| Prediget das Evangelium aller Creatur!
Predigt
am
Missionsfeste zu Nürnberg
den 17. Juni 1847
gehalten
von
W. Löhe,
Pfarrer zu Neuendettelsau.
Nürnberg,
in der Joh. Phil. Raw’schen Buchhandlung.
1847.
| | Marc. 16, 15.
Prediget das Evangelium aller Creatur!
Ein kurzes Wort, aber ohne Zweifel eben so groß und majestätisch als kurz; groß und majestätisch nicht bloß, weil es von dem großen König unmittelbar vor seiner Auffahrt zu dem ewigen Throne gesprochen wurde, sondern auch weil es so voll gewaltigen Inhalts ist. Das Neue Testament redet so Vieles und Herrliches von dem, was wir mit dem Worte Mission zu bezeichnen pflegen, daß man ob der Menge und des Glanzes erstaunt, so wie einem nur erst die Augen dafür aufgegangen sind. Wenn man die Worte des N. Testamentes zusammenstellen und vorlesen sollte, welche sich daraus beziehen; so würden sich alle, die Ohren haben zu hören, am Schlusse durch die Erkenntnis der Sünde tief gedemüthigt fühlen, daß sie eine solche Sache gering, jeden Falls zu gering geachtet haben, von welcher Gottes Wort so Vieles und Großes spricht. Doch ist für alles zumal das kurze Wort, welches ich euch vorgelesen habe, der zusammenfassende Ausdruck, das Thema, der Mittelpunkt, von dem alle Strahlen
| auslaufen und zu dem sie wieder heimkommen, – und in dem kurzen Worte wurzeln alle Reden und Thaten der heiligen Apostel und Evangelisten und die Geschichte des Reiches Gottes im Neuen Testamente. Dies kurze Wort, das in keinen Mund paßt, als in den Mund dessen, dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden, dieser mächtige Befehl über alle Creatur, dieser reiche Segen über alle Creatur – sei nun bei dem, was ich sagen möchte, meine Sonne, die mich erleuchtet, – sei, bitt ich Gott, der zusammenfassende, göttliche Ausdruck für alle meine Deutung und am Ende der Gesammteindruck, welchen die Beantwortung der folgenden Fragen auf euch machen möchte. Meine Fragen aber sind diese:
1. Warum soll man sich um der Heiden Seligkeit bemühen?
2. Was soll man zu diesem Zwecke thun?
3. Wer soll es thun?
Gott sei mir gnädig zum reden, euch, geliebte Br., zum hören! Amen.
Wir, l. Br., sind glücklich zu preisen. Noch ehe wir geboren wurden, stiegen die Gebete der Kirche schon für unser ewiges Wohl zum Himmel. Kaum waren wir geboren, so wurde alsbald der Fluch unsrer sündigen Geburt von uns genommen und wir wurden durch die Taufe ins Reich des Herrn versetzt. Seit dem geht uns der Herr nach mit seinem Wort und Sacrament, mit seinem Geiste, seinem Leibe, seinem Blute, um uns zum ewigen Leben zu speisen und zu nähren. Und ob wir auch die heiße Liebe des Herrn mit kaltem Undank erwiederten, weicht doch der Herr nicht von uns, behandelt uns als die Seinen und erweist uns Treue bis zum letzten Hauch – und hat er uns nur, seis früh, seis spät, das Herz gewonnen, so nimmt er unsre Geister auf unter die Geister der vollkommenen Gerechten und unsre Leiber in den
| Schooß seiner Erde, die nichts verliert, aus welcher die entschlafene Menschheit grünen wird wie das Gras, wenn nun fallen wird der Thau des grünen Feldes. Wir sind glücklich zu preisen! – Aber wie unglücklich sind diejenigen, welche von dem einigen Erlöser des menschlichen Geschlechtes und von seiner Treue nichts erfahren! Laß sie im Purpur der Ehren geboren sein, laß sie im Überfluß aufwachsen, laß sie weise und klug sein, wie es immer die menschliche Natur vermag, laß das Glück der Erde, welches keinem je treu gewesen ist, ihnen zu Liebe treu werden und denke dir es so groß du willst: es wird dir doch alles als eitel und nichtig erscheinen, so wie du dich erinnerst, daß sie von allen Segnungen, welche in der Christenheit auch der Ärmste genießt, keiner einzigen sich erfreuen. Für sie betete niemand, da sie noch im Mutterleibe waren; keine Taufe, keine Absolution entsündigt sie, keine Predigt des Evangeliums zeigt ihnen den Weg, kein h. Mahl speist und tränkt sie zum ewigen Leben, sie werden von dem ewigen König nicht als Schafe behandelt und geweidet, – und ihr ewiges Loos, man sage nun, wie und was man will, ist doch so ungewiß, daß man nicht absehen kann, mit welchem Troste sie ihr Herz im Sterben erquicken sollen. Wie mancher Knecht des Herrn wurde an Sterbebetten der Christen von Freude und Dank durchdrungen, weil es doch einen Sterbenstrost gibt, weil man mit lautem Preis einer ewigen Gnade den kämpfenden Seelen zurufen konnte: „Euch kann man doch trösten!“ Wie schaurig aber ist der Abschied sterbender Heiden. Es ist unbegreiflich, oder ja, es ist begreiflich, aber nur aus dem tiefen Verderben des menschlichen Herzens, daß die Heiden das Grauen des Todes und die dunkle Hoffnungslosigkeit, welche um ihre Sterbenden her ist, ertragen können, ohne zu versinken.
