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Titel: Prinzessin Andiguilla
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aus: Die Gartenlaube, Heft 48, S. 851
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Besuch auf der Insel Bau (Fidschi)
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[851] Prinzessin Andiguilla. Wer sollte es glauben, daß es auch im Lande der Menschenfresser politische Damen giebt? Darüber berichtet Alexander Freiherr von Hübner in seinem eben erschienenen Reisewerk „Durch das Britische Reich“ (Leipzig, F. A. Brockhaus). Wir begleiten ihn auf seinen Weltwanderungen auch auf die Fidschi-Inseln, auf die sehr kleine Insel Mbao, wo der einst so mächtige, jetzt entthronte Häuptling Takumbau bis zu seinem Tode 1882 seinen Wohnsitz hatte: er galt fast für den König dieser Inseln, zur Zeit, als die Menschenfresserei hier im Schwange war. Seine Tochter, die Prinzessin Andiguilla, war seine Vertraute und Rathgeberin; sie galt für eine politische Frau voll Verstand und Witz und ist noch jetzt sehr beliebt im Lande. Unser Reisender machte ihre Bekanntschaft, als sie gerade eine Kunstleistung producirte, die sonst bei Fürstlichkeiten nicht üblich zu sein pflegt: sie wirkte in einem von den vornehmen Damen des Stammes ausgeführten Hof- und Staatstanz mit, und sie fiel dem Reisenden in den Reihen dieser Tänzerinnen alsbald auf durch ihren hohen Wuchs, ihre stattlichen Formen, die gebieterische Haltung und den angenehmen und geistreichen Ausdruck ihrer Physiognomie. In Europa hätte man das ganze Schauspiel eine Galavorstellung genannt: tiefes Schweigen herrschte in diesem Parterre von kleinen mediatisirten Königen, von Häuptlingen, die zu Präfekten umgewandelt wurden, von Höflingen, welchen der Kammerherrnschlüssel sehr gut passen würde, könnte man ihn an ihrer glatten, wohlgeölten Haut befestigen. Ihre Bravorufe erschallen in der Regel nur in Augenblicken, wo die Habitués unserer Opernhäuser, Terpsichorens feine Kenner und Verehrer, Beifall klatschen würden. Die vornehmen Tänzerinnen tragen das vorschriftsmäßige Hemd, welches bis über das Knie herabfällt, und darüber die alte Tracht: einen Streifen von buntem Kaliko um die Lenden und als Gürtel, und um den Hals Kränze und Gehänge von Blumen, Blättern und Wurzelfasern.

Die Reisenden machten einen Besuch bei der Prinzessin Andiguilla, durchschritten die Stadt, kletterten über die Hecken, wandelten im Schatten hundertjähriger Mangroven, indischer Feigenbäume, des Brotfruchtbaumes; die Büsche, durch die sie oft den Weg sich bahnen müssen, prunken mit ihren vielfarbigen Sammetblättern, im Schmucke ihrer Blumen: scharlach, rosa, blaßgelb, lila, himmelblau. Mitten in dieser Pracht der Tropenvegetation fehlen aber nicht die unheimlichen Erinnerungen an die erst vor Kurzem abgeschlossene Epoche der Menschenschlächterei. Im Schatten eines ungeheuren indischen Feigenbaumes stehen zwei große Felsplatten senkrecht neben einander. An diesen Steinblöcken wurden die Opfer zerschmettert, ehe ihr Fleisch auf der Tafel des ehrbaren Takumbau erschien. Zwei Männer faßten den Unglücklichen je bei einem Arme und Beine, versetzten ihn in Schwingungen und schleuderten ihn sodann, den Kopf voran, gegen die Blöcke. Dieser so idyllische Ort war nichts Anderes als die Menschenfleischbank.

Der Palast oder vielmehr die Kabane der Prinzessin Andiguilla, die sich früher an den Festmahlen ihres Vaters betheiligt hat, unterscheidet sich von den Hütten der gewöhnlichen Fidschier nur durch etwas mehr Höhe und durch einen Zierat von weißen Muscheln am Ende des nach außen vorragenden großen Dachbalkens. „Es ist dies,“ sagt Freiherr von Hübner, „ein Privilegium der Mitglieder der königlichen Familie. Bei unserer Ankunft waren einige Mägde, wahrscheinlich unserem Besuche zu Ehren, mit Klopfen und Reinigen der Matten des Hauses beschäftigt. Die Prinzessin kauerte am Boden, das Kinn auf ihre Kniee gestützt, den Rücken an einem Mittelpfeiler gelehnt. Sie war in traulichem Zwiegespräch mit einem alten Kuli begriffen und begrüßte uns, ohne übrigens ihre bequeme Stellung zu ändern, mit zahllosen Händedrücken und einem wiehernden Gelächter. Aber obgleich sie nichts trug als ein blaues Hemd, und ein solches Négligé einer außergewöhnlich beleibten Dame nicht vortheilhaft sein konnte, sah sie doch entschieden vornehm und beinahe schön aus. Besonders gefiel mir ihr lebhafter durchdringender Blick. Sie ist Wittwe und Mutter einiger Kinder. Ich sagte ihr, der Wahrheit gemäß, daß ich sie am Ballplatze, ohne sie früher gesehen zu haben, an ihrem fürstlichen Aeußeren erkannte. Dies Kompliment schmeichelte ihr über die Maßen, und Mr. Longham mußte es ihr mehrmals wiederholen. Am Ende des Besuchs kletterte auf ihr Geheiß ihr Sohn, ein hübscher, etwa zehnjähriger Knabe, in den Dachraum, um Orangen zu holen, welche sie uns hierauf, unter einem neuen Lachanfall, zuwarf. Sie fand es offenbar entweder sehr unterhaltend oder sehr lächerlich.“ †