Organisation des Herzogthums vom 19. Februar 1811

Textdaten
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Autor: August Christian (Anhalt-Köthen)
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Titel: Organisation des Herzogthums vom 19. Februar 1811
Untertitel:
aus: Die Constitutionen der europäischen Staaten seit den letzten 25 Jahren, Band 2, S. 263–268
Herausgeber: Karl Heinrich Ludwig Pölitz
Auflage:
Entstehungsdatum: 1811
Erscheinungsdatum: 1817
Verlag: F. A. Brockhaus
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Erscheinungsort: Leipzig und Altenburg
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[263]
b) Organisation des Herzogthums vom 19. Februar 1811.

Wir August Christian Friedrich, von Gottes Gnaden souverainer Herzog zu Anhalt etc. etc.

In Beziehung auf Unser Edict vom 28. Dec. 1810 und in der festen Ueberzeugung, daß nur die gänzliche Einführung der französischen Constitution das Glück Unsrer getreuen Unterthanen begründen kann, haben Wir folgende Organisation Unsers Herzogthums festgesetzt.

Art. 1. Unser Herzogthum wird in sechs Districte eingetheilt. Der erste District begreift das Land Köthen in sich; der zweite District das Land Wulfen; der dritte Stadt und Land Nienburg; der vierte die hohe Grafschaft Warmsdorf; der fünfte Stadt und Amt Roslau; der sechste die Grafschaft Lindau.

Art. 2. Die Districte theilen sich in Cantons, die Cantons in Municipalitäten. Jeder Canton wird durch einen Cantonmaire verwaltet werden. Jede Municipalität besteht aus einem Maire und einem Municipalrathe.

Art. 3. Das Herzogthum erhält eine Constitution, wodurch die Gleichheit aller Unterthanen vor dem Gesetze und die freie Ausübung des Gottesdienstes aller, vermöge der Verfassung aufgenommenen, Religionen festgesetzt ist.

Art. 4. Schon unterm 19. Sept. 1809 haben wir einen Staatsrath errichtet, welcher künftig aus drei Mitgliedern bestehen wird. Wir selbst haben den Vorsitz im Staatsrathe.

Art. 5. Alle Gesetze über Steuern, civil- und peinliche Gegenstände, eben so alle Verwaltungsverordnungen werden von dem Staatsrathe vorbereitet, discutirt und entworfen.

Art. 6. Auch hat der Staatsrath über obwaltende Streitigkeiten zwischen den verwaltenden und gerichtlichen Behörden, und auch über die Frage: ob angeklagte Verwaltungsbeamte vor Gericht gestellt werden sollen? zu entscheiden.

Art. 7. Wir vertheilen die sämmtlichen Zweige der Staatsverwaltung unter die Mitglieder des Staatsrathes [264] dergestalt, daß einem die Geschäfte des Innern, der Justiz und Polizei; einem die der Finanzen, Domainen und des Handels, und einem die Geschäfte der auswärtigen Angelegenheiten und des Kultus anvertraut sind. Jeder in seinem Fache, ist für die Vollziehung der Gesetze und Vollstreckung der daraus fließenden Verfügungen verantwortlich.

Art. 8. Wir haben den Art. 17. Unsers Edicts vom 28. Dec. 1810 in Erwägung, daß das Ganze dadurch ohne daraus fließende Beschwerde vereinfacht wird, dahin abgeändert: daß Unsre Lande nur ein Departement bilden sollen, und ernennen Wir in dieser Rücksicht einen Präfecten.

Art. 9. Zur Entscheidung der Streitigkeiten, welche bei den Verwaltungsgegenständen vorkommen, wird ein Präfecturrath errichtet, dessen Mitglieder und Präfectursecretair von Uns ernannt werden.

Art. 10. Es wird ein Departementscollegium gebildet, dessen Mitglieder großjährig seyn müssen, und ihre Stelle lebenslänglich behalten. Wir ernennen die Mitglieder des Departementscollegiums, deren Anzahl achtzehn seyn wird. Die Ernennung besteht aus 1/6 der Meistbegüterten, 1/6 der reichsten aus dem Handelsstande, und 1/6 aus den Gelehrten und Künstlern. Der Präfect legt dem Departementscollegium jährlich einen Bericht über alles dasjenige vor, was binnen Jahresfrist im Departement geschehen, und zu dessen Wohl zu Stande gekommen ist.

Art. 11. Das Departementscollegium schlägt Uns die Mitglieder der Stände vor, deren Anzahl zwölf ist; acht aus den Ackerbautreibenden Unterthanen, zwei aus dem Handels- und zwei aus dem Gelehrtenstande. Wir selbst ernennen den Präsidenten der Stände.

Art. 12. Zu jeder Ernennung werden Uns von dem Departementscollegium zwei Candidaten vorgeschlagen, wovon nur einer ein Mitglied des Departementscollegiums seyn darf.

Art. 13. Die Mitglieder der Stände sollen aller drei Jahre zu einem Drittheil erneuert werden; die austretenden können unmittelbar wieder gewählt werden. Die Stände versammeln sich auf die von Uns befohlene Zusammenberufung, und werden dieselben auch von Uns wieder [265] entlassen. Die Mitglieder der Stände erhalten keinen Gehalt, sondern für die Zeit ihres Zusammenseyns angemessene Diäten.

Art. 14. Den Ständen sollen die im Staatsrathe entworfenen Gesetze mitgetheilt werden. Die Stände discutiren über die Gesetzentwürfe, mit demjenigen Staatsrathe, welcher dazu den Auftrag erhalten hat. Die Bemerkungen und Modificationen der Stände werden Uns im Staatsrathe zur Berathschlagung vorgelegt, und darüber beschlossen.

Art. 15. Es soll für Unser ganzes Land, nach einer möglichst gleichen Eintheilung, ein Steuersystem entworfen werden. Die Stempeltaxe und Protocollirung (timbre et enregistrement) werden eben so wie in Westphalen hier eingeführt, und werden Uns überhaupt die in diesem Königreiche befindlichen, hierauf Bezug habenden, Verfügungen zur Richtschnur dienen.

Art. 16. Die Direction der Steuern (Landeseinkünfte) wird von der Verwaltung der Domainen und Regalien getrennt. Die Vorschläge zur Besteuerung werden von Uns geprüft, und bestätigt. Mit der Steuerkasse wird auch zugleich eine Amortisationskasse verbunden werden; worüber Wir zuerst die Vorschläge Unsers Staatsrathes erwarten.

Art. 17. Die Administration Unsrer Domainen und Regalien wird wie im Königreiche Westphalen eingerichtet werden.

Art. 18. In Betreff der Jagd haben Wir festgesetzt: daß deren Ausübung jedem Jagdberechtigten bleibe. Jedoch soll jeder Jagdberechtigte verpflichtet seyn, den Grundeigenthümern denjenigen Schaden zu ersetzen, welcher sowohl durch das Hochwild, als auch durch die Ausübung der Jagd angerichtet wird, und findet der Art. 1385. des Code-civil hierauf ebenfalls seine Anwendung. Auch haben Wir verordnet, daß die Jagd in Unsern Landen jedesmal mit dem 1. September anfangen, und mit dem 1. Februar geschlossen seyn soll.

Art. 19. Die allgemeine Militairconscription, welche vom 1. Jan. 1811 an eingeführt ist, ist ein Grundgesetz Unsers Herzogthums.

[266] Art. 20. Die Einführung des Code-civil vom 1. März 1811 ist schon von Uns verordnet. Die zu Straßburg in der Druckerei des Herrn Levrault für das Königreich Westphalen erschienene officielle Ausgabe des Code Napoleon ist allein officiell für Unsre Lande.

Art. 21. Mit dieser Einführung hören alle besondere Verfassungen der bisherigen Aemter, Städte, Corporationen, so wie auch die Privilegien einzelner Personen und Familien, in Unserm Herzogthume, in so weit sie mit den Gesetzen in Widerspruch stehen, in Gemäßheit des Art. 14. Unsers Edicts vom 28. December 1810 auf.

Art. 22. Das gerichtliche Verfahren soll öffentlich und in Civilsachen die im Königreiche Westphalen eingeführte Proceßordnung und Sporteltaxe für Gerichte, Procuratoren und Notarien, Norm seyn.

