« Die Nacht am Strande Buch der Lieder (1827) Erklärung »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern) am linken Seitenrand.
Textdaten
Autor: Heinrich Heine
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Poseidon
Untertitel:
aus: Buch der Lieder, Die Nordsee, Erster Cyklus, S. 320–322
Herausgeber:
Auflage: 1
Entstehungsdatum: 1825–1826
Erscheinungsdatum: 1827
Verlag: Hoffmann und Campe
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Hamburg
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans der Ausgabe 1827 auf den Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]

[320]

V.

Poseidon.

     Die Sonnenlichter spielten
Ueber das weithinrollende Meer;
Fern’ auf der Rhede glänzte das Schiff,
Das mich zur Heimath tragen sollte;

5
Aber es fehlte an gutem Fahrwind,

Und ich saß noch ruhig auf weißer Dühne,
Am einsamen Strand,
Und ich las das Lied vom Odysseus,
Das alte, das ewig junge Lied,

10
Aus dessen meerdurchrauschten Blättern

Mir freudig entgegenstieg
Der Athem der Götter,
Und der leuchtende Menschenfrühling,
Und der blühende Himmel von Hellas.

15
     Mein edles Herz begleitete treulich

Den Sohn des Laertes, in Irrfahrt und Drangsal,
[321] Setzte sich mit ihm, seelenbekümmert,
An gastliche Heerde,
Wo Königinnen Purpur spinnen,

20
Und half ihm lügen und glücklich entrinnen

Aus Riesenhöhlen und Nymphenarmen,
Folgte ihm nach in kimmerische Nacht,
Und in Sturm und Schiffbruch,
Und duldete mit ihm unsägliches Elend.

25
     Seufzend sprach ich: Du böser Poseidon,

Dein Zorn ist furchtbar,
Und mir selber bangt
Ob der eignen Heimkehr.

     Kaum sprach ich die Worte,

30
Da schäumte das Meer,

Und aus den weißen Wellen stieg
Das schilfbekränzte Haupt des Meergotts,
Und höhnisch rief er:

     Fürchte dich nicht, Poetlein!

35
Ich will nicht im g’ringsten gefährden

Dein armes Schiffchen,
Und nicht dein liebes Leben beängst’gen
[322] Mit allzubedenklichem Schaukeln.
Denn du, Poetlein, hast nie mich erzürnt,

40
Du hast kein einziges Thürmchen verletzt

An Priamos heiliger Veste,
Kein einziges Härchen hast du versengt
Am Aug’ meines Sohns Polyphemos,
Und dich hat niemals rathend beschützt

45
Die Göttin der Klugheit, Pallas Athene.


     Also rief Poseidon
Und tauchte zurück in’s Meer;
Und über den groben Seemannswitz
Lachten unter dem Wasser

50
Amphitrite, das plumpe Fischweib,

Und die dummen Töchter des Nereus.