Pestgeschrei und Schloßbrand

Textdaten
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Autor: Otto Beneke
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Titel: Pestgeschrei und Schloßbrand
Untertitel:
aus: Hamburgische Geschichten und Sagen, S. 238–241
Herausgeber:
Auflage: 2. unveränderte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Perthes-Besser & Mauke
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Erscheinungsort: Hamburg
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Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
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80. Pestgeschrei und Schloßbrand.
(1564.)

Da kurz vor Weihnachten 1564 zu Gottorp die Hochzeit des Fürsten Adolf sollte gefeiert werden mit des Landgrafen Philipp zu Hessen Tochter Christina, so kam die fürstliche Braut nebst ihren zwei Brüdern und Gefolge, 300 Pferde [239] stark, am 13. December zu Bergedorf an, willens durch Hamburg zu reisen. Der voraufgeschickte Courier aber, als er durch die Steinstraße ritt, traf es so wunderlich, daß ihm zufällig fünf oder sechs Leichenzüge begegneten, was in einer großen Stadt wie Hamburg noch nichts Auffälliges ist. Der ehrliche Hesse aber, in dessen Heimathsort vielleicht nur alljährlich fünf bis sechs Menschen starben, vermeint nicht anders, als daß Pestilenz und Viehsterben ganz grausam in Hamburg wüthet, wirft also kurz resolvirt seinen Gaul herum und galloppirt spornstreichs zur Stadt hinaus nach Bergedorf zurück, wo er seine Hiobspost ganz kläglich vermeldet. Darob geriethen die Fürstlichkeiten in einige „Verstörzung,“ änderten ihren Weg, vermieden Hamburg und ritten bei Fuhlsbüttel über die Alster.

Dies war E. E. Rathe empfindlich zu vernehmen, nicht nur der vorbeigegangenen Ehre wegen, sondern auch des Schadens halber, den löbliches Commercium dabei zu befahren hatte, wenn das Pestgeschrei allzufrühe auskäme. Denn leider Gottes war’s nicht ganz ohne, und die Seuche wirklich in Anmarsch, obschon der Courier davon nichts wissen konnte, der gleichwohl unbewußt eine feine Nase gehabt haben muß. Und da zur Hochzeit nach Gottorp mit Glückwünschen und Geschenken der Bürgermeister Hermann Wetken und der Rathmann Jeronymus Hüge reiseten, so überzeugten diese die Hessischen Herrschaften bald, daß ihr Courier ein Esel und Hasenfuß, und nichts an seiner Geschichte wahr sei.

Darum kamen dann auch die beiden Hessen-Prinzen auf ihrer Rückreise am heil. Christtage Morgens 10 Uhr nach Hamburg. Und auf E. E. Raths Befehl mußten in St. Petri- und in St. Nicolai-Kirchspiel ein paar Schock Bürger aus der Kirche bleiben, um in ganzer Rüstung und vollem Harnisch Ihre Hoheiten am Millernthore zu empfangen, woselbst [240] sie von etlichen Herren des Raths becomplimentirt wurden. Die jungen Fürsten hatten noch niemals ein Seeschiff gesehen, baten deshalb, man möchte ihnen eins weisen, worauf sie von Michel Plate durch den Rödingsmarkt nach den Kajen geführt wurden, woselbst sie die großen Schiffe liegen sahen, auch eins in Augenschein nahmen, was Alles sie gar sehr in Erstaunen gesetzet hat; von da marschirten die Prinzen immer in stattlicher Geleitschaft nach dem Rathhause, wo sie sich einen Ehrenwein gefallen ließen, gingen dann zum Dom, den sie beaugenscheinigten, und von da strax zum Steinthor hinaus, allwo das Reise-Gefolge ihrer harrte. Und da sie doch dem Frieden in der Stadt nicht trauen mochten, und begehret hatten, in Bergedorf zu speisen, so hatte der Herrenschenk auf E. E. Raths Befehl zuvor genugsamen Proviant dahin bringen und daselbst ein artig Mahl anrichten lassen, was der Stadt Hamburg Ehre machte. Bald darnach brach wirklich eine gefährliche Pest in Hamburg aus, die viele Menschen hinwegraffte.

Während der Zeit die Hessen-Prinzen heimreis’ten, wär’s ihrer Frau Schwester, der jungen Herzogin aus Gottorp, fast übel ergangen. Denn am Silvester-Abend gab ihr Gemahl ein gar herrlich Banquet zu Ehren der fremden Hochzeitsgäste, darunter zwei Spanische Grafen. Da sie sich müde gegessen, getrunken und getanzt, gehen sie allzumal schlafen. Derweil nun kein Mensch im Schlosse wacht, als einzig ein Stallbub bei den Rossen, merkt dieser, daß ein Feuer in den fürstlichen Zimmern auskommt, und thut einen Schuß zum Allarm, davon der Herzog erwacht und die Seinigen geschwind auf die Beine bringt. Weil nun aber die Dienerschaft und Hofleute, theils wegen der 14-tägigen Festivitäten todtmüde, theils auch, weil sie insgesammt mehr denn ziemlich berauschet ins Bette gekommen waren, äußerst schwierig zu Gange kamen, so nahm [241] das Feuer dergestalt überhand, daß die fürstlichen Personen und Hofdamen nur mit genauester Noth baarfuß und nacket oder im blanken Hemde beim grausamen Winterfrost, über Wall und Graben hin, ihr Leben salviren konnten. Was dabei an fürstlichen Kleidungen und kostbaren Zierathen verbrannte, das ist nicht zu sagen. Und wäre der Stallbub’ nicht zufällig nüchtern gewesen, und hätt’ er nicht grade einen geladenen Musquetonner zur Hand gehabt, so wäre das ganze Schloß mit Mann und Maus schmählich zu Tode geschmäuchet, und ein schmerzlich Neujahr wäre über das Land aufgegangen.

Unter den jungen Hoffräuleins hat’s etliche schämerige gegeben, die sich anfangs gesträubt haben, so fast im Stande der Unschuld aus dem Schlosse zu weichen und unter die Mannsleute zu gehen. Aber die alte Herzogin hat zu ihnen gesagt: „dumm Tüg.“

„Beter is’t, naket up’t Ys to rennen,
Als hier in dat höllische Füür to verbrennen.“

Und damit ist denn die ganze Schaar der weißen Lämmlein, wie beschrieben, unter einem so erschrecklichen Zetergeschrei hinausgestürzet über den Hof u. s. w., daß die Mannsbilder entsetzt auseinander gestäubt sind.

Anmerkungen

[384] Nach Beckendorp’s handschriftl. Chronik. Des Gottorp’schen Schloßbrandes gedenken alle Schlesw.-Holst. Geschichtschreiber.