Philipp Otto Runge an Gustaf Runge (7. Januar 1806)
An seinen Bruder Gustaf in Wolgast.
– – – Wenn du mir die verlangten Sachen schicken kannst, so thue es; ich will dir dafür gelegentlich zwey Löögschen[1] senden, die ganz außerordentlich schön und complet sind, wenn ich nur Zeit finde, sie aufzuschreiben. – – Es sollte mir nur sehr leid thun, lieber Gustaf, wenn du dir zu große Vorstellungen von dem Bilde[2] gemacht hättest und bey deiner Ankunft so wenig darin gefunden; es gelingt mir schon weit Besseres wie das, und doch ist es eigentlich noch all nichts, wenn ich mir dies als das Ziel denken sollte, und das als die Würkung von allem Arbeiten, was ich so practisch für meine Person würde erreichen können; ich müßte verzagen, und die Leute hätten Recht, die dann fragten, wozu der Menschheit denn dieses Ganze nütze? [63] Die Frage zu beantworten, wird eigentlich jede Arbeit gemacht und sie muß doch wohl beantwortet werden können, denn unnütz, und zwar ohne einen großen Nutzen kann eine Sache nicht seyn, deren sich die geistvollsten Menschen bedient haben, um ihre besten Gedanken auszusprechen. Ich hoffe zu Gott, auf den ich mich verlasse (und gewiß glaube, daß jede Wissenschaft, die in die erschaffene Natur eindringt, einmal bis zur Blume und Frucht gedeiht), daß es mir möglich seyn wird, einst den herrlichen Zusammenhang der Farben so anschaulich darzustellen, daß sie, so wie die Musik, nur ihn loben, wie er es nur würdig ist, der einzige Inhalt aller Erkenntniß zu seyn.