Oberverwaltungsgericht Lüneburg - Einsichtnahmerecht in beim Staatsarchiv gelagertes Depositalgut

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Titel: Einsichtnahmerecht in beim Staatsarchiv gelagertes Depositalgut
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Kurzbeschreibung: Urteil zum Einsichtsrecht in das private Hausarchiv von Schaumburg-Lippe im Staatsarchiv Bückeburg
Siehe Archivrecht
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Oberverwaltungsrecht Lüneburg 11 LB 123/02, Urteil vom 17.09.2002

Vorinstanz: 6 A 1359/01 VG Hannover, Urteil vom 29.08.2001

Einsichtnahmerecht in beim Staatsarchiv gelagertes Depositalgut

Leitsätze

1. Zum "sonst berechtigten Interesse" i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 NArchG gehören auch private Interessen zum Zweck der Durchsetzung privater Vermögensinteressen.

2. a) Der Archivbenutzungsanspruch nach §§ 5 Abs. 1 Satz 1 NArchG und 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 NArchG umfasst auch sog. Findmittel wie Findbücher und Repertorien.

b) Der Zustimmungsvorbehalt des Depositalgebers in Depositalverträgen i.S.d. § 3 Abs. 7 Satz 2 NArchG erstreckt sich auch auf diese Findmittel.

3. Wenn sich ein privater Dritter gegenüber dem Staatsarchiv eines (Mit-)Eigentumsanspruches an dem Depositalgut berühmt, ist er gehalten, auf dem Zivilrechtswege gegen den Depositalgeber vorzugehen, um die Eigentumsfrage verbindlich klären zu lassen.

4. Die Verarbeitungsregelungen der Datenschutzgesetze und insbesondere das Einsichtnahmerecht aus §16 Abs.3 NDSG sind auf das Archivbenutzungsverhältnis nach dem Niedersächsischen Archivgesetz nicht anwenbar.

Aus dem Entscheidungstext


Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren die Einsicht in die Findbücher und Repertorien der sog. F- und K-Bestände sowie in diese Bestände selbst und in eine weitere Akte des Staatsarchivs Bückeburg.

Die Klägerin ist eine geborene Prinzessin zu Schaumburg-Lippe. Ihr Vater, Prinz Heinrich zu Schaumburg-Lippe, und der Vater des Beigeladenen, Fürst Wolrad zu Schaumburg-Lippe, waren Brüder. Weitere Brüder waren Stephan (gestorben 1965), Friedrich-Christian, Moritz (gestorben 1920) und Adolf (gestorben 1936) sowie eine Schwester namens Elisabeth (verstorben 1936); zwei weitere Geschwister, Wilhelm und Margarethe, waren bereits sehr früh verstorben. Der seinerzeit regierende Fürst Georg zu Schaumburg-Lippe verstarb im Jahre 1911, sein alleiniger Erbe und Chef des Hauses Schaumburg-Lippe war sein ältester Sohn, Fürst Adolf zu Schaumburg-Lippe, der bis 1918 regierte. Dieser kam am 26. März 1936 gemeinsam mit seiner Ehefrau bei einem Flugzeugunglück ums Leben. Da die Ehe kinderlos geblieben war, wurde Fürst Adolf von seinen fünf Geschwistern bzw. deren Kindern, zu denen auch die Väter der Klägerin und des Beigeladenen gehörten, je zu gleichen Teilen beerbt. Prinz Wolrad wurde als ältester lebender Sohn Chef des Hauses. Der Vater der Klägerin, Prinz Heinrich zu Schaumburg-Lippe, verstarb 1952. Seine Alleinerbin ist die Klägerin als einziger Abkömmling, seine Ehefrau war auf den Pflichtteil gesetzt. Diese verstarb 1964 und wurde ebenfalls von der Klägerin allein beerbt. Zwischen den Beteiligten herrscht Streit zum einen über die Frage, ob Adolf im Zeitpunkt seines Todes nur fideikommissgebundenes Hausvermögen oder daneben auch eigenes Privatvermögen besessen hatte, und zum anderen hinsichtlich der Frage, wann das Fideikommiss aufgelöst worden ist.

Bei den sog. F-Beständen handelt es sich um das im Staatsarchiv gelagerte Fürstlich Schaumburg-Lippische Hausarchiv, bei den sog. K-Beständen um das Fürstlich Schaumburg-Lippische Kammerarchiv, die nach – von der Klägerin zunächst allerdings bestrittener – Auffassung des Beklagten beide (Allein-)Eigentum des Fürstenhauses Schaumburg-Lippe und daher kein Archivgut des Landes Niedersachsen, sondern im Staatsarchiv lediglich deponiert sind. Grundlage der Lagerung dieser Archive im Staatsarchiv ist hinsichtlich des Hausarchives der Depositalvertrag zwischen der Fürstlichen Hofkammer und dem Nds. Staatsarchiv vom 30. März 1972, wonach das Staatsarchiv Einsicht in dieses nur mit schriftlicher Genehmigung des Chefs des Hauses Schaumburg-Lippe gewähren darf (Ziffer 4 a Satz 1 des Vertrages), und hinsichtlich des Kammerarchives der Depositalvertrag zwischen dem Beigeladenen und dem Nds. Staatsarchiv vom 22. Mai 1963, wonach jede Benutzung durch Dritte zu anderen als wissenschaftlichen Zwecken an die vorherige Zustimmung des Eigentümers gebunden ist (Ziffer 5 des Vertrages). Bei den Findbüchern und Repertorien handelt es sich nicht um die Aktenbestände selbst, sondern um vom Staatsarchiv zum Zwecke der Identifikation und Katalogisierung dieser Bestände erstellte Übersichten.

Am 4. Juni 1951 schlossen der Vater der Klägerin, Prinz Heinrich, sowie seine Brüder, die Prinzen Stephan und Friedrich-Christian, als Antragsteller mit dem Vater des Beigeladenen, Fürst Wolrad, als Antragsgegner vor dem Fideikommisssenat des OLG Celle einen Vergleich. In diesem Vergleich verpflichtete sich Fürst Wolrad zur Zahlung von je 200.000 DM an die Antragsteller „zur Abgeltung aller etwaigen Ansprüche der Antragsteller, ihrer Gemahlinnen und ihrer Kinder gegen den Antragsgegner“. Weiter wurde festgelegt, welchen Grundbesitz die Brüder erhalten und wie dieser auf die vorgenannte Zahlung angerechnet werden sollte. Gemäß Ziffer 9 des Vergleichs erklärten die Antragsteller, ihre Gemahlinnen und ihre Kinder abschließend, dass sie „über die Vergleichsansprüche hinaus gegen Antragsgegner keinerlei Ansprüche fideikommissrechtlicher, erbrechtlicher oder sonstiger Art haben“. In Erfüllung dieses Vergleiches übertrug der Vater des Beigeladenen im Jahre 1952 das Hausgrundstück in {D.} auf Wunsch des Vaters der Klägerin auf diese.