Art. 23. In peinlichen Fällen sollen die geschwornen Gerichte nach den Vorschriften, wie im Königreiche Westphalen Statt haben.

Art. 24. In jedem Districte ist ein Friedensrichter, im ganzen Herzogthume ein Civiltribunal erster Instanz, und ein Appellationsgerichtshof, welcher zugleich peinlicher Gerichtshof, so wie das Tribunal zugleich das Correctionsgericht ist.

Art. 25. Die höchste Behörde in Rechtssachen ist das Cassationsgericht, und sollen Unsre Staatsräthe Richter desselben seyn.

Art. 26. Die Friedensrichter sollen vier Jahre lang im Amte bleiben und können sogleich wieder gewählt werden, wenn sie als Candidaten von dem Departementscollegio vorgeschlagen werden. Daher die jetzt bei der Einführung der Gerichtsverfassung angestellten von Uns nur provisorisch ernannt sind.

Art. 27. Die Richter des Tribunals und Appellationsgerichtshofes werden von Uns ernannt.

Art. 28. Die Urtheile der Gerichtshöfe werden in Unserm Namen ausgesprochen. Wir allein können daher nur Gnade ertheilen, die Strafe erlassen oder mildern.

Art. 29. Da nach Art. 12. Unsers Edicts vom 28. December 1810 die Lehensverhältnisse in Unsern Landen fernerhin bestehen; so sollen solche, nach den bisherigen [267] Gesetzen, und den sämmtlichen Lehenspflichtigen ertheilten Lehenbriefen, jedoch nach der Form der Civilsachen, und bei den angeordneten Behörden verhandelt und entschieden werden.

Art. 30. Die Beleihung mit den großen Lehnen, wo der Vasall entweder persönlich, oder mit Unsrer Bewilligung, durch einen Bevollmächtigten beliehen wird, gehört vor den Staatsrath. Hingegen von Uns herrührende andere und Erbzinslehne sind provisorisch dem Tribunale übertragen.

Art. 31. Die von Uns am 31. Aug. 1802 gnädigst erlassene Wechselordnung wird in der Art beibehalten, daß das Verfahren nach der westphälischen Proceßordnung eingerichtet wird, daher die Art. 2063. 2065. 2066 und 2067 des Code-civil in Wechselsachen keine Anwendung finden. Diese Verfügung wird jedoch bis zur Einführung des Handelsgesetzbuches als provisorisch betrachtet.

Art. 32. Bei der Einführung der Inscription und Transscription des Hypothekenwesens der Errichtung der Procuratoren, Notarien, und der Civilstandsbeamten ist die königl. westphälische Verfassung als Norm von Uns angenommen.

Art. 33. Das Consistorium hat in seiner jetzigen Beschaffenheit an und für sich aufgehört, jedoch setzen Wir eine Behörde nieder, welche aus einem Tribunalrichter und zwei von Uns dazu ernannten Predigern bestehen soll, welche die Geschäfte in Disciplinsachen, Prüfung der Kenntnisse, Inspection etc. über die Geistlichen verwalten. Diese Behörde erhält den Namen Consistorium.

Art. 34. Das Polizeisystem, welches im Königreiche Westphalen besteht, soll in Unserm Herzogthume eingeführt werden, welches schon zum Theil geschehen ist. Hierüber wird eine besondere Instruction nach weiterer Berathung erfolgen.

Art. 35. Gegenwärtige Organisation kann durch Unsre im Staatsrathe discutirte Verordnungen ergänzt werden.

Art. 36. Die Gesetze und Verwaltungsverordnungen sollen im Wochenblatte bekannt gemacht werden, und [268] ist zu ihrer Verbindlichkeit keine anderweite Publicationsformalität nöthig.

Art. 37. Das bisherige Wochenblatt Unsrer Residenz soll künftig den Namen: Anhaltische Anzeige, führen und wöchentlich zweimal, Mittwochs und Sonnabends, erscheinen.

Gegeben in Unsrer Residenzstadt Köthen, am 19. Februar 1811.

(L. S.) August Christian Friedrich,
Herzog zu Anhalt.