Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit/Vorwort zur ersten Auflage

Textdaten
Autor: Karl Zeumer
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Titel: Vorwort zur ersten Auflage
Untertitel:
aus: Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit / bearb. von Karl Zeumer, Seite V
Herausgeber: Karl Zeumer
Auflage: Zweite vermehrte Auflage
Entstehungsdatum: 1122
Erscheinungsdatum: 1913
Verlag: Verlag von J.C.B. Mohr (Paul Siebeck)
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Erscheinungsort: Tübingen
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Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Es gelten die Editionsrichtlinien für alle der Sammlung entnommenen Texte.
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[V]
Aus dem Vorwort zur ersten Auflage.

Den Wunsch nach einer Sammlung wie die vorliegende empfand ich oft bei akademischen Uebungen über die Geschichte der Reichsverfassung. So nützlich die Sammlung der ausgewählten Urkunden zur Erläuterung der Verfassungsgeschichte Deutschlands im MA. von Altmann und Bernheim auch sonst ist; für diesen Zweck reichte sie schon der zeitlichen Begrenzung wegen nicht aus. Meiner Absicht, selbst eine solche Sammlung zu schaffen, kam die Aufforderung des Herausgebers dieser Quellensammlungen, einen verfassungsgeschichtlichen Band zu bearbeiten, entgegen. Der Plan des Herrn Kollegen Triepel war freilich auf eine Sammlung, welche sich auf die gesammte deutsche Verfassungsgeschichte beziehen sollte, gerichtet. Doch glaubte ich nur in der Beschränkung auf die Reichsverfassung und auf die Zeit seit etwa 1100 auf dem gebotenen Raume etwas Brauchbares schaffen zu können. Auf dieser Grundlage übernahm ich dann die Bearbeitung.

Die zeitliche Begrenzung bedarf einiger Worte der Begründung. Daran mögen sich die notwendigsten Bemerkungen über die Auswahl, Anordnung und Behandlung der Texte schließen.

Meine Absicht war von vorn herein auf die Geschichte der Reichsverfassung seit der Stauferzeit gerichtet. In der Stauferzeit haben sich wesentliche Veränderungen in den Grundlagen und dem Aufbau der Reichsverfassung vollzogen, die meist mit dem völligen Durchdringen der lehnrechtlichen Anschauungen in Zusammenhang stehen, zum Teil aber auch, wie das Emporkommen der Städte, auf dem gleichzeitig eintretenden wirtschaftlichen Aufschwung des Volkes beruhen. Die unmittelbaren Einwirkungen der königlichen Gewalt auf das gesammte Reichsgebiet wurden mehr und mehr eingeschränkt. Die Fürsten und Herren erlangten die Landeshoheit in ihren Gebieten. Sie wurden in noch ganz anderer Weise als früher Zwischenglieder zwischen dem Reichsoberhaupte und dem Boden und dem Volke des Reichs. Beinah königliche Gewalt erlangten die größeren Fürsten. Sie wurden fast selbständige Glieder, ja die anerkannten Säulen des Reiches. Damals begann die Umbildung der Reichsverfassung zur ständischen Monarchie, über welche hinaus die weitere Entwicklung des ständischen Elements dann später das Reich zunächst zum Staatenbunde umwandelte, um es schließlich ganz auseinander zu sprengen.

Noch ein anderer Grund bewog mich, gerade mit der Stauferzeit zu beginnen. Erst seit dieser Zeit gibt es im eigentlichen Sinne Quellen des Reichsstaatsrechts: Reichsgesetze und Urteile des Reichshofes mit reichsgesetzlicher Geltung. Erst damit wird eine Sammlung der Denkmäler des Reichsstaatsrechts überhaupt möglich. Für die frühere Zeit, in der die königliche Gewalt auf die Herstellung allgemeiner Ordnungen verzichtete und sich mit der Schaffung von Sonderrecht durch Erteilung von Privilegien begnügte, könnte eine Sammlung der Quellen für die Geschichte der Reichsverfassung nur aus einer Unzahl von Auszügen aus Urkunden und zeitgenössischen Schriftstellern bestehen. Eine solche zu geben entsprach aber nicht meiner Absicht.

