Oberlandesgericht München - Zeitungszeugen

Entscheidungstext
Gericht: Oberlandesgericht
Ort: München
Art der Entscheidung: Urteil
Datum: 1. Oktober 2009
Aktenzeichen: 29 U 2462/09
Zitiername:
Verfahrensgang: vorgehend Landgericht München I (25. März 2009, 21 O 1425/09; Pressemitteilung), nachgehend Bundesgerichtshof (Revision anhängig).
Erstbeteiligte(r): Freistaat Bayern (Antragsteller)
Gegner: Albertas Limited (Antragsgegner)
Weitere(r) Beteiligte(r):
Amtliche Fundstelle:
Quelle: Scan von ZUM 2009, Heft 12, S. 965–970
Weitere Fundstellen: AfP 2010, 174–178
Inhalt/Leitsatz: 1. Ein Urheberrecht am Sammelwerk entstand nach § 4 LUG nur für denjenigen, der selbst eine herausgeberische Tätigkeit geleistet hat und ausdrücklich als Herausgeber genannt ist (II.2.d).
2. Verfasser von Zeitungsartikeln haben in den 1930er-Jahren im Zweifel den Verlegern nicht in Abweichung von § 42 II 2 VerlG a. F. ausschließliche Rechte zeitlich unbegrenzt eingeräumt (II.2.e).
(Leitsätze des Wikisource-Bearbeiters)
Zitierte Dokumente: BGHZ 136, 380; BGHZ 171, 151; RT-Verh.10/II, Anl.97
Anmerkungen: Zur strafrechtlichen Seite des Falles siehe Landgericht München I, 17. April 2009.
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[965]

Zur Auslegung von § 4 LUG im Hinblick auf etwaige Sammelwerk-Urheberrechte an NS-Zeitungen

Urteil des Oberlandesgerichts München vom 1. Oktober 2009 – 29 U 2462/09

Gründe

[1] Der Antragsteller, der Freistaat Bayern, macht im Wege des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin, eine Private Limited Company mit Sitz in Großbritannien, einen Verfügungsanspruch dahingehend geltend, dass der Antragsgegnerin verboten werden möge, Faksimile-Nachdrucke der NS-Zeitungen „Der Angriff“ und/oder „Völkischer Beobachter“ zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten. Der Antragsteller beruft sich dabei u. a. auf urheberrechtliche Befugnisse, die ihm als Rechtsnachfolger des Verlags F. GmbH zustehen.

[2] Die Antragsgegnerin ist Herausgeberin des Printprodukts „Zeitungszeugen“, bei dem als Sammeledition Zeitungsnachdrucke aus der Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945) zusammen mit einem mehrseitigen Mantel mit Kommentaren und Analysen von Experten, insbesondere Historikern, publiziert werden.

[3] In einer Presseerklärung der Antragsgegnerin vom 07.1.2009 heißt es u. a.

„1933-1945
ZEITUNGSZEUGEN
Sammelhefte: Die Presse in der Zeit des Nationalsozialismus
Geschichte erlesen: ZEITUNGSZEUGEN 1933–1945
– Faksimile-Drucke von Zeitungen geben wertvolle Einblicke in die Berichterstattung während der Zeit des Nationalsozialismus
– Wöchentliche Sammelheft-Edition, ausgerichtet auf ein Jahr
– Analysen führender Wissenschaftler aus Zeitgeschichte und Journalismusforschung
Berlin, 7. Januar 2009. Das britische Verlagshaus Albertas Limited lanciert am 8. Januar 2009 ein einzigartiges Projekt: Mit Unterstützung renommierter Historiker und Experten werden wöchentlich Zeitungsnachdrucke aus der Zeit der „Machtübernahme“ im Januar 1933 bis zum Zusammenbruch des NS-Regimes im Mai 1945 publiziert. Jede Ausgabe der Sammelheft-Edition bietet neben Reproduktionen von zwei bis drei Originalausgaben einen 4-seitigen Mantel mit Kommentaren und Analysen führender Experten und Historiker. ...“

[4] Die Ausgabe Nummer 1 der Zeitungszeugen beinhaltete u. a. einen lose beiliegenden Nachdruck der Zeitung „Der Angriff“ vom 30.1.1933.

[5] Die Ausgabe Nummer 2 der Zeitungszeugen beinhaltete u. a. einen lose beiliegenden Nachdruck der Zeitung „Völkischer Beobachter“. Ausgabe A/Norddeutsche Ausgabe vom 1.3.1933.

[6] Der Antragsteller hat in erster Instanz beantragt, der Antragsgegnerin ... zu verbieten, Faksimile-Nachdrucke der Zeitungen „Der Angriff“ und/oder „Völkischer Beobachter“ herzustellen und/oder zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten und/oder herstellen und/oder vervielfältigen und/oder verbreiten zu lassen.

[7] Die Antragsgegnerin hat in erster Instanz beantragt, den Verfügungsantrag zurückzuweisen.

[8] Das Landgericht hat mit Urteil vom 25.3.2009 Folgendes entschieden:

I. Der Antragsgegnerin wird bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel verboten, Faksimile-Nachdrucke der Original-Ausgaben der Zeitungen „Der Angriff“ und/oder „Völkischer Beobachter“ zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten und/oder vervielfältigen und/oder verbreiten zu lassen, sofern der Tag der Erstveröffentlichung der jeweiligen Original-Ausgabe weniger als 70 Jahre zurückliegt und dies in Form der „Zeitungszeugen“ Ausgaben 1/2009 und 2/2009 geschieht.
II. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Antragsteller 90 %, die Antragsgegnerin 10 %.

