und der linke Flügel des schwedischen Heeres wird, gegen das Kloster vorzurüken, beordert.
Statt daß dort Cäcilie, nach Christierns Abrede und Erwartung, ihren Sohn zum Waffenstillstand bereden soll, feuert sie ihn vielmehr zur Beschleunigung des Sturms auf die Residenz an, ehe noch die aus Copenhagen zum Entsaz erwartete Flotte ankommen kann – verschweigt ihm aber absichtlich die Gefahr, in welcher ihr Leben, nach des Tirannen Drohung, schwebet. Gustav will sie zur Flucht ins Lager bewegen; sie entschuldigt sich mit ihren dem König geleisteten Eide; und macht ihm zugleich begreiflich, daß, wenn sie nicht nach Stokholm zurükkehrte, Gustav für das Leben seiner Braut, die dort ebenfalls in Christierns Gefangenschaft sey, Alles zu fürchten habe. Gustav giebt nach, gelobt, den Sturm zu beschleunigen, und hofft dagegen, daß, so bald er gelungen ist, Mutter und Braut in seine Arme fliegen sollen. Cäcilie verspricht Ersteres nur schwankend, Lezteres, nebst ihrem Mutterseegen über die Verlobten, gewiß. Nun eilt Gustav aus dem Kloster ins Lager zum Angriff der Residenz, Cäcilie nach Stokholm, gewissen Tod erwartend, am Schluß des IV. Acts, zurük.
Zu Anfang des Vten überzeugen die eingehenden Meldungen den Usurpator von der [171] mit jeder Minute sich nähernden und wachsenden Gefahr; endlich erfährt er vom eintretenden Stokholmischen Bürgemeister Holst: daß die vermeinten Copenhagner Schiffe Lübekische gewesen sind, welche mit Succurs an Geschüz und Mannschaft für Wasa bereits bey Söderköping gelandet hätten; daß Wasa eben die Residenz zum leztenmal drohend auffordern lassen, zur gutwilligen Eröffnung der Thore nur noch eine Stunde Bedenkzeit gegeben; daß Stokholms Bürgerschaft den König um die unverzügliche Uebergabe der Stadt an Wasa ohne weiteres Blutvergießen geziemend bitte, außerdem aber Willens sey, sich schon versammle, das königliche Schloß selbst zu stürmen.
Auch Cäcilie kömmt aus dem Kloster in den Audienzsaal zurük. Unumwunden gesteht sie dem Tirannen, sie habe Gustav keineswegs zum Frieden oder Waffenstillstand, sondern, von jeder Pflicht als Sohn, von jeder Rücksicht auf sie entbunden, nur zur schnellesten Rache aufgefordert; sie schikt Christiernen ans Fenster, um mit eignen Augen die Waffen des schwedischen Heeres schon nahe an den Stadtmauern blizen zu sehen; sie schreyt ihm entgegen:
- So hat ein Weib des Gatten Blut gerächt! Vergiß es nicht in deiner Todes-Stunde: das hat ein schwedisches Weib dir zubereitet! –
Christiern, halb rasend, gebietet Cäcilien zum Tode abzuführen. Sie ruft ihm zu:
- Komm, sieh mich sterben! Jauchzend knie ich nieder. Der Rächer Gustav – ich habe ihn gebohren! –
Der Lärm des rebellirenden Volks wird vor dem Schloße immer heftiger; Christiernen [172] verläßt alle Gegenwart des Geistes; er sieht Gespenster, wirft sich in des Erzbischoffs Arme, und wird von ihm mit Gewalt zur, vielleicht noch möglichen, Flucht fortgeschleppt.
Indeßen hat man dem schwedischen Heere die Thore von Stokholm geöffnet. Unter Feld-Musik, mit fliegenden Fahnen, von verschiedentlichem Militär, auch bewaffneten Bauern, umgeben, hält Gustav Wasa über eine Brüke siegreichen Einzug in die Residenz. – Auf einem freyen Plaz, wo sich die Begleitung truppweise rangirt, wird er von der versammelten Volksmenge mit dem wiederholten Zuruf:
- Heil dem Vaterlands Retter!
bewillkommt. Er tritt in voller Rüstung mitten unter das Volk. Der Bürgemeister Holst überreicht ihm die Schlüßel der Stadt; er nimmt sie an, giebt sie aber mit der Bemerkung, Stokholms Thore würden nimmer wieder den Feinden des Vaterlands geöffnet werden, zurük. Gustav Wasa publicirt den nunmerigen Frieden, und hält seinem Vater, auf dem ihm bezeichneten Plaz, wo jener hingerichtet worden ist, eine Parentation, die mit dem Ausruf:
- Die Schweden sind gerettet!
sich schließet.
Jezt erscheint Margarethe Löwenhaupt, wirft sich an Gustavs Brust, und verkündet ihm Cäciliens Tod von der Hand des Henkers. Gustav überzeugt sich, daß die edle Mutter, aus Liebe zum Vaterland, ihm die Gefahr, worinne ihr Leben schwebte, bey der Unterredung im Kloster absichtlich verheimlicht hat; jammert über ihren Verlust, wirft sich in die Arme seiner treuen Schweden, und [173] dankt Gott, der sie, und ihn, durch des Vaterlands Befreiung, ans Ziel geführt hat. Wo Christiern hingekommen ist? Ob sich Gustav mit Margarethen vermählt? erfährt man nicht. – Das Volk schreyt einmal über das andere:
- Es lebe Gustav Wasa unser König! –
Der Vorhang fällt, und befördert das große Spectakelstük zum endlichen Ende.
In diesen leztern beyden Acten erschienen auf der Bühne, Herr Löhrs, Herr Stegmann, Herr Wohlbrük, Herr Haßloch, Madame Eule und Madame Hönike, als solche, die in den drey erstern noch nicht aufgetreten waren; über sie muß ich also, zur Erfüllung des Ganzen, noch meine Urtheile nachholen.
Herr Löhrs führte durch sein Spiel die Leidenschaften des blutdürstigen, alle Menschlichkeit verleugnenden Tirannen, der sich jede Unthat erlaubt, so lange seine despotische Macht zur Ausführung hinreicht, der aber verdienten Lohn dafür von der gekränkten Unschuld alle Minuten befürchtet; der bey dem Bewußtseyn, daß er allgemein gehaßt und verabscheut wird, in Jedem der sich ihm nähere, einen Verräther, einen Rächer, mißtrauisch vermuthet; der, sobald die Wirksamkeit seiner Gewalt ins Gedränge kömmt, die lezte Zuflucht zur Verzweiflung nimmt, – sehr richtig und treffend, aus. Die Rolle des Christiern ist wohl eine der undankbarsten, die je ein dramatischer Dichter auf die Bühne gestellt hat; der Schauspieler kann das Grelle, was in ihr liegt, durch keine Kunst mildern. Er hat seine Pflicht ganz erfüllt, wenn er sie so wahrhaft und natürlich, als Herr Löhrs es that, durchführet.
Herr Stegmann war ganz, was Erzbischoff [174] Trolle seyn soll. Richtig stellte er den geistlichen Usurpator aus jenem Zeitalter dar, welcher den Einfluß des Catholicismus auf die politischen Verhältniße kannte, welcher unter der Inful jeden privativen Plan durchzusezen wagte, welcher so bald, so oft, er absolut nicht durchkommen konnte, sich kaltblütig unter das Panier der Kirche, des heiligen Vaters in Rom, zurükzog.
Herr Wohlbrük spielte den Cämmerling mit einer auffallenden Steifheit – nur Christierns, des Tirannen, characteristisches Mistrauen gegen Jeden, der um ihn ist, oder ihm sich nähert, kann solche rechtfertigen.
Madame Eule soutenirte ihre Rolle durchaus anständig – im IV. Act, Scene 16. meisterhaft – aber wenn sie zuerst aus dem Kerker, der sie lange her eingeschloßen hatte, im Audienzsaal vor Christiern erscheint, darf ihr Aeußerliches nicht so blühend seyn, als es auf der Bühne war, und zu ihren mehresten Unterredungen mit dem Usurpator, taugt keine sanfte, muß lauter heftige Declamation angebracht werden.
Die Herrn Haßloch und Steiger, nebst Madame Hönike, arbeiteten blos in episodischen Rollen, ohne Vernachläßigung. Herr und Madame Herzfeld erhielten sich, und ihr Spiel, auch im IV. und V. Act, wie vom Anfang, so bis ans Ende, in gleicher Würde.
Herr Solbrig, ich darf es nicht verschweigen, mußte heute außer dem Zirkel seines Berufs leztern so weit vergeßen haben, daß er ihm auf der Bühne unmöglich Genüge leisten konnte; Herr Wohlbrük verstekte eine ähnliche Lage unter noch mehrerer Steifheit, mit der er seine Rolle durchsezte; Herr Gollmik war auch nicht ganz im richtigen Gleise. – Alle drey reizten, in abstufenden Graden mehr oder weniger, den Unwillen des Publikums. – Doch, fehlen ist [175] menschlich – nicht wieder ähnlich fehlen, die edleste Buße – Sapientibus sat!
Die Austheilung doppelter Rollen an einerley Schauspieler, kann ich nicht billigen. – Das Kunstgefühl wird zu sehr gekränkt, wenn man einen niedersächsischen Viehhändler, und den Hanseestädtischen Admiral; den edlen Bürgermeister Bröhms, und den trolligen Bauer Nilson; in denen Personen derer Herrn Leo und Langerhans combinirt, auftreten sieht. Möglicherweiße konnte doch dieser Anstoß vermieden werden. Herr Kirchner und Herr Petersen waren ja noch vacant. Zu Statisten mußte dann die Direction anderweiten Rath schaffen.
Sechs Vorstellungen kurz hintereinander hat also Gustav Wasa, das Paradoxon der Kozebueischen Phantasie, auf Hamburgs deutscher Bühne – mit ihnen die Caße der Direction sattsam, gefüllt. – Ein wichtigeres Verdienst kann ich ihm, nach meiner Ueberzeugung, nicht zueignen! –
Donnerstags, den 13. November, erfolgte eine Wiederholung vom Corsar aus Liebe; in der Rollenbesezung war Nichts abgeändert, und ich bekräftige meine vorherigen Raisonements darüber ebenfalls.
Freytags, den 14. November, wurde die Verschwörung des Fiesko, Trauerspiel in fünf Aufzügen von Schiller, gegeben.
Es waren die Rollen des Doge Doria mit Herrn Stegmann, des Giannettino Doria mit Herrn Solbrig, der Julia Imperiali mit Madame Eule, des Fiesko mit Herrn Herzfeld, der Gräfin Leonore Lavagna mit Madame Haßloch, des Verrina mit Herrn Langerhans, der Bertha mit Madame Herzfeld, derer Verschwornen Burgognino, Kalkagno, Sacco, Zenturione, und Zibo, mit denen Herrn Schröder, Löhrs, Gollmik, Kruse, und Zart, des Lomellino mit Herrn Haßloch, des Mohren Muley Hassan mit Herrn Wohlbrük; die Cammerjungfern der Gräfin Lavagna mit Mamsel Kruse, und Madame Hönike, besezt. – So viel von diesem Stük für heute; detaillirtere Urtheile darüber verspare ich absichtlich bis zu dessen nächster Wiederholung.
Sonnabends, den 15. November, gab Herr Fränzl, Musik-Director aus Offenbach, im deutschen, sehr zahlreich [176] besezten, Schauspielhause, Concert. Der Producent verdient als Virtuose auf der Violine, und als Compositeur, gepriesen zu werden. Er legitimirte heute sattsam beyde Behauptungen. Er behandelt sein Instrument nach eigner Manier, der Vortrag darauf aber ist im höchsten Grade gefällig, und äußerst glüklich executirt er dabey die möglichsten Schwierigkeiten. Er führte das Publikum durch ein von ihm componirtes Violin-Concert, unter dem Accompagnement türkischer Music, in ganz neue Sphären der Tonkunst. Mamsel Schmalz aus Berlin sang eine Naumannische Arie, ein Fränzlisches Duet mit Herrn Kirchner, und eine Polonoise, sehr brav. Leztere wurde aber fehlerhaft accompagnirt; der merklich zu tiefe Ton derer Clarinetten verdarb Alles. Den Beschluß dieses Concerts machte ein von Herrn Fränzl in der Oper: die Gefangenen, componirtes Quartet, welches die ältere Demoisell Stegmann, die Herren Kirchner, Schröder, und Ritzenfeldt, singend executirten. Sehr schade war es, daß solches durch die übermäßige Geschwindigkeit des genommenen Tempo ganz entstellt wurde. Mancher glaubt seine musicalischen Productionen durch flugschnelles Tempo zu begeistern, vergißt aber dabey alle Rücksicht auf die Singestimmen, und auf die Instrumentisten, verhindert jene die Worte vernehmlich auszusprechen, diese die Notensäze zu erdeutlichen. – Piano! Crescendo! Forte! und ähnliche Vorzeichnungen, nuanciren in der Tonkunst Schatten und Licht; nur, wenn jede einzelne richtigst beobachtet wird, schwängert geistiges Feuer den musicalischen Vortrag.
Vorstellungen in der künftigen Woche. Dec. 1800.
Sonntags, den 14ten: Otto von Wittelsbach.
Montags, den 15ten: Der Fremde.
Dienstags, den 16ten: Das große Geheimniß.
Mittwochs, den 17ten: Die Milchbrüder und die Schachmaschine.
Donnerstags, den 18ten: Der Fremde.
Freytags, den 19ten: Die Schwestern von Prag.
Sonnabends, den 20sten: Benefiz-Conzert für Herrn Schröder.
[177]
Zur ersten Vorstellung wurde Sonntags, den 16. November: Geschwind ehe es Jemand erfährt, Lustspiel in drey Aufzügen von Bock, gegeben.
Der Plan des Stüks beruht auf der Idee, daß Kaufmann Billerbek, ein Millionair, die Verdienste eines bey sich im Hause gastfreundlich aufgenommenen Officiers, des Herrn von Manske, hoch genug schäzt, um dessen zeitliches Glük herzlich zu wünschen es auch nach allen Kräften, so weit es seine mercantilischen Grundsäze gestatten, zu befördern; daß er glaubt, der junge Mann sey in Philippinen, die Tochter des reichen Maklers Gröbing, die jugendliche Gespielin der Mamsel Antonie Billerbek, verliebt, und Willens, sie zu heyrathen; daß er aber von einem zwischen seiner eigenen Tochter und dem Officier gangbaren Einverständniß über wechselseitige Liebe, und gelobte Treue, nicht die mindeste Vermuthung hat; daß er daher keine Mühe spart, den Makler Gröbing zum Einwilligen in Philippinens [178] Verbindung mit Herrn von Manske zu überreden; daß er, weil jene im Erfolg ganz vergeblich bleibt, dem Leztern den Rath zur heimlichen Entführung seines geliebten Mädchens, sogar eine Summe Geld giebt, um diesen guten Rath zu realisiren; daß Herr von Manske, und Antonie, unter gemeinschaftlicher Verabredung, den von Billerbek selbst eingeleiteten Plan zum Scheine ausführen, sich aus dessen Hause auf kurze Zeit entfernen, bey ihrer baldigen Rükkehr in selbiges, ihm über ihr zeitheriges Verständnis die Augen öfnen, ihn der gebrauchten List halber um Verzeihung, und beweglichst bitten: eben das selbst zu thun, was Makler Gröbing, nach Billerbeks eigner, verschiedentlich erklärter, Meinung hätte thun müssen, wenn die von Lezterm projectirte, und beförderte, Entführung Philippinens erfolgt wäre: – ihnen Beyden sein Jawort, seinen väterlichen Segen, zu geben; daß endlich Billerbek, in der einem Andern gelegten Schlinge selbst gefangen, sich zwar ärgert, von denen jungen Leuten so hinter das Licht geführt worden zu seyn, doch aus der Noth eine Tugend macht, und, um seine eignen Handlungen nicht zum Gegenstand öffentlicher Satire werden zu lassen, geschwind, ehe es Jemand weiter erfährt, den Herrn v. Manske, als Schwiegersohn, anerkennt.
Es spielten den Kaufmann Billerbek Herr Steiger; Antonien Madame Herzfeld; den Makler Gröbing Herr Leo; Philippinen Mamsel Eule; den Officier Herr Solbrig; das Dienstmädchen im Billerbekischen Hause die jüngere Mamsel Stegmann; und den Manskischen Bedienten Herr Ehlers; [179] samt und sonders, nach Vorschrift ihrer Rollen, recht gut. Der Inhalt des Stüks ist an sich selbst unterhaltend, und desto unfehlbarer mußte seine heutige excolirte Darstellung das Vergnügen des Publikums allgemein befördern.
Da man aber anschaulich das Ganze nach hiesigem Stadttone bearbeitete, so hätte auch wohl Herr Leo seinen Gröbing in Manieren, und besonders im Anzug, mehr nach jezigem Geschmak verfeinern sollen. Sittlichen Anstand und äußere Eleganz weiß man jezt in Hamburg sehr empfehlend mit denen maklerischen, so wie mit allen andern öffentlichen Geschäften zu vereinigen. – Alle übrige Verhältnisse des Sujets paßen in den jezigen Zeitraum, warum stellte Herr Leo seinen Makler gerade um zwanzig und mehrere Jahre zurük? – –
Mamsel Stegmann verdient im Gegentheil desto mehr Lob für die expreßiveste Auszeichnung eines sehr modernen hamburgischen Dienstmädchen, nur welcher sie heute ihr Spiel und alle seine Nuancen, als dramatische Künstlerin, zu heben wußte.
Es ist gewiß Schade, daß Mamsel Eule sich nicht selbst befleißiget, oder nicht strikter dazu angehalten wird, ihre Geschäfte auf der Bühne mit mehrerer Ernsthaftigkeit, und Solidität, zu behandeln; manche ihrer guten Anlagen wird durch das immerwährende Lachen, dessen sie sich nicht enthalten kann, und das sie ganz ungenirt ausbrechen läßt, entstellt.
Auf dieses Schauspiel folgte noch die Oper: Das Automat, in einem Aufzuge, outrirte Farce, in italienischem Costume, nach Andreischer Composition. In dem Sujet liegt gar [180] kein, in der Music nur geringer Werth für den Geschmak neuerer Zeiten.
Es waren die Rollen des Ambrosio mit Herrn Langerhans, der Julie mit Mamsel Fried. Stegmann, der Florine mit Madame Langerhans, des Alonzo mit Herrn Gollmik, des Prado mit Herrn Eule, des Justo mit Herrn Petersen, und des Gratto mit Herrn Ehlers, besezt. Sie wurden sämtlich, nach dem Maßstabe der mehresten Sonntagsvorstellungen, zu Gunsten des zahlreichsten Publikums im Parterre und auf der Gallerie, spaßhaft genug gespielt, aber auch für feinere Kunstliebhaber wenigstens gut gesungen – Selbst Herr Langerhans producirte die Arie: Wie glüklich werd’ ich seyn etc. zur Zufriedenheit der Leztern.
Montags, den 17. November, wurde Lodoiska, heroische Oper in drey Acten, von Herkloz aus dem Französischen übersezt, von Cherubini componirt, gegeben.
Der Compositeur, Italiener von Geburt, und Sarti’s Schüler, weicht in dieser Production ganz vom Geschmak seines Vaterlandes ab. – Er hielt sich als Jüngling eine Zeit lang in Paris auf, zur nemlichen, da dort Gluk excellirte, und die Music von Lodoiska beweißt, daß der Welsche sich absichtlich bemüht hat, die Spuren des deutschen Tonkünstlers zu verfolgen. Man kann von dieser Oper gründlich behaupten, daß ihre Composition jeder deutschen Bühne die größten Schwierigkeiten, besonders in dem Ensemble, zur Ausführung vorlegt. Sie ist zugleich mit ausserordentlichem Feuer für das Orchester geschrieben; aber es bedekt auch die mindeste Vernachlässigung [181] des Forte! Piano! und anderer Kunstsignaturen fehlerhaft die Singestimmen. – Sängern und Sängerinnen giebt Cherubini schwere Knoten aufzulösen, sie finden solche in denen von ihm nach eignen Capricen gesezten Ausweichungen, und können dadurch leicht irre geführt werden.
Es handelten heute auf der Bühne in Hauptrollen: Madame Haßloch als Lodoiska; Herr Kirchner als Floresky; Herr Eule als Varbel; Herr Ritzenfeldt als Durlinsky; und Herr Schröder als Tizikan. –
Madame Haßloch glänzte unleugbar im Spiel und Gesang, auch in persönlicher Darstellung. Ihr Recitativ: Was sag’ ich? etc. mit der Arie: O Gott! in meines Kerkers Mauern etc. und in lezterer das tonkünstlerisch gelingende Abfallen bey der Fermate vom 2gestrichenen B. bis ins Tiefe, verschaften dem II. Act die empfehlendeste Einleitung.
Herr Kirchner und Herr Eule zeichneten sich gewiß als gute Sänger aus. Das von dem Componisten mit vorzüglichem Fleiß bearbeitete Duet des I. Acts, wo erst Floresky melancholisch klagt, Varbel sibaritisch jubelt, beyde dann in diverser Melodie zugleich schließen müssen, gelang ihnen unübertreflich – daß dabey die lezte Fermate, in Erweiß der Partitur, auf die Silbe I gesezt ist, da doch die Regeln der Tonkunst auf I. O. U. jede Verzierung abweisen, nothdürftigst nur auf E dulden, konnte denen Producenten der musicalischen Vorschrift keinen Tadel zuziehen. –
Herr Ritzenfeldt sang seine Parthie durchaus gut – in dem Duet mit Lodoiska: Dieser Plan ist das Werk der Rache etc. blieb er gegen Madame Haßloch keineswegs [182] zurük – aber warum erschöpfte er sich dabey im übertriebenen Belaufen der ganzen Bühne?[5]
Herr Schröder spielte sehr anständig, und sang im I. Act die Arie: Mein Muth sucht edle Rache etc. mit expreßivem Feuer zu allgemeiner Zufriedenheit. Das Einleitungschor zu lezterer: Ja wir sind von edler Hize etc. nebst dem darauf folgenden: Wir schwören, wir wollen das Aeußerste wagen, etc. hätte freilich von denen Sängern und vom Orchester, weit sanfter, als es geschahe, vorgetragen werden sollen; denn in der nahgelegenen Burg des Starost Durlinsky soll man ja von dem, was haussen beschlossen wird, Nichts erfahren – doch trägt in dieser Stelle der eingeschränkte Raum der hiesigen Bühne allerdings das Mehreste zur Störung der Illusion bey.
Im Ganzen unterstüzte das Orchestre heute die Oper sehr thätig und mit dem besten Erfolge. Sie mußte, wie man deutlich merken konnte, mit größtem Fleiße einstudirt worden seyn. Daß auch die blasenden Instrumente vollständig stimmten, bestätigte sich am deutlichsten zum Anfang des ersten Finals, wenn Lodoiska im Thurm singet, und jene ganz allein, beym Pausiren der übrigen, arbeiten.
Dienstags, den 18. November, gab man auf Hamburgs deutschem Theater zuerst ein recht interessantes Vorspiel: der Scheintodte.
Zwey Jünglinge, Derfelden, und Halmer, leben als Musensöhne auf der Universität [183] Leipzig. Ersterer, presumtiver Erbe, und Liebling eines auswärtigen, steinreichen, Onkels, auch schon Versprochener an dessen Tochter, hat sich fest studirt, sizt unter engerer Aufsicht seiner Gläubiger, die Nichts verabsäumt haben, schon einen Theil der oheimischen Verlassenschaft, durch Vorschuß an den Neveu, und durch von ihm verschriebene Procente, für ihre Casse in wuchernden Beschlag zu nehmen. Holmer, gesezter im Character, speculativer im Kopf, als der leichtsinnige Derfelden, hat einen von thätiger Freundschaft dictirten Plan zu jenes Rettung aus dem Schulden-Labyrinth ersonnen; dem Onkel des Neffen plözlichen Tod condolirend gemeldet; sehr sumtuose Berechnungen der Kosten und Auslagen für das splendite Begräbniß des in Leipzig distinguirten Studenten[6] beigelegt, und zugleich einen Wink gegeben, daß der Verstorbene, in Erwartung kommender Wechsel, vom Tode übereilt, einige Schulden verlassen habe, die ehrenhalber wohl unumgänglich, und baldigst, vom reichen Onkel getilgt werden müßten. – Von Holmers angelegter Mine hat Derfelden keine Wissenschaft. Während daß er mit seinem Busenfreund über seine jezige preßhafte Lage, über Mittel, sich aus ihr zu wikeln, in der ersten Scene philosophirt, und deliberirt, kommt ein Brief vom Onkel an Holmern mit der Post an, der im kaufmännischen Stil für vorgeschossene Kosten dankt, sie durch Wechsel von 400 Ducaten, auf Sicht an ein Leipziger gutes [184] Haus, saldirt, und zugleich die nächstkünftige Ankunft eines Buchhalters, der die hinterlassenen Schulden berichtigen soll, meldet. Derfeldens Gewissenhaftigkeit misbilligt die gebrauchte List; Holmer jubelt über ihren Erfolg, und beredet jenen, sie dadurch noch zu erweitern, daß er an seine Gläubiger, die ihn am meisten geprellt haben, Briefe vom angeblichen Sterbebette aus schiken, sie mit Erscheinungen nach dem Tode bedrohen muß, wenn sie nicht den in seinen Schuldscheinen an sie verschriebenen Wucher bei künftiger, von seinem Onkel gewiß zu erwartender, Bezahlung sich abrechnen lassen würden. Unterdessen, daß Holmer jene Briefe selbst bestellt, zerreißt Derfelden seines Onkels Wechsel auf 400 Dukaten, weil er zu ehrlich denkt, aus dem gespielten Betruge Vortheil zu ziehen. Statt des erwarteten Buchhalters kommt der Onkel selbst nebst Henrietten, seiner Tochter, nach Leipzig, um des Neffen Schulden zu rangiren, Holmern persönlich kennen zu lernen, und zugleich seiner Tochter, die sich Derfeldens Tod sehr zu Herzen genommen hat, eine Zerstreuung zu verschaffen. Er tritt in der nemlichen Auberge ab, wo die beiden Studenten wohnen, überrascht beinahe den todgeglaubten in der Gaststube, und wird gerade neben jene logirt. Holmer kömmt nach Hause, trifft den unerwarteten Besuch, macht mit dem Onkel und der Mamsel Derfelden Bekanntschaft, lügt ihnen noch manche Anecdote vom Verstorbenen vor, und begleitet darauf ersteren zu denen Creditoren, die Zahlung erhalten sollen, von denen er ihm aber vorher sagt, daß sie seinen Neffen unverantwortlich geprellt haben. Henriette bleibt in der [185] Gaststube zurük, und widmet dem Andenken des von ihr recht herzlich geliebten Vetters noch manche monologische Klage über seinen Verlust. Derfelden, der Scheintodte, hat Alles in seinem benachbarten Zimmer mit angehört. Henriettens zärtlicher Kummer überwältigt ihn, das gute Mädchen soll nicht länger vergeblich trauern; er tritt in die Gaststube, sinkt in Henriettens Arme, überzeugt sie, daß er lebt, entdekt ihr den von Holmer erfundenen, und ausgeführten, Betrug, auch in welcher Absicht dies Alles geschehen sey, bittet um ihre eigne Vergebung, und daß sie ihm auch die des hintergangenen Onkels verschaffen möchte. – Henriette, froh den Geliebten nicht mehr als Todten beweinen zu dürfen, söhnt sich geschwind mit ihm aus, und verspricht auch die beste Verwendung für ihn bey ihrem Vater. Man hört leztern die Treppe herauf kommen; die Liebenden retiriren sich in ihre Zimmer; der Onkel tritt mit Kauter dem Juden, mit Zeter dem Wucherer, in die Gaststube, erbietet sich für ihre an seinen jüngst verstorbenen Neffen habende Forderungen 50 Procent bar zu zahlen, und verläßt sie, weil sie damit nicht zufrieden seyn wollen, um sich mit einander weiter zu berathschlagen. Während sie beysammen sind, fallen ihnen die von dem sterbenden Derfeldern erhaltenen Briefe, und deren drohender Inhalt ein – panische Furcht bemeistert sich ihrer: sie glauben, da Derfelden zur nemlichen Zeit ins Zimmer tritt, das Licht auslöscht, und sie handgreiflich nekt, sich von einem Gespenst gemishandelt. Gleich nachher kömmt der Onkel mit dem abgezählten Gelde wieder zu ihnen, um zu erfahren, ob sie die zuerst [186] gebotene Summe annehmen wollen, oder nicht? Sie greifen zu, und laufen, als brennten ihnen die Köpfe, davon. Endlich eröfnet Henriette ihrem Vater, daß sein Neffe noch lebt, der Scheintodte tritt selbst beschämt, und reuevoll, vor ihn, auch Holmer bekennt sich schuldig, alle Drey bitten vereint um Vergebung; der Onkel läßt sich, nach kurzem Weigern, zumal da er seines Neffen gemachten Gebrauch vom Wechsel, und daß er ihn zerrißen hat, erfährt, gewinnen, freut sich seines wiedergefundenen Lieblings, und verkündigt allgemeine Amnestie.
Nach diesem Inhalt wurde das Stük, und in selbigem der Onkel Derfelden vom Herrn Steiger; seine Tochter Henriette von Mamsel Eule; sein Neffe vom Herrn Gollmik; der Student Holmer vom Herrn Zahrt; der Jude Kanter vom Herrn Leo; der Wucherer Zeter vom Herrn Kruse; die Wirthin in der Leipziger Auberge von Madame Kruse; ein Aufwärter in selbiger vom Herrn Erdmann; und des jungen Derfelden Bedienter vom Herrn Ehlers, ganz unterhaltend durchgeführt. Mamsel Eule schwankte abermals sehr in der ernsthaften Haltung. Herr Gollmik verfehlte beym ersten Abgehen die rechte Thüre zu seinem Wohnzimmer. Herr Zahrt muß noch viel Fleiß und Uebung an sein Spiel, an seine Manieren, an seine Attitüden verwenden, ehe er auf Beyfall in irgend einer Rolle von Wichtigkeit Anspruch machen darf. Die erste Scene im Scheintodten behandelte er, mit der Tobackspfeife in der Hand, ganz purschikos, und sie gelang ihm durchaus, als er sich aber in der Folge mit Decenz gegen den Onkel, und Mamsel Derfelden, [187] benehmen sollte, da fehlte es seiner Mimic, und seinen Stellungen, noch zu sehr an der unumgänglichsten Politur. – Herr Zahrt suche und finde in diesem Raisonnement ja keine Bitterkeit, oder etwas seinen Muth für die Zukunft Abschrekendes! Wenn er sich selbst prüft, sich selbst immer am strengsten richtet, wenn er guten Rath nuzet, belehrenden Beyspielen folget; so wird ihn baldige Erfahrung überzeugen, daß das Ziel theatralischer Würde zwar auf mühsamen Wegen gesucht werden muß, aber auch für seine Attribute nicht unerreichbar ist.
Auf den Scheintodten folgte: Irrthum auf allen Ekken, Lustspiel in 5 Aufzügen nach einem englischen Original für deutsche Bühnen organisirt. Es gieng dessen heutige Darstellung auf unserer sehr gut von statten; da Herr Langerhans als von Wenski; Madame Langerhans als Nannette, Mad. Fiala als Margarethe, Madame Hönike als Sophie, Herr Herzfeld als Baron Karwiz, Herr Gollmik als Baron Perning, samt und sonders in so gutem Humor waren, sich mit gleichmäßig angestrengter Kunst bemüheten, die dieverse Characteristic ihrer Rollen so treffend, so natürlich, als der begehrlichste Kunstrichter es nur fordern konnte, vorzutragen; da selbst die mit denen Herren Nätsch, Eule und Leo, besezten Bedienten das Ihrige treulich beyfügten, um im Ganzen auch nicht die kleinste Lüke zu laßen.
Herr Ehlers ist bey obigen Erwähnungen absichtlich nicht vergeßen, nur übergangen, worden. – Ich muß über seinen heutigen Hans von Ullersdorf insbesondere mit ihm sprechen. Daß dessen Rolle ins comische [188] Fach gehört wird Niemand widerstreiten, daß Herr Ehlers durch ihre Darstellung allgemeines Lachen mehr als einmal erregt hat, weis er schon aus eigner Erfahrung, daß aber auch jeder Kenner und Verehrer der Kunst heute über Herrn Ehlers mit warmen Beyfall gelacht haben muß, bezeuge ich hiermit öffentlich. Der Charakter und die Rolle erlaubt dem Producenten einen Spaß nach dem andern anzubringen, Herr Ehlers füllte seinen Wirkungskreis ohne ihn zu überspringen, spielte sehr comisch, verunstaltete sich aber nicht zum Harlekin, befriedigte den großen Haufen, und machte sich zugleich bey dem edlern Theil des Publikums als Künstler geltend.
Mittewochs, den 19. November, wurde der Corsar aus Liebe, in unveränderter Rollenbesezzung wiederholt, und mit dem besten Erfolge durchgeführt.
Es müssen phisische Ursachen zum Grunde liegen, daß es Herrn Ritzenfeldt auch heute so viel Mühe kostete, seine Stimme aus der Tiefe heraus zu heben. Madame Haßloch spielte im besten Humor, und sang mit voller Kraft. Ihr Gatte gab ihr Nichts nach, und beide excellirten in dem schon mehrmals gerühmten Duet: Da ist sie etc. –
Donnerstags, den 20. November, wurde die Verschwörung des Fiesko abermals gegeben. In der Rollenbesezung war gegen neulich, nach der Seite 175. dieses Journ. davon beschriebenen Anzeige, Nichts verändert. Es hat dieses Trauerspiel mehr Werth in sich selbst, und in seiner dichterischen Structur, wenn man es ließt, als Wirkung von der Bühne herab. In seinem blühenden Stil, in dem feinen Gewebe [189] der Politic, und Cabale, hat Schiller auf den Altar der Dramaturgie ein schönes Opfer niedergelegt, aber der Handlung fehlt es an um sich greifendem Interesse. Unsere Künstler und Künstlerinnen thaten Alles, um die Würde ihrer Rollen zu souteniren. Herr Herzfeld legt gewiß als Fiesko in jedes einzelne Wort seines Vortrags das expreßiveste Gewicht, und begleitet ihn mit dem edelsten Anstand; Herr Langerhans hebt seinen Verrina sehr, in der 10. 11. und 12ten Scene des I. Acts unübertreflich, heraus; Herr Wohlbrük spricht, gesticulirt, wie ein gebohrner Mohr, und zeichnet zugleich die originelle Mischung von Spizbüberey und Laune in Muley Haßans Character meisterhaft. Doch aber wurden, ich will darauf wetten, durch so viel vereinte Anstrengung, höchstens nur die attentesten Zuhörer, denen kein Wort des Dialogs entgieng, die jede darin verwebte Reflexion der cabalirenden Politic schnell genug fassen, und nachdenkend verfolgen konnten, erwärmt, die Zuschauer hingegen, welche auf Thaten warteten, – nicht befriedigt. Die drey Ermordungsgroupen im V. Act reußirten nicht so vollständig, um dem Ganzen einen Schwung zu geben; Herr Wohlbrük aber bestätigte beim ersten Auftreten die Sentenz: quandoquidem bonus dormitat Homerus! denn er hatte schwarze Handschuhe anzuziehen vergessen.
[190] Freitags, den 21. November, erfolgte eine Vorstellung des bekannten, von Dittersdorf componirten Singespiels: der Apotheker und der Doctor[7], in zwey Aufzügen.
Es waren die Rollen des Stößel mit Herrn Eule; der Claudia mit Madame Stegmann; der Leonore mit der ältern Mamsel Stegmann; der Rosalie mit Madame Langerhans; des Krautmann mit Herrn Petersen; des Gotthold mit Herrn Gollmik; des Sturmwald mit Herrn Ritenfeldt; des Sichel mit Herrn Ehlers besezt.
Herr Eule zeigte sich heute in jedem Betracht als Meister seiner Kunst, er kann es, glaube ich, mit Jedem aufnehmen, der ihn als Stößel übertreffen will. Madame Stegmann verdient wegen ihres richtigen und guten Gesangs doppeltes Lob, da das Mutterfach in denen Opern so selten wohlgefällig besezt ist. Mamsell Stegmann und Madame Langerhans spielten und sangen, besonders erstere beide Arien im I. und II. Act, zu allgemeiner Zufriedenheit. Herr Petersen sparte gewiß keine Kräfte, um seine Parthie auszufüllen. Herr Gollmik leistete im Verhältnis seines vorgeschriebenen Wirkungscreises [191] Alles, was das Publicum vom braven Schauspieler, und Sänger, zu fordern berechtigt ist. Herr Ritzenfeldt wurde heute zwar von mehrerer Kraft im Gesang unterstüzt, als bei der leztern Oper, aber man merkte es doch deutlich, daß ihn die Arie im II. Act, beim Auskleiden, sehr angegriffen hatte. Herr Ehlers spielte launig, verschuldete keine tadelhafte Uebertreibung, und sang durchaus gut – Wenn vorschriftsmäßige Auskleidungen auf dem Theater eintreten, muß, zumal in Hamburg, und allenthalben, wo sittlicher Ton herrscht, die delicateste Vorsicht gebraucht werden, damit nie das Auge des Zuschauers einem rebutanten Gegenstande begegnet.
Sonnabends, den 22. Nov. gaben Mad. Haßloch, und ihr Gatte, ein Benefiz-Concert. Hamburgs Publikum hätte billig beyde Producenten, über deren Eifer für sein Vergnügen es gewiß nicht klagen kann, theilnehmender unterstüzen sollen – Im deutschen Schauspielhause durfte daher heute nicht so viel leerer Raum seyn! – Das Concert selbst war auch nach seinen Bestandtheilen nicht mit der discretivesten Auswahl geordnet. Denn obgleich Mad. Haßloch die Bravour-Arie aus der Oper Griselda, vom Capellmeister Paer, und Hr. Haßloch eine von ihm selbst componirte Scene, sehr meisterlich durchführten, und noch sieben andere Singestüken, alle, bis auf eins, aus bekannten [192] Opern, von denen beliebtesten Sängerinnen und Sängern unsers deutschen Theaters, mit aller Application, executirt wurden; so ermüdete doch der überhäufte Gesang, da er mit gar keiner Instrumental-Production abwechselte, die Zuhörer. Ausser dem Accompagnement, gaben die Instrumente nur die Sinfonie des ersten Theils, und eine von Haßloch componirte Ouverture im zweiten, zum Besten. Es vegetiren ja Tonkünstler genug in Hamburg, die unfehlbar, von Herrn und Madame Haßloch dazu eingeladen, das heutige Unternehmen durch Instrumental-Vorträge dahin willfährig befördert haben würden, wozu es die vorhergegangenen Ankündigungen bestimmt hatten.
Vorstellungen in der künftigen Woche, wenn nicht Krankheit, oder sonstige Umstände, eine Abänderung nothwendig machen.
Sonntags, den 21sten: Johanne von Monfaucon.
Montags, den 22sten: Die Schwestern von Prag.
Dienstags, den 23sten: Der Hausfriede.
Mittwochs, den 24sten: bleibt die Bühne, wegen des eintretenden Weynachtsfestes, geschloßen.
Donnerstags, den 25sten: bleibt die Bühne, wegen des eintretenden Weynachtsfestes, geschloßen.
Freytags, den 26sten: Gustav Wasa.
[193]Sonntags, den 23. November, wurde zum Anfang der Tabuletkrämer, kleines Vorspiel in einem Aufzuge, gegeben.
Dabey waren die Rollen der Gräfin mit Mad. Eule, der Barones mit Mad. Langerhans, des Tabuletkrämer mit Herrn Herzfeld, des Haushofmeister mit Herrn Leo, des Cammermädchen mit Mad. Löhrs, und zweyer Bedienten mit denen Herren Erdmann und Eule, durchaus gut, besezt.
Es beruhet die Grundlage des Stüks auf verschiedenen Nekereyen zwischen dem Grafen, seiner Gemahlin, und deren Freundin, der Barones, zu welchen ihm eifersüchtiges Mistrauen, lezteren Beyden aber, guter Humor, und der Wunsch, Gift mit Gegengift zu vertreiben, die Plänchen dictiren: daß der Graf bey der Zurükkunft von einer langwierigen Reise als verkleideter Tabuletkrämer sich ins Haus einschleicht, und dort die Handlungen seiner Gatten zu belauschen glaubt; diese aber, schon davon prevenirt, und mit der Freundin einverstanden, sich von ihr, unter der Verkleidung eines jungen Cavaliers aus der Nachbarschaft vor seinen Augen im vertraulichsten Tone die Cour machen läßt. Der Spaß dauert, [194] in verschiedenen belustigenden Abwechselungen, auf beyden Seiten so lange fort, bis der Graf, von eifersüchtiger Wuth übermeistert, sich zu erkennen giebt, um dem Cicisbeo den Hals zu brechen. Nun erfährt er, daß er in Jenem Niemand anders, als die Vertraute seiner Gemahlin, vor sich gehabt; daß die List derer Damen der seinigen einen großen Vorsprung abgewonnen hat; daß die Reihe zum Creuze zu kriechen an ihm ist: – Er bittet um Verzeihung, verspricht nie wieder den eifersüchtigen Spion über die Handlungen seiner Frau zu spielen, wird pardonirt, und mit zärtlichster Liebe in alle vorherige Gerechtsame aufs Neue eingesezt.
Gewiß wurde dieses kleine Stük von allen auf der Bühne handelnden Personen mit größter Antheilnehmung bearbeitet, und sehr empfehlend durchgeführt, Herr Herzfeld, und Mad. Langerhans, aber excellirten unter der Verkleidung in ihren beyderseitigen Rollen; der Huth, welchen Leztere trägt, ist für die übrigen Verhältnisse des niedlich kleinen Stuzers zu groß, und nicht gut staffirt – er verunstaltet im Ganzen.
Auf den Tabuletkrämer folgte die Zauberzitter, Oper in drey Aufzügen, von Wenzel Müller componirt.
Da der gesunde Menschenverstand in denen Süjets der mehresten deutschen Singespiele leider wenig Nahrung findet, mithin die Regeln der Kunst im characteristisch richtigen Spiel selten ausgeübt werden können; so will auch ich mich mit meinen Urtheilen fast ausschliessend an den musicalischen Vortrag des gegenwärtigen halten, nur das ausheben, was von selbigem auf mein Gefühl den wirksamsten Eindruk gemacht hat.
Herr Kirchner als Armidoro sang zwey Romanzen, eine: der Lenz belebt die [195] Natur etc. im I. die andere: Es hielt in seinem Felsennest etc. im II. Act meisterlich. Herr Eule nöthigt mich, von meinem ersten Vorsaz abzuweichen, denn er spielte, außer dem richtigsten und wohlgefälligsten Gesang, seinen Bita mit einer humoristischen Expreßion und Schiklichkeit, die ich nicht unerwähnt lassen darf. Herr Ritzenfeldt als Bosphoro executirte die Arie des II. Acts: Grauenvolle Sorge naget etc. und das Terzet im III. mit Zumio und Armidoro: Schweige du verdammte Zitter! etc. sehr brav. Die ältere Mamsel Stegmann als Fee, Perifirime, und Madame Herzfeld als Sidi, sangen beyde gut, aber Erstere wurde von Lezterer durch Innigkeit des Vortrags, besonders in der Arie des III. Acts: Alles liebet, was da lebet etc. und in dem gleich darauf folgendem Duet mit Armidoro, merklich übertroffen. Madame Langerhans that als Palmire im II. Act. bey dem Duet mit Bita: Nimm Trautchen mein Herz etc. für heute ihren Meistergriff, aber es entgieng zuverlässig auch mancher Bemerkung nicht, daß eben dieses Duet nicht zur Oper gehörte.[8] Herr Stegmann führte als Zumio das Duet mit Bita im II. Act: Aber Bita hab Gedult etc.; das Liedchen im III.: Juchhe! Juchhe! trahopsasa! etc; und das schon erwähnte Terzet: Schweige du verdammte Zitter etc. tonkünstlerisch und launig in gleichem Grade durch, ohne daß ich denen heute in überhäufter Menge von ihm aufgestellten Bokssprüngen und Culputen meinen Beyfall geben kann – es wird ihnen auch gewiß kein Kunstverehrer zugeklatscht [196] haben. – Im ersten und zweyten Final fehlte es denen Chören gar sehr an erforderlicher Festigkeit; und obgleich Pizzichi durch ein Kind dargestellt wird, so fällt doch der Fehler, daß dieses Kind das Fagot nicht richtig zu halten wußte, auf die Direction, und deren mangelhafte Anweisung, zurük.
Montags, den 24. November, sahen wir Menzikof und Natalia, Trauerspiel, und gewiß dramatisches Meisterstük, nach Melpomenens Vorschrift, in vier Aufzügen von Kratter.
Die Rollen waren durchgängig mit discretivester Auswahl besezt, und wurden zum entschiedendesten Ruhme der hiesigen Bühne durchgeführt. Herr Herzfeld als Czaar; Herr Solbrig als Menzikof; Herr Steiger als Fürst Amilka; Herr Stegmann als Senator Maßalsky; Herr Langerhans als General Bauer; Herr Wohlbrük als, zum Hofnarren verurtheilter, Fürst Serdjukow, glänzten ungeschmeichelt heute in so manchem Betracht als Künstler, denen man Vollkommenheit willfährig zugestehen mußte, unterhielten, rührten, erschütterten abwechselnd, in mehr als einer Meisterscene, das an ihr vortreffliches Spiel mit gespanntester Aufmerksamkeit gefesselte Publikum – nur dann wurde diese Aufmerksamkeit von jenem Spiel periodisch abgeleitet, wenn Mad. Langerhans als unübertreffliche Natalia auftrat, handelte, und die allgemeine Bewunderung auf sich concentrirte. – Bey etwa künftiger Wiederholung dieser Triumphrolle ersuche ich Mad. Langerhans, auf jenen Brief, welchen sie im Gefängnis, in meisterlicher Attitüde auf ihren Knien, an Menzikof schreibt, zwey bis drey Minuten mehr Zeit, als heute, zu verwenden. Es wird in der Folge eben dieser Brief auf der Bühne laut verlesen, und sein [197] Inhalt ist zu lang, als daß er möglicherweise in der von der Künstlerin gebrauchten Geschwindigkeit aus der Feder aufs Papier fliegen konnte.
Dienstags, den 25. November, gab man: im Trüben ist gut Fischen, ein Singespiel in drey Aufzügen, nach italienischem Sujet im gewöhnlichen Opernton bearbeitet, von Sarti aber in sehr gefällige Music gesezt.
Es spielten und sangen Herr Schröder den Baron, Mamsel Friederike Stegmann die Baronin, Herr Kirchner den Verwalter, Madame Haßloch, und Mamsel Luise Stegmann, die beyden Cammerjungfern Hannchen und Lisetten, den Bedienten Heinrich Herr Eule, und den Gärtner Christoph Herr Haßloch durchaus anständig und gut. Hervorstechend launig trugen Mad. Haßloch das Terzet zum Anfang des III. Acts mit dem Verwalter und dem Bedienten; Herr Eule aber die Arie des I. Acts: Lern’ erst mich näher kennen etc. und das Duet mit dem Baron: Mir laß’ ich sie nicht rauben etc. vor. Madame Haßloch war nicht interessant genug, viel zu ceremoniös, angezogen; auch stimmt mein Beyfall nicht zu ihrer Idee, eine Arie aus dem gar zu bekannten rothen Käpchen einzulegen. Jede Andere, nicht gerade schon in Opern erschöpfte, nach modernen italienischen Geschmak, an deren Vorrath es einer practischen Sängerin nicht fehlen darf, hätte hier weit schiklicher gefüllt. – Die Ensembles rundeten sich heute vorzüglich – aber das Gewitter im zweyten Final reußirte desto schlechter.
Mittewochs, den 26. November, wurde das Vaterhaus in unveränderter Rollenbesezung, und mit gleich gutem Erfolge, wie zeither, wiederholt.
[198] Donnerstags, den 27. November erhielt das Publikum eine Aufwärmung des Besuchs, Lustspiel in vier Aufzügen, von Kozebue, welches nach sechs ehemaligen Productionen lange geruht hatte, am wünschenswerthesten, seines matten Gehalts und Effects halber, auch heute unsere Bühne nicht hätte heimsuchen sollen. Es waren darinne die Rollen des Oberforstmeister mit Herrn Steiger; der Oberforstmeisterin mit Madame Eule; ihrer Kinder mit Herrn Solbrig und Madame Herzfeld; des Baron Schaumbrodt, und seiner Gemahlin, mit Herrn und Madame Stegmann; ihrer Kinder mit Herrn Gollmick und Madame Langerhans, des Schulmeister Wendling mit Herrn Löhrs; seiner Tochter Malchen mit Mamsel Eule; des Seemann mit Herrn Herzfeld; des Neger, Cottica, mit Herrn Wohlbrück; des Bauerpurschen Kilian mit Herrn Ehlers; und des Bedienten Knoll mit Herrn Ritzenfeldt besezt.
Der Dichter verdient für dieses mehrentheils aus denen Jägern, aus deren Fortsezung, und aus dem Sonderling, zusammengestoppelte Machwerk wenig Dank; auch nur die Herrn Stegmann und Herzfeld fanden und benuzten mögliche Gelegenheit, die ihnen vorgezeichneten Charactere, iener durch Carricatur, dieser durch sentimentalisches Spiel, einigermassen über das Alltägliche, und Abgedroschene, zu erheben.
Freytags, den 28. November, wurde das Gelübde, Schauspiel in fünf Acten, auf Hamburgs deutscher Bühne, zum erstenmal in der Welt, gegeben. Diese Annectode davon ist desto bemerkenswerther, da es Herrn Wohlbrück, ein meritirtes Mitglied unserer Theatergesellschaft, [199] zum Verfasser hat. Er entlehnte zwar den Grundstoff dazu aus einer dialogisirten Erzählung von Hagemeister, aber das Verdienst der dramatischen Structur gebührt unserm Wohlbrück ganz allein. Bey der sorgfältigen Behutsamkeit, womit ich meine Raisonements so gern abwäge, will ich heute blos die Rollen des Stüks, und ihre Besezung, anzeigen; den detaillirten Inhalt aber erst bey der nächsten Wiederholung vortragen, und dann auch über den innern Werth des Ganzen, und über dessen Production, ausführlich urtheilen.
Es waren auf der Bühne angestellt: Herr Löhrs als Adelbert von Thierry, General und Commandant einer spanischen Grenzfestung, in welcher das Stük durchaus spielt; Herr Herzfeld als Ludewig, sein Sohn, Officier in spanischen Diensten; Herr Wohlbrück, als Theodor, Noviz eines innerhalb der Festung gelegenen Franziscaner-Kloster; Madame Haßloch als Clara von Montlery, des Generals Mündel; Madame Fiala als Camilla, Clarens Erzieherin; Herr Stegmann, als Prior im Franziscaner-Kloster; Herr Steiger erst als verkleideter Mönch Wilibald, dann als Ritter Guaston; Herr Solbrig als Fleury, Commandant einer nahe über der Grenze gelegenen französischen Festung; Herr Schröder, als Montalban, Officier von der spanischen Garnison; Herr Haßloch als Ludewigs von Thierry Vertrauter; Herr Kruse als Bürger Aubry, Herr Langerhans als alter Layenbruder Urban; die Herrn Leo und Petersen als Patres Concionator, und Lector, im mehrgedachten Franciscaner-Kloster; und Herr Gollmick als Weltgeistlicher. – Das Stük spielt im 16ten Jahrhundert, zur Zeit des [200] leztern Kriegs zwischen Franz dem I. König von Frankreich, und Carl dem V. deutschen Kayser, auch spanischen Monarchen.
Sonnabends, den 29. November, gab Herr Maßonneau, Prinzipal-Violinist, beym hiesigen deutschen Orchester, im Schauspielhause sein Benefiz-Concert. Der Producent gehört gewiß in die engere Classe hier nicht zu übersehender Künstler, welche ihr Fach eben so durchaus kennen, als sie es mit discretivem Fleiße bearbeiten; und verdient um so mehr, daß Hamburgs Publicum achtungsvolle Rüksichten auf ihn nimmt, da er Jahr aus Jahr ein fast täglich für dessen Vergnügen seine Kräfte anzustrengen verbunden ist.
Den ersten Theil des heutigen Concerts füllten die Chöre und Gesänge von Athalia, nach Cramerischer Uebersezung aus dem Französischen, und nach Schulzischer Composition; sie wurden von denen Mitgliedern unserer Oper mehrentheils sehr applicativ unterstüzt, und recht gut durchgeführt – doch aber reichte ihre Anzahl zur genügeleistenden Besezung derer Singestimmen noch nicht hin. Madame Langerhans sang ihr Solo sehr beyfallswerth, und Mamsel Friederike Stegmann würde gewiß dem ihrigen das nemliche Verdienst zugeeignet haben, hätte sie der die Melodie anfangende Fagot besser, als es geschahe, soutenirt. Die Herrn Gollmik und Ritzenfeldt behandelten ihre Parthien als brave Sänger. Herr Ehlers beliebte zu dem einen Recitativ ganz andere Noten zu singen, als das Original vorschreibt, und schien über diesen auffallenden Irrthum gar nicht embaraßirt. Es wunderte mich überhaupt, daß Herr Maßonneau die leztere Parthie nicht lieber Herrn Schröder anvertraut hatte.
[201] Der zweyte Theil dieses Concerts entwickelte sich mit der Ouverture aus der Reichardtischen Oper Brennus; sie zeichnete sich als Bestandtheil eines großen furiosen Singestüks merkbar aus. Darauf spielte Herr Maßonneau, als Meister seiner Kunst, auf der Violine nach eigner Composition, und erndtete dafür lauten Beyfall. Herr Kirchner sang eine Arie aus der Geisterinsel von Zumsteg sehr zu seiner Empfehlung. Herr Maßonneau trug auch einige Quadro’s auf der Viole d’amour vor, aber die Begleitung der Clarinette, der Flöte, und des Waldhorns, übertönte jenes an sich schwache Instrument zu stark, und verhinderte dessen Deutlichkeit. Zum Schluß executirten Madame Haßloch, ihr Gatte, und Herr Gollmik, ein Righinisches Terzet aus Armida gewiß meisterlich.
Sonntags, den 30. November, hatte sich das Publikum im deutschen Schauspielhause sehr zahlreich versammelt, und es wurde mit dem von Wenzel Müller componirten Singespiel: das Sonntagskind, in zwey Aufzügen, ganz passend, unterhalten.
Bey allen überhäuften Absurditäten, woraus dieses Stük zusammen gesezt ist, findet es doch nicht allein hier, sondern auch an andern großen Orten, noch immer viele Liebhaber. In dessen heutiger Production wurde keine Anstrengung gespart, es als übertriebenste Farce darzustellen.
Herr Stegmann, als Hasenkopf, mußte die Vorschriften der Rolle erfüllen, mithin auch ienen Zwek unvermeidlich befördern. Die ältere Mamsel Stegmann wurde in der Parthie der Henriette durch ihre Stimme heute nicht günstig unterstüzt. Die Arie: Liebe sind das deine Freuden? etc. und das Duet mit Waltern: Nicht ängstlich mein Liebchen! etc. wollten nicht gelingen; am Besten half sie sich noch in der Romanze: Es seufzte tief um [202] Mitternacht etc. Klara von Walter war mit Madame Gollmik besezt. Der Hauptmann von Walter wurde vom Herrn Gollmik, sein militairischer Bedienter, Johann, vom Herrn Schröder, im Gesang und Spiel durchaus gut bearbeitet. Daß Herr Kirchner als Saalbader seines Gleichen sucht, gilt bereits in Hamburg für anerkannte Wahrheit, und er hat solche heute aufs Neue bestätigt; in der bekannten Arie mit der Maultrommel gewann er den allgemeinsten Beyfall, und mußte sie auf vielstimmiges Ancora! wiederholen. Madame Langerhans spielte und sang, als Lisette, im besten Humor, äußerst wohlgefällig, und es gelangen ihr insbesondere die beiden Duets, das mit Johann im I. und mit dem Hausmeister im II. Acte. Als Friseur Jacques war Herr Ehlers recht in seinem Element; seine Launen hatten weiten Spielraum; es verdiente auch wirklich manche einzelne Aeußerung seines heutigen Spaßes vollständiges Lob. Die Arie: Es lebe die Schlauheit etc. sang er sehr gut, und bis dahin hatte er auch mit allen widerlichen Uebertreibungen an sich gehalten – in der Folge gieng es denn freylich auch bey ihm, so wie bey denen Andern, bunt über Eke – zumal, und am ärgsten, im Final des I. Acts, da die Tollheiten auf dem Theater, einen noch tollerern Lärm auf der Gallerie und im Parterre zu Wege brachten, und am Ende die Singenden nicht mehr wußten, wo und ob sie anfangen, oder gar aufhören sollten. Bekanntermaßen ist nach dem Saalbader der Hausmeister die interessanteste Rolle in diesem Stük. Sie war heute mit Herrn Ritzenfeldt sehr gut besezt, und wurde durch ihn vom Anfang bis zum Ende im Spiel und Gesang trefflich durchgeführt – Herr Ritzenfeldt schien auch bey Gelegenheit der Fermaten sich meiner sonstigen Winke zu erinnern.
Montags, den 1 December, wurde das Gelübde in unveränderter Rollenbesetzung wiederholt. – Die historische Structur des Ganzen ruhet auf nachstehend bezeichneter Basis:
Zu jenen Zeiten der französischen Chevallerie, die, und deren Geseze, man aus der alten Geschichte kennen muß, um die Grundidee des Gelübdes nicht für ein Paradoxon zu halten, verbanden sich drey ihrer edelsten Glieder, Bayard, Guaston, und Adelbert von Thierry, [203] zu der Pflicht: strenger Tugend, und dem Dienste des Vaterlands, auf Leben oder Tod treu zu bleiben. Sie gelobten sich wechselseitig, Einer für des Andern Thaten responsable zu seyn. Bey dem ewigen Rächer! Dies war ihre gewählte, feyerliche Losung. – Rufte diese ein Verbündeter dem andern in der Absicht zu, um ihn von etwaiger Bundesverlezung durch irgend eine ungerechte That abzumahnen, und der Fehlende lies sich dadurch nicht zurükhalten: so war der Warnende befugt, ihn auf der Stelle mit dem Tode zu bestrafen. – Die Geseze des Bundes bestimmten es also ausdrüklich. – Bayard und Guaston trennten sich von Adelbert, um unter ihrem König, Franz dem 1sten, in den italienischen Feldzügen zu dienen, ließen Leztern in Frankreich zurük. Bayard und Guaston befolgten das Gelübde unverbrüchlich mit edler Schwärmerey; Adelbert hingegen verlies den Weg der Tugend, und mußte daher auch jenes mehr als einmal brechen; unter mancherley Zerstreuung suchte er es, als Jugendgrille, sich nach und nach ganz aus dem Sinn zu schlagen. Er ging zu Frankreichs Feinden über, nahm bey Spaniens Monarchen Dienste, und stieg in selbigen bis zum General, und Commandeur einer Grenzfestung, empor. Bayard blieb an Guastons Seite auf dem Schlachtfelde; Guaston gerieth in spanische Gefangenschaft, wurde ranzionirt, that einen Ritterzug wieder die Algierer, und kam erst nach langen Jahren in sein Vaterland zurück. Da erfuhr er, bey der ersten Erkundigung nach Adelbert, daß sein verbündeter Jugendfreund, als Vaterlandsverräther von denen Franzosen verabscheuet, sein Nahme nur noch an Richtstädten und Schandsäulen zu lesen sey. Guaston folgt der Vorschrift des Gelübdes, fühlt sich berufen, Adelbert nach Spanien zu verfolgen, seine dortigen Verhältnisse und Handlungen erst genau zu prüfen, und in der Nähe zu beobachten, ihn dann zur Rechenschaft zu ziehen, und entweder auf den Weg der Tugend zurükzuführen, oder, wenn er unbiegsam bliebe, nach den Gesezen des Bundes zu bestrafen. Zur Ausführung dieses Plans hält Guaston für Nöthig, sich unter das strengste – unter das geistliche – Incognito zu versteken. Durch Geldbestechungen, wofür man damals vom catholischen Clerus Alles erlangen konnte, gewinnt er einem Cardinal die Erlaubnis: sich als verkleideter [204] Franziscaner in Spanien aufhalten zu dürfen, und sogar Empfehlungen an den Prior des Klosters ab, welches in der von Adelbert commandirten Grenzfestung bestehet. In diesem Kloster beschäftigt sich Guaston, unter dem Namen des Bruder Wilibald, mit Adelberts Beobachtung, die ihm desto leichter wird, da dieser als Protector des Klosters in selbigem fast täglich aus und eingeht, die ihm aber auch bald nicht mehr daran zweifeln läßt, daß Adelbert sich, und seine Moralität, durchaus verschlechtert hat, nicht mehr nach den edlen Grundsäzen des Bundes, sondern nach den verworfensten des Geizes, der Ehrsucht, der Tiranney, denkt und handelt. Leztern gemäß soll Theodor, Adelberts Neffe, zum Franziscaner-Profeß gezwungen, dessen Geliebte, Clara von Montlery, ihm entrissen, an Ludewig, Adelberts Sohn, verheyrathet werden, damit durch beyder Vermögen Adelbert sich bereichern, das Ansehen seines Hauses vergrößern könne. Von diesem Allen entgeht dem aufmerksamen Wilibald nicht das Mindeste. Er trifft aber im Stillen die kräftigsten Vorkehrungen, um iene Plane zu vereiteln; unterhandelt mit dem Commandeur einer nahe gelegenen französischen Festung über die Ueberrumpelung der spanischen, von Adelbert commandirten; verspricht Jenem, wenn er sie auf eine bestimmte Losung angreifen, und nach der Einnahme Adelberten an ihn als Gefangenen überlassen wolle, die Eröfnung der Thore an die Franzosen; verschafft sich unter der spanischen Garnison beträchtlichen Anhang; und kömmt mit diesen ganzen Arrangements zu Stande, als der lezte Tag vor Theodors Einkleidung zum Franziscaner schon angebrochen ist.
