Petrikowsky & Comp. in Schedewitz-Zwickau, Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei
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Auf jener Stelle, wo sich heute die großen Anlagen der Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei der Firma Petrikowsky & Comp. in Schedewitz bei Zwickau ausdehnen, wurde schon im Jahre 1825 Kammgarn gesponnen. Da jedoch die Dampfkraft noch nicht der Textil-Industrie in Deutschland dienstbar gemacht war, mußte das Muldenwasser als Triebkraft zur alleinigen Benutzung dienen. Es ist ja bekannt, daß unsere Textil-Industrie erst verhältnismäßig spät die Dampfkraft als Betriebskraft zur Anwendung brachte, was hauptsächlich in der späteren Benutzung der technischen Hilfsmaschinen seinen Grund hatte.
Mit Benutzung des Muldenwassers als ausschließliche Betriebskraft hatten also im Jahre 1825 bereits und zwar an einem und demselben Mühlgraben der Mulde, am rechten Ufer desselben ein Franzose Charbonnier und am linken Ufer Herr J. G. Haentze aus Ronneburg Kammgarnspinnereien errichtet. Letzterer hatte zu diesem Behufe die auf dem linken Ufer des Grabens gelegene Mühle gekauft und für seine Zwecke eingerichtet.
Im Jahre 1835 kauften die Herren Major August von Petrikowsky und der Königl. Sächs. Landes-Oberforstmeister von Leipziger, welche bereits seit einigen Jahren eine Kammgarnspinnerei in Chemnitz unter der Firma Petrikowsky & Comp. betrieben hatten, die Fabrik von Charbonnier und noch im nämlichen Jahre – am 1. September 1835 – associierten sie sich mit Haentze & Comp. unter der Firma Petrikowsky & Comp. –
Die jetzige Firma Petrikowsky & Comp. in Schedewitz ist demnach im Jahre 1835 gegründet worden und hat schon im Jahre 1885 das fünfzigjährige Jubiläum gefeiert. Das Etablissement ist also eine der ältesten Kammgarnspinnereien des Königreichs Sachsen.
Außer den obengenannten Fabrikgebäuden in Schedewitz besaß die Firma noch für einzelne Nebenbetriebe anderweitig Fabrikräume. So wurde bis zum Jahre 1850 die Sortierung der Rohwolle, welche fast ausschließlich in Pommern und Mecklenburg gekauft wurde, in Berlin vorgenommen, während die Wäscherei und Kämmerei – damals nur Handkämmerei – in Albernau bei Schneeberg, wo allein ca. 1000 Menschen beschäftigt wurden, sich befanden.
In Schedewitz befand sich bis zum Jahre 1854 ausschließlich die Spinnerei; in diesem Jahre aber wurden die ersten mechanischen Kämm-Maschinen aus England hierher gebracht und in Betrieb gesetzt, und nachdem 1855 eine Feuersbrunst die Kämmerei zu Albernau zerstört hatte, wurde der gesamte Betrieb, Wollsortierung, Kämmerei und Spinnerei in Schedewitz centralisiert, sodaß nunmehr der ganze Betrieb in einem einzigen Fabriken-Komplex untergebracht war.
Die Leitung der Firma wird vertragsmäßig immer nur von einem der Teilhaber geführt. Bis zum Jahre 1849 war Herr J. G. Haentze dieser geschäftsführende Teilhaber. Von 1849 bis 1880 hatte der Schwiegersohn des vorherigen, der Königl. Sächs. Kommerzienrat A. Dautzenberg die geschäftliche Leitung geführt und seit 1880 ist es der Schwiegersohn des Letzteren, Herr Emil Kreller, welcher das Etablissement mit geschäftlicher Routine, großer Umsicht und unermüdlicher Pflichttreue leitet. Gelegentlich des fünfzigjährigen Geschäftsjubiläums der Firma geruhte Se. Majestät König Albert, Herrn Emil Kreller ebenfalls zum Königl. Sächs. Kommerzienrat zu ernennen.
Die Nachkommen der Begründer der Firma sind zur Zeit noch Teilhaber derselben und zwar:
1. aus der Familie des Mitbegründers Herrn J. G. Haentze stammend: die Herren Kommerzienrat Emil Kreller, Carl und Alfred Dautzenberg, die beiden Letzteren im Geschäft thätig und Enkel des Herrn J. G. Haentze,
2. aus der Familie des Mitbegründers Herrn Major August von Petrikowsky stammend: die Herren Rittergutsbesitzer Hans von Trebra, sowie die Majore z. D. Curt und Ewald von Trebra, als Enkel des Herrn Major August von Petrikowsky,
3. aus der Familie des Mitbegründers, des Herrn Königl. Sächs. Landes-Oberforstmeisters von Leipziger stammend: der Kammerherr Sr. Majestät des Königs Albert von Sachsen, Herr Curt von Leipziger als Sohn, und der Kammerherr Sr. Majestät des Deutschen Kaisers Wilhelm I., Herr [Ξ] Carl von Leipziger-Kropstaedt, Frau Oberhofmeister von Watzdorf, Excellenz und Frau Staatsminister von Metzsch, Excellenz, als Enkel resp. Enkelinnen des Herrn Landes-Oberforstmeisters von Leipziger.