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Ach wie sind die Heiden so unglücklich und wir so glücklich! – Das Glück macht oft mild gegen andere:
| wenn jemand einen Freudentag hat, wird er zu Lieb und sanftem Urtheil aufgelegt, auch wenn ers sonst nicht war, und gibt gerne, auch wenn ers sonst nicht that. Die Heiden sind so unglücklich und wir so glücklich: können wir denn das bedenken, ohne uns ihrer zu erbarmen, ohne ihnen unser Glück zu gönnen und es ihnen, so viel wir das vermögen, zu geben? Wort und Sacrament sind die Brunnen unsers Glücks, warum dringt uns denn unser Glück und das Unglück der Heiden nicht, auch ihnen diese Brunnen zu eröffnen und dem armen Erdreich, welches dem Fluche so nahe ist, ihre Wasser zuzuleiten? Es sollte uns ziehen, ja das Erbarmen sollte uns treiben, unser Glück andern zuzuwenden, – und wenn wir an der Erlaubnis des Herrn zweifelten, von welchem Wort und Sacrament kommt, so sollten wir um diese Erlaubnis beten, bis wir die Zuversicht bekämen, daß wir den Heiden, unserm Fleisch und Blut, geben dürfen, was wir haben, bis wir ein Zeichen des Wohlgefallens an dem hätten, was wir wünschen und wollen, nemlich an der Errettung derer, die noch sind, was wir auch waren, nemlich Heiden. –
Indes das Erbarmen Gottes mit dem Elende der Heiden ist größer als das unsrige, und ehe wir jenes Elend erkennen und beklagen konnten, hat der Herr nicht bloß die Erlaubnis gegeben, seine Wohlthaten den Heiden zuzuwenden, sondern zeug unsers Textes den ausdrücklichen Befehl.
Man hat verneint, daß Christus ein Gesetzgeber sei, und behauptet, er müsse ganz ein Gnadenspender genannt werden. Es ist auch vollkommen wahr, so wie es gemeint ist, und man soll Gesetz und Evangelium nicht vermengen, Christum und Mosen nicht verwechseln. Dennoch aber, gel. Br., ist Christus in einem gewissen Sinne Gesetzgeber, denn er hat ein Gesetz gegeben, welches aus der Gnade stammt, durch Gnadenkräfte und Begnadigte ausgeübt
| wird, in seiner Erfüllung nichts als Gnade um Gnade verbreitet, voller Gnaden ist, der Gnade rechte Hand, nicht aber ein Widerspruch der Gnade, dieser ersehntesten Eigenschaft in Gottes Herzen. Dies Gesetz verhält sich zu dem großen, uralten und doch immer neuen Gebote der Liebe, welches der Herr in der Nacht, da er verrathen war, feierlich wiederholt hat, wie zum Feuer das Licht und zum Glanze der Abglanz, – es ist eine erweiternde Deutung jenes Liebesgebotes, die schönste Verklärung der Bruderliebe zur allgemeinen Liebe, darum daß es alle Menschen zu Jesu Brüdern und Gottes Kindern machen will. Dies Gesetz hat der hochgelobte Herr gesprochen vor seinem letzten Segen, ehe er auffuhr zum Throne seines Vaters, in dem herrlichsten Augenblick, den die Erde bis jetzt gehabt hat: – es ist der letzte, majestätisch erklärte Wille dessen, der wieder kommen und nach dem Gehorsam forschen wird. Ich brauche es nicht erst zu sagen, theure Brüder, wie das Gesetz des N. Bundes heißt, welches alle Kinder Gottes treiben soll.
„Prediget das Evangelium aller Creatur“ – so lautet das letzte Gebot des Herrn.
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Was darf man am leichtesten gebieten, meine Freunde? Welches Gebot wird mit der größten Freude aufgenommen werden? Welches hat Aussicht auf die treueste Erfüllung? Doch wol dasjenige, welches unsern Wünschen am meisten entspricht und das zum Befehl erhebt, wofür man sich mit tausend Freuden die Erlaubnis erbeten hätte. So sollte es mit dem letzten Befehle unsers Herrn sein. Mitleid mit der hirtenlosen, unzähligen Schaar der Heiden sollte uns voll Sehnsucht machen, ihnen helfen zu dürfen, und der Befehl, zu helfen, sollte von uns als der willkommenste, welcher gegeben werden konnte, mit Jubel und Dankpsalmen aufgenommen werden. Ich weiß es wohl, meine Brüder, daß wir von Natur nichts Gutes können, und daß den Menschen, der seine Ohnmacht erkennt, jeder
| göttliche Befehl, je herrlicher und heilsamer er ist, nur desto trauriger und niedergeschlagener macht. Aber wir sind ja, seitdem wir getauft sind, nicht mehr wir allein, sondern wir haben Christum angezogen und besitzen in ihm Gerechtigkeit und Stärke. Durch Ihn, der mit uns ist und von uns bis zur Stunde nicht gewichen, so mangelhaft auch unsre Treue und Gehorsam, so groß unser Ungehorsam gewesen sein mag, – durch ihn vermögen wir das Gute. Seine Segenskräfte umgeben uns und keiner unter uns kann sagen, er könne nicht, wenn ihm der Herr befiehlt. Wenn wir nun seinen Befehl hören, den Heiden Liebe zu erweisen, so braucht uns die angeborene Ohnmacht nicht niederzuschlagen; wir gehorchen in seiner Kraft, die uns seit unsrer Taufe beigelegt ist, – wir wissen, daß jeder seiner Befehle mit einer Verheißung des Gelingens begleitet ist und daß namentlich der letzte Befehl des Herrn die Verheißung bei sich hat: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Deshalb können wir uns mit Muth und Kraft erheben, wir können mit Freuden unsere Segeln aufspannen und unser Schiff durch die Kraft des Befehles Christi in ruhiger Zuversicht bis zu der Anfurt treiben lassen, der wir begehren.
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Der Herr hat Seinen Befehl gegeben und es ist kein Zweifel, daß er
vollzogen werden wird. So gewis der jüngste Tag kommen wird und mit ihm das Ende dieser Welt und der Anfang jener ewigen Herrlichkeit, so gewis wird auch Christi letztes Gebot erfüllt werden. Der Herr selbst hat es gesagt. Aus seinem Munde wissen wir, daß ein jüngster Tag kommen wird; aus seinem Munde, daß er eher nicht kommen wird, als bis das Evangelium allen den Creaturen gepredigt ist, die nach seinem Rathschluß in die Welt kommen werden. Sein Wort kann nicht gebrochen werden. Die Sündfluth kam nicht, bevor der letzte der Patriarchen zu der Ruhe Gottes eingegangen
| war; und ehe das letzte Kindlein getauft ist, das der Herr versehen hat zur Wiedergeburt, und der letzte Christ gestorben, welcher Theil haben soll an der Auferstehung der Gerechten, ehe die ganze eine Heerde Christi versammelt und das letzte Glied seinem geheimnisvollen Leibe eingefüget ist, wird der Himmel und die Erde nicht vergehen. Johannes, der Prophet des N. Testamentes, hat sie alle versammelt gesehen jenseits des krystallenen Meeres, am Throne Gottes, denen das Evangelium zum ewigen Leben gepredigt werden wird. Sie werden versammelt vom Morgen und vom Abend und von allen Enden der Erde, aus allen Geschlechtern und Zungen und Sprachen – eine unzählbare Schaar. Sie kommen alle durch den letzten Befehl des Herrn und durch den treuen Gehorsam derer, die da viele zur Gerechtigkeit weisen und wie die Sterne leuchten werden immer und ewiglich.
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Der letzte Befehl des Herrn wird vollzogen werden – und er
ist vollzogen worden und
wird auch jetzt vollzogen. Es ist uns nicht alles aufgeschrieben, was in früheren Zeiten geschehen ist, wir wissen wenig; wie groß die Ärnte des Herrn in der Vorzeit gewesen ist, das wird unser Auge mit Staunen und Verwunderung an jenem Tage sehen. Der Herr wird erweisen, daß er seinem heiligen Gebote zu aller Zeit einen größeren und reicheren Gehorsam geschenkt hat, als wir uns träumen lassen. Aber so wenig wir wissen, so finden wir dennoch in der Geschichte der Vorzeit Beweis genug, daß der Befehl des Herrn vollzogen und den Völkern das Evangelium gepredigt worden ist. Und
noch wirds gepredigt, ja unsre Zeit darf mit Wahrheit eine Zeit der Missionen genannt werden. Die ganze abendländische Kirche in allen ihren Confessionen, die römische mit nichten ausgeschlossen, ist in einem weit größeren Maße als früherhin von einem Eifer beseelt, Jesu Schafe aus aller Welt zusammenzuführen. Das Netz des Herrn ist ausgeworfen, viele stehen
| bereit, es ans Land zu ziehen: Er wird seine Menschenfischer segnen und das Netz wird voll werden, je mehr der Abend der Welt kommt.
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Und wir sollten müßig stehen, hilflos die Hände in den Schooß legen und nicht wissen, warum wir uns um der Heiden Seligkeit bemühen sollen? Haben etwa wir allein kein Mitleid mit dem namenlosen Elend der Heiden in der Zeit und sonderlich in der Ewigkeit? Oder geht uns allein der letzte Befehl des Herrn nicht an, haben wir allein in unsrer Kirche eine Aufgabe empfangen, durch welche wir von dem Gehorsam befreit wären, den ihm alle Confessionen widmen? Wir, die wir uns – hoffentlich nicht ohne Recht – rühmen, das Evangelium Christi reiner und völliger als andere zu erkennen, sollten, etwa gerade deswegen, keinen Beruf, keine Pflicht, kein Recht haben, dem letzten Befehle Christi, der doch alle angeht, zu gehorchen? – Auch wir sind müde, das namenlose, das furchtbar wachsende Elend der Welt anzusehen und zu ertragen, auch wir sehnen uns nach dem Ende der Zeit, nach dem Anfang der Ewigkeit und beten ohn Unterlaß mit brünstigem Verlangen das Gebet der Braut: „Komm bald, Herr Jesu.“ Und unsre Sehnsucht nach dem jüngsten Tage wäre uns kein Grund mehr, dem Herrn denjenigen Gehorsam zu leisten, von welchem er sein Kommen abhängig gemacht hat? – Es ist die letzte Stunde. Nachdem der Herr am Kreuze vollbracht hat, ist kein Geschäft mehr übrig, als daß alle seine Schafe zu ihm gesammelt werden. Das ist’s, was noch übrig ist, zu thun, – das ist das letzte, größte Werk, welches Gott vollbringt durch seine Knechte, – dazu steht diese Welt noch, dazu geduldet sich noch der Herr, dazu trägt er noch die Bosheit der Boshaftigen, dazu schiebt er noch auf die Erhörung des Gebetes, welches die Seelen unter jenem ewigen Altare beten, dazu hält er noch zurück Kron und Lohn der Seinen. Und alle seine Knechte haben dies
| Werk je und je im Auge gehabt und sich nach seinem Befehle darin gemüht, – und noch eifern sie alle dem Ziele entgegen, während wir erst fragten, warum wir uns um der Heiden Seligkeit bemühen sollten? Es sollt uns nicht schon der Eifer aller andern Grundes genug sein, auch zu eifern? Das sei ferne! Eifer um Christum und Seine h. Kirche, ein himmlischer Sinn, Gemeinschaft der Heiligen und Liebe lassen sich ohne treuen Fleiß um der Heiden Seligkeit nicht denken. Religionseifer ohne Missionseifer gibts in der Christenheit nicht, sollt es wenigstens nicht geben, auch bei uns nicht geben, ferner nicht geben.
Was alle Tage geschieht, das kann auch heute geschehen, m. Fr.! Wofür der eine glüht, das macht den andern frostig, – und wenn einer, was er meint, nach bestem Wissen und Gewissen gesagt hat, so kommt ein zweiter und widerstrebt ihm, – und alle Dinge haben ihren Gegensatz. Wir haben uns nun wohl an das erinnert, was uns antreiben kann, der Heiden Seligkeit zu suchen, – und alles, was gesagt wurde, beurkundet unsre Behauptung, daß das Werk der Mission ein Gotteswerk sei. Wie wenn nun aber mancher unter uns wäre, der auf dasjenige, was bereits geschieht, als auf ein Zerrbild hinwiese, welches mit dem nicht stimmte, was der Herr geboten hat? Wenn vom Ungeschick und scheinbar kleinen Erfolg unsrer Missionen Gründe hergenommen würden, den oder jenen in seinem Eifer wieder abzukühlen, nachdem er vielleicht eben erst die Sünde seiner Lauigkeit erkannt und Besserung gelobt hat? – Es dürfte gut und nützlich sein, sofort die zweite Frage zu beantworten, die wir aufgestellt haben, und uns recht klar zu machen,
was man denn eigentlich für die Heiden thun soll, damit wir gerade auf das dringen können bei uns und andern, die Aufgabe erkennen, die der Herr gegeben, und
| gerecht seien und bleiben, wenn es die Beurtheilung des Gehorsams gilt, der gegenwärtig von uns und anderen dem Befehle Christi geleistet wird. Scheinen wir damit auf Geringeres einzugehen, als wir schon verhandelt haben, so scheint es doch nur so, und wir werden uns damit nur gürten, desto richtiger und mächtiger zu thun, was wir sollen, und dem Ziele, das uns aus diesem Wege heller und kenntlicher wird, sicherern Fußes und entschlosseneren, geduldigeren Muthes nachzueilen.
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Vor allem dürfen wir nicht Gottes Werk und der Menschen Werk verwechseln oder vermengen. Gott hat sich in seinem heiligen Werke Menschen zu Werkzeugen erlesen und gibt ihnen die Ehre, sie seine, sich ihren Mitarbeiter zu nennen. Er thut auch alles, was Seelen zum Heile gedeihen soll, mit seinen gesegneten Mitarbeitern und nichts ohne sie, so daß man ihn verwirft, wenn man sie verwirft. Aber so hohe und ehrenvolle Worte die heil. Schriften auch von der Arbeit der Knechte Gottes gebraucht und so völlig wahr sie auch sind, so bleibt doch die Arbeit Gottes groß und die seiner Knechte klein und man kann von den Knechten das, was Gottes ist, eben so wenig verlangen, als man es ihnen zuschreiben darf. Der Landmann säet und pflanzet, Gott gibt das Gedeihen. Ohne des Landmanns Arbeit kommt Gottes Gedeihen nicht, seine Arbeit ist nach Gottes Rath nothwendig und unentbehrlich, aber die Hauptsache ohne allen Vergleich bleibt eben doch das Gedeihen, das nicht in der Macht des Landmanns steht. Eben so ist es mit dem Werke Gottes unter den Heiden. Nicht ohne, sondern mit und durch Menschen thut es der Herr, aber wenn die Heiden unter der Bemühung der Menschen gläubig und selig werden; so gebührt davon Ruhm und Dank dem Herrn, welcher allein Leben und Unsterblichkeit hat und gibt. Und umgekehrt, wenn irgendwo der treuen Arbeit frommer und weiser Knechte das Gedeihen mangelt, so ist
| um des willen ihr Dienst nicht gering zu schätzen, denn er ist ganz derselbe wie dann, wenn ihn Gott segnet und die Menschen nicht widerstreben. Es ist geschehen, was geschehen sollte, und man kann des Erfolges wegen völlig ruhig sein, wenn Gottes Knechte Gehorsam geleistet und es an der nöthigen und möglichen Weisheit nicht haben fehlen lassen. Befohlen ist nun in unserm Texte
predigen; das ist’s, was Menschen thun können, die Frucht der Predigt ist Gottes. Es ist dem h. Timotheus wohl
verheißen, daß er seine Zuhörer und sich selig machen werde, wenn er anhalten werde an der lautern Predigt des Evangeliums, und es ist ihm damit große Ehre zugesprochen; aber
befohlen ist es ihm nicht, befohlen ist ihm nur das Evangelium und er hat alles gethan, was er schuldig war, wenn er den Dienst eines Evangelisten erfüllt. Unser Text enthält nicht die ganze Fülle des letzten Gebotes Christi in dem Maße, wie es jene hochberühmte Stelle Matthäi am letzten enthält. Während Matthäus neben dem Lehren und Predigen des Evangeliums noch befiehlt, daß die, welche Jünger des Herrn werden wollen, getauft und gelehrt werden, zu halten alles, was Christus seinen Jüngern befohlen hat, redet unser Text allein vom Predigen. Marcus enthält allein Christi Befehl für die Gründung seiner Kirche, während Matthäus auch für den Bau und die Vollendung der Kirche Christi Befehl aufbewahrt hat. Halten wir aber gleich diesen Unterschied fest, so liegt es doch im Zusammenhang unsres Textes selber, zur Predigt die
Taufe hinzuzunehmen. Es kommt ja unmittelbar auf unsern Textesspruch das Wort: „Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden“ – und wie der Glaube als eine menschliche, so erscheint die Taufe als eine göttliche Besiegelung der Predigt. Durch Predigt und Taufe wäre demnach das eigentliche Werk des Heidenpredigers geschehen, und wie hinter den großen Evangelisten der apostolischen Zeit, so
| kommen heute noch hinter unsern Heidenpredigern die
Hirten und
Lehrer, welcher Beruf es ist, das angefangene Werk fortzuführen und die gewonnenen Seelen zur Heiligung und Vollendung zu leiten. So predigte der heilige Diaconus Philippus in Samaria das Evangelium und taufte, dann aber zog er weiter zum Kämmerer von Mohrenland, nach Asdod und in andere Städte und überließ die samaritische Gemeinde der Pflege aus ihrer Mitte erwählter Ältesten und Hirten.