Die Klägerin ist der Ansicht, das zunächst fideikommissgebundene Hausvermögen sei bereits durch das vom ehemaligen Fürsten Adolf erlassene Hausgesetz vom 8. Dezember 1923 freies Vermögen von Fürst Adolf geworden. Die mecklenburgischen Besitzungen und alles übrige hätten daher seit 1936 den Miterben nach dem Fürsten Adolf gehört, mithin auch ihrem Vater, Prinz Heinrich, und infolgedessen auch ihr selbst. Der Vater des Beigeladenen, Fürst Wolrad, habe in Abstimmung mit der Hofkammer den Erbschein des Amtsgerichts Bückeburg vom 27. Januar 1937 nach Fürst Adolf unterdrückt, um seine Eintragung als Alleineigentümer bezüglich des Grundbesitzes herbeizuführen. Der Beigeladene habe dann zu Unrecht bei öffentlichen Stellen in den Jahren 1976 und später Lastenausgleichszahlungen u.ä. wegen Schäden insbesondere an dem mecklenburgischen Besitz des Fürsten Adolf und andere Zahlungen, z.B. für eine Zwangsverwaltung des Schutzforstes {E.} in Österreich, in der Absicht kassiert, sich ihren, der Klägerin, Anteil in Höhe von 1/5 an öffentlich-rechtlichen Ersatz- und Entschädigungsansprüchen einzuverleiben. Sie habe in den Jahren 1972/73, als sie in Spanien gelebt habe, dem Beigeladenen Vollmachten erteilt für die Geltendmachung von Restitutionsansprüchen, die dieser jedoch zweckentfremdet habe, um sich ihre Rechte einzuverleiben. Sie sei über die Durchführung von Lastenausgleichs- und Entschädigungsverfahren nicht informiert gewesen, sondern habe erst im Jahre 2001 davon Kenntnis erlangt. Zudem ist sie der Ansicht, Fürst Georg zu Schaumburg-Lippe habe sehr großes Privateigentum besessen, das zunächst Fürst Adolf und mithin anteilig auch letztlich sie geerbt habe. In dem gerichtlichen Vergleich vom 4. Juni 1951 habe ihr Vater nicht auf Lastenausgleichs- oder sonstige Entschädigungsansprüche gegen den Staat verzichtet. Der Vergleich habe sich zudem nur auf das Hausvermögen, nicht jedoch auch auf den Privatbesitz des Fürsten Adolf zu Schaumburg-Lippe bezogen.

Die begehrte Einsicht in die genannten Bestände des Staatsarchives soll die Klägerin zum ersten in die Lage versetzen, aus ihrer Sicht bestehende zivilrechtliche Schadensersatzansprüche wegen unerlaubter Handlungen zu ihren und zu Ungunsten ihrer verstorbenen Eltern gegen das Fürstenhaus Schaumburg-Lippe bzw. den Beigeladenen als jetzigen Chef des Hauses Schaumburg-Lippe geltend zu machen. Zum zweiten benötigt die Klägerin nach ihrer Darstellung die begehrte Einsicht, um öffentlich-rechtliche Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche nach dem Vermögensgesetz und dem Lastenausgleichsgesetz wegen der früher in Mecklenburg und Österreich vorhandenen Güter durchsetzen zu können.

Die Klägerin wandte sich an das Niedersächsische Hauptstaatsarchiv in Hannover und begehrte Einsichtnahme in die dort archivierte Akte des OLG Celle FS I 83. Diesen Antrag lehnte das Niedersächsische Hauptstaatsarchiv mit Bescheid vom 1. März 2001 ab, den dagegen erhobenen Widerspruch wies es mit Bescheid vom 19. März 2001 zurück.

Daraufhin hat die Klägerin Klage erhoben. Im Klageverfahren hat sie den Klageantrag dahingehend erweitert, dass das Niedersächsische Hauptstaatsarchiv als Beklagter zu 1) nicht nur in die streitbefangene Akte, sondern auch in die dazugehörigen Beiakten Einsicht gewähren solle. Ferner sollte der Beklagte zu 1) bestimmte Auskünfte geben. Ebenfalls im Laufe des Klageverfahrens hat die Klägerin die Klage auf den Beklagten zu 2), den jetzigen Berufungsbeklagten, ausgedehnt. Sie begehrte Einsicht in die Findbücher und Repertorien der F- und K-Bestände des Staatsarchivs Bückeburg zum Zwecke der Identifikation von Unterlagen.

Die Klägerin hat hinsichtlich des im vorliegenden Berufungsverfahrens weiterverfolgten Einsichtsrechtes in die Findbücher und Repertorien im Wesentlichen vorgetragen, dass bei der Interpretation des Archivgesetzes generell die gesamte Rechtsordnung involviert sei. Sie habe ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Sie sei „Betroffene“ i. S. d. § 6 Abs. 1 und 2 NArchG. Das Auskunfts- und Einsichtnahmerecht des Betroffenen über die im Archivgut zu seiner Person und Rechtsvorgänger enthaltenen Daten sei kein Fall der Archivbenutzung gemäß § 5 NArchG, sondern ein selbständiger archivrechtlicher Anspruch auf Auskunft und Einsichtnahme gemäß § 6 NArchG, der dem des Datenschutzgesetzes nachgebildet sei. Das „berechtigte Interesse“ im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 NArchG sei zudem nicht auf den engen Begriff der wissenschaftlichen Zwecke begrenzt, sondern – so jedenfalls die Rechtslage in Bayern - bereits bei amtlichen, wissenschaftlichen, heimatkundlichen, familiengeschichtlichen, rechtlichen, unterrichtlichen, publizistischen Zwecken oder im Fall der Wahrnehmung persönlicher Belange anzunehmen. Die für die Nutzung von Archivgut getroffenen Bestimmungen seien auf Findmittel entsprechend anzuwenden. Da sie Betroffene und Rechtsnachfolgerin ihrer Eltern, die ebenfalls Betroffene gewesen seien, sei, liege ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null vor. Depositalverträge dürften gesetzlich bestehende Rechte nicht aushöhlen. Ihr stehe nach BGB ohnehin ein Informationsrecht zu. Fraglich sei auch, ob das Staatsarchiv ohne Einwilligung der Betroffenen persönliches Archivgut aufnehmen und in der Folgezeit gegenüber diesen Betroffenen die Auskunft und eine Einsichtnahme verweigern dürfe. Auch aus der Richtlinie 95/46/EG stehe ihr ein Auskunftsrecht zu.

Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu 1) zu verurteilen,
a) der Klägerin Einsicht in den kompletten Inhalt der Akte FS-I 83 zuzüglich
der Beiakte vom Landgericht Bückeburg (LG 339/74) zu gewähren,
b) eine überzeugende und stichhaltige Aussage abzugeben, aus der sich
ergibt, wie Herr Dr. {F.} erfahren habe, dass weitere 4 Bände (welche
Bände genau) betreffend das Verfahren FS I 52 anlässlich einer
Aussonderung beim OLG Braunschweig aufgefunden worden seien,
c) schriftlich durch Bezugnahme und Vorlage sämtlicher vorhandener Belege
zu erklären, woher er die Information nehme, dass der damalige
Vizepräsident Dr. {G.} um Übersendung der Akten bat und wer die
Versendung veranlasst habe,
den Beklagten zu 2) zu verurteilen, ihr Einsicht in die Findbücher
und Repertorien der F- und K-Bestände des Staatsarchivs Bückeburg zum
Zwecke der Identifikation der Unterlagen, in die Einsicht genommen werden
soll, zu gewähren.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 1) des erstinstanzlichen Verfahrens hat ausgeführt, dass die streitbefangene Akte so in das Staatsarchiv gelangt sei, wie sie dem Gericht vorgelegt worden sei. Der streitbefangene Schriftsatz vom 20. Dezember 1976 habe sich in einem Briefumschlag befunden und sei vom OLG Celle als eine Aktenseite eingeordnet worden. Die als fehlend gerügten Seiten seien nicht vorhanden. Die Beiakte sei nicht in den Bestand des Staatsarchivs übernommen worden.

Der Beklagte zu 2) – der jetzige Berufungsbeklagte – hat ausgeführt, dass einer Einsichtnahme durch die Klägerin in die Findbücher und Repertorien und folglich in einzelne Akten die Depositalverträge vom 22. Mai 1963 sowie vom 30. März 1972 entgegenstünden. Die insoweit streitbefangenen Aktenbestände seien keine originären Akten des Staatsarchivs sondern Fremdakten, die aufgrund eines Depositalvertrages angenommen worden seien. Deshalb seien die Akten der streitigen Bestände nicht vom Benutzungsanspruch i. S. d. § 5 Abs. 1 Satz 1 NArchG umfasst, weil insoweit gerade abweichende Regelungen i. S. d. § 3 Abs. 7 Satz 2 NArchG getroffen worden seien. Die Findbücher und Repertorien seien zwar erst nachträglich von der Archivverwaltung erstellt worden. Nach Sinn und Zweck dieser Findbücher und der Depositalvereinbarungen würden diese jedoch auch vom Zustimmungsvorbehalt erfasst. Auch wenn die Findbücher erst nachträglich von der Archivverwaltung erstellt würden, würden diese deshalb nicht Schriftgut einer Behörde i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 NArchG, sondern dienten der Erfüllung der in dieser Norm geregelten öffentlichen Aufgabe, auch Schriftgut anderer Herkunft zu übernehmen. Selbst wenn insoweit eine Einsichtsgewährung im Ermessen der Beklagten stünde, würde eine Akteneinsicht nicht gewährt. Das öffentliche Interesse und der Schutz der Vertrauensbeziehung zu bisherigen und auch künftigen Depositalgebern sei höher einzuschätzen als das Interesse der Klägerin. Datenschutzrechtliche Vorschriften seien hier nicht einschlägig.

Mit Urteil vom 29. August 2001 hat das Verwaltungsgericht Hannover die Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin habe gegenüber dem Beklagten zu 1) keinen Anspruch auf Akteneinsicht bzw. Herausgabe einer vollständigen Kopie der Akte FS-I 83. Der Beklagte zu 1) habe das Begehren bereits soweit erfüllt, wie es ihm tatsächlich möglich gewesen sei. Mit der Weiterverfolgung des Anspruchs auf Herausgabe evtl. fehlender Seiten und von Beiakten begehre die Klägerin vom Beklagten zu 1) eine diesem unmögliche Maßnahme. Auch eine Anspruchsgrundlage für die Klageanträge 1. b) und c) existiere nicht. Die Klägerin sei nicht Verfahrensbeteiligte im Sinne des § 25 VwVfG. Ein Fall des § 6 Nds. ArchivG liege ebenfalls nicht vor. Sonstige spezialgesetzliche Rechtsgrundlagen, die einen Anspruch auf die begehrte Auskunft geben könnten, seien nicht erkennbar. Auf das allgemeine Petitionsrecht des Art. 17 GG könne sich die Klägerin nicht berufen.

Die Klage habe auch keinen Erfolg, soweit sie sich gegen den Beklagten zu 2) richte. Unabhängig von der Frage, ob sämtliche Voraussetzungen für eine Nutzung nach § 5 NArchG vorlägen, stünden der Gewährung einer Einsichtnahme durch die Klägerin in die streitbefangenen Akten die oben genannten Depositalverträge entgegen, wonach eine Nutzung zu nichtwissenschaftlichen Zwecken der Zustimmung des Depositalgebers bedürfe. Diese Zustimmung liege nicht vor Der Zustimmungsvorbehalt stehe im Einklang mit § 3 Abs. 7 NArchG. Gleiches gelte im Übrigen auch im Hinblick auf § 6 NArchG, der zudem kein Akteneineinsichtsrecht, sondern nur ein Auskunftsrecht gewähre. Auf die Richtlinie 95/46/EG vom 24. Oktober 1995 könne sich die Klägerin in diesem Zusammenhang nicht berufen, da Art. 10 und 12 dieser Richtlinie ebenfalls kein Akteneinsichtsrecht, sondern lediglich ein Informations- bzw. Auskunftsrecht gewährten. Auch sei der Beklagte zu 2) zudem nicht allein für die Verarbeitung Verantwortlicher im Sinne von Art. 2 d) der Richtlinie, sondern sei insoweit abhängig vom Depositalgeber. Ein Verstoß gegen EG-Recht, wenn der Beklagte zu 2) die Gewährung der Einsichtnahme von der Zustimmung des Depositalgebers abhängig mache, sei nicht erkennbar. Sofern die Klägerin ein derartiges Recht aus der EG-Richtlinie zustehen sollte, müsse sie es gegenüber den für die Verarbeitung Verantwortlichen geltend machen. Dies sei aufgrund der Tatsache, dass es sich bei den Aktenbeständen um landesfremdes Material handele, der Depositalgeber. Es sei der Klägerin daher zuzumuten, den Depositalgeber ggf. auf dem Zivilrechtswege auf Zustimmung zu verklagen. Soweit der Beklagte zu 2) auch im Ermessenswege die Akteneinsicht verweigere, seien Ermessensfehler nicht erkennbar. Gegen dieses ihr am 30. Oktober 2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13. November 2001 einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, soweit es den Rechtsstreit gegen den Beklagten zu 2) des erstinstanzlichen Verfahrens (im Folgenden: Berufungsbeklagten) betrifft. Mit Beschluss vom 22. März 2002 – der Klägerin zugestellt am 2. April 2002 – hat der Senat die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wegen tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten zugelassen.

Zur Begründung der Berufung verweist die Klägerin auf ihren bisherigen Vortrag und macht ergänzend geltend: Die Depositalverträge seien mit einem Nichtberechtigten abgeschlossen worden und deshalb unwirksam. Sie sei über ihren Vater zu einem Fünftel Miterbin des ehemaligen Fürsten Adolf zu Schaumburg-Lippe. Fürst Adolf habe im Zeitpunkt seines Todes umfangreiches privates Vermögen gehabt, u.a. bedeutendes Grundvermögen in Österreich und Mecklenburg und anderswo. Inzwischen sei sie als Miterbin in die noch laufenden öffentlich-rechtlichen Verfahren nach dem Lastenausgleichgesetz und dem Vermögensgesetz einbezogen worden. Im Staatsarchiv befänden sich Archivunterlagen, die mit Sicherheit auch den Miterben zustünden. Die Bestände des Archives enthielten genau die Informationen zu den Vermögensgegenständen, die Gegenstand der laufenden öffentlich-rechtlichen Verfahren seien. Deshalb stehe ihr aus öffentlichem Recht neben dem allgemeinen Einsichtsrecht aus § 29 VwVfG auch ein Einsichtsrecht als Geschädigte i. S. d. § 229 LAG aus § 317 LAG sowie aus §§ 27, 31 Abs. 3 Satz 1 VermG und zugleich aus § 12 b GBO und Bestimmungen des HGB zu. Dieses Einsichtsrecht folge zudem aus dem Niedersächsischen Datenschutzgesetz. Außerdem müsse § 3 Abs. 7 Satz 2 NArchG im Lichte der datenschutzrechtlichen Bestimmungen einschränkend ausgelegt werden. Sie habe bereits im erstinstanzlichen Verfahren auch die Einsicht in die F- und K-Bestände selbst beantragt, so dass insoweit keine Klageerweiterung vorliege.

Hinsichtlich einer weiteren von der IHK {H.} beim Staatsarchiv gelagerten Akte macht sie geltend, dass diese Akte Vorgänge einer Firma um ein Steinbruchgelände in {I.}/{J.} enthielten, das im Eigentum zunächst von Fürst Adolf und später des Hauses SL gestanden habe, welches im Jahre 1939 wegen des Baues der heutigen BAB A 2 enteignet worden sei. Es könne sein, dass dieser Vorgang Entschädigungsansprüche ausgelöst habe, die sie bisher noch nicht kenne. Im Firmenarchiv, das jetzt im Staatsarchiv lagere, könne nachgeprüft werden, ob ihr Vater und seine Geschwister als Miterben nach Prinz Adolf beteiligt gewesen seien. Sie habe sich deshalb sowohl an die IHK {H.} und an das Staatsarchiv gewandt, die beide bisher aber eine Einsichtnahme ablehnten.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, der zugleich auch ihr Sohn ist, erklärt, dass die privatrechtliche Eigentumsfrage an dem Depositalgut hier nicht erheblich sei, der Schwerpunkt vielmehr öffentlich-rechtlicher Natur sei.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern, soweit es den Rechtsstreit gegen den Berufungsbeklagten betrifft, und diesen zu verpflichten, ihr zu gestatten,
die Findbücher und Repertorien der sog. F und K-Bestände einzusehen und zu kopieren,
die F- und K-Bestände einzusehen und zu kopieren.
3. die im Staatsarchiv deponierte Akte Acc. 2001/029 Nr. 104 der IHK Hildesheim
einzusehen und zu kopieren, soweit in dieser Akte Material zum fürstlichen
Haus Schaumburg-Lippe und zu den Personen Georg Fürst zu Schaumburg-
Lippe, Adolf Fürst zu Schaumburg-Lippe, Heinrich Prinz zu Schaumburg-Lippe
enthalten ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf das erstinstanzliche Urteil. Der Klageerweiterung im Berufungsverfahren auf die Einsichtnahme der von der IHK {H.} beim Staatsarchiv eingelagerten Akte Acc. 2001/029 Nr. 104 stimmt er ausdrücklich nicht zu.


Der Beigeladene beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch er stimmt der Klagerweiterung auf die von der IHK {H.} beim Staatsarchiv eingelagerte Akte nicht zu. Im Übrigen trägt er im Wesentlichen vor, dass die Klägerin über ihren Vater nicht Miteigentümerin bzw. Mitberechtigte an den Archiven geworden sei. Deshalb habe er allein über die Archive verfügen dürfen. Er sei im Hauptbesitz Erbe seines Vaters Wolrad Prinz zu Schaumburg-Lippe, der seinerseits im Hauptbesitz Erbe nach dessen Bruder, dem Fürsten Adolf, gewesen sei. Die aufgrund des Verfassungsgesetzes für das Fürstentum Schaumburg-Lippe vom 17. November 1868 über Generationen hinweg bestehende Bindung des Hausvermögens an das jeweilige Oberhaupt des Hauses gelte auch gegenüber der Klägerin. Fürst Adolf sei am 26. März 1936 verstorben, also zu einer Zeit, als diese fideikommissarische Bindung des Vermögens noch Bestand gehabt habe und daher auch Grundlage für die Erbfolge gewesen sei. Das Fideikommiss sei nicht schon durch das vom ehemaligen Fürsten Adolf erlassene sog. Hausgesetz vom 8. Dezember 1923, sondern erst aufgrund des Gesetzes über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen vom 6. Juli 1938 (RGBl. I S. 825) mit Wirkung zum 1. Januar 1939 erloschen. Sein Vater, Fürst Wolrad, sei 1936 Erbe des Fideikommissvermögens geworden und nach Inkrafttreten des genannten Gesetzes sei dieses Fideikommissvermögen nach § 2 dieses Gesetzes freies Vermögen des letzten Fideikommissbesitzers, d. h. des am 1. Januar 1939 lebenden Fürsten Wolrad, geworden. Er habe seinen Vater beerbt. Fürst Adolf habe außer dem gebundenen Hausvermögen keine privaten Vermögenswerte gehabt, so dass der Vater der Klägerin und mithin auch die Klägerin nichts hätten erben können. Er sei auch nicht verpflichtet, der Klägerin Einsicht in die ausschließlich zum Hausvermögen gehörenden, beim Staatsarchiv hinterlegten Akten zu gewähren. Ein solches Einsichtsrecht folge weder aus den Vorschriften des NArchG, wie das Verwaltungsgericht mit Blick auf die Depositalverträge zutreffend festgestellt habe, noch aus zivilrechtlichen Vorschriften. Wie das Landgericht Hannover zutreffend festgestellt habe, stünden der Klägerin aufgrund des Vergleiches vor dem OLG Celle vom 4. Juni 1951 und wegen eingetretener Verjährung keinerlei zivilrechtlichen Ansprüche gegen ihn zu. Deshalb habe die Klägerin kein berechtigtes Interesse an der begehrten Akteneinsicht.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Hinsichtlich des im Wege der Klageänderung geltend gemachten Anspruches auf Einsicht in die im Staatsarchiv deponierte Akte Acc. 2001/029 Nr. 104 der IHK {H.} folgt dies bereits daraus, dass diese Klageänderung nicht zulässig ist (1.). Die Einsichtnahme der Klägerin in die F- und K-Bestände selbst stellt sich zwar als zulässige Klageänderung dar (dazu auch unter 1.), die Klägerin hat gegenüber dem Berufungsbeklagten aber keinen Anspruch auf die begehrte Einsichtnahme (2.). Das Verwaltungsgericht hat demzufolge insoweit die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Die von der Klägerin vorgenommenen zwei Klageerweiterungen sind nur zum Teil zulässig.

