Otto von Corvin-Biersbitzky †

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Titel: Otto von Corvin-Biersbitzky †
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aus: Die Gartenlaube, Heft 12, S. 215
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[215] Otto von Corvin-Wiersbitzky †. In Wiesbaden starb in der Nacht vom 2. zum 3. März ein alter Vorkämpfer der Revolution von 1848, Oberst von Corvin, der auch in früheren Zeiten ein Mitarbeiter unseres Blattes gewesen. In seinem vierbändigen Memoirenwerk „Erinnerungen aus meinem Leben“ hat er selbst mit großer Offenherzigkeit volle Aufschlüsse über seine zum Theil abenteuerlichen Lebensschicksale gegeben, und zwar ohne jede Schönfärberei. Otto von Corvin war am 12. Oktober 1812 in Gumbinnen geboren, wo sein Vater als Postdirektor lebte. Seine Familie leitet er von dem altrömischen Patriciergeschlecht der Valerier ab, namentlich von Marcus Valerius, der im Jahre 349 v. Chr. nach seinem Zweikampfe mit dem gallischen Goliath den Beinamen Corvus erhalten; auch die Messalina rechnet er zu seinen Ahnfrauen, ebenso ist der ungarische König Matthias Corvinus einer seiner Ahnen. Der Sprößling der alten Römer kam 1824 in das Potsdamer Kadettenhaus, wurde dann als Officier nach Mainz versetzt, wo er verschiedene Liebesabenteuer mit Mainzer Bürgermädchen und Französinnen bestand, die er selbst mit der Grazie eines Novellisten erzählt. Hier schloß er Freundschaft mit Friedrich von Sallet, später vielgenannt als Dichter des „Laienevangelium“, der damals wegen einer militärischen Humoreske zu einer kurzen Festungsstrafe verurtheilt worden war. Das Beispiel Sallet’s brachte auch ihn auf den Gedanken, Schriftsteller zu werden; er dichtete ein fünfaktiges Trauerspiel, „Die Hunyaden“, das erst neuerdings im Druck erschienen ist.

Ein anderer Freund von ihm war der spätere Berliner Demagog Held, der auch damals preußischer Lieutenant war. Aus diesem Kreise freigeistiger Officiere schied Corvin bald aus; er nahm seinen Abschied und siedelte nach Leipzig über, wo sich damals eine Litteraturkolonie zusammengefunden hatte, deren Häuptlinge Heinrich Laube, Robert Heller, C. Herloßsohn waren; auch Held hatte sich nach seiner Pensionirung hier niedergelassen und gab die „Lokomotive“ heraus, an welcher Corvin fleißig mitarbeitete. Daneben war dieser auch Begründer einer Schwimmanstalt, Buchhändler und Kaufmann.

Bei einer Geschäftsreise nach Paris gerieth er gradewegs in die Februarrevolution von 1848, an der er sich denn ohne Weiteres tapfer betheiligte. Hier machte er auch die Bekanntschaft von Herwegh, wurde Mitglied der deutschen demokratischen Gesellschaft und machte den ersten badischen Freischarenzug mit, den Vorläufer des großen Aufstandes, welcher für Corvin’s Leben von einscheidender Bedeutung wurde: das Bombardement von Ludwigshafen und die Vertheidigung von Rastatt fanden unter seiner militärischen Oberleitung statt. Diese Festung mußte sich zuletzt auf Gnade und Ungnade ergeben. Die Führer des Aufstandes wurden durch ein Kriegsgericht zum Tode verurtheilt und erschossen; den Freunden Corvin’s gelang es, das über ihn gefällte Todesurtheil in eine sechsjährige Zuchthausstrafe zu verwandeln.

Von seinen Leiden und Stimmungen, von seiner Demüthigung und Zerknirschung im Zuchthaus giebt uns Corvin in seinen Memoiren ein mit der anschaulichsten Detailmalerei ausgeführtes Bild. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängniß zu Bruchsal ging er 1855 nach London und 1861 als Korrespondent der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ auf den nordamerikanischen Kriegsschauplatz. Später trat er in die Armee der Union und wurde dann im Bankbureau des Schatzamtes sowie im Patent-Office beschäftigt, wo er Karten zeichnete. Im Jahre 1867 ging er als Korrespondent der „New-York-Times“ nach Berlin, von wo er als militärischer Berichterstatter der „Neuen Freien Presse“ im Jahre 1870 sich nach Frankreich begab; wenn er hier von den deutschen Officieren im Hinblick auf seine Vergangenheit bisweilen nicht allzuglimpflich behandelt wurde, so entschädigte ihn dafür eine Begegnung mit Bismarck, der ihm sehr freundlich entgegenkam. Seit 1874 lebte Corvin wieder in Leipzig, mit schriftstellerischen Arbeiten beschäftigt; aus Gesundheitsrücksichten begab er sich in letzter Zeit nach der thüringischen Heilanstalt Elgersburg und dann nach Wiesbaden, wo ihn der Tod ereilte.

Otto von Corvin war noch in seinen spätesten Lebensjahren eine überaus lebendige unruhige Natur, wie man mit einer volksthümlichen Wendung sagt: „immer Feuer und Flamme“. Er war nichts weniger als ein politischer Doktrinär: vergebens würde man in seinen Memoiren eine nähere Motivirung für sein Eingreifen in die revolutionäre Bewegung suchen. Das lag damals in der Luft und erschien ihm als selbstverständlich. „Das Parlament brauchte ein Volksheer“, darin liegt seine Rechtfertigung des badischeu Aufstandes. Ein unruhiger Thatendrang beseelte ihn; immer wollte er im Mittelpunkte der Ereignisse sich befinden, anfangs als Theilnehmer an denselben, in späteren Jahren wenigstens als Berichterstatter. Man hätte ihn bei seinen früheren kriegerischen Abenteuern einen Landsknecht der Freiheit nennen können; doch er blieb stets ein tapferer und redlicher Mann und später der deutschnationalen Sache warm ergeben.