Ode zum Jahreswechsel 1916/1917
- [49] ODE
- zum Jahreswechsel 1916/1917
- Es birst ein Jahr und fährt in die Ewigkeit.
- Ein Jahr des Todes und dunkler Geschicke voll
- stürzt es dem vorigen nach in sein Blutmeer,
- räumt es der Zukunft die trostlosen Stätten.
- 5Die kommt gezogen zögernd im Faltenkleid,
- umraucht vom Kriege, doch über dem Haupte schon
- dämmert ihr neblig ein flackernder Lichtkranz.
- Naht sich dem Weltall die Hoffnung auf Frieden?
- Es betet brünstig, wer noch an Götter glaubt,
- 10sie möchten enden den schrecklichen Völkermord,
- über den Trümmern verschütterter Sehnsucht
- Schöneres aufbaun, als Grabmäler decken.
- Denn unten faule ewig in Staub und Schutt
- der arge Geist, der den Menschen in Waffen schliff.
- 15Nimmer erwache den Völkern die Machtgier:
- Feindin der Schönheit und Urgrund des Hasses.
- Die Tränen aber, jeglichen Tropfen Bluts,
- der Mütter Leid und der Bräute zerstörtes Glück,
- sammelt im Herzen zu eifernder Andacht,
- 20wehrend dem Kriegszorn mit sieghafter Liebe.