Pabst Benedict V. in Hamburg
Als Kaiser Otto der Große im Jahre Christi 965 wiederum einen Römerzug that, da setzte er den vom Volke zu [12] Rom ihm zum Trotz erwählten Gegen-Pabst Benedict V. ab, und übergab ihn zur Aussicht dem Hamburgischen Erzbischofe Adaldag, der ihn begleitet hatte. Adaldag, ein geborner Herr von Mayendorf, welcher im Jahre 936 an des Unno Stelle Erzbischof über Bremen und Hamburg geworden war, hatte zuvor dem Kaiser Otto als Kanzler wohl gedient, darum begehrte derselbe auch schon 962 bei seinem Zuge nach Italien seinen Beistand, und behielt ihn bei sich, so daß Adaldag nur aus der Ferne sein Erzstift verwalten konnte, wie er denn z. B. die vom heiligen Anschar gegründete berühmte Domschule verbesserte und zu ihrem obersten Lehrer und Rector den gelehrten Diethhelm bestellte. Aber im Jahre 965 beurlaubte der Kaiser seinen treuen Kanzler, den Erzbischof, damit er nach Hamburg heimkehre, und befahl ihm die Obhut über Benedict V., der sein Vaterland lassen und ins Exil gehen mußte.
Also kam nun der verbannte Pabst nach Hamburg, wo er vom Erzbischof in hohen Ehren gehalten und wohl gepfleget wurde, denn er war ein frommer gelehrter Herr, der des apostolischen Stuhles wohl würdig gewesen wäre, wenn er diese Würde nur in keiner so ordnungswidrigen Weise, vom Volke zu Rom, erlangt hätte. Der arme geistliche Herr konnte wohl unser rauhes Wetter nicht vertragen, da er’s milder gewohnt gewesen war, und manchmal soll er fröstelnd zur Sommerszeit zu seinem Caplan, einem Hamburgischen Bürgerssohne, gesagt haben, „bei Euch Hyperboräern kann kein Italisch Herz warm werden.“ Der arme verbannte Kirchenfürst mochte aber noch mehr an Gram und Kummer über sein Unglück leiden, was an seinem Italischen Herzen noch mehr nagte, als die hyperboräische Kälte! Aber fromm und gottesfürchtig war sein Wandel, so lange er noch in Hamburg unter den Lebenden weilte, Allen, Geistlichen wie Layen, zu [13] einem erbaulichen Exempel. Täglich zu mehreren Malen betete er in den Kirchen und Kapellen, beichtete oft und verzieh von Herzen seinen Widersachern, übte auch eine große Mildigkeit gegen Arme und Kranke, wurde aber immer bleicher und schwächer.
Und in jenen Tagen hat er viel Nachdenkliches geweissagt, nämlich, daß er hieselbst bald sterben und sein Leib begraben werden würde, daß dann eine schreckliche Zerstörung und Verwüstung dem Stifte und der Stadt Hamburg bevorstehe, daß wilde Thiere in deren Trümmern hausen würden und daß auch das ganze Land, so lange sein Leib darin begraben liege, den Frieden nicht sehen würde; daß aber dereinst seine Gebeine in seine theure Heimath nach Rom versetzet, und daß alsdann durch die Fürsorge der päbstlichen Macht die Heiden und sonstigen feindlichen Widersacher Hamburgs völlig besiegt und vertrieben werden würden, worauf Wohlfahrt und Glück wieder einkehren dürfe.
Und also ist es gekommen. Der fromme Herr Benedict wurde bald so krank, daß er nicht mehr die Kirchen besuchen konnte und am 4. Juli desselben Jahres 965, da er hieher gekommen, entschlief er in dem Herrn sanft und ergeben, und ward begraben von allen Kapitels- und Ordens-Geistlichen mit ernster Pracht im Chore der Domkirche, und ward beweint von allen Frommen und von allen Armen. Man sagt, daß der Kaiser ihn grade habe aus St. Peters-Stuhl zurückrufen wollen, als sein früher Tod dazwischen getreten sei.
Darnach aber ist eine große Verheerung ins Land gekommen, erst durch die Normannen, oder wie man sie damals nannte, die Askomannen, d. h. die aischen (bösen) Männer; darnach durch die Wenden und Slaven, welche noch schrecklicher wütheten mit Feuer und Schwert und barbarischer Grausamkeit, Hamburg von Grund aus zerstörten, Geistliche [14] und Bürger mordeten oder in die Sklaverei schleppten, den Dom einäscherten und entsetzliche Greuel verrichteten.
Inzwischen aber waren nach etlichen 30 Jahren die Gebeine des verstorbenen Pabstes mit Erlaubniß Kaisers Otto III. nach Rom gebracht und daselbst feierlich bestattet. Und da begann auch der letzte Theil von Benedict’s Weissagung wahr zu werden, denn vom Kaiser, aus päbstliches Andringen unterstützt, führte der Sachsen-Herzog Benno oder Bernhard II. einen glücklichen Krieg gegen die Wenden und Slaven, die er siegreich unterjochte. Alsbald wurde Hamburg durch den Herzog und den Erzbischof Unwannus wieder ausgebauet und die Stadt erblühte schöner als zuvor, Glück und Segen kehrten von neuem ein, wie der fromme Pabst es vorher verkündigt hatte.
Derselbe, den man noch jetzt in der katholischen Christenheit als einen Märtyrer und Heiligen verehrt, hat später in Hamburg ein Denkmal erhalten. Da sein Gedächtniß noch nach Jahrhunderten frisch geblieben, so errichtete die dankbare Nachwelt ihm ein Monument in der Domkirche, an der Stelle, wo vordem seine Gebeine geruhet hatten, ehe sie nach Rom gebracht wurden; es soll ein steinerner Sarcophag mit Bildwerken und Inschriften gewesen sein. Gott weiß, wann und wie er verfiel oder zerstört wurde. Aber darnach wurde er durch ein anderes Denkmal ersetzt, an derselben Stelle, das bestand in einem Grabsteinbild, 1 Fuß erhaben aus dem Boden hervorragend, worauf das päbstliche Bild im Ornat, und rings herum Bilder von Aposteln, Heiligen, kämpfenden Ritterfiguren nebst einer Inschrift in Mönchsbuchstaben, zu sehen war. Dies Denkmal hat gestanden, so lange der Dom stand, Vor 50 Jahren haben noch Manche unter uns es gesehen. Nun ist es auch dahin, – als der Dom Ao. 1805 abgetragen wurde, mögen viele Wenden und Slaven, Abkömmlinge jener [15] alten Zerstörer des alten Doms, unter den Werkleuten gewesen sein, – die haben der angestammten Zerstörungslust gern nachgegeben und ihren Vorfahren darin Ehre gemacht; unsäglich viele Alterthümer und Kunstwerke, die im Dom bewahrt wurden, sind seitdem verschwunden, untergegangen, vernichtet. Abbildungen dieses Denkmals kann man in den älteren Hamburgischen Geschichtswerken finden.
Anmerkungen
[374] Domherr Meyer’s Blick auf die Domkirche S. 61. Adam von Bremen II. 10; von Hövelen, Hamburgs Hoheit etc. S. 141.