Da einzelne Stücke von rein oder überwiegend reichsrechtlichem Inhalt bereits aus der Zeit der letzten salischen Kaiser vorhanden waren, deren Aufnahme wünschenswert schien, [VI] entschloß ich mich, noch etwas über die Stauferzeit zurückzugreifen und mit Heinrich IV. zu beginnen.

Den Schluß der Sammlung sollte die Auflösung des Reiches im Jahre 1806 bilden. Auf besonderen Wunsch des Herausgebers der Quellensammlungen entschloß ich mich in einem Anhange noch die beiden Grundgesetze des Deutschen Bundes hinzuzufügen. Sie mögen dienen, die Verbindung mit dem Staatsrecht der Gegenwart herzustellen und zu zeigen, daß die Fäden zwischen dem alten und dem neuen Reich nicht so völlig zerrissen sind, wie manche wähnen.

Für die Auswahl des Stoffes konnten nicht die gleichen Gesichtspunkte in den verschiedenen Zeiträumen, welche die Sammlung umfaßt, maßgebend sein. Bis zum Ende des XIII. Jahrhunderts konnte alles Wichtigere aufgenommen werden, und mußte aufgenommen werden, um ein einigermaßen vollständiges Bild der Reichsverfassung zu geben. Bei dem zunehmenden Umfang der Aktenstücke und der überragenden Bedeutung einzelner Reichsgesetze konnte und mußte ich mich für das XIV. und XV. Jahrhundert auf die Auswahl des wichtigsten Materials beschränken. Seit dem Ende des XV. Jahrhunderts nimmt dann der Umfang der einzelnen Stücke in so übermäßiger Weise zu, namentlich der deutsch abgefaßten, welche durch unendliche Weitschweifigkeit des Ausdrucks ermüden, daß hier eine Beschränkung auf wenige Stücke von ganz hervorragender Bedeutung geboten war. Ich zog es vor die wichtigsten Stücke vollständig mit allem Zubehör an Phrasen und Formalien zu geben, statt einer Zusammenstellung zahlreicher kurzer Auszüge aus allen in Betracht kommenden Gesetzen und Aktenstücken. Die Reformgesetze Maximilians von 1495, Nr. 148—151 [173—176][1], die erste Wahlkapitulation, Nr. 154 [180], und der Entwurf von 1711, Nr. 177 [205], die beiden Regimentsordnungen von 1500 und 1521, Nr. 152 [177] und 156 [182], der Abschied des Augsburger Reichstages von 1555 mit dem Religionsfrieden, Nr. 163 [189], die Instrumente des Westfälischen Friedens, Nr. 170 und 171 [197. 198], und der Reichsdeputations- Hauptschluß von 1803 sind unter anderen vollständig gegeben. Das erschien mir notwendiger und nützlicher als den Raum, der durch Fortlassung der weniger bedeutenden Teile dieser Stücke hätte erspart werden können, mit Auszügen oder manchen kleineren Stücken, die nun fortbleiben mußten, anzufüllen.

Ganz umgehen konnte ich Auszüge natürlich nicht und mußte zum Teil sehr umfangreiche geben, wo doch das Ganze aufzunehmen unmöglich war; so bei der Kammergerichts-Ordnung von 1555, Nr. 164 [190], und dem Jüngsten Reichsabschied, Nr. 173 [200]. Von beiden Stücken mußten die umfangreichen prozessualen Bestimmungen größten Teils ausgeschieden werden.

Unter den kleineren Stücken und Auszügen sind manche an sich ganz unbedeutend, aber bezeichnend für den Geist der Verfassung in jenen Zeiten und somit zur Illustration geeignet.

Da nicht alle Institute der Verfassung gleichmäßig berücksichtigt werden konnten, zog ich es vor, das Material über einzelne, wie über Königswahl, Kurfürstenkolleg, das Reichs-Kammergericht möglichst vollständig zu geben, und dafür andere wie Polizei- und Heerwesen mehr bei Seite zu lassen. Auch das Verhältnis der Reichsgewalt zur Römischen Kirche, über welches bereits für das XII. und XIII. Jahrhundert so reiches Material vorhanden ist, glaubte ich nur so weit berücksichtigen zu sollen, als für die Erkenntnis der Einrichtungen der Reichsverfassung selbst unbedingt nötig schien.

Die Anordnung des Stoffes ist rein chronologisch, was mir aus praktischen Gründen jeder andern Anordnung vorzuziehen schien.

Gründe äußerlicher Natur haben zu der scharfen Sonderung des Stoffes in zwei Teile geführt. Ich mochte die deutschen Texte des Mittelalters nicht anders als, wie wir gewöhnt sind sie zu lesen, in Antiqua drucken lassen; während ich mich nicht entschließen konnte, diese in der gelehrten Literatur leider so sehr bevorzugte Schrift auch für die deutschen Texte der neueren Zeit zu verwenden. Ich griff zu dem, freilich gewaltsamen Mittel, von der Zeit an, wo etwa die Buchdruckerkunst aufkam, die deutsche Druckschrift anzuwenden und damit zugleich [VII] die Anwendung großer Anfangsbuchstaben für Hauptwörter zu verbinden. Wenn ich den zweiten Teil mit der Gesetzgebung von 1495 eröffne, so brauche ich wohl nicht ausdrücklich zu sagen, daß ich nicht der Meinung bin, die deutsche Schrift und die Anwendung der großen Anfangsbuchstaben seien damals schon durchgedrungen. Aus dieser Sonderung in zwei Teile ergab sich zugleich die Möglichkeit, die mittelalterliche Hälfte des Werkes, sowie die neuzeitliche gesondert verkäuflich zu machen; was für manche Zwecke erwünscht sein dürfte.

Was die Behandlung der Texte anbetrifft, so glaubte ich auf völlige Gleichmäßigkeit in Interpunktion und Schreibart verzichten zu dürfen. Stücke, die bereits in mustergültigen Ausgaben vorlagen, ließ ich, soweit es möglich war, auch in Bezug auf jene Dinge unverändert; wogegen ich in solchen Texten, die ich selbst erst herzustellen hatte oder mangelhaften Ausgaben entnahm, mit größerer Freiheit verfuhr.

Sehr verschieden war die eigene Arbeit, welche die einzelnen Texte erforderten. Höchst einfach lag die Sache, soweit es sich um Texte handelte, die der Sammlung der Constitutiones in den Monumenta Germaniae historica zu entnehmen waren … , wobei nur hier und da eine Kleinigkeit, etwa eine irrige Interpunktion und dergleichen zu ändern war. In einer ähnlich günstigen Lage war ich gegenüber denjenigen Nummern des ersten Teiles, welche den Reichstagsakten, herausgegeben von der Münchener historischen Kommission, entnommen werden konnten, sowie einigen aus den Acta imperii von Böhmer-Ficker und Winckelmann und aus der Altmann- und Bernheim’schen Sammlung entlehnten Stücken.

Um so größere Schwierigkeiten bereitete die Textgestaltung bei vielen der übrigen Stücke des ersten Teiles, vor allen des deutschen Urtextes des Reichs-Landfriedens von 1235, Nr. 54 A [58 A], dessen mühevolle Rekonstruktion ich doch zunächst im Hinblick auf diese Sammlung ausführte. Nicht wenig Arbeit erforderten auch die Auszüge aus dem Sachsenspiegel und dem sog. Schwabenspiegel, Nr. 63 [57] und 76 [82]. Eikes von Repgow berühmtes Rechtsbuch hat noch nicht die Ehre erfahren, in der ursprünglichen, reinen, von fremden Zusätzen freien Gestalt, die literarisch allein genießbar und für geschichtliche Zwecke allein brauchbar ist, herausgegeben zu sein. Die Quedlinburger Handschrift, welche diese Gestalt am reinsten überliefert, ist von v. Daniels, teilweise auch von Goeschen und Homeyer gedruckt. Aus diesen Drucken mußte unter Heranziehung anderer Texte ein brauchbarer Text der Auszüge, so gut es gehen wollte, hergestellt werden; und ähnlich lag die Sache beim Schwabenspiegel. Die Laßbergsche Handschrift, die in zwei Abdrucken vorliegt, die beide ihre besonderen Fehler haben, mußte zu Grunde gelegt, an einzelnen Stellen aber aus anderen Texten verbessert werden … Beim deutschen Texte des Kurvereins zu Rense, Nr. 126 [141 a], glaube ich trotz des Verzichtes auf Heranziehung der Originale durch kritische Verwertung alter Drucke einen im Wesentlichen richtigen, vorläufig ausreichenden Text hergestellt zu haben. Eine Vergleichung des Wiener Konkordats von 1448, Nr. 146 [168], nach den Wiener Originalen verdanke ich der Freundschaft M. Tangls, ebenso auch das richtige Datum der dazu erteilten Ratifikationsbulle des Papstes. …

Unerwartet große Schwierigkeiten stellten sich der Textgestaltung vieler Stücke des zweiten Teiles entgegen. Die Stücke, welche in den Reichstagsakten jüngerer Reihe in neuen kritischen Ausgaben vorlagen, Nr. 154. 155. 156 [180. 181. 182], konnten im Wesentlichen unverändert abgedruckt werden, nur daß deutsche Schrift und große Anfangsbuchstaben angewandt wurden. Auch die meiner Meinung nach wohl zu radikal vereinfachte Rechtschreibung der Vorlage mußte beibehalten werden. Sonst war ich für die Stücke bis in das XVIII. Jahrhundert fast allein auf ältere mehr oder weniger fehlerhafte Drucke angewiesen, wobei es denn galt, die Fehler des einen Drucks aus anderen zu verbesseren. Zu Grunde gelegt wurde für die Gesetzgebung von 1495 die nach wiederholter Prüfung sich als die relativ beste erweisende Überlieferung bei Datt, De pace publica, für die Mehrzahl der übrigen Stücke die sog. Neue Sammlung der Reichsabschiede … Von Nr. 177 [205], dem Entwurf der beständigen Wahlkapitulation, stand mir nur ein Druck zur Verfügung, zu dessen an einigen Stellen notwendiger Verbesserung andere Wahlkapitulationen benutzt wurden. [VIII] Die Rechtschreibung der alten Drucke ist in den deutschen Texten im Großen und Ganzen beibehalten. Eine Vereinfachung der Orthographie, auch nur eine wesentliche Einschränkung des Doppelkonsonanten ff erschien mir als eine Stilwidrigkeit. Zu dem krausen, gewundenen und pleonastischen Stil der Zeit, in dem fast alles zwei- und dreimal gesagt wird, paßt und gehört jene krause und pleonastische Orthographie.

Für den Reichsdeputations-Hauptschluß, Nr. 185 [212], war ebenfalls nicht die einfache Wiedergabe eines Druckes möglich. Auch hier war eine gewisse kritische Tätigkeit zur Herstellung des Textes nötig. Dagegen konnte ich für die Rheinbundes-Akte, Nr. 185 [214] und die beiden Stücke des Anhangs, Nr. 189. 190 [218. 219], die vorzüglichen Ausgaben Bindings zu Grunde legen.

Die Anforderungen strengster wissenschaftlicher Kritik, denen sonst meine Editionsarbeiten zu entsprechen suchten, wird man an diese anders geartete Publikation nicht stellen. Daß sie ohne Kritik und unwissenschaftlich sei, wird man hoffentlich trotzdem nicht behaupten können.

Erläuternde, verweisende und selbst einzelne kritische Anmerkungen schienen mir nicht ganz zu entbehren. Ich hoffe auch in dieser Hinsicht das Notwendige getan zu haben. Ein, freilich nur summarisches, alphabetisches Inhaltsverzeichnis wird nicht unwillkommen sein. …

Ich hege die Hoffnung, daß die dieser Sammlung gewidmete Arbeit nicht nutzlos aufgewendet ist, und daß dieses Buch nicht nur den Studierenden beim Studium der Rechtsgeschichte und der mittleren und neueren Geschichte überhaupt sich als Hülfsmittel bewähren, sondern auch von älteren Fachgenossen gern benutzt werden möge. So kann es vielleicht beitragen, die auf das Studium der Reichsgeschichte gerichteten Bestrebungen, welche neuerdings wieder mehr hervortreten, zu fördern.

Berlin, den 6. Dezember 1903.


  1. Die in eckigen Klammern hinzugefügten Zahlen sind die der neuen Auflage.