Unter allen diesen Premißen, die man aus der nachherigen Conversation erfährt, besonders aber unter denen zulezt bezeichneten Umständen, beginnt das Schauspiel auf der Bühne, und läuft durch lauter wichtige zusammengedrängte Handlungen bis ans Ende fort.
Wilibald entdekt sich und seine Plane an Theodor, mit dem Versprechen, ihn und Klaren zu retten, Beyde zu vereinigen. Auf Wilibalds Veranstaltung werden die Liebenden im Kloster zur Mitternachtszeit getraut. Es wird ein Brief ohne Unterschrift aufgefangen [205] und Adelbert überliefert, der eine Verrätherey der Festung an die Franzosen darstellt, und welcher unleugbar aus dem Kloster abgesendet seyn muß. Deshalb verhängt der Prior, auf Adelberts Verlangen, und um sich selbst gegen ihn außer allen Verdacht der mindesten Theilnahme zu sezen, eine fürchterliche Prüfung über alle Paters, Layen-Brüder und Novizen im Convent. Dieser Prüfung unterliegt der zaghafte Theodor, gesteht Alles, was er von Wilibalds Planen weis, und bekennt sich für dessen Mitschuldigen. Wilibald hat sich aus dem Kloster entfernt, und handelt wieder als Ritter Guaston im Freyen. Theodor wird, mit Zustimmung seines Oheims, nach den Klostergesezen zum Tode verurtheilt, ehe die Hinrichtung aber noch vor sich gehet, die Festung überrumpelt, unter Guastons Vorschub erobert, Adelbert gefangen, und Theodor aus dem Gefängnis befreyet. Adelbert, zieht den Tod der Gefangenschaft vor, und ersticht sich selbst, mit eben dem Dolche, der für Theodors Herz bestimmt war. Clara wirft sich in ihres Gatten Arme, Beyde danken ihrem Retter Guaston, er legt ihnen die Hände auf, und segnet sie mit dem Ausruf: Bayard hab ich Wort gehalten? –
Ich will nicht behaupten, daß dieses Stük, nach den Gesezen der strengen Dramaturgie geprüft, ganz Tadelfrey durchkommen würde, aber ich darf eben so wenig verschweigen, daß es mit so manchen erhabenen, feinen, tief in die Seele des empfänglichen Zuschauers eindringenden, Situationen pranget, daß die Charakterzeichnung aus den reinsten Quellen der Natur, Wahrheit, und Menschenkenntnis geschöpft, daß sein dialogischer Stil hinreißend schön ist, und daß daher das Genie des Verfassers von jedem competenten Richter dramatischer Productionen, von jedem Dilettanten und Verehrer der Kunst, bemerkt, geschäzt, auf alle Art zu weitern Fortschritten in der schriftstellerischen Laufbahn ermuntert zu werden verdient.
Nach meiner, bereits Seite 199 davon gemachten speciellern Anzeige, ist bey der Darstellung fast das ganze, besonders männliche, Personale unser Theaters in Thätigkeit [206] gesezt, und es gereicht ihm zum Ruhme, daß die Handelnden allerseits das Werk ihres Gesellschafts-Mitgliedes mit ganz unverkennbarem Eifer unterstüzen. Zum höhern Grad der Vollkommenheit erheben aber, ausgezeichnet, Herr Steiger, Herr Stegmann, Herr Langerhans, und Madame Haßloch, ihre Rollen.
Dienstags, den 2. December, wurde die Jagd, Singespiel in drey Aufzügen, von Weiße, als Nachahmung der Partie de Chasse de Henry IV. gedichtet, von Hiller componirt, gegeben. Einst bey ihrer Entstehung machte diese Oper Epoche, und wenn sich gleich seitdem bis jezt der Kunstgeschmak sehr verändert hat, so nimmt man doch noch immer eine gute Vorstellung von ihr mit Wohlgefallen auf. Die heutige auf unserer Bühne seze ich billig in die leztere Classe.
Madame Langerhans gab als Röschen durch humoristisches Spiel, und naiven Gesang, dem Ganzen den besten Schwung. Die ältere Mamsel Stegmann litt sichtbar an ihrer Gesundheit, drum konnte sie auch als Hannchen mit aller Anstrengung, die variirte Arie: Als ich auf meiner Bleiche etc. nicht so empfehlend durchführen, wir es außerdem ihre Kunst, und ihr guter Wille gewiß bewirkt hätten. Madame Stegmann sang als Marthe das Arietchen zu Anfang des III. Acts recht gut. Herr Kruse spielte und sang den Michel durchaus characteristisch. Herr Gollmik bearbeitete den Christel nicht so launig, als man es von ihm, nach sonstigen Erfahrungen, erwarten konnte. Desto besser war Herr Ehlers als Töffel im Fluge des comischen Vortrags. – Die Indecenz in der lezten Scene gegen den König hätte aber wohl wegbleiben können.
[207] Ein besonderer Anhang, welcher die noch fehlenden Vorstellungen bis zum 30. December d. J. befaßen, und das erste Quartal meiner Raisonnements über Hamburgs deutsches Theater, nach dem Versprechen Seite 21. d. J. pünktlich berichtigen soll – wird Sonnabends, den 3. Januar 1801., gegen Bezahlung von 4 ßl., unter suspendirtem Abonnement, in denen Zeitungsladen ausgegeben, oder kann auch bey dem Verfasser: J. F. Ernst, im Hôtel de Saxe, auf dem Valentinskamp, von jenem Tage an, abgelangt werden.
Gegenwärtiges raisonirende Journal hat der Herr Verfasser, für seine eigene Kosten, fortzusetzen sich entschossen, und ich trete mit demselben für die Zukunft außer alle Verbindung; man hat sich also in diesem Betracht lediglich an ihn zu wenden.
Dahingegen erscheint in meinem Verlage, von mehreren sachkundigen Männern bearbeitet, im neuen Jahrhundert, am Montage jeder Woche, und zwar den 5ten Januar 1801. zum erstenmal, ein neues Journal, unter dem Titel:
Da hier der Raum zu beschränkt ist, um weitläuftig über den Inhalt desselben sich erklären zu können, so verweise ich die Liebhaber auf die desfals besonders [208] abgedruckte Ankündigung, welche in allen Buch- und Zeitungsläden, woselbst man auch Pränumeration für ein Vierteljahr mit 2 Mark annimmt, unentgeldlich zu haben ist, und erinnere bloß, daß ein Versuch hinlänglich seyn wird, um das Publikum von der reelen Absicht der Verfasser zu überzeugen.
Einzelne Stücke kosten, diesem Journale gleich, 3 Schillinge.
Hamb. d. 27. Dec. 1800.
F. H. Nestler, Buchdrucker.
Vorstellungen in der künftigen Woche, wenn nicht Krankheit oder sonstige Umstände eine Abänderung nothwendig machen.
Sonntags, den 28sten: Der Fremde.
Montags, den 29sten: Die Schwestern von Prag.
Dienstags, den 30sten: Das Vaterhaus.
Freytags, den 2ten Januar 1801, wird im deutschen Schauspielhause der erste Masken Ball gegeben.
Fußnoten
Bearbeiten- ↑ Jetzt verehelichte, Kunze, und Righini.
- ↑ Das ganze Stük ist nach bereitiger Erwähnung Seite 99. in Jamben geschrieben, so hat man mich berichtet, mithin auch Jendels obige Erzählung – ich bin froh die Worte derselben richtig gefaßt zu haben, wer Lust hat, kann sie sich jambisch scandiren. Das wörtliche Einrükken dieser Stelle aber hat mir aus dem Grunde wichtig, ja unentbehrlich, geschienen, weil gerade sie den ersten Aufschluß des Süjets vom ganzen Schauspiele, Gustav Wasa, darbietet.
- ↑ Eigne Worte der Rolle! –
- ↑ Zschokke bestimmt ihn zum Cardinal. Die hiesigen Anschlagezettel sezen ihn – ich weis nicht warum – zum bloßen Abt herunter.
- ↑ Bey allem Mistrauen in mein schwaches Gehör wird Herr Ritzenfeldt diese Frage dem Scharfblik meiner gesunden Augen nicht verargen.
- ↑ Daß splendite Leichenbestattungen in Leipzig viel – nicht weniger – Geld als in Hamburg kosten, contestirt der Autor, als gebohrner Chursachse.
- ↑ Warum die hiesigen Anschlagezettel dem Apotheker den Rang vor dem Doctor geben? – verstehe ich nicht!
- ↑ Es ist aus Mozarts: Cossi fan tutte entlehnt.