Es sind demnach zur Zeit 10 Teilhaber der Firma Petrikowsky & Comp. vorhanden. Wie aus den vorstehenden Personalnotizen ferner hervorgeht, hat die geschäftliche Leitung der Firma bisher in der Familie des Mitbegründers Herrn J. G. Haentze fortgeerbt.
Die Einrichtungen des Fabrik-Etablissements sind durchweg vorzügliche. Seit der Einführung der Kämm-Maschinen ist auch der Dampfbetrieb eingeführt. Gegenwärtig besitzt das Etablissement außer zwei im Jahre 1884 eingebauten Turbinen von 120 Pferdekräften, eine treibende Dampfkraft von 850 Pferdekräften, welche durch 3 Maschinen und 8 Kessel erzeugt wird. 700 Arbeiter, sämtlich über 16 Jahre alt, sind in der Fabrik beschäftigt und fabrizierten im Jahre 1890 ca. 1 100 000 Kilo Kammgarn, welches fast ausschließlich in Deutschland und hauptsächlich in den benachbarten Industrie-Orten abgesetzt wurde.
Eine eigene Gasanstalt, in welcher die Rückstände der Wollwasch-Wässer zusammen mit Kohle vergast werden, sowie drei Dynamo-Maschinen sorgen für Erzeugung von Gas und Elektrizität zur glänzenden Erleuchtung sämtlicher Fabrikräume.
Die jetzige Firma Petrikowsky & Comp. hat sich bisher prinzipiell niemals an Ausstellungen beteiligt; wohl aber hatten die Firmen Haentze & Comp. und Petrikowsky & Comp. im Frühjahr 1835 – also kurz vor ihrer Verschmelzung – einzeln die Ausstellung in Dresden beschickt, und dort erhielt die erstgenannte Firma die große, die letztgenannte die kleine goldene Medaille.
Eine besondere Aufmerksamkeit widmet die Firma dem Wohlergehen ihres Arbeiterpersonals, infolge dessen die Firma sich einen Stamm langjähriger, thätiger und zuverlässiger Arbeiter herangezogen hat, deren Verhältnis zur Prinzipalität ein sehr befriedigendes ist. Die letztere hat es aber auch an Nichts fehlen lassen, um allen billigen Forderungen zu entsprechen. Nicht nur sind die Schutzvorrichtungen zur Verhütung von Betriebsunfällen in vollendetster Beschaffenheit, allen Anforderungen der Neuzeit entsprechend, vorhanden, auch für eintretende Notfälle des Arbeiterpersonals sind Einrichtungen getroffen worden. – So besteht seit ca. 10 Jahren für die Arbeiter der Fabrik eine Sparkasse, in welcher z. Zt. ca. 18 000 ℳ Spareinlagen, welch zu 4% verzinst werden, angesammelt sind. Ferner wurde gelegentlich des 50jährigen Geschäftsjubiläums durch Schenkung von den Teilhabern der Firma eine Witwen- und Waisen-Unterstützungskasse für die Arbeiter der Fabrik gegründet, welche gegenwärtig bereits unterstützend wirkt und ein in Staatspapieren angelegtes Vermögen von ca. 60 000 ℳ besitzt.
Die Fabrik-Krankenkasse unterstützt erkrankte Arbeiter auf die Dauer von 40 Wochen; nach Ablauf dieser Frist zahlt die Firma aus eigenen Mitteln eine Unterstützung in Höhe des Krankengeldes. Dieser Betrag wird auch den durch Alter oder aus andern Ursachen erwerbsunfähig gewordenen Arbeitern bis an ihr Lebensende gezahlt.
Es ist selbstverständlich, daß bei einem so großen Etablissement, das auf eine längere als 50jährige Thätigkeit mit Stolz zurückblicken kann, auch eine Anzahl Arbeiter sich befindet, die sich einer langjährigen unermüdlichen Dienstzeit rühmen darf. Von solchen treuen Arbeitern und Arbeiterinnen, die dem Etablissement über 30 bis 50 Jahre ununterbrochen gedient haben, wurden nacheinander sechs mit der großen Medaille für Treue in der Arbeit von Seiten des Königl. Ministeriums des Inneren ausgezeichnet, während die Firma selbst im Jahre 1885 allen länger als 25 Jahre im Geschäft thätigen Arbeitern größere Geldbeträge als Ehrengabe zahlen ließ.
Eine besondere Ehre wurde dem Etablissement durch den Besuch Sr. Majestät des hochseligen Königs Johann im Jahre 1862 zu teil. Auch Se. Excellenz der Herr Minister des Inneren von Nostitz-Wallwitz beehrte das Etablissement am 11. Februar 1887 mit seinem Besuche.
Wir können den kurzen Abriß über die Geschichte und die Einrichtung des weltberühmten Etablissements der Firma Petrikowsky & Comp. in Schedewitz nicht schließen, ohne nochmals des hohen Rufes zu erwähnen, den sich dasselbe durch seine sehr bedeutende Leistungsfähigkeit sowohl bezüglich der Quantität als auch besonders der Qualität der gelieferten Fabrikate zu erfreuen hat. Unser engeres Vaterland kann mit berechtigtem Stolze auf dieses bedeutende industrielle Etablissement blicken, das unter den großen und leistungsfähigen seiner Branche auf dem ganzen Kontinent in erster Linie genannt wird!