Die Klägerin hat ausweislich des in der Sitzung des Verwaltungsgerichtes vom 29. August protokollierten Antrages im erstinstanzlichen Verfahren im hier interessierenden Umfang nur die Einsicht in die Findbücher und Repertorien der F- und K-Bestände des Staatsarchives Bückeburg, entgegen ihrer jetzigen Ansicht nicht aber die Einsicht in diese Bestände selbst beantragt. Hierauf hat die Klägerin in ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung vom 12. November 2001 (dort S. 4 unten und S. 5) auch selbst ausdrücklich hingewiesen. Demgegenüber beinhaltet der erstmals im Berufungsverfahren im Schriftsatz der Klägerin vom 4. April 2002 angekündigte und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellte Antrag auch das Begehren, diese Bestände selbst einsehen und kopieren zu dürfen. Zudem begehrt die Klägerin, auch hinsichtlich der Findbücher und Repertorien erstmals das Recht, Kopien zu fertigen. Des Weiteren begehrt sie mit Schriftsatz vom 24. April 2002, präzisiert mit Schriftsatz vom 3. Juni 2002, erstmals zusätzlich die Einsichtnahme in die beim Staatsarchiv deponierte Akte Acc. 2001/029 Nr. 104 der IHK Hildesheim.

Soweit sie nunmehr nicht nur die Einsichtnahme in die Findbücher und Repertorien der F- und K-Bestände, sondern auch die Einsichtnahme in die F- und K-Bestände selbst sowie die Fertigung von Kopien und die Einsichtnahme in die Akte Acc. 2001/029 Nr. 104 der IHK {H.} beantragt, handelt es sich deshalb jeweils um eine Klageerweiterung, deren Zulässigkeit sich nach § 91 VwGO bestimmt. Nach § 91 Abs. 1 VwGO ist eine Änderung der Klage nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

Die Klageerweiterung hinsichtlich der Einsichtnahme in die F- und K-Bestände und die Fertigung von Kopien von diesen Beständen und von den Findbüchern und Repertorien ist sachdienlich, da der Streitstoff zwischen den bisherigen Beteiligten im Wesentlichen derselbe bleibt, die Klageänderung die endgültige Beilegung des Streites fördert und kein neuer Beteiligter hinzutritt (vgl. zu diesen Kriterien allgemein Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 12. Aufl. 2000, § 91 Rdnr. 19 m. w. N.). Zudem hat der Beklagte dieser Klageerweiterung zugestimmt.

Soweit die Klageerweiterung das Recht der Klägerin auf Einsichtnahme in die Akte Acc. 2001/029 Nr. 104 der IHK {H.} betrifft, genügt diese hingegen nicht den Anforderungen des § 91 Abs. 1 VwGO. Der Beklagte und der Beigeladene haben dieser Klageerweiterung ausdrücklich widersprochen. Sie ist auch nicht sachdienlich, weil mit der beizuladenden IHK Hildesheim ein neuer Beteiligter hinzutreten würde, was den entscheidungsreifen Rechtsstreit nicht unerheblich verzögern würde.

2. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Einsichtnahme in die Findbücher und Repertorien der F- und K-Bestände sowie in diese Bestände selbst. Demzufolge steht ihr auch kein Recht auf die Fertigung von Kopien dieser Unterlagen zu.

a) Ein solches Recht ergibt sich nicht aus §§ 5 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 2 Satz 1 NArchG.

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 NArchG hat jede Person nach Maßgabe dieser Vorschrift und im Rahmen der Benutzungsordnung das Recht, auf Antrag Archivgut in den Staatsarchiven zu wissenschaftlichen Zwecken oder bei „sonst berechtigtem Interesse“ zu nutzen. Im Unterschied zum „rechtlichen Interesse“ wird unter dem Rechtsbegriff des „berechtigten Interesses“ gemeinhin jedes verständige, durch die Sachlage gerechtfertigte Interesse verstanden (Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, Stand: Januar 2002, § 43 Rdnr. 33; Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 6. Aufl. 2001, § 13 Rdnr. 32; Manegold, Archivrecht, 2002, S. 258). Es stellt sich die Frage, ob das Interesse der Klägerin, mit Hilfe der Einsichtnahme letztlich die aus ihrer Sicht gegen den Beigeladenen bestehenden zivilrechtlichen Ansprüche sowie die Ansprüche nach dem Vermögensgesetz und dem Lastenausgleichsgesetz durchzusetzen, ein berechtigtes Interesse i. S. d. § 5 Abs. 1 Satz 1 NArchG darstellt. Nach der Legaldefinition in einigen Landesarchivgesetzen (Bayern, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern) umfasst das berechtigte Interesse an der Benutzung des Archivgutes neben wissenschaftlichen und publizistischen Zwecken auch familiengeschichtliche, heimatkundliche sowie unterrichtliche Zwecke. Im Niedersächsischen Archivgesetz fehlt eine solche Legaldefinition. In diesem Fall kann auf den Widmungszweck zurückgegriffen werden, der aus der Definition der Aufgaben der Staatsarchive und des Archivguts abzuleiten ist (Manegold, a. a. O., S. 258 Fn. 454). Nach § 1 Abs. 4 Satz 1 NArchG haben die Staatsarchive neben der Aufgabe, das Schriftgut öffentlicher Stellen zu sammeln, auch die Aufgabe, Schriftgut anderer (privater) Herkunft anzunehmen, soweit dies im öffentlichen Interesse liegt. Nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 2 NArchG ist Archivgut das Schriftgut, das von bleibendem Wert für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben, für die Sicherung berechtigter privater Interessen oder für die Forschung ist. Hiernach sind in Niedersachsen vom Widmungszweck auch berechtigte private Interessen umfasst, so dass zum „sonst berechtigten Interesse“ i. S. d. § 5 Abs. 1 Satz 1 NArchG auch ein privates Interesse wie das der Klägerin gehört.

Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 NArchG steht „Betroffenen“ - an Stelle des Rechtes auf Auskunft nach § 6 Abs. 1 Satz 1 NArchG - unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 (Erschlossensein des Archivgutes, nähere Angabe zum Auffinden der Daten, Verhältnismäßigkeit von Aufwand und Informationsinteresse) auf Antrag ein Recht auf Einsichtnahme in das Archivgut zu, wenn der Erhaltungszustand des Archivgutes dies erlaubt. Der Begriff des „Betroffenen“ im archivrechtlichen Sinn ist dem des datenschutzrechtlichen Betroffenen nachgebildet. Im datenschutzrechtlichen Sinne ist Betroffener derjenige, dessen Schutz das Gesetz zum Ziele hat und dem die Rechte aus dem Gesetz eingeräumt sind (vgl. hierzu Gola/Schomerus, BDSG, Kommentar, 6. Aufl. 1997, § 3 Anm. 3). Nach diesem Verständnis kann die Klägerin Betroffene i. S. d. § 6 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 NArchG sein.

Sowohl für § 5 Abs. 1 Satz 1 als auch für § 6 Abs. 2 Satz 1 NArchG gilt: Obwohl Findmittel wie Findbücher und Repertorien nicht zum eigentlichen Archivgut gehören, muss zum einen der Archivbenutzungsanspruch diese als notwendige Voraussetzung und Effektuierung mit umfassen (so auch Manegold, a. a.O., S. 256). Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 NArchG sind Schriftgut im Sinne des Gesetzes zudem auch Karteien sowie Dateien einschließlich der Ordnungen und Verfahren, um das Schriftgut auswerten zu können. Archivgut ist nach § 2 Abs. 2 NArchG dabei das Schriftgut, das von bleibendem Wert ist. Deshalb sind die Findmittel wie etwa Findbücher und Repertorien als Schriftgut in dem bezeichneten Sinne anzusehen, so dass diese Findmittel in Niedersachsen bereits von Gesetzes wegen auch zum Archivgut gehören. Zum anderen erstreckt sich damit aber auch der Zustimmungsvorbehalt der Depositalverträge auch auf diese Findmittel.

