Pomologische Monatshefte:1. Band:7. Heft:Ueber die fragliche Identität von Liegel’s Dechantsbirn mit der Holzfarbigen Butterbirn

Pomologische Monatshefte
Band 1, Heft 7, Seite 308–311
Johann Georg Conrad Oberdieck
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Beiträge zur pomologischen Systematik
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Zur Beseitigung der Namenverwirrung in der Pomologie
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Ueber die fragliche Identität von Liegel’s Dechantsbirn mit der Holzfarbigen Butterbirn.

Der verdiente Herr Herausgeber der Thüringer Gartenzeitung, Freiherr von Biedenfeld, bringt in Nr. 45 und 46 der gedachten Zeitschrift 1854 einen Artikel, in welchem er seine, schon in seinem Werke über die Birnen, S. 140 geäußerte Vermuthung, daß Liegel’s Dechantsbirn von der Holzfarbigen Butterbirn verschieden sey, in Folgendem zu unterstützen sucht.

Zu der auf den 2.–4. Okt. d. J. nach Weimar berufenen Versammlung des Thüringischen landwirthschaftlichen Vereins habe er mit anderem Obste auch einige, von Hrn. Kaufmann Müller zu Züllichau erhaltene Exemplare von Liegel’s Dechantsbirn geliefert, die ihn vergewissert hätten, daß diese von der Holzfarbigen Butterbirn verschieden sey. Um zu sehen, ob auch Andere dasselbe bemerken würden, habe er die unschuldige Täuschung versucht, auf die Vorderseite der an die Birnen gebundenen Etiketten, Holzfarbige Butterbirn zu schreiben; doch habe bald ein befreundeter Obstkenner ihm gesagt, daß der Name falsch sey und die Frucht vielmehr Liegel’s Dechantsbirn sey, worauf er lächelnd die Kehrseite der Etikette mit dem rechten Namen herumgedreht habe. Ein paar Tage darauf habe er von dem Freunde nun auch Exemplare der Holzfarbigen Butterbirn erhalten, und habe sich folgender Unterschied ergeben:

Liegel’s Dechantsbirn: In allen 3 vorliegenden Exemplaren birnkegelförmig, 3–3¼ Z. hoch, 2½–2¾ Z. breit. Bauch über die Hälfte nach oben; nach dem Kelche kaum bemerkbar abnehmend, um den Kelch so flach gewölbt, daß die Frucht bequem aufstand. Kelchhöhle beinahe ganz seicht; Kelchwölbung einen Strahlenring von grauem, kaum bemerkbar rauhem Roste bildend. Kelch ziemlich klein kronenförmig, bräunlich dunkelgrau, genau in der Mitte sitzend. Nach dem Stiele verjüngten sich die Früchte mehr oder minder rein kegelförmig, und fand sich an allen 3 Früchten eine sehr kleine Stielhöhle, bei einer regelmäßig in der Mitte der stumpfen Spitze, bei den beiden andern sehr weit seitwärts gedrängt, so daß ein Theil der Stielwölbung beträchtlich höher war, als der andere; an einer Birne, rings um den 1 Zoll langen, holzigen, oben und unten verdickten Stiel, spärliche Rostflammen, an den beiden andern nur eine Rostwarze. Schale glatt, grünlich-gelb, nur an einer Frucht mit einer schwachen Hauchspur von Röthe auf der Sonnenseite. Punkte überall zahlreich, fein, graugrünlich; an allen einzelnen bräunlich-graue Rostflecken verschiedener Formen, an einer ringsum sehr viele und vielerlei, fast netzartige Rostfiguren, an den beiden andern nur sehr wenige. Der Strang vom Stiel nach dem Kernhause breit, anfangs fast holzig; Kernhaus kreisrund, mit 6 mittelgroßen, schmalen, länglichen, paarweise liegenden braunen Kernen; Kelchröhre sehr kurz, stark. Das Fleisch der erst halbreifen Birnen war sehr weiß, fein, saftreich, steinlos und verrieth bereits seinen erquickenden Zuckergeschmack.

Holzfarbige Butterbirn: Von gleicher Größe, in der Form mehr uneben und eigestaltig, indem die Verjüngung vom Bauch nach oben auffallender und an zweien so stark war, daß sie nur sehr wankend stehen blieben; die Spitze am Stiele an allen 3 Früchten stumpfer, breiter, beuliger; die Stiele etwas kürzer und dicker, etwas weniger holzig, die Schale an allen 3 Früchten etwas rauher, von trüberer Grundfarbe, mit stärkerem Roth an der Sonnenseite, viel reicher bekleidet mit Rostflecken und Rostfiguren, mit stärkeren Punkten. [309] Kelchhöhle etwas weiter; tiefer; Kelch größer; Kernhaus mehr eiförmig, Kerne breiter, dicker; Fleisch mehr grünlich-gelblich-weiß, saftreich, fein, noch ohne Wohlgeschmack.

Man muß für diese, im Interesse der Wissenschaft gemachten Bemerkungen dankbar seyn; doch sind die hier angegebenen Unterschiede nicht hinreichend, um Verschiedenheit der beiden gedachten Früchte zu erweisen, und glaube ich, die von mir und mehreren andern Pomologen statuirte Identität beider, durch Folgendes näher erweisen zu können.

Sowohl die Holzfarbige Butterbirn, als auch, mehrere Jahre später, die Liegel’s Dechantsbirn (welche nur der jüngere Diel in der 2. Fortsetzung des Catalogs bekannt gemacht hat, und nicht sagt, woher er sie bekommen habe), erhielt ich direkt von Diel. Wie ich sehr bald völlige Uebereinstimmung der sehr kenntlichen Vegetation beider Sorten in der Baumschule bemerkte, so zeigten sich auch 2 Jahre hinter einander die Früchte überein, und erbat ich mir daher, da Diel bereits verstorben war, die Liegel’s Dechantsbirn nochmals von Hrn. Dr. Liegel, vermuthend, daß dieser sie am ersten ächt haben werde. Er antwortete mir, daß er die von mir vermuthete Identität gleichfalls gefunden habe, und hat er auch noch in seiner Schrift: „Beschreibung neuer Obstsorten“, S. 61 und 62 bei Beschreibung der Liegel’s Dechantsbirn, sich in demselben Sinne wieder erklärt. Vergleicht man die hier gegebene genauere Beschreibung der Liegel’s Dechantsbirn mit der, welche Diel von der Holzfarbigen Butterbirn gegeben hat, so findet man, daß beide im Wesentlichen übereinstimmen, und die Frucht mit geringen, nicht wesentlichen Abweichungen so beschreiben, wie Freiherr von Biedenfeld vorstehend die Holzfarbige Butterbirn schildert, und ist die mehr zur Eiform sich neigende Form der Frucht, verbunden mit stärkeren Rostüberzügen und durchscheinender Röthe an stärker besonnten Exemplaren, auch die gewöhnlichere Form der Frucht. Dagegen habe ich in meinen Notizen über die Holzfarbige Butterbirn schon 1835, dann wieder 1840 und 1841, bei Früchten von Probezweigen und Topfbäumen (in letzterem Jahre hatte ich Früchte von 4½ Z. Höhe und 3¼ Z. Breite) ganz diejenigen Abweichungen in Form, Stiel, Stielspitze, Berostung, Röthe angemerkt, welche Freiherr von Biedenfeld oben bei der Liegel’s Dechantsbirn angibt. Ich ließ mir daher, um gewisser zu werden, die richtige Frucht zu haben, auch die Holzfarbige Butterbirn von einem zuverlässigen Pomologen nochmals kommen, und erhielt dieselbe Frucht. In Nienburg habe ich von einem kräftigen jungen Hochstamme der Holzfarbigen Butterbirn 4–5 mal reichlich 1 Himbten Früchte geerndtet, und fanden sich auf diesem Baume fast jedesmal Früchte von beiden obgedachten Formen, wobei dann auch Form des Kernhauses, Stiel etc. sich mehr oder weniger etwas abändert. Nach Naumburg habe ich in vorigem Jahre in einer Sammlung von circa 300 Obstsorten, die ich möglichst instructiv zu machen suchte, von dem gedachten jungen Baume 3–4 schöne, vollkommene Früchte gesandt, die ganz die beiden, vom Freiherrn von Biedenfeld geschilderten Verschiedenheiten der Frucht repräsentirten. Nur auf einem Probezweige, einer ohne Namen von v. Mons erhaltenen Frucht (die indeß doch ohne Zweifel die Holzfarbige Butterbirn seyn wird), habe ich constanter wenig berostete, fast gar nicht geröthete, um den Kelch stärker abnehmende, gut aufstehende Früchte gehabt, weßhalb ich, wenn gleich dieß von der Lage des Probezweiges und andern Umständen herrühren kann, diese [310] Sorte noch weiter beobachtet und auch hier wieder auf Probezweige gebracht habe. Daß es nicht wenige Früchte gibt, die gern zweierlei Form annehmen, und daß namentlich das stärkere oder wenigere Berostetseyn der Früchte, je nach den Umständen, sehr variirt, ist bekannt, und auch die von Freiherrn von Biedenfeld erwähnte Verschiedenheit des Fleisches erklärt sich leicht dadurch, daß die zu Züllichau, wo selbst Wein im Freien gebaut wird, gebrochenen Früchte in der Reife, zur Zeit, als sie gebrochen wurden, schon weiter vorgeschritten waren, als die bei Weimar gebrochenen. Es ist überhaupt sehr mißlich, nach wenigen übersandten Früchten über Verschiedenheit oder Identität von Obstsorten irgend etwas zu bestimmen. Man muß dazu nicht nur die Vegetation der Bäume genauer verglichen haben, sondern muß auch zugleich gebrochene, auf demselben Boden, wo möglich selbst auf demselben Baume auf neben einander befindlichen Probezweigen erwachsene, in der Reife gleichmäßig vorgeschrittene Früchte haben, wenn man gewisser werden will. Bei der Holzfarbigen Butterbirn ist ein hauptsächlich charakteristisches Kennzeichen, neben dem ziemlich merklich gezuckerten, leicht gewürzten Geschmacke, der Umstand, daß die ziemlich plattgedrückten Kerne, wenn die Frucht nicht am Baume reif geworden ist, schmutzig gelblich-braun sind, was auch sowohl Diel als Liegel bei Beschreibung der Holzfarbigen Butterbirn und Liegel’s Dechantsbirn angeben, wobei die Länge der Kerne sich etwas mit der Gestalt der Frucht verändert, so daß sie meistens eiförmig, oft aber länglicher sind.

Ich habe in meiner Schrift: „Anleitung zur Kenntniß und Anpflanzung des besten Obstes für das nördliche Deutschland“ mehrere Beispiele angeführt, wie bei Obstfrüchten, wo ich anfangs sichtbare Verschiedenheit zu finden glaubte, später doch, wenn sie auf denselben Probebaum kamen, sich Identität zeigte. Eins der auffallendsten Beispiele fand sich an der, von Diel Herrnhauser deutscher Pepping genannten, im Hannover’schen verbreiteten trefflichen Frucht. Ich fand diese an einem krebsigen Spalier an der Wand in Nienburg, klein, nicht welkend, mit stark und freundlich gerötheter Backe, und nahm sie unter dem Namen Kleiner Goldnonpareil in meine Baumschule. Von einem andern Baume in Bardowick und bei Nienburg hatte ich die Frucht um 1/3 größer, ein wenig welkend, wie die vorige platt, mit weiter schüsselförmiger Kelchsenkung, ohne alle Röthe, die ich öfter als Hoyaischer Goldpepping, anfangs als Von Duvens Nonpareil an pomologische Freunde versandte; und von einem 3. kräftigen Baume im Garten meines Vaters hatte ich wieder dieselbe Frucht, die ich als Wilkenburger Goldpepping in der Baumschule aufnahm, gleichfalls ohne Röthe, nicht welkend, aber in der Mehrzahl der Exemplare fast oder wirklich hoch aussehend und am Kelche etwas weniger stark vertieft. Auf denselben Probebaum des Weißen Sommercalvills gebracht, weil ich große Uebereinstimmung des Wuchses der Bäume in der Baumschule bemerkte, haben darauf alle 3 Sorten an groß gewordenen Probezweigen mir mehrmals je 20–30 Früchte von der 2. gedachten Form, ohne Röthe gebracht.

Da gerade von fraglichen Identitäten die Rede ist, so will ich noch erwähnen, daß in dem Cataloge der reichhaltigen Baumschule des Herrn Seebadbesitzers Behrens zu Travemünde ich lese, daß der dort verbreitete Nonnenapfel, welchen ich für identisch mit dem Prinzenapfel, Bunten Langhans etc. erklärt habe, sich den [311] ganzen Winter hindurch halte, und keine Herbstfrucht sey. Meine Angabe stützte sich auf Früchte, welche Hr. Kunstgärtner Hartwig zu Lübeck vor mehreren Jahren mir sandte, die völlig der hiesige Prinzenapfel waren, und an denen ich auch, wahrscheinlich weil der Sommer warm gewesen war, nicht eben längere Dauer bemerkt habe; so wie auch die Vegetation der jungen Bäume in der Baumschule dieselbe ist. Ohne Zweifel liegt die längere Dauer nur an Lübecks nördlicherer Lage; wie z. B. auch bei uns der Rothe Herbstcalvill, der, wenn er am Baume ziemlich reift, sich nicht viel über 4 Wochen hält, dann aber delikat schmeckt, in kühlen Jahren sich bis Weihnachten oder Ende Januar hält. Ich werde aber auf die angegebene Verschiedenheit weiter aufmerksam seyn, und Probezweige auf denselben Baum neben einander bringen.

Jeinsen, im December 1854.