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Die Arbeit des Heidenpredigers scheint sich damit allerdings auf Wenig zu beschränken. Demüthig gegen Gott erkennt sich ein solcher nur als Gottes Werkzeug zu Predigt und Taufe, bescheiden gegen Menschen räumt er dem nachfolgenden Hirten und Lehrer seinen Stuhl an den Orten ein, wo ihn der Herr gesegnet hat. Aber indem der Herr befiehlt,
aller Creatur zu predigen, also einen weiten, weiten Wirkungskreis für Heidenprediger eröffnet, zerstört er uns den Wahn, als hätte er ihnen eine kleine Arbeit anvertraut. Erkennen wir auch schon, daß zwischen den ersten Aposteln und Evangelisten einerseits und unsern heutigen Missionaren der große Unterschied ist, daß die Apostel allgemeine Lehrer aller Völker waren und in verschiedenen Landen wirkten, während sich unsre Missionare je nach ihrer Fähigkeit und Tüchtigkeit ein bestimmtes Land und eine bestimmte Gegend zum Ackerfeld erwählen, auf dem sie nicht bloß predigen und taufen, sondern auch hernachmals selbst Hirten und Lehrer sein wollen; gestehen wir gleich gerne zu, daß die Ausdehnung der Arbeit auf alle Creaturen d. i. alle Heiden nicht unsre einzelnen Heidenprediger, sondern die ganze Kirche angeht; so ist doch auch in einem und demselben Volke gar mancherlei Creatur des Herrn und es ist nicht so etwas Leichtes, den verschiedenen Menschen in einem Lande das Evangelium in der Weise zu predigen, die ihnen am segenbringendsten werden kann. Der Heidenprediger muß sich doch
| kraft unsers Textes als einen Schuldner aller und jeder Creaturen erkennen, die er erreichen kann: er ist fremd und bleibt in gewissem Verstande immer fremd – und soll doch dem Kinde und dem Greise, dem Manne und dem Weibe, dem Großen und dem Geringen die Botschaft des ewigen Evangeliums süß und lieblich machen. Keine kleine Arbeit, keine leichte Arbeit! – Aber doch auch wiederum keine allzuschwere. Es ist ja doch immer ein und dasselbe Evangelium, das allen verschiedenen Menschenklassen gepredigt wird, und die heilige Einfalt, die es den Niedrigen verständlich zu machen strebt, wird allen Fähigkeiten gerecht. Auch ist ja das Evangelium, das Zeugnis von Christo, dem auferstandenen Erlöser der Welt, eine Botschaft, die gleichsam mit eingeborener Majestät alle Ohren, die nicht durch Gewohnheit stumpf geworden sind, anzieht und allen Geistern unausweichlich in den Weg tritt. Es ist ein Gotteswort, mächtig von That nicht weniger als jenes erste Schöpfungswort: „Es werde“, eine Kraft Gottes, selig zu machen, eine Rede voll himmlischer Weisheit, welche die Lüge vertreiben, die Seelen überzeugen, zum Glauben bringen und ein Neues schaffen kann. Und nicht minder segensvoll und kräftig ist die Taufe, dies Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des h. Geistes, von welchem jedoch zu reden, unser Text keine Veranlassung gibt. Gewis, kein Schwert noch Feuer ist in den Händen der Menschen mächtiger und wirksamer, als Evangelium und Taufe: wir dürfen, werden sie nur so gut gebraucht, als es irrsame Menschen vermögen, nicht zweifeln, daß sie ihren Segen bringen, zu dem sie gegeben sind.
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Wir wollen uns auch in unserm Glauben an die Genugsamkeit und den reichen Segen der evangelischen Predigt und Taufe nicht dadurch irre machen lassen, daß uns hie und da mit Fingern auf den Zustand der Völker hingezeigt wird, welche die Einflüsse der evangelischen Predigt
| erfahren und zum Theile die Taufe empfangen haben. Wir haben kein Recht, von Heiden und wilden Völkern zu verlangen, daß sie alsbald in europäisch–christlicher Weise leben sollen, so wie sie das Evangelium gehört und sich seinem Einflusse hingegeben haben. Ist es doch auch unter uns eine Ungerechtigkeit, schnell über diejenigen abzuurtheilen, welche unter dem Scheine und Schatten des Evangeliums anscheinend langsam vorwärtsschreiten. Es gibt Menschen, welche äußerlich keine glänzenden Beispiele von Belehrung genannt werden können, innerlich aber dennoch einen gewaltigen und nicht sieglosen Kampf kämpfen und ein Werk des h. Geistes in sich verbergen, das vor Gott mehr leuchtet, als manch berühmtes Beispiel eines tugendreichen Lebens. Auch kann ja eine und dieselbe Frucht des Geistes in verschiedenen Menschen ein größeres oder kleineres Zeugnis des h. Geistes sein. Dies läßt sich auf neubekehrte Heiden anwenden. Bei der unaussprechlichen Versunkenheit der heidnischen Völker ist
irgend ein Erfolg schon Beweis, daß der Herr sich ihrer angenommen hat und ihnen Seine Pflege angedeihen läßt, und wir müssen, um Gottes Thaten in der Wahrheit zu schauen, vor allen Dingen uns entwöhnen, über erst getaufte Heiden strenger zu urtheilen, als über längst getaufte, längst gelehrte, längst mit Christi Leib und Blut gespeiste Christen, welche alsbald dem ewigen Verderben zugesprochen werden müßten, wenn nicht des Heilands Treue und Langmuth es verwehrte.
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Nicht umsonst, meine theuern Brüder, haben wir die nächste Pflicht, welche wir den Heiden schuldig sind, gemäß unserm Texte auf die Predigt zurückgedrängt. Nicht umsonst wurde behauptet, daß die einfache Predigt des Evangeliums unter den Heiden weder allzuschwer, noch unfruchtbar sei. Ich wünschte noch zu sagen, wer die Pflicht der Heidenpredigt üben sollte, und dabei ist es gut, vorauszuwissen und festzuhalten, was man soll, überzeugt
| zu sein, daß der Herr in seinem letzten Befehle nichts verlangt hat, was den Seinigen unmöglich wäre.
Wer soll die erkannte Liebespflicht an den Heiden üben? Das ist meine letzte Frage und ich antworte unbedenklich:
Alle sollen sie üben. Wir finden in der Apostelgeschichte, daß die Apostel, daß die Ältesten, daß die Diaconen, daß Evangelisten gepredigt haben, aber wir finden auch ausdrücklich bezeugt, daß nach der Zerstreuung der Gemeine von Jerusalem, welche auf Stephani Tod folgte, alle zerstreuten Christen gepredigt haben. Und so, meine Freunde, sollte es sein. Den letzten Befehl des Herrn sollten alle erfüllen, welche das Amt der Versöhnung haben, aber nicht bloß sie, sondern alle, welche mit Heiden zusammentreffen. Die Diener des Herrn sollten dem Herrn die verlorenen Schafe suchen helfen, aber auch die ihm nicht im heiligen Amte dienen, sollten wie in den ersten Zeiten von Lieb und Sehnsucht nach dem Heile der Welt gedrungen werden, den Heiden das Evangelium zu sagen. So gut in den ersten Zeiten nach dem Zeugnis der alten Schriftsteller viele Christen ihre Häuser und Habe verließen und den Heiden die einfache Predigt des himmlischen Reichs und die heiligen Evangelien brachten; so gut ihre brünstige Liebe von dem Herrn mit strömendem Segen für ihre Arbeit erwiedert wurde; eben so gut könnten auch jetzt fromme Jünger Christi mit dem schönsten Gelingen für gleiche Aufopferung gesegnet werden. Das einfache Evangelium von den Thaten des großen Gottes in Christo Jesu, die heiligen Evangelien den Heiden zu bringen, dazu hätten auch unter unserm Volke viele Erkenntnis und Befähigung genug. Aber, m. Fr., hier liegt die große Sünde der Christenheit. Alle Christen sollten, was sie heißen, allewege, also auch auf Reisen sein, und wenn sie in der Heiden Landen anwesend sind und
| reisen, sollten sie es auch da sein und erkennen, daß da, wo des Herrn Name nicht gepredigt ist, jeder Gläubige zum Prediger werden soll von Gottes wegen. Wir wollen nicht einmal sehr darauf dringen, daß man reisen sollte, um die Heiden aufzusuchen und sie zu erleuchten: in unsrer Zeit ist ohnehin Reisen etwas viel leichteres, als ehedem und wenn nur alle diejenigen, welche aus andern Gründen, als aus Gehorsam gegen das Gebot des Herrn reisen, thäten was sie sollen, wie ganz anders würde es stehen. Bald ist kein Land mehr, wohin der Europäer, der Americaner nicht dränge, kein Volk mehr, welches nicht um des Handels willen aufgesucht würde. Ist’s denn von Christi Gliedern zu viel verlangt, daß der Herr, ihr Haupt, in allen Landen, unter allen Völkern von ihnen gepriesen werden soll, Er, durch den sie andere Völker so weit überragen? Kann denn der Kaufmann, der Gelehrte, der Seefahrer und Schiffsmann, der Krieger, – können diejenigen, welche irdischen Berufes willen die Inseln des Oceans und die fernsten Küsten betreten, so gar ihres Berufes vergessen,
aller Creatur zu predigen? Sie kommen zu aller Creatur auf Erden, sie sehen, was für ein Elend unter denen ist, die Christum nicht kennen, die besseren unter ihnen seufzen, daß in den Landen, wo sie verweilen, keine Diener des Evangeliums sind und es fällt ihnen gar nicht ein, daß sie das Elend in der Nähe schauen, um es nach Kräften selbst zu mildern. Ach, wenn alle die, welche unter den Heiden leben, thäten, was sie könnten, um den Heiden das Evangelium bekannt zu machen, es würde bald anders werden und die gerechte Klage, daß nicht genug zum Heile der Heiden geschehe, würde verstummen. Was wird der Herr, der zu allen Sein letztes Wort gesprochen hat, einst zu denen sagen, die eine Heidenseele, eine Creatur ohne die Predigt des Evangeliums gelassen haben, da sie doch hätten irgendwie predigen können! Wie wird der Herr dermaleins
| mit allen sprechen, welche nur Seine Segnungen, nicht aber seine Gebote für eine allgemeine Angelegenheit seiner Christenheit erkannten! Wie oft hebt man hervor, daß das Priesterthum des neuen Testamentes ein allgemeines sei, wenn es gilt, damit ein Recht zu behaupten, und wenn es die Pflicht gilt, vergißt man es! Laßt uns, Brüder, an unsre Brust schlagen und unsre Schuld bekennen. Wollen wir den festen Entschluß fassen, wohin Gott uns in unserm Berufe führt, den Namen des Herrn nicht zu verleugnen, sondern überall ihn zu bekennen, wo es Segen bringen kann. Wollen wir unsre Kinder von ihren seligen Pflichten unterrichten, dermaleins überall, wo es Noth thut, den Namen des Herrn anzurufen, und alles anwenden, was in unserer Macht steht, um dem Grundsatz die Geltung zu verschaffen, die ihm gebührt, – dem Grundsatz nemlich, daß alle zur Predigt des Evangeliums pflichtig seien, die an Orten leben, wo ihn niemand predigt. „Wo diese schwiegen, müßten die Steine schreien,“ sagt der Herr: es sei unsre Sache, zu verhüten, daß, so weit unsre Stimme reicht, der stummen Creatur das laute Zeugnis nicht zugeschoben werde. Der Gott, welcher im ersten Capitel der Apostelgeschichte nur den Aposteln verheißt, daß sie den heiligen Geist empfangen sollen, – im 11. Cap. aber dem heil. Petrus zeigte, daß auch Heiden wie Cornelius in die Verheißung eingeschlossen seien, Er, der seine Segnungen über alle verbreitet, zeige uns die unumstößliche Wahrheit immer klarer, daß auch sein letztes Gebot allen gegeben sei, die nur irgend in den Fall kommen können, es zu erfüllen.