Auch wenn der Klägerin nach den obigen Ausführungen „an sich“ die Einsichtsrechte in die F- und K-Bestände sowie die dazu hergestellten Findbücher und Repertorien nach §§ 5 Abs. 1 Satz 1 und 6 Abs. 2 Satz 1 NArchG zustehen, sind diese Einsichtsrechte deshalb ausgeschlossen, weil ihnen die Zustimmungsvorbehalte in den Depositalverträgen vom 22. Mai 1963 und 30. März 1972 entgegenstehen. Der Beigeladene als Depositalgeber hat der begehrten Einsicht der Klägerin nicht zugestimmt. Diese Zustimmungsvorbehalte sind von § 3 Abs. 7 Satz 2 NArchG gedeckt. Demgegenüber kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, die Depositalverträge seien nicht wirksam oder sie sei ebenfalls (Mit-)Eigentümerin der Depositalgüter. Auch überdecken die datenschutzrechtlichen sowie die übrigen von der Klägerin angeführten Bestimmungen die Vorschrift des § 3 Abs. 7 Satz 2 NArchG nicht in einer für die Klägerin günstigen Weise. Dazu im Einzelnen:

aa) Nach § 3 Abs. 7 Satz 2 NArchG kann in Vereinbarungen von Privaten mit dem Staatsarchiv von den §§ 5 und 6 NArchG abgewichen werden. Nach § 1 Abs. 4 Satz 1 NArchG können die Staatsarchive auch Schriftgut anderer Herkunft, d. h. auch privater Herkunft, annehmen, soweit dies im öffentlichen Interesse liegt. Bei der Übernahme von privatem Schriftgut spricht man von privatem Ergänzungs- oder Depositalgut, weil die Übernahme in der Regel aufgrund eines privatrechtlichen Depositalvertrages geschieht. Der Depositalvertrag ist ein „Archivvertrag“ eigener Art, der Elemente des Verwahrungs-, Auftrags- und Leihvertrages verbindet. Das zivilrechtliche Eigentum wird nicht berührt, es verbleibt dem abgebenden Depositar und ggf. dessen Rechtsnachfolgern (Manegold, a. a. O., S. 252 f.). Nach § 3 Abs. 7 Satz 2 NArchG sind die Vereinbarungen mit dem Depositalgeber vorrangig gegenüber den Rechten aus §§ 5 und 6 NArchG. Im Falle von privatem Depositalgut handelt es sich bei dem Archivbenutzungsanspruch dem Grundsatz nach um eine weitergeleitete private Gestattung, die im Depositalvertrag mit dem privaten Eigentümer getroffenen Vereinbarungen gehen den gesetzlichen Nutzungsbestimmungen vor. Diese Vereinbarungen dürfen nur die archivgesetzlichen Schutzstandards zugunsten Betroffener oder des Allgemeinwohls nicht unterschreiten (Manegold, a. a. O., S. 355 f.).

Im vorliegenden Fall werden die Schutzstandards des NArchG durch die Depositalverträge nicht unterschritten. Zum „Schutzstandard“ des NArchG gehört es nach § 3 Abs. 7 Satz 2 NArchG gerade auch, dass von den Rechten nach §§ 5 und 6 NArchG abgewichen werden kann. Auf die Frage, wer zivilrechtlich gesehen richtigerweise Eigentümer des Depositalgutes ist, der Depositalgeber oder ein Dritter, kommt es nach der Fassung des Gesetzes nicht entscheidend an. Diese Frage braucht das Staatsarchiv mithin nicht zu interessieren, es kann der begehrten Einsichtnahme die Zustimmungsvorbehalte des Depositalvertrages entgegenhalten. Wenn sich ein Dritter eines (Mit-)Eigentumsrechtes an dem Depositalgut berühmt, ist er gehalten, gegen den Depositalgeber auf dem Zivilrechtswege vorzugehen, um die Eigentumsfrage verbindlich klären zu lassen. Wenn sich dieser Dritte durch den Depositalvertrag gehindert sieht, seine ihm seiner Meinung nach bestehenden Rechte einzufordern, muss er sich demnach auch insoweit zivilrechtlich an den Depositalgeber wenden und seine gegen den Depositalgeber ggf. bestehenden Rechte auf dem Zivilrechtsweg einklagen.

Auf die Frage nach der Wirksamkeit der Depositalverträge haben die Grundsätze des vom Bundesverfassungsgerichtes aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG entwickelten Grundrechtes auf informationelle Selbstbestimmung keinen Einfluss. § 1 Abs. 4 NArchG ermächtigt das Staatsarchiv gerade zur Entgegennahme privaten Archivgutes und genügt damit dem insoweit geforderten Gesetzesvorbehalt. § 3 Abs. 7 Satz 2 NArchG wird auch nicht in durch die von der Klägerin angeführten Vorschriften in dem Sinn überlagert, dass die hier gesetzlich geregelte Einschränkung der Einsichtsrechte der §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 2 NArchG einengend auszulegen ist. Bei den Regelungen des Niedersächsischen Archivgesetzes und den von der Klägerin angeführten Gesetzesbestimmungen handelt es sich um jeweils getrennte Regelungskomplexe.

Eine Einsichtnahme in die Findbücher durch den Senat vor einer Entscheidung ist deshalb nicht entscheidungserheblich. Aus diesem Grund hat der Senat auch einen entsprechenden Beweisantrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung abgelehnt. Im Übrigen ist der Beweisantrag deshalb unzulässig, weil er zum Ergebnis hätte, dass die Findbücher als Beiakten zum Verfahren beigezogen wären und die Klägerin nach § 100 Abs. 1 VwGO ein unbeschränktes Recht auf Einsichtnahme hätte und sich nach § 100 Abs. 2 Satz 1 VwGO sogar Kopien hiervon anfertigen lassen könnte. Die von der Klägerin beantragte Beweisaufnahme liefe daher auf eine Vorwegnahme des Klagezieles hinaus.

bb) Entgegen der in der schriftlichen Berufungsbegründung von der Klägerin vertretenen Auffassung – die sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat allerdings als nicht mehr so bedeutend angesehen hat, der der Senat gleichwohl wegen des Grundsatzes der Amtsermittlungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO nachgeht – sind die zwei Depositalverträge des Beigeladenen bzw. der Hofkammer mit dem Staatsarchiv wirksam. Die Klägerin ist nicht Miteigentümerin des Depositalgutes. Der Beigeladene und die Hofkammer waren berechtigt, die Depositalverträge abzuschließen, da der Beigeladene nach seinem Vater Wolrad Eigentümer des Depositalgutes geworden ist. Die Klägerin ist nicht (Mit-)Erbin und damit auch nicht (Mit-)Eigentümerin des Depositalgutes nach ihrem Vater Heinrich. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Das Vermögen des Fürstenhauses Schaumburg-Lippe war früher fideikommissgebunden. Bei einem Fideikommiss handelt es sich um das unveräußerliche und unteilbare Vermögen einer Familie. Nach Art. 155 Abs. 2 Satz 2 der Weimarer Reichverfassung (WRV) waren die im Jahre 1919 bestehenden Fideikommisse aufzulösen. Hierbei handelte es sich um einen Gesetzgebungsauftrag an die Länder, denen damit aufgegeben worden war, die in ihrem Gebiete bestehenden Fideikommisse aufzulösen. Während einige Länder diesem nicht befristeten Gesetzgebungsauftrag im Laufe der Jahre 1920 bis 1927 nachgekommen waren, hatten andere Länder, darunter offenbar auch Schaumburg-Lippe, bis zum Ende der Weimarer Republik noch kein abschließendes Auflösungsgesetz erlassen (vgl. dazu im Einzelnen Schulz, Die Gesetzgebung der deutschen Länder betr. die Auflösung der Fideikommisse, JW 1929, 242 ff.; Staudinger, BGB, Kommentar, 10. Aufl., Art. 59 EGBGB Anm. II.). Deshalb hat der Reichsgesetzgeber das Gesetz über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen vom 6. Juli 1938 (RGBl. I S. 825) erlassen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 dieses Gesetzes erloschen mit Beginn des 1. Januar 1939 die in diesem Zeitpunkt noch bestehenden Familienfideikommisse. Mit dem Erlöschen des Fideikommisses wurde nach § 2 des Gesetzes das Fideikommissvermögen freies Vermögen des letzten Fideikommissbesitzers, soweit sich aus § 11 des Gesetzes (der Verfügungsbeschränkungen bis zur Erteilung des Fideikommissauflösungsscheines betrifft) nichts anderer ergab.

Letzter Fideikommissbesitzer zum Stichtag des 1. Januar 1939 war Fürst Wolrad, der Vater des Beigeladenen, der ab 1936 nach dem Tod von Fürst Adolf „Chef“ des Hauses Schaumburg-Lippe war. Entgegen der Ansicht der Klägerin war letzter Fideikommissbesitzer also gerade nicht der ehemalige Fürst Adolf. Im Land Schaumburg-Lippe wurden die bestehenden Fideikommisse erst durch das genannte Reichsgesetz vom 6. Juli 1938 und nicht bereits durch die sog. Hausgesetze des ehemaligen bis 1918 regierenden Fürsten Adolf vom 8. und 12. Dezember 1923 aufgelöst. Zwar bestimmte § 1 Abs. 3 des Hausgesetzes vom 8. Dezember 1923, dass die hausgesetzlichen Bestimmungen über die Unteilbarkeit und Unveräußerlichkeit des Hausvermögens aufgehoben werden und seine rechtliche Gebundenheit, insbesondere die Stammgut- und Fideikommisseigenschaft, für alle Bestandteile des Hausvermögens mit dem Erlass dieses Gesetzes erlischt. Solche „Hausgesetze“ waren aber nicht vom insoweit allein zuständigen Landtag des Landes Schaumburg-Lippe erlassen worden.

Auch durch das Gesetz des Landes Schaumburg-Lippe betreffend die Auseinandersetzung zwischen dem Freistaat und dem ehemals regierenden Fürsten Adolf über das Dominalgut vom 8. Mai 1920 ist das Fideikommiss im Land Schaumburg-Lippe nicht aufgelöst worden. Dieses Landesgesetz betrifft nur die Auseinandersetzung über das bisherige Domanium in Ausführung des am 24. Dezember 1919 geschlossenen Abkommens zwischen dem Freistaat und Fürst Adolf. Dieses Abkommen beinhaltet einen Teilungsvertrag, wonach der Freistaat in § 1 näher bezeichnete Vermögenswerte, insbesondere Ackerland und Wald, übertragen erhält. Den Rest des ehemaligen Domaniums erhält nach § 2 der Fürst. In § 11 dieses Vertrages ist weiter ausdrücklich bestimmt, dass die dem Fürstlichen Hause zufallenden Teile des bisherigen Domaniums und die zum Hausgut gehörenden Vermögensstücke als Familienfideikommissgut des vormals regierenden Fürstlichen Hauses bestehen. Verwaltung und Nutzung behielt hiernach das Oberhaupt des Fürstlichen Hauses, mithin Adolf. Nach dem Tode von Adolf im Jahre 1936 wurde sein Bruder Wolrad Oberhaupt und damit Fideikommissinhaber. Mit Auflösung dieses am 31. Dezember 1938 noch bestehenden Fideikommisses wurde Wolrad Privateigentümer des bisherigen Fideikommissvermögens. Nach seinem Tod hat der Beigeladene als sein Sohn dieses Vermögen geerbt. Zu diesem Vermögen gehören auch die F- und K-Bestände.

b) Der Klägerin steht auch kein Einsichtsrecht aus § 16 Abs. 3 NDSG zu. Hiernach kann der Betroffene Akteneinsicht in die zu seiner Person in Akten gespeicherten Daten verlangen, soweit er Angaben macht, die das Auffinden der Daten mit angemessenem Aufwand ermöglichen. Diese Vorschrift ist hier nicht einschlägig.

Das Niedersächsische Datenschutzgesetz gilt – ebenso wie das Bundesdatenschutzgesetz im Bereich privater Datenverarbeitung, wenn die personenbezogenen Daten nicht „geschäftsmäßig“ oder für „berufliche oder gewerbliche Zwecke“ verarbeitet oder genutzt werden (vgl. hierzu Gola/Schomerus, a. a. O., § 27 Anm. 3.1) – nach der Umschreibung seines Anwendungsbereiches in § 2 NDSG nicht für Privatpersonen, sondern nur für Behörden und sonstige öffentliche Stellen. Das Staatsarchiv ist zwar eine Behörde des Landes. Wenn das Staatsarchiv aber – wie hier – private Unterlagen aufgrund eines Depositalvertrages zwar in seinen Bestand aufnimmt, das Eigentum und die abschließende Verwendungsbefugnis aber beim Depositalgeber verbleibt, hat dies nicht zur Folge, dass das Staatsarchiv bei der Verwendung dieser Depositalgüter an die datenschutzrechtlichen Bestimmungen, hier insbesondere an das Einsichtnahmerecht eines Dritten nach § 16 Abs. 3 Satz 1 NDSG, gebunden ist. Der Archivbenutzungsanspruch von privatem, beim Staatsarchiv aufgrund eines Depositalvertrages gelagerten Depositalgutes ist – wie bereits ausgeführt – dem Grundsatz nach nämlich lediglich eine „weitergeleitete“ private Gestattung.

Zudem normieren die Datenschutzgesetze und mithin auch das Niedersächsische Datenschutzgesetz als Konkretisierungen des informationellen Selbstbestimmungsrechtes eine zweckgebundene Verarbeitung personenbezogener Daten. Darunter ist zu verstehen, dass personenbezogene Daten grundsätzlich nur zu dem Zweck weiterverarbeitet werden dürfen, zu dem sie erhoben worden sind, es sei denn, die Verarbeitung und Nutzung ist durch eine bereichsspezifische andere gesetzliche Regelung erlaubt, oder der Betroffene hat eingewilligt. Personenbezogene Daten werden erhoben, um die zumeist in bereichsspezifischen Gesetzen geregelten Verwaltungsaufgaben im weitesten Sinne zu erfüllen. Hierfür werden sie in Dateien, Akten bzw. sonstigen Unterlagen aufgenommen, d. h. gespeichert. Sie sind damit Sachmittel der Verwaltung. Nach Schließung und Aussonderung und Übergabe dieser Unterlagen sollen die personenbezogenen Daten nach § 17 Abs. 2 Satz 2 NDSG in den Archiven der Forschung und der Nutzung zugänglich gemacht werden. Sie sollen hier folglich eine andere Aufgabe erfüllen als ursprünglich in der Verwaltung. Archivierung und Nutzung stellen gegenüber der ursprünglichen Verwendung, die dem datenschutzrechtlichen Regime unterfällt, prinzipiell eine Zweckentfremdung und damit eine andere Zweckbestimmung dar, die einer spezifisch archivgesetzlichen Regelung bedarf. Die Verarbeitungsregelungen der Datenschutzgesetze und hier insbesondere § 16 Abs. 3 NDSG sind daher auf das Archivbenutzungsverhältnis nicht anwendbar (vgl. Lau, Verfassungsrechtliche Anforderungen an Archivgesetze des Bundes und der Länder, 2000, S. 41 m. w. N.).

Angesichts dessen folgt aus der Richtlinie zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr – EG-Datenschutz-Richtlinie 95/46/EG – vom 24. Oktober 1995 (Amtsblatt der EG v. 23.11.1995 Nr. L 281/31) – abgedruckt etwa im Anhang von Gola/Schomerus, BDSG, Kommentar, 6. Aufl. 1997 – nichts anderes. Diese Richtlinie enthält zudem keine Ansätze für ein neues Datenschutzrecht, sondern knüpft u. a. an auch in Deutschland bereits bestehende Regelungsprinzipien an. Speziell die Novelle des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes vom 21. Juni 2001 (Nds. GVBl. S. 373) hat eine Anpassung an die Richtlinie gebracht. Nach Art. 34 ist die Richtlinie an die Mitgliedsstaaten gerichtet, so dass sich ein Unionsbürger überdies nicht unmittelbar auf die Richtlinie berufen kann. Die vom EuGH in seiner Rechtsprechung entwickelten Tatbestände, in denen dies wegen der nicht rechtzeitigen oder nicht hinreichenden Umsetzung in nationales Recht ausnahmsweise dennoch der Fall ist (vgl. hierzu etwa Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, Rdnr. 556 m. w. N.; BVerwG, Urt. v. 5.6.1986 – 3 C 12.82 –, BVerwGE 74, 241 ff.), sind hier nicht gegeben. Nach Art. 10 und 12 der Richtlinie haben die Betroffenen zudem nur bestimmte Informations- und Auskunftsrechte, aber keine Einsichtsrechte, wie sie die Klägerin geltend macht.

c) Der Klägerin stehen auch keine sonstigen Anspruchsgrundlagen öffentlich-rechtlicher Art für das gegenüber dem Berufungsbeklagten geltend gemachte Einsichtsrecht zu.

Ein Anspruch nach § 317 Abs. 1 Satz 1 LAG scheidet vorliegend aus. Hiernach haben alle Behörden und Gerichte den im 11. Abschnitt des Lastenausgleichsgesetzes genannten Behörden, d. h. den Lastenausgleichsämtern, unentgeltlich Amts- und Rechtshilfe zu leisten. Weder folgt hieraus ein direkter subjektiver Anspruch eines Anspruchstellers gegen eine dritte Behörde – hier das Staatsarchiv – auf Akteneinsicht noch muss oder darf die dritte Behörde allein auf Wunsch des Antragstellers Akten an die nach dem Lastenausgleichsgesetz zuständige Behörde senden.

Gleiches gilt für § 31 Abs. 3 Satz 1 VermG. Ein Antragsteller nach dem Vermögensgesetz hat hiernach gegenüber dem zuständigen Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen, die den Sachverhalt nach § 31 Abs. 1 Satz 1 VermG von Amts wegen ermittelt, einen Anspruch auf Auskunft über alle Informationen, die zur Durchsetzung seines Anspruches erforderlich sind. Dieser Anspruch richtet sich allein an die nach dem Vermögensgesetz zuständigen Behörden. Ein Anspruch auf Einsichtnahme in beim Staatsarchiv gelagertes Depositalgut und hierzu gehörende Findmittel lässt sich hieraus nicht ableiten.

d) Ein Einsichtsrecht in die Findbücher und Repertorien sowie die F- und K-Bestände nach der allgemeinen Vorschrift der §§ 29 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, 1 Abs. 1 Satz 1 NVwVfG scheidet ebenfalls aus. § 29 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gewährleistet nur einen Anspruch auf Einsicht in die „das Verfahren betreffenden Akten“, d. h. eines laufenden Verwaltungsverfahrens. Das Einsichtsbegehren der Klägerin betrifft jedoch keine Akten eines laufenden Verwaltungsverfahrens iSd § 9 VwVfG, sondern Schriftstücke, die bereits geschlossen und an das Archiv abgegeben worden sind. Überdies handelt es sich nicht um behördliche Verwaltungsakten öffentlichen Ursprungs, sondern um private Akten, die in fremdem Eigentum stehen. Deshalb muss auch hier der Einwilligungsvorbehalt der Depositalverträge eingreifen.

e) Schließlich steht der Klägerin gegen den Beklagten auch kein Einsichtsrecht nach § 810 BGB zu. Nach § 810 BGB kann derjenige, der ein rechtliches Interesse daran hat, eine in fremdem Besitze befindliche Urkunde einzusehen, von dem Besitzer die Gestattung der Einsicht verlangen, wenn die Urkunde in seinem Interesse errichtet oder in der Urkunde ein zwischen ihm und einem anderen bestehendes Rechtsverhältnis beurkundet ist oder wenn die Urkunde Verhandlungen über ein Rechtsgeschäft enthält, die zwischen ihm und einem anderen oder zwischen einem von beiden und einem gemeinschaftlichen Vermittler gepflogen worden sind. Abgesehen davon, dass die Klägerin das Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht hinreichend substantiiert dargelegt hat, gilt auch insoweit der Zustimmungsvorbehalt der Depositalverträge.

Im Ergebnis ist demnach festzustellen, dass die Klägerin gegenüber dem Beklagten keinen auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Bestimmungen herrührenden Anspruch auf Einsichtnahme in die begehrten Unterlagen hat. Die Klägerin muss sich vielmehr an den Beigeladenen als Eigentümer der Depositalien halten und diesen notfalls auf dem Zivilrechtswege auf Zustimmung zur Erlaubnis zur Einsichtnahme oder auf Einsichtnahme selbst verklagen.

Erläuterungen (Wikisource)

Abdruck: NdsVBl 2003, S. 105ff.

Die Leitsätze der Rechtsprechungsdatenbank sind dem Gericht zuzurechnen (§ 5 UrhG).

Die Hintergründe der Klage sind ausführlich dokumentiert in: Alexander vom Hofe, Vier Prinzen zu Schaumburg-Lippe und das parallele Unrechtssystem, Madrid 2006; online: http://edocs.fu-berlin.de/docs/receive/FUDOCS_document_000000000100