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Autor: Gustav Schwab
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Titel: Oktaven
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aus: Gedichte. 1. Band, S. 138–142
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Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: Stuttgart und Tübingen
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Quelle: Google und Scans auf Commons
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[138]

Oktaven

bei der Todesfeier der verewigten Königin Catharina

von Württemberg Maj. im Stuttgarter Museum,
nach Musik und Rede, vor Aufführung des Mozart’schen

Requiem, gesprochen, am 24. Januar 1819.

Der Herzen Zug, die gern zusammentrauern,
Hat euch zu diesem ernsten Fest verbündet;
Ihr kamt, des Redners Wort in diesen Mauern
Zu hören, das die Sehnsucht neu entzündet.

5
Dann hat Musik mit ihren heil’gen Schauern

Euch euer eigenes Gefühl verkündet.
Die Dichtkunst schließt sich an der Töne Klagen:
Was ist ihr Amt, was soll die Muse sagen?

Ihr himmlisch Vorrecht ist, in ew’ges Leben

10
Das Schöne, das der Welt entflieht, zu fassen:

Der Nachempfindung soll sie Dauer geben,
Die uns vom Guten bleibt, das uns verlassen;
Sie soll sein Bild aus gold’nen Strahlen weben,
Und vor die Augen halten es, die nassen;

15
Sie soll die Fürstin, über der wir weinen,

Im Glanz des Lebens lassen uns erscheinen.

[139]
D’rum, weg aus diesen florumhüllten Wänden,

Die Muse führet uns in jene Zeit,
Wo Kunde kam, daß an des Nordens Enden

20
Ein Volk der Flamme seine Stadt geweiht,

Wo sich begann des Himmels Zorn zu wenden,
Und wo sein Winter uns zuerst befreit.
Seht ihr Sie, wo die ersten Feinde fallen,
In jener Freiheit Morgenröthe wallen?

25
Nicht müßig schlägt Ihr Herz nur bei den Kämpfen,

Sie sammelt selbst, Sie wappnet eine Schaar,
Dem Schlachthorn folget Sie, den Pulverdämpfen,
Und steht an Frankreichs Gränze mit dem Zaar.
Jetzt unterliegt der zarte Leib den Krämpfen,

30
Ihm droht vom mächt’gen Geiste die Gefahr.

Da kam der Bote von Paris geeilet,
Und sie stand auf und wandelte geheilet.

Den Heldenmuth nach Würdigkeit zu lohnen
Erschien die Liebe von des Himmels Höh’n,

35
Sie schwebte forschend ob den deutschen Thronen,

Bis sie sich einen Sieger ausersehn;
Den Königssohn, dem frische Lorberkronen
Um seine jugendlichen Schläfe wehn.
Der Freiheitskämpfer hat die Braut gefunden,

40
Der heut’ge Tag ist’s, ach! der Sie verbunden!


So kam die Fernbewunderte gezogen,
Und ließ sich leuchtend, sehen in dem Land;
Entgegen strömten Ihr des Volkes Wogen,
Es deutete manch ausgestreckte Hand

[140]
45
Dem Nordschein zu, der an des Himmels Bogen,

Doch als ein Segen bringend Zeichen stand.
O dieses wunderschöne Licht aus Norden,
Warum ist’s nicht zur vollen Sonne worden?

Die Fürstin kam, in Ihren Augen brannte

50
Nicht blos das Feuer, das den Völkerkrieg

Entflammen half, den Zweifelmuth verbannte,
Den Männern selbst vorleuchtete zum Sieg;
Das Feuer auch, das milde Strahlen sandte,
Aus dem der Geist des Friedens schaffend stieg;

55
Und wie Sie Einen hatt’ in Lieb’ umfangen,

Sah man ihr Herz am ganzen Volke hangen.

Schnell ahnet Liebe, wo es gilt, zu retten,
Leicht war das Wohlthun in der großen Noth;
Doch alle Kräfte so zusammenketten,

60
Daß Eins dem Andern Hülf’ und Leben bot;

Und aufzurichten jene Segensstätten,
Wo Leib und Seele fand ihr täglich Brod: –
Das konnte nicht dem Herzen blos gelingen,
Ein königlicher Geist mußt’ es vollbringen.

65
Und als das Werk stand in der schönsten Blüthe,

Als die vom Sturm ermüdete Natur
Zu diesem Thun das Füllhorn ihrer Güte
Belohnend ausgoß auf die weite Flur,
Und Ihr von Dank entzündetes Gemüthe

70
Des Herrn mitschaffende Gewalt erfuhr;

Und nun die guten Jahre sollten kommen:
Ward solche Königin von uns genommen.

[141]
Wohl Manchem wacht jetzt eines von den schönen,

Den weisen Worten Ihres Mundes auf;

75
Das wird der Muse Stammeln übertönen,

Und leuchtender beschwört’s Ihr Bild herauf,
Und sprechen werden die beredten Thränen,
Die aus der Hütte nehmen ihren Lauf.
Ja, zeuget mir, ihr Armen, Kranken, Wunden!

80
Ob ihr das Wirken dieser Frau empfunden!


Und wohin soll nun diese Lieb’ und Treue,
Die schmerzlich uns im wunden Herzen brennt?
Wen haben wir, der sich daran erfreue,
Der den Gefühlen eine Stätte gönnt?

85
O blickt auf Ihn, dem jeden Tag auf’s Neue

Die Sehnsucht Ihren theuren Namen nennt!
Laßt Ihn die Tiefen unsrer Liebe schauen,
Laßt uns mit Ihm der Herrin Denkmal bauen.

Ein Denkmal bauen Ihrem freien Streben,

90
Das einst zerriß der Sklaverei Geflecht,

Ein Denkmal, das auf ew’ge Zeit Ihr Leben
Verherrliche bei’m kommenden Geschlecht;
Auf Ihrem Grabe soll sich stolz erheben
Des Thrones Würde, wie des Volkes Recht:

95
So halte sich, von Ihrem Geist durchdrungen,

In Liebeseintracht Fürst und Volk umschlungen.

Und dann ein Denkmal Ihrem frommen Sinne,
Der mütterlich das ganze Land gepfleget;
Das Armenhaus, die Schule werd’ es inne,

100
Daß noch Ihr Herz in tausend Herzen schläget;
[142]
Und stets vollkommnere Gestalt gewinne,

Was Sie geschaffen, was Sie angereget,
Und Ihre Zucht und Ihre reine Tugend
Soll Tempel bau’n im Herzen unsrer Jugend.

105
Und weiter braucht das Lied euch nicht zu sagen,

Denn unsre Seelen füllet Ihre Nähe;
Und Antwort kommt auf alle bangen Fragen,
Auf alle Zweifel nieder aus der Höhe.
Gehoben sind wir über eitle Klagen:

110
Der Wille des Allwaltenden geschehe!

Jetzt laßt die heiligen Gesänge fließen,
Um Ihres Bildes Glorie sich ergießen.