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Aber allerdings, die meisten von uns gehen nicht zu den Heiden, können auch nicht gehen, weil ein von dem Herrn gegebener Beruf sie in den Grenzen der Heimat fest hält: wir können meistens die Liebe, die nicht ruhen kann, sondern für andere sorgt, nur an denen üben, die
| wir in der Nähe haben, und das sind keine Heiden. Darum könnten wir uns für unberufen und ausgeschlossen halten vom letzten Befehle Christi. Zwar sind wir ein Leib mit denjenigen, welche zu den Heiden gehen, – und des Leibes Werke sind allen Gliedern zuzurechnen. Was wir daheim thun, thun wir auch im Sinne und Gehorsam derer, die abwesend sind, und was die Heidenprediger verrichten, ist zugleich in unserm Sinne gethan. Die verschiedenen zeitlichen Berufsarten, Gaben und Werke der Christen sind ein zusammenhaltendes Gotteslob, an dem jeder seinen Theil hat. Nichts desto weniger gibt es doch Werke, die allen befohlen sind, von welchen darum niemand losgesprochen oder ausgenommen ist, die nicht einzelnen Berufsarten gegeben sind und von besonderen Gaben abhangen – und gerade die Sorge für die Heiden ist ein solches Werk, das allen geboten ist, an welchem allen gleichviel gelegen sein muß, weil es sich von der Vollendung des Leibes, der Kirche Christi, um das Kommen Jesu Christi zur ewigen Hochzeit und den Beginn des ewigen Lebens handelt. Können wir nicht alle gehen und predigen, so würde es uns doch sehr schmerzlich sein, zur Herbeibringung der Glieder Christi, die noch kommen sollen, nichts zu thun und keinen Theil haben zu können gerade an dem größten Werke der letzten Stunde. St. Jakobus spricht vom „Seligsein des Christen in seiner That“ – und es ist gewis eine besondere Seligkeit, die ein Christenherz inne wird, wenn es ein Werk vollbringen darf, welches zur Ehre Christi, zum Heil der Welt, zur Herbeiführung des Endes so nöthig und vom Herrn gesegnet ist. St. Paul sagt, daß er „seinen Lauf vollende mit
Freuden,“ er sagt es im Bewußtsein eines täglichen Sterbens und Aufgeopfertwerdens um Christi willen und um der Heiden willen: sollte denn unser Lauf so gar verschieden sein von dem Laufe Pauli, daß wir auch nicht einen Tropfen jener Freude genießen könnten, die in der
| Aufopferung zum Heile der Heiden liegt? Wir
können doch nicht in Christo leben, ohne für das göttliche Wachsthum seines Leibes und die Ausbreitung seines Reiches mitzusorgen! Wir können, so wahr wir Christen sind, nicht stumm, thatlos und träge dem Eifer anderer zusehen und all unser Verlangen nach der Heiden Heil in unfruchtbare Seufzer auflösen lassen. Was Gott verbunden, kann kein Mensch scheiden und keiner darf es: in Christo leben und für seines Reiches Mehrung ein brünstiges Verlangen, das hat Gott verbunden, wer das von einander scheidet, scheidet sich selber von der rechten Liebe Christi und ergibt sich in eine innere Abgeschiedenheit der Seele, in eine Selbstzufriedenheit, die den Samen eines schrecklichen Selbstbetrugs, ja eines geistlichen Todes in sich trägt. Denn ein Christ kann nicht allein sein, nicht an sich und seiner Seligkeit genug haben, weil er zur Gemeinschaft der Heiligen geboren ist. Was können wir also zur Erfüllung des letzten Befehles Christi thun, wir, die wir daheim sind?
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Dreierlei Opfer benennt uns die heilige Schrift, welche uns übrig geblieben sind, nachdem uns Christus durch sein ewiges Opfer versöhnt hat. Zur Darbringung dieses dreifachen Opfers haben wir die priesterliche Würde in unserer Taufe empfangen und wir gehören zum priesterlichen Geschlechte, weil wir diese Opfer dem Herrn darbringen dürfen. Erstens geben wir unsre Leiber Gott zum Opfer in Reinigkeit und Keuschheit, in Arbeit und Leiden, – zweitens bringen wir ihm unsre Seelen im Gebete dar sammt Danksagung und Lobgesang, – und endlich übergeben wir ihm unsre Güter und unsre Habe. Diese drei Dinge nennt der Apostel Opfer, zu allen dreien werden wir vermahnt, daß wir sie allewege darbringen fürs Heil der Welt. Die Prediger, welche unter den Heiden arbeiten, bringen dem Herrn im Geschäfte der
| Heidenbekehrung dies dreifache Opfer: ihren Leib, ihre betende Seele, ihr Hab und Gut, sie behalten nichts übrig und werden arm um Christi willen, und das ist die Herrlichkeit ihres Lebens und der Rauch ihres Opfers ist angenehm vor Gott. Unsre Leiber können wir dem Herrn im Werke der Heidenbekehrung nicht aufopfern, da wir bereits auf den Altären des uns gewordenen Berufes unsre Zeit und Kraft dem Herrn gewidmet haben; aber die Opfer des Gebets und unserer zeitlichen Güter können auch wir zur Förderung des edelsten Liebeswerkes, das den Heiden zum Heile vollbracht wird, darbringen.
Da haben wir, geliebte Brüder, den uns vorgezeichneten Weg zur Erfüllung des letzten Befehles Christi. Betet, betet, und auf die Altäre des angebeteten Gottes leget dar die Opfer eurer zeitlichen Güter und Gaben, je nach dem Vermögen und guten Willen, welche der Herr darreicht. Eure Gebete höret und erhöret Jesus Christus, der Hirte der Schafe, der je nach kundgewordener Sehnsucht des menschlichen Geschlechtes das Heil der Verlorenen mehrt. Betet also! Und die Opfer eurer zeitlichen Güter übergebet dem Herrn. Gleichwie die Gaben, welche St. Paulus für die armen Christen in Judäa sammelte, Gott ein Opfer und süßer Geruch waren, so werden auch eure Gaben dem Herrn angenehm sein, wenn sie als wirkliche Opfer erlöster Seelen gegeben werden, die reich geworden in Christo Jesu, ihre Freude dran finden, arm zu werden um Gottes willen und dem, von dem sie alles haben, auch alles wieder heim zu geben.
Betet, Brüder, – betet allerdings in euern Kammern und macht es zu einer stehenden Bitte, zu einer nie verlöschenden Flamme des Gebetes, den Herrn um seines Reiches Zukunft und um die Vollendung seiner h. Kirche zu bitten. Aber vergesset auch nicht, daß es ein schöneres
| und seligeres Gebet gibt, als das im Kämmerlein! Wenn uns der h. Apostel befiehlt, zu thun Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, wenn er den Männern befiehlt, heilige Hände aufzuheben ohne Zweifel, so befiehlt er das
gemeinschaftliche Gebet der Gläubigen in den kirchlichen Versammlungen. Das ist eine unaussprechliche Seligkeit der Gemeinen Christi, sich in Seinen Häusern zum Gebete versammeln zu dürfen, da eins zu werden um was sie bitten wollen, alle für einen, einer für alle zu ihrem gnädigen König zu beten. Da empfindet man, was die Gemeinschaft der Gläubigen ist, da wird man einen Vorschmack jenes Lebens inne, wo alle Engel sammt allen Geistern der vollendeten Gerechten in sicherster Zuversicht, in völligster Hingabe an den Herrn Herrn bitten, was Er selbst will. Wer wissen will, was die heilige Kirche, was Gemeinschaft der Heiligen sei, der achte auf das Gebet der Gemeine und nehme Theil daran, der lerne und erfahre, was es sei: damit ist er gewiß in einer Schule der heiligsten, innigsten Liebe und seine Seele wird weit und groß werden, Bruderliebe und gemeine Liebe zu üben. Wenn wir zusammen beten, da sind wir ein priesterliches Volk, da sind wir groß, da beginnen wir wieder zu werden, was wir im Anfang waren, Herren aller Dinge zur Ehre Gottes des Vaters, zum Segen der Welt. Da bekommt der Geist wieder Macht über alles Leibliche, da regieren wir mit Christo Jesu, da sind wir unsers Wandels und Anrechts an der himmlischen Stadt der erlösten, starken Geister Gottes gewis. Sehet Act. 4., wie man zusammenbeten muß, und wie sich der Erdboden unter der betenden Gemeine von Jerusalem bewegt! Denket daran, wenn ihr im Hause des Herrn zusammenkommet – und weil ihr nicht hinausgehen und den Heiden predigen könnet, so werdet eins und entschließet euch, dem Herrn in gemeinsamen Gebeten seine Verheißungen für die Heiden vorzuhalten und prediget in kindlichem Flehen dem
| Herrn Herrn von seinem gnädigen Willen und der Offenbarung Seiner Hirtenliebe, auf die wir warten. Das, meine Freunde, sind die seligsten Missionsstunden, wenn man in den Kirchen zusammen für das Heil der Heiden betet, – und solche Stunden haben wir bereits, dürfen sie nicht erst gewinnen. Wir kennen die Gebete, die in unsern Versammlungen gebetet werden. Wir wissen, wenn im öffentlichen Gebete die Bitte kommt für die Diener und Hörer des Wortes, die Gott in Seine Ärnte senden wolle und die er allbereits gesandt hat. Auf den Augenblick, wo diese Bitte erschallt, harre die Gemeine, die allen Heiden Heil und Frieden wünscht, – und wenn sie nun erschallt, da wollen wir die Worte mit dem Feuer unsers Herzens durchströmen, und das Opfer unsrer Lippen für der Heiden Heil dem Herrn mit heißer Inbrunst darbringen – und der Herr wird die kurze, aber volle Bitte, die wir einmüthig und einhellig thun, aufnehmen in Gnaden, und wir selbst werden spüren, daß wir in kurzer Frist eine große und heilige, eine mächtige, heilsame That gethan haben. – Und wenn wir einmal gehindert sind, liebe Brüder, im Hause des Herrn zum gemeinen Gebete gegenwärtig zu sein: wir kennen die Zeit, wo sich die Gemeine versammelt, und den Ton der Betglocke, welcher allen Abwesenden andeutet, daß die heilige Versammlung das Gebet des Hochgelobten betet, welche alle Abwesenden aufruft, in ihren Geschäften stille zu stehen und im Geiste sich mit der Versammlung zu vereinigen. Das Zeichen komme uns niemals unverstanden, jedesmal ersehnt, und wir wollen heute eins werden, wir seien in, wir seien außerhalb der Kirche, beim Schalle der Betglocke das heilichste Gebet auch als ein Opfer für die Heiden darzubringen.
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Thun wir das, meine Brüder, beten wir, lernen wir mit einander beten, lernen wir die selige Gemeinschaft des
| Gebetes kennen, üben und pflegen wir das kirchliche Gebet für die Heiden, dann bleiben die Gaben und irdischen Güter nicht aus, welche wir auf die Altäre Gottes zum Heile der Heiden niederlegen sollen. Wenn das Herz voll Gebetes ist, bleibt die Hand nicht ohne Gabe und selbst der Arme wird zuweilen sein Scherflein finden, dessen Gabe Jesus sieht und lobt. Die da ernstlich beten, werden im Geringeren nicht minderen Ernst beweisen. Beten ist eine größere That als Geben; es ist nicht möglich, daß einer beten könnte, ohne zu geben. Ein betend Herz kennt den wahren Reichthum und hat Freude daran, um Christi willen arm zu werden, welcher selbst arm geworden ist, um viele reich zu machen. Der, welcher Seinen heiligen Geist in unser Herz gibt, auf daß er uns beten lehre, schenkt uns denselben Geist auch dazu, daß wir frei werden von der Sclaverei des irdischen Besitzes und dem Herrn mit allem dienen, was wir haben und vermögen. Wer beten kann, würde gerne all seine Habe an ein Glas Narden wenden für Jesu Haupt; wie sollt er sie nicht anwenden zum Opfer, das dem Herrn ein süßer Geruch und im Trostbecher aller Heiden ein Tropfen werden kann.
So wenn es werden würde: wenn alle Christen ihre Pflicht darin erkennen und ihre Lust darin finden würden, den letzten Befehl des Herrn zu vollbringen; wenn jeder entweder ein Evangelist oder ein opfernder Priester zum Heile der Heiden würde: dann würde gute Zeit werden auf Erden und der Segen Abrahams würde mit Macht über die Heiden kommen. Ob es aber schon nicht allgemein so werden wird, so müsse es doch also werden im Kreise der Heiligen des Herrn, und die Deinen, o Herr Jesu, laß also thun. Ihr Leib, ihre Seele, ihr Hab und Gut sei Dein. Opfernd und im beständigen, heiligen
| Dienste laß uns leben und sterben. An Deinen Altären laß uns wohnen und bleiben: da gönne den irrenden Schwalben ihr Nest, bis wir von dannen fliegen und zu den Deinigen kommen und Dir ewiglich Opfer und Anbetung bringen mit allen erlöseten Heiden aus allen Landen und aus allen Völkern. Wer das begehrt, der spreche:
Amen.
Campescher Druck.