[9] Auf dieses Urteil [...] wird einschließlich der darin getroffenen Feststellungen Bezug genommen.

[10] Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Antragstellers, soweit zu dessen Nachteil entschieden worden ist, sowie die Anschlussberufung der Antragsgegnerin, die die vollständige Zurückweisung des Verfügungsantrags erstrebt.

[11] Der Antragsteller beantragt in der Berufungsinstanz:

I. Das am 25.3.2009 verkündete Urteil des Landgerichts München I – 21 O 1425/09 wird in Ziffern II und III aufgehoben.
II. Der Antragsgegnerin wird bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel verboten, Faksimile-Nachdrucke der Original-Ausgaben der Zeitungen „Der Angriff“ und/oder „Völkischer Beobachter“ herzustellen und/oder zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten und/oder herstellen und/oder vervielfältigen und/oder verbreiten zu lassen, auch wenn der Tag der Erstveröffentlichung der jeweiligen Original-Ausgabe länger als 70 Jahre zurückliegt.

[12] Die Antragsgegnerin hat zunächst in der Berufungsinstanz beantragt:

I. Die Berufung des Antragstellers wird zurückgewiesen.
II. Das angefochtene Urteil des Landgerichts München I vom 25.3.2009 – 21 O 1425/09 wird abgeändert und der Verfügungsantrag vollständig zurückgewiesen.

[13] Der Antragsteller hat ferner die Zurückweisung der Anschlussberufung beantragt.

[14] Im Termin der mündlichen Verhandlung vom 1.1.2009 hat die Antragsgegnerin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erklärt, es zu unterlassen, Faksimilenachdrucke der Originalausgaben der Zeitungen „Der Angriff“ und/oder „Völkischer Beobachter“ zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten und/oder vervielfältigen und/oder verbreiten zu lassen, sofern der Tag der Erstveröffentlichung der jeweiligen Original-Ausgabe weniger als 70 Jahre zurückliegt und dies in Form der „Zeitungszeugen“-Ausgaben 1/2009 und 2/2009 geschieht. Dabei hat die [966] Antragsgegnerin vorsorglich erklärt, dass dies nicht den Verzicht beinhalte, die benannten Zeitungen in einer Form zu nutzen, die den Anforderungen an die Zitatfreiheit nach § 51 UrhG gerecht wird.

[15] Der Antragsteller hat sodann im Hinblick auf die von der Antragsgegnerin abgegebenen Erklärungen den Rechtsstreit, soweit er Gegenstand der Anschlussberufung ist, in der Hauptsache für erledigt erklärt.

[16] Die Antragsgegnerin hat sich dieser Teilerledigterklärung angeschlossen.

[17] II. 1. Nach der übereinstimmenden Teilerledigterklärung hinsichtlich des Gegenstands der Anschlussberufung ist in der Hauptsache nur noch über die Berufung des Antragstellers zu entscheiden (vgl. dazu nachstehend Nr. II. 2.). Hinsichtlich der übereinstimmenden Teilerledigterklärung ist eine Kostenentscheidung nach § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO zu treffen (vgl. dazu nachstehend Nr. II. 3.).

[18] 2. Die zulässige Berufung des Antragstellers ist nicht begründet. Dem Antragsteller steht kein Verfügungsanspruch nach § 97 Abs. 1 des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz (UrhG)) zur Seite.

[19] a) Der Antragsteller verfolgt den geltend gemachten Verfügungsanspruch bezüglich desjenigen Zeitraums, bei dem der Tag der Erstveröffentlichung der jeweiligen Original-Ausgaben der Zeitungen „Der Angriff“ und „Völkischer Beobachter“ länger als 70 Jahre zurückliegt, in der Berufungsinstanz unter zwei Gesichtspunkten weiter. Zum einen macht der Antragsteller geltend, er sei als Rechtsnachfolger des Verlags F. ausschließlicher Inhaber von Sammelwerk-Urheberrechten bezüglich der Zeitungen „Der Angriff“ und „Völkischer Beobachter“. Zum anderen macht der Antragsteller geltend, er sei als Rechtsnachfolger des genannten Verlags Inhaber aller ausschließlichen Nutzungsrechte an den einzelnen Beiträgen in diesen Zeitungen. Mit beidem hat der Antragsteller keinen Erfolg.

[20] b) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die unbeschadet des § 513 Abs. 2 ZPO in der Berufungsinstanz zu prüfen ist, ergibt sich im Streitfall aus Art. 5 Nr. 3 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001 Nr. L 12 S. 1, im Folgenden: Brüssel-I-VO). Gemäß Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO kann eine Person, die ihren Wohnsitz – bei juristischen Personen: ihren satzungsmäßigen Sitz, den Sitz ihrer Hauptverwaltung oder denjenigen ihrer Hauptniederlassung (vgl. Art. 60 Abs. 1 Brüssel-I-VO) – in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichsteht, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Ist eine solche Zuständigkeit begründet, erstreckt sie sich auch auf Unterlassungsansprüche, die auf Wiederholungsgefahr gestützt werden (vgl. zum insoweit gleichlautenden Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ BGHZ 171, 151, Tz. 17 – Wagenfeld-Leuchte m. w. N.).

[21] c) Der Antragsteller begehrt mit seinem Antrag Schutz für das Inland. Nach dem Schutzlandprinzip sind daher die Vorschriften des deutschen Urheberrechts anwendbar (vgl. BGHZ 171, 151, Tz.: 24 – Wagenfeld-Leuchte; Art. 8 Abs. 1 der am 11.1.2009 in Kraft getretenen ROM-II-Verordnung, abgedruckt bei Palandt/Thorn, BGB, 68. Aufl., Anhang zu Artikel 38 bis 42 EGBGB, S. 2652).

[22] d) Ohne Erfolg macht der Antragsteller geltend, er sei als Rechtsnachfolger des Verlags F. ausschließlicher Inhaber an Sammelwerk-Urheberrechten bezüglich der Zeitungen „Der Angriff“ und „Völkischer Beobachter“, auch wenn der Tag der Erstveröffentlichung der jeweiligen Original-Ausgaben länger als 70 Jahre zurückliegt.

[23] aa) Die streitgegenständlichen Zeitungen „Der Angriff“ und „Völkischer Beobachter“ sind vor dem 1.1.1966, dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz (UrhG)) erschienen. Soweit es um im Zusammenhang mit diesen Zeitungen geschaffene urheberrechtliche Werke geht, sind nach § 129 Abs. 1 Satz 1 UrhG die Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes auch auf solche vor seinem Inkrafttreten geschaffenen Werke anzuwenden, es sei denn, dass sie damals urheberrechtlich nicht geschützt waren oder dass im Urheberrechtsgesetz sonst etwas anderes bestimmt ist. Besteht ein Werk aus den getrennten Beiträgen mehrerer (Sammelwerk), so wird für das Werk als Ganzes nach § 4 Satz 1 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst (LUG), des Vorläufergesetzes des Urheberrechtsgesetzes, der Herausgeber als Urheber angesehen. Ist ein solcher nicht genannt, so gilt der Verleger nach § 4 Satz 2 LUG als Herausgeber. Nach Maßgabe von § 4 LUG sind Zeitungen als Sammelwerke einzustufen, an denen ein Urheberrecht besteht (vgl. Entwurf eines Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst vom 08.12.1900 (Reichstags-Drucksache Nr. 97) (zu §§ 4-6), abgedruckt bei Schulze, Materialien zum Urheberrechtsgesetz, Band 1, 2. Aufl., S. 126; RGSt. 38, 241, 242). Das Urheberrecht am Sammelwerk „Zeitung“ kann nach § 4 LUG auch einer juristischen Person zustehen (vgl. § 32 Satz 1 LUG). Wer zur Zeit des Inkrafttretens des Urheberrechtsgesetzes (1.1.1966) nach den bisherigen Vorschriften, nicht aber nach dem Urheberrechtsgesetz als Urheber eines Werkes anzusehen ist, gilt nach § 134 Satz 1 UrhG, von hier nicht einschlägigen Fällen abgesehen, weiterhin als Urheber; dies gilt insbesondere für juristische Personen als Urheber nach § 4 LUG (vgl. Jan Bernd Nordemann/Czychowski/Schaefer in: Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl., § 134, Rn. 1).

[24] bb) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht angenommen, dass Joseph Goebbels unbeschadet der Nennung als Herausgeber auf Seite 1 der Zeitung „Der Angriff“ vom 30.1.1933 kein Sammelwerk-Urheberrecht nach § 4 Satz 1 LUG bezüglich der betreffenden Zeitung erworben hat. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht des Weiteren angenommen, dass Adolf Hitler unbeschadet der Nennung als Herausgeber auf Seite 1 der Zeitung „Völkischen Beobachter“, Ausgabe A/Norddeutsche Ausgabe vom 1.3.1933 kein Sammelwerk-Urheberrecht nach § 4 Satz 1 LUG bezüglich der betreffenden Zeitung erworben hat. Denn als Herausgeber eines Sammelwerks im Sinne von § 4 LUG ist nur derjenige einzustufen, der durch die Prüfung, Auswahl und Durchsicht der Beiträge und durch die Anordnung des Ganzen eine Tätigkeit erbracht hat, welche die Gewährung eines Urheberschutzes rechtfertigt (vgl. Entwurf eines Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst vom 8.12.1900, Reichstags-Drucksache Nr. 97) (zu §§ 4-6), abgedruckt bei Schulze, Materialien zum Urheberrechtsgesetz, Band 1, 2. Aufl., S. 126). Die bloße Bezeichnung als Herausgeber auf einem Sammelwerk macht den Genannten nicht zum Herausgeber im Sinne des § 4 LUG (vgl. Goldbaum, Urheberrecht und Urhebervertragsrecht, 3. Aufl., 1961, Erläuterungen zu § 4 LUG (S. 66); ebenso ders., Urheberrecht und Urhebervertragsrecht, 2. Aufl., 1927, § 4 LUG, Anm. III. 1. (S. 55); Voigtländer/Elster/Kleine, Urheberrecht, 4. Aufl., 1952, § 4, Anm. 2; Möller-Klepzig, Das Urheberrecht an Sammelwerken nach deutschem und französischem Recht, Diss. Leipzig, 1934, S. 40). Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass Joseph Goebbels und Adolf Hitler nicht als Sammelwerk-Urheber nach § 4 Satz 1 LUG bezüglich der Zeitungen „Der Angriff“ bzw. „Völkischer Beobachter“ einzustufen sind. Angesichts der zahlreichen Funktionen, die Goebbels und Hit- [967] ler im NS-Regime ausgeübt haben, ist nicht anzunehmen, dass sie die für eine Einstufung als Herausgeber der genannten Zeitungen erforderliche Tätigkeit in Gestalt der Prüfung, Auswahl und Durchsicht der Beiträge und der Anordnung des Ganzen erbracht haben. Gegen die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts unter I. 1. a (1.) der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils werden vom Antragsteller in der Berufungsinstanz keine spezifischen Einwendungen erhoben, weshalb weitere Ausführungen insoweit nicht veranlasst sind.

[25] cc) Ohne Erfolg macht der Antragsteller geltend, ihm stünden ausschließliche Nutzungsrechte an den Sammelwerk-Urheberrechten zu, die die (Haupt-)Schriftleiter der Zeitungen „Der Angriff“ und „Völkischer Beobachter“ als faktische Herausgeber nach § 4 Satz 1 LUG erworben hätten.

[26] (1) Zu Recht hat das Landgericht angenommen (Entscheidungsgründe unter I. 1. a. (2.)), dass andere natürliche Personen als Sammelwerk-Urheber bezüglich der Zeitungen „Der Angriff“ und „Völkischer Beobachter“ ausscheiden, weil sie in diesen Zeitungen nicht als Herausgeber genannt werden. Wird ein Herausgeber eines Sammelwerkes nicht genannt, so gilt, wie bereits erörtert, nach § 4 Satz 2 LUG der Verleger als Herausgeber. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine echte Fiktion (vgl. Möller-Klepzig aaO., S. 41; Goldbaum, Urheberrecht und Urhebervertragsrecht, 3. Aufl., 1961, Erläuterungen zu § 4 LUG, S. 66; Kuhlenbeck, Das Urheberrecht (Autorrecht) an Werken der Literatur und Tonkunst und das Verlagsrecht, 1901, § 4 LUG, Anm. 5; a. M. Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 1951, S. 124 (bloße Vermutung)). Diese durch den Wortlaut („gilt“) nahegelegte Deutung von § 4 Satz 2 LUG findet in den Materialien zum Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst eine Stütze (vgl. Entwurf eines Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst vom 8.12.1900, Reichstags-Drucksache Nr. 97) (zu §§ 4-6), abgedruckt bei Schulze, Materialien zum Urheberrechtsgesetz, Band 1, 2. Aufl., S. 126 „Wird ein Herausgeber nicht genannt, so darf ohne Weiteres angenommen werden, dass als solcher der Verleger des Werkes eingetreten ist.“). Zutreffend hat das Landgericht aus § 4 Satz 2 LUG gefolgert, dass die Nennung als „Herausgeber“ zu der schöpferischen Leistung in Gestalt einer urheberrechtlich relevanten Herausgebertätigkeit als Voraussetzung für den Erwerb eines Sammelwerk-Urheberrechts nach § 4 Satz 1 LUG hinzukommen muss. Auch bei der von § 4 Satz 2 LUG vorausgesetzten Konstellation gibt es eine oder mehrere Personen, die die urheberrechtlich relevante Herausgebertätigkeit erbracht haben und denen das Gesetz gleichwohl kein Sammelwerk-Urheberrecht nach § 4 Satz 1 LUG zuerkennt. Die gesetzliche Fiktion des § 4 Satz 2 LUG käme, worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat, nie zum Tragen, wenn man für den Erwerb eines Sammelwerk-Urheberrechts nach § 4 Satz 1 LUG allein auf die schöpferische Leistung in Gestalt der urheberrechtlich relevanten Herausgebertätigkeit abstellen würde (im Ergebnis ebenso Möller-Klepzig aaO., S. 41 f.).

[27] Soweit der Antragsteller geltend macht, für den Erwerb eines Sammelwerk-Urheberrechts gemäß § 4 Satz 1 LUG genüge es, wenn derjenige, der die urheberrechtlich relevante Herausgebertätigkeit erbracht habe, in dem Sammelwerk zwar nicht als Herausgeber, aber mit einer anderen Bezeichnung wie Schriftleiter genannt werde, steht diese Lesart im Widerspruch zum Wortlaut und Sinn und Zweck des § 4 LUG. In § 4 Satz 2 LUG heißt es ausdrücklich: „Ist ein solcher (= Herausgeber) nicht genannt, so gilt der Verleger als Herausgeber“. Bei anderen Bezeichnungen wie „Hauptschriftleiter“, „Schriftleiter“, „Redakteur“ oder Ähnlichen versteht sich im Übrigen nicht von selbst, dass diese Personen die urheberrechtlich relevante Herausgebertätigkeit erbracht haben. § 4 LUG dient daher mit dem Erfordernis, dass die Person, die die urheberrechtliche Herausgebertätigkeit erbracht hat, als Herausgeber bezeichnet sein muss, um ein Sammelwerk-Urheberrecht nach § 4 Satz 1 LUG zu erwerben, und mit der Statuierung eines Verleger-Urheberrechts gemäß § 4 Satz 2 LUG als subsidiärer Regelung der Rechtssicherheit.

[28] (2) Im Übrigen hat der Antragsteller nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass diejenigen Personen, die er als (Haupt-)Schriftleiter der Zeitungen „Der Angriff“ und „Völkischer Beobachter“ bezeichnet hat, in sämtlichen bis 1938 erschienenen Ausgaben dieser Zeitungen als (Haupt-)Schriftleiter genannt sind. Deshalb bleibt die Berufung auch dann ohne Erfolg, wenn man der vom Antragsteller favorisierten Lesart von § 4 LUG beitreten würde, wonach es für den Erwerb eines Sammelwerk-Urheberrechts nach § 4 Satz 1 LUG genügt, wenn diejenige Person, die die urheberrechtlich relevante Herausgebertätigkeit erbracht hat, in dem Sammelwerk zwar nicht als Herausgeber, aber mit einer anderen Bezeichnung wie Schriftleiter genannt wird.

[29] Der Antragsteller hat zum einen vorgetragen, dass der am 30.7.1956 verstorbene Julius L. Hauptschriftleiter der Zeitung „Der Angriff“ gewesen sei. Julius L. wird indes, worauf im Termin vom 1.10.2009 hingewiesen wurde, im Impressum der vorgelegten Zeitung „Der Angriff“ vom 30.1.1933, S. 3 nicht als Hauptschriftleiter und auch nicht als Schriftleiter, sondern lediglich als der für den Bereich „Politik“ Verantwortliche genannt. Im Impressum der im Rahmen des Anlagenkonvoluts KB 14 vorgelegten Zeitung „Der Angriff“ vom 17.1.1937, S. 7 wird Schwarz van Berk als Hauptschriftleiter genannt, nicht Julius L.; letzterer wird im Impressum dieser Zeitung überhaupt nicht genannt. Damit ist nicht glaubhaft gemacht, dass Julius L. bei allen bis 1938 erschienenen Ausgaben der Zeitung „Der Angriff“ Hauptschriftleiter gewesen ist und in allen diesen Ausgaben als solcher genannt wurde. Der Antragsteller hat zum anderen vorgetragen, dass der am 16.10.1946 verstorbene Alfred R. und der 24.2.1950 verstorbene Wilhelm W. Hauptschriftleiter des Völkischen Beobachters gewesen seien. Im Impressum der vorgelegten drei Ausgaben der Zeitung „Völkischer Beobachter“ werden Alfred R. als Hauptschriftleiter und Wilhelm W. als Chef vom Dienst bzw. stellvertretender Hauptschriftleiter genannt (vgl. Ausgabe A/Norddeutsche Ausgabe vom 1.3.1933, S. 2; Ausgabe A/Norddeutsche Ausgabe vom 29.1.1937, S. 2, Ausgabe A/Norddeutsche Ausgabe vom 9.11.1937, S. 2). Dass eine entsprechende Nennung auch in allen anderen bis 1938 erschienenen Ausgaben der Zeitung „Völkischer Beobachter“ erfolgt ist, ist nicht belegt.

[30] (3) Der Antragsteller hat ferner auch nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass bei sämtlichen bis 1938 erschienenen Ausgaben der Zeitungen „Der Angriff“ und „Völkischer Beobachter“ die im Impressum genannten (Haupt-)schriftleiter jeweils die urheberrechtlich relevante Herausgebertätigkeit erbracht haben. Auch deshalb bleibt die Berufung selbst dann ohne Erfolg, wenn man der vom Antragsteller favorisierten Lesart von § 4 LUG beitreten würde, wonach es für den Erwerb eines Sammelwerk-Urheberrechts nach § 4 Satz 1 LUG genügt, wenn diejenige Person, die die urheberrechtlich relevante Herausgebertätigkeit erbracht hat, in dem Sammelwerk zwar nicht als Herausgeber, aber mit einer anderen Bezeichnung wie Schriftleiter genannt wird. Auch wenn angenommen wird, dass die Vermutungen des § 7 LUG grundsätzlich auch einem Sammelwerk-Urheber gemäß § 4 LUG zugute kommen können (so Möller-Klepzig aaO., S. 40 f.), wirkt sich dies im Streitfall nicht zugunsten des Antragstellers aus. Denn in den vorgelegten Ausgaben der Zeitungen „Der Angriff“ vom 30.1.1933 und vom 17.1.1937 und „Völkischer Beobachter“ vom 1.3.1933; vom 29.1.1937 und vom 9.11.1937 sind (Haupt-) Schriftleiter nicht an den in § 7 Abs. 1 LUG bezeichneten Stellen genannt. Schriftleiter und Herausgeber können dieselbe Person sein, sind es aber nicht immer (vgl. Voigtländer/Elster/Kleine, Urheberrecht, 4. Aufl., 1952, § 4 LUG, Anm. 3 a (S. 50)). Insbesondere spricht § 20 Abs. 2, Abs. 3 Buchst. a des Schriftleitergesetzes vom 7.10.1933 eher dagegen, [968] dass die vom Antragsteller benannten Hauptschriftleiter generell die urheberrechtlich relevante Herausgebertätigkeit im Sinne von § 4 Satz 1 LUG erbrachten. Denn Hauptschriftleiter waren nach § 20 Abs. 2 des Schriftleitergesetzes vom 7.10.1933 für die Gesamthaltung des Textteils verantwortlich und nach § 20 Abs. 3 Buchst. a dieses Gesetzes verpflichtet, dafür zu sorgen, dass in eine Zeitung nur solche Beiträge aufgenommen wurden, die von einem Schriftleiter verfasst oder zur Aufnahme bestimmt waren. Danach war es – selbst wenn ein schriftleitergesetzkonformes Verhalten aller Beteiligten unterstellt wird – durchaus möglich, dass die für die Herausgebereigenschaft relevante Auswahlentscheidung gerade nicht vom Hauptschriftleiter getroffen wurde. Im Übrigen trugen auch Schriftleiter nach § 20 Abs. 1 des Schriftleitergesetzes vom 7.10.1933 für den geistigen Inhalt einer Zeitung die berufs-, straf- und zivilrechtliche Verantwortung so weit, aber auch nur so weit, als sie ihn selbst verfasst oder zur Aufnahme bestimmt hatten. Geschäftsverteilungspläne im Sinne von § 19 des Schriftleitergesetzes vom 7.10.1933 für die Zeitungen „Der Angriff“ und „Völkischer Beobachter“ im Zeitraum bis 1938 hat der Antragsteller nicht vorgelegt.

[31] (4) Schließlich hat der Antragsteller auch nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass sämtliche (Haupt-)Schriftleiter aller bis 1938 erschienenen Ausgaben der Zeitungen „Der Angriff“ und „Völkischer Beobachter“ dem Verlag F., dem Rechtsvorgänger des Antragstellers, zeitlich unbeschränkt ausschließliche Nutzungsrechte bezüglich etwaiger Sammelwerk-Urheberrechte nach § 4 Satz 1 LUG übertragen bzw. eingeräumt haben, was allerdings, sollte es zutreffen, nach Maßgabe von § 137 Abs. 1 Satz 1 UrhG weiterhin zu beachten wäre. Der Antragsteller hat keine Verträge zwischen den genannten (Haupt-)Schriftleitern und dem Verlag F. vorgelegt; seinem Vorbringen zufolge ist dies infolge eines Bombenangriffs im Zweiten Weltkrieg, bei dem das Verlagsgebäude ausbrannte, nicht möglich. Das Schriftleitergesetz vom 7.10.1933, bei dem es sich um ein Instrument zur Gleichschaltung der Presse im NS-Staat handelte, mit dem insbesondere die Zulassung zum „Schriftleiterberuf“ beschränkt wurde (vgl. § 5 ff.), enthält keine Aussagen zur Übertragung bzw. Einräumung von urheberrechtlichen Verwertungs- bzw. Nutzungsrechten. Für die Tarifordnung für die in Zeitungsverlagen beschäftigten Schriftleiter vom 1.12.1937, die für den vorangegangenen Zeitraum ohnehin nicht ohne Weiteres relevant ist, gilt Entsprechendes. Auch aufgrund des vom Antragsteller angeführten Umstands, dass der Verlag F. GmbH der führende Propagandaverlag während der NS-Zeit war, ist es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass diesem Verlag von sämtlichen (Haupt-)Schriftleitern zeitlich unbeschränkt urheberrechtliche Verwertungs- bzw. Nutzungsrechte bezüglich etwaiger Sammelwerk-Urheberrechte nach § 4 Satz 1 LUG übertragen bzw. eingeräumt wurden. Es ist mindestens ebenso wahrscheinlich, dass es derartiger Rechtsübertragungen bzw. -einräumungen gar nicht bedurfte, weil (Haupt-)Schriftleiter während des NS-Regimes angesichts zu befürchtender Sanktionen gar nicht gewagt hätten, gegen eine Verwertung ihnen etwa zustehender Sammelwerk-Urheberrechte gemäß § 4 Satz 1 LUG durch den Verlag F. zu opponieren.

[32] e) Ohne Erfolg wendet sich der Antragsteller des Weiteren dagegen, dass das Landgericht es für nicht glaubhaft gemacht erachtet hat, der Antragsteller habe als Rechtsnachfolger des Verlags F. die für den Verbotsantrag erforderlichen Rechte an den einzelnen Artikeln in den im Zeitraum 1933 bis 1938 erschienenen Zeitungen „Der Angriff“ und „Völkischer Beobachter“ erhalten.

[33] aa) Vorab ist festzuhalten, dass es sich bei der Mehrzahl der in den als Nachdruck vorgelegten Zeitungen „Der Angriff“ vom 30.1.1933 und „Völkischer Beobachter“, Ausgabe A/Norddeutsche Ausgabe vom 1.3.1933 erschienenen Artikel um anonyme Beiträge handelt. Entsprechendes gilt für die als Nachdruck vorgelegten Ausgaben der Zeitungen „Der Angriff“ vom 17.1.1937 und „Völkischer Beobachter“ vom 29.1.1937 und vom 9.11.1937. Insoweit erlischt – wie das Landgericht zutreffend und insoweit von der Berufung unangefochten – ausgeführt hat, das Urheberrecht gemäß § 66 Abs. 1 UrhG 70 Jahre nach der Veröffentlichung, weshalb entsprechende Urheberrechte bezüglich Zeitungen aus den Jahren 1933 bis 1938 bereits erloschen sind.

[34] bb) Der Antragsteller hat nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat, dass die Verfasser einzelner Artikel, die in den Zeitungen „Der Angriff“ und „Völkischer Beobachter“ im Zeitraum bis 1938 erschienen und dort mit Verfassernamen ausgewiesen sind, unter Abbedingung von § 42 Abs. 2 Satz 2 VerlagsG a. F. dem Verlag F. das ausschließliche Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung bezüglich der einzelnen Artikel übertragen haben. § 42 Abs. 2 Satz 2 VerlagsG a. F. sah bei Zeitungen eine zeitliche Beschränkung einer etwaigen ausschließlichen Befugnis des Verlegers vor. War der Beitrag für eine Zeitung geliefert, so durfte der Verfasser alsbald nach dem Erscheinen anderweit verfügen (§ 42 Abs. 2 Satz 2 VerlagsG a. F.). Im Hinblick auf § 42 Abs. 2 Satz 2 VerlagsG a. F. stand einem Verlag selbst dann, wenn ihm ein ausschließliches Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung der einzelnen Artikel von deren Verfassern eingeräumt worden war, nach dem Erscheinen dieser Artikel kein Verbotsrecht gegen Dritte zu (vgl. Goldbaum, Urheberrecht und Urhebervertragsrecht, 3. Aufl., 1961, § 42 VerlagsG, Anm. 2 (S. 298)). Dies gilt auch im Streitfall hinsichtlich des Verlags F. und bezüglich des Antragstellers als Rechtsnachfolger dieses Verlags. Dafür, dass in den Verträgen zwischen dem Verlag F. und den Verfassern einzelner Artikel, die in den Zeitungen „Der Angriff“ und „Völkischer Beobachter“ im Zeitraum 1933 bis 1938 erschienen und dort mit Verfassernamen ausgewiesen sind – solche Verträge hat der Antragsteller nicht vorgelegt – eine von § 42 Abs. 2 Satz 2 VerlagsG a. F. abweichende Regelung getroffen wurde, bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte.


[35] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO.

[36] a) Soweit die Berufung des Antragstellers zurückgewiesen wurde, sind ihm die Kosten des Berufungsverfahrens nach § 97 Abs. 1 ZPO aufzuerlegen.

[37] b) Soweit die Parteien den Rechtsstreit teilweise, nämlich hinsichtlich des Gegenstands der Anschlussberufung, übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war über die Kosten gemäß § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden. Bei der Ausübung des Ermessens gibt in aller Regel der ohne die Erledigterklärungen zu erwartende Verfahrensausgang den Ausschlag. Danach entspricht es im Streitfall billigem Ermessen, der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens insoweit aufzuerlegen, als der Gegenstand der Anschlussberufung betroffen ist. Denn ohne die im Termin vom 1.10.2009 von der Antragsgegnerin abgegebenen Erklärungen, mit denen eine Erstbegehungsgefahr beseitigt wurde, hätte die Antragsgegnerin mit der Anschlussberufung voraussichtlich keinen Erfolg gehabt. Die Antragsgegnerin hatte sich gegen die Verurteilung gemäß Nr. I. des Tenors des Urteils des Landgerichts in erster Linie unter dem Gesichtspunkt gewandt, das Landgericht habe eine Erstbegehungsgefahr zu Unrecht bejaht. Hilfsweise hatte sie geltend gemacht, ihr stünde die Zitierfreiheit gemäß § 51 Satz 2 Nr. 1 UrhG zur Seite.

[38] aa) Mit dem Einwand, dass das Landgericht eine Erstbegehungsgefahr hinsichtlich Nachdrucken der Zeitungen „Der Angriff“ und/oder „Völkischer Beobachter“ in Form der „Zeitungszeugen“-Ausgaben 1/2009 und 2/2009, bei denen der Tag der Erstveröffentlichung der jeweiligen Original-Ausgabe [969] weniger als 70 Jahre zurückliegt, zu Unrecht bejaht habe, hätte die Antragsgegnerin voraussichtlich keinen Erfolg gehabt. Eine solche Erstbegehungsgefahr ergab sich, wie im Termin vom 1.10.2009 erörtert, aus der Presseerklärung der Antragsgegnerin vom 7.1.2009. Diese Erstbegehungsgefahr ist nicht durch Erklärungen der Antragsgegnerin in erster Instanz beseitigt worden.

[39] (1) Allerdings kann – entgegen der Auffassung des Antragstellers – aus der Vervielfältigung und Verbreitung des Nachdrucks der Zeitung „Der Angriff“ vom 30.1.1933 im Rahmen der Nummer 1 der Zeitungszeugen sowie aus der Vervielfältigung und Verbreitung des Nachdrucks der Zeitung „Völkischer Beobachter“ vom 1.3.1933 im Rahmen der Nummer 2 der Zeitungszeugen keine Wiederholungsgefahr hergeleitet werden. Denn durch die genannten Nachdrucke wurden, wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat, keine urheberrechtlichen Befugnisse des Antragstellers verletzt. Da dem Urheber – auch aus der Sicht der internationalen Abkommen zum Schutz der Urheber – kein einheitliches Urheberrecht, sondern ein Bündel nationaler Urheberrechte zusteht (vgl. BGHZ 136, 380, 386 – Spielbankaffaire) und da der Antragsteller im Streitfall mit seinen Antrag Schutz nur für das Inland begehrt, kann auch aus Publikationen der Antragsgegnerin in Österreich mit Nachdrucken von Ausgaben des Völkischen Beobachters aus den Jahren 1939 bis 1945 keine Wiederholungsgefahr mit Bezug auf Deutschland hergeleitet werden.

[40] (2) Im Streitfall ergab sich eine Erstbegehungsgefahr hinsichtlich Nachdrucken der Zeitungen „Der Angriff“ und „Völkischer Beobachter“, bei denen der Tag der Erstveröffentlichung weniger als 70 Jahre zurückliegt und die in Form der „Zeitungszeugen“-Ausgaben 1/2009 und 2/2009 erfolgen, wie bereits erörtert, aus der Presseerklärung der Antragsgegnerin vom 7.1.2009. Nach dieser Presseerklärung plante die Antragsgegnerin. ein Jahr lang , beginnend im Januar 2009, wöchentlich Ausgaben der Zeitungszeugen mit Zeitungsnachdrucken aus der Zeit vom Januar 1933 bis zum Zusammenbruch des NS-Regimes im Mai 1945 zu publizieren, und zwar versehen mit einem 4-seitigen Mantel. Aus den vom Antragsteller vorgelegten Exemplaren der Nummer 1 und der Nummer 2 der Zeitungszeugen-Edition ergab sich, dass die Antragsgegnerin ein breites Spektrum von vor allem in Deutschland publizierten Zeitungen als Nachdrucke verbreitet, darunter auch Nachdrucke der Zeitungen „Der Angriff“ und „Völkischer Beobachter“. Danach waren unter Berücksichtigung der Presseerklärung vom 7.1.2009 ernsthafte und greifbare Anhaltspunkte (vgl. BGH WRP 2009, 1139, Tz. 8 – Cybersky) dafür vorhanden, dass die Antragsgegnerin auch Nachdrucke der Zeitungen „Der Angriff“ und „Völkischer Beobachter“, versehen mit einem mehrseitigen Mantel wie bei den Zeitungszeugen-Ausgaben Nummer 1 und Nummer 2, vervielfältigen und verbreiten wird, bei denen der Tag der Erstveröffentlichung der jeweiligen Original-Ausgabe weniger als 70 Jahre zurückliegt.

[41] Die genannte Erstbegehungsgefahr ist – bis zum Termin der mündlichen Verhandlung vom 1.10.2009 im Berufungsverfahren – nicht durch Erklärungen der Antragsgegnerin während des Prozesses in erster Instanz beseitigt worden. Allerdings sind an den Wegfall einer Erstbegehungsgefahr grundsätzlich weniger strenge Anforderungen zu stellen als an den Fortfall der durch eine bereits begangene Verletzungshandlung begründeten Wiederholungsgefahr. Anders als für die durch eine Verletzungshandlung begründete Wiederholungsgefahr besteht für den Fortbestand einer Erstbegehungsgefahr keine Vermutung. Für die Beseitigung einer Erstbegehungsgefahr genügt daher grundsätzlich ein „actus contrarius“, also ein der Begründungshandlung entgegengesetztes Verhalten, das allerdings unmissverständlich und ernst gemeint sein muss (vgl. BGH GRUR 2001, 1174, 1176 – Berühmungsaufgabe; BGH GRUR 2008, 912, Tz. 17 – Metrosex).

[42] Im Streitfall hat die Antragsgegnerin in erster Instanz – auf den gerichtlichen Hinweis in der Ladungsverfügung vom 2.2.2009 hin – mit Schriftsatz vom 16.2.2009, S. 2 erklärt, dass sie sich der Rechte zur Veröffentlichung von Ausgaben der beiden streitgegenständlichen Zeitungen bis zum Januar 1939 berühme; vor einer Entscheidung über die Veröffentlichung von Ausgaben auch nach dem Januar 1939 bemühe sich die Antragsgegnerin um weitere rechtliche Klärung der (Urheber-)rechtslage; mit Schriftsatz vom 12.3.2009, S. 1 hat die Antragsgegnerin präzisiert, dass sie sich der Rechte zur Veröffentlichung von Ausgaben der beiden streitgegenständlichen Zeitungen nur bis einschließlich 1938 berühme; vor einer Entscheidung über das Ob und Wie einer Veröffentlichung von Ausgaben dieser Zeitungen auch ab 1939 bemühe sich die Antragsgegnerin um weitere rechtliche Klärung der (Urheber-)rechtslage. Diesen Ausführungen ist insbesondere im Hinblick darauf, dass unklar blieb, wie lange die genannte Klärung dauern sollte, keine uneingeschränkte und eindeutige Erklärung zu entnehmen, dass die beanstandeten Handlungen in der nahen Zukunft nicht vorgenommen werden, weshalb sie für eine Beseitigung der Erstbegehungsgefahr nicht ausreichten.

[43] bb) Das Landgericht hat angenommen, dass dem Antragsteller als Rechtsnachfolger des Verlags F. bezüglich der Zeitungen „Der Angriff“ und „Völkischer Beobachter“ ein Sammelwerk-Urheberrecht gemäß § 4 Satz 2 LUG zusteht, das noch nicht erloschen ist, soweit der Tag der Erstveröffentlichung der jeweiligen Original-Ausgabe weniger als 70 Jahre zurückliegt (unter I. 1. b) aa); unter I. 3. a.). Gegen die genannten Ausführungen des Landgerichts, denen der Senat beitritt, hat die Antragsgegnerin in der Berufungsinstanz keine spezifischen Einwendungen erhoben, weshalb weitere Ausführungen insoweit nicht veranlasst sind.

[44] cc) Mit dem in der Anschlussberufungsbegründung von der Antragsgegnerin hilfsweise geltend gemachten Einwand, ihr stehe die Zitierfreiheit gemäß § 51 Satz 2 Nr. 1 UrhG zur Seite, hätte die Antragsgegnerin voraussichtlich keinen Erfolg gehabt. Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil unter I. 3. b) Folgendes ausgeführt:

„Die (Antragsgegnerin) kann sich insofern nicht auf das Zitatrecht nach § 51 UrhG berufen. Das Zitatrecht aus § 51 Nr. 1 UrhG erlaubt zwar grundsätzlich auch das Zitat ganzer Werke – also auch ganzer Sammelwerke. Nach § 51 Nr. 1 UrhG ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe zulässig, wenn in einem durch den Zweck gebotenen Umfang einzelne Werke in einem selbständigen wissenschaftlichen Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden. Umfangmäßige Grenzen ergeben sich folglich aus dem Zitatzweck. Setzt sich das zitierende Werk lediglich mit Teilen des Sammelwerks – etwa einzelnen Artikeln –, nicht allerdings mit dem Sammelwerk als solchem (z. B. dessen Aufbau und Struktur oder der Sprache etc.) auseinander, ist regelmäßig auch nur eine Aufnahme dieser Teile zulässig. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Die Zitierfreiheit gestattet es nicht, ein Sammelwerk wie geschehen in Gänze zur Kenntnis der Allgemeinheit zu bringen, ohne dass eine ausreichende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Sammelwerk als solchem stattfindet. Ein Zitat in Form einer ganzen Zeitungsausgabe ist deshalb allenfalls zulässig, wenn es als Erörterungsgrundlage für Ausführungen des Zitierenden erscheint, die das Sammelwerk als solches und als Ganzes – und nicht wie hier lediglich einige wenige Beiträge aus dem Sammelwerk – betreffen.“

[45] Mit diesen Ausführungen, denen der Senat beitritt, hat sich die Antragsgegnerin in der Anschlussberufungsbegründung nicht konkret auseinandergesetzt, sondern lediglich pauschal [970] auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug genommen. Das genügt nicht den Anforderungen, die § 524 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 520 Abs. 3 ZPO an eine Anschlussberufungsbegründung stellt.