Oberlandesgericht München – Verletzung der Bauordnung

Textdaten
Autor: Oberlandesgericht München
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichtes München vom 24. Juli 1883
Untertitel:
aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1883, Nr. 26, Seite 301–305
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: Vorlage:none
Verlag: Vorlage:none
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort:
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scan auf Commons
Kurzbeschreibung: Die gesetzlichen Bestimmungen bezüglich des Beginns von Verjährungsfristen sind zu beachten
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]

[301]

Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichtes München vom 24. Juli 1883.

in der Sache gegen den Söldner Sebastian Sch. von A. und Genossen wegen Uebertretung baupolizeilicher Vorschriften:

Es wird das Urtheil der Strafkammer des k. Landgerichtes L. vom 4. Mai 1883 sammt den demselben zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Gründe.
etc. etc.

Die Strafkammer nahm als erwiesen an, daß der Söldner Sebastian Sch. von A. den Anbau eines Wohnungsstübchens an sein Haus nicht genau nach dem ihm durch das k. Bezirksamt R. genehmigten Bauplane ausgeführt habe, daß insbesonders den Bestimmungen der §§ 36 und 70 (nicht 79) der allgemeinen Bauordnung vom 19. September 1881 zuwider der Fußboden nicht 0,30 m über den äußeren, den Anbau umgebenden Erdboden, [302] sondern durchschnittlich mit demselben in gleicher Höhe gelegt, sowie daß die Höhe des Wohnungsraumes statt 2,40 m nur 2,25 m im Lichten gebaut worden sei. Obwohl die Strafkammer, eine Feststellung, ob die besagte Legung des Fußbodens an sich eine strafbare Handlung begründe, umgehend, annahm, daß in der Nichteinhaltung der lichten Höhe der Wohnung eine Verletzung der Bauordnung und der baupolizeilichen Anordnung liege, hielt dieselbe es nicht veranlaßt, auf die Würdigung des objektiven Thatbefundes weiter einzugehen, weil sie in Uebereinstimmung mit dem schöffengerichtlichen Urtheile die Strafverfolgung des Sebastian Sch., sowie des Maurerpaliers Anton W. und des Zimmerpaliers Sebastian St., denen die Ausführung des fraglichen Baues übertragen gewesen, durch Verjährung ausgeschlossen erklärte, indem der in Frage stehende Anbau am 16. September 1882 in dem Sinne, daß er seiner Bestimmung bewohnt zu werden dienen konnte, vollendet gewesen, und die erste richterliche Handlung wegen der begangenen That gegen die drei Angeklagten erst am 25. Januar 1883 – sohin nach Ablauf von mehr als drei Monaten – gepflogen worden sei, und der Zeitpunkt der amtlichen Kontrole des Baues auf die Frage der Fertigstellung desselben nicht den mindesten Einfluß üben könne, da die Bauordnung eine derartige Bestimmung nicht enthalte, die amtliche Prüfung eines Baues eine von der Bauthätigkeit selbst vollständig verschiedene, erst der Bauvollendung nachfolgende sei, und zudem durch eine derartige Bestimmung eine sehr bedenkliche, vom Gesetzgeber nicht gewollte Ungleichheit der Entstehung des Anfangsmomentes der dreimonatlichen Verjährungsfrist bei den einzelnen Baufällen je nach dem früheren oder späteren Eintreten der amtlichen Kontrole zu Tage gefördert, ja es unter Umständen in die Hand der Baupolizeibehörde gelegt würde, den Beginn der Verjährungsfrist in’s Ungewisse zu suspendiren und so die Bestimmung des § 67 des Straf-Gesetz-Buches auf baupolizeiliche Uebertretungen illusorisch zu machen.

Die Revisionsbeschwerde, daß § 67 des Straf-Gesetz-Buches durch irrige und § 367 Nr. 15 des Straf-Gesetz-Buches durch Nichtanwendung verletzt sei, ist gerechtfertigt. Nach § 367 Nr. 15 des Straf-Gesetz-Buches wird mit Geldstrafe bis zu einhundert fünfzig Mark oder mit Haft bestraft, wer als Bauherr, Baumeister oder Bauhandwerker einen Bau oder eine Ausbesserung, wozu die polizeiliche Genehmigung erforderlich ist, ohne diese Genehmigung oder mit eigenmächtiger Abweichung von dem durch die Behörde genehmigten Baupläne ausführt oder ausführen läßt. Die im Hinblicke auf diese Bestimmung und auf Grund des Art. 2 Ziff. 11 des Polizei-Straf-Gesetz-Buches unterm 19. September 1881 erlassene allgemeine Bauordnung ordnet in § 6 an, daß zur Herstellung [303] von neuen Haupt- und Nebengebäuden, sowie zur Vornahme einer Hauptreparatur oder Hauptänderung, als welche nach § 7 Ziff. 1 die Veränderung der Höhe, Länge oder Breite eines Gebäudes erscheint, baupolizeiliche Genehmigung zu erholen ist, und bestimmt in § 36, daß die Fußböden der ebenerdigen Wohnräume das Niveau des anstoßenden natürlichen Geländes mindestens um 0,30 m überragen müssen, und in § 70, daß die lichte Höhe der Wohnräume bei Neubauten, neuen An- und Aufbauten, sowie beim Umbau bestehender Gebäude nicht weniger als 2,40 m betragen darf. Da nun nach § 67 des Straf-Gesetz-Buches die Strafverfolgung von Uebertretungen, und solche sind hier gemäß § 1 Abs. 3 des Straf-Gesetz-Buches in Frage, in 3 Monaten verjährt, und die Verjährung mit dem Tage beginnt, an welchem die Handlung begangen ist, fragt es sich nur darum, an welchem Tage die Begehung oder Unterlassung, in welcher die Verübung einer strafbaren Handlung besteht, ihr Ende erreicht hat.

Durch die oberstrichterliche Rechtsprechung in Bayern ist anerkannt, daß planwidrige Detailausführungen, soferne sie nicht im weiteren Verfolge des Gesammtbaues beseitigt werden, sich als bauordnungswidrige Handlungen in der Ausführung des Gesammtbaues bis zu seiner Vollendung fortsetzen, und daher für die baupolizeiliche Kontrole eines Bauzustandes und das hieran sich anschließende Ermessen der Polizeibehörde, ob eine Strafverfolgung wegen Abweichens vom genehmigten Bauplane angezeigt sei, