Oberlandesgericht München – Wartesaal und Schankstube

Textdaten
Autor: Oberlandesgericht München
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Titel: Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichtes München vom 15. Mai 1888
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1888, Nr. 24, Seite 224–225
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Kurzbeschreibung: Auch in einem Wartsaal mit Ausschank gilt die Polizeistunde
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Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichtes München vom 15. Mai 1888
in der Sache gegen den Restaurateur Albert B. von R. wegen Uebertretung der Polizeistunde.

Unhaltbar ist die Annahme der Strafkammer, daß der zugleich als Restaurationslokal benützte Wartesaal nicht als Schankstube in Betracht kommen könne. Unter Schankstube ist, wie die Rechtsprechung allenthalben anerkannt hat, ein offenes Lokal verstanden, in welchem Getränke zum Genusse auf der Stelle gewerbsmäßig feilgehalten und entgeltlich verabreicht werden. Jedes in dieser Art verwendete Lokal, mag es auch – wie ein Wartesaal in einem Bahnhofe – zunächst nur den Zwecken der Eisenbahnreisenden also dem Publikum dienen, erscheint als Schankstube jenen Personen gegenüber, welche nicht der Eisenbahn wegen dort verkehren, sondern des Zechens halber dorthin kommen und an welche auf Verlangen Getränke zum Genusse auf der Stelle gegen Bezahlung verabreicht werden. Die Art der Verwendung begründet in diesem Falle eine Doppelstellung des fraglichen Lokales und zwar eines Wartesaales, insoferne an Eisenbahnreisende und diesen gleichstehende Personen Erfrischungen verabreicht werden, einer Schankstube dagegen, insoferne an des Zechens halber [225] sich einfindende Gäste Getränke abgegeben werden. Nach letzter Richtung hat der Eisenbahnrestaurateur gleich jedem anderen Wirthe die durch §. 365 des Straf-Ges.-Bchs. ihm auferlegte Berufspflicht zu beobachten, und darf nicht dulden, daß Schankgäste nach Eintritt der Polizeistunde noch im Restaurationslokale verweilen.

Die Erfüllung dieser Berufspflicht Seitens des Restaurateurs benimmt dem Publikum keineswegs die Gelegenheit, in veranlaßten Fällen im Wartsaal zu verweilen, sie hält nur hintan, daß Schankgäste über die Polizeistunde hinaus dort zechen und ist insoferne ohne Einfluß auf das Kommen oder Abgehen von Zügen während der Nachtzeit.

Das Bahnpolizeireglement vom 29. März 1886 – Gesetz- und Verordnungs-Blatt 1886 S. 73 – rechtfertigt die Annahme nicht, daß der Wirth gar nicht berechtigt sei, dem Verweilen der die Wartsäle besuchenden Schankgaste entgegenzutreten, denn die Bestimmungen in §§. 53 und 55 sind lediglich bahnpolizeilicher Natur und dieser ihrer Natur nach nicht geeignet, die im Interesse der allgemeinen Ordnung und Sicherheit, sowie der Moralität, also im Interesse des öffentlichen Rechtes erlassene Strafbestimmung des §. 365 des Straf-Ges.-Bchs. zu beseitigen.

Die vom k. Staatsministerium des Innern im Einverständnisse mit dem Staatsministerium des k. Hauses und des Aeußern am 30. September 1879 erlassene Dienstesinstruktion für die Gendarmeriemannschaft, welche dieser die Anzeige strafbarer Handlungen zur Pflicht macht, gestattet in §. 168 Ziff. 4 der Gendarmerie die Betretung der als öffentliche Restaurationen dienenden Wartsäle ohne vorgängige Zustimmung des Bahnhofvorstandes, während sie ihr untersagt, bei Ausübung ihres Dienstes die inneren Betriebsräume, Bureaux, Werkstätten und Wartsäle ohne besonderen Anlaß und ohne vorgängige Zustimmung oder Requisition des Bahnhofvorstandes oder dessen Stellvertreters zu betreten. Diese Bestimmung läßt ersehen, daß die Sicherheitsorgane zu wachen haben, daß auch in Wartsälen, welche als öffentliche Restaurationen dienen, Schankgästen gegenüber die Polizeistunde eingehalten werde, und daß man der Bahnverwaltung keine Befugniß einräumen wollte, über den Rahmen des bahnpolizeilichen Interesses hinaus in den Kreis des öffentlichen Rechtes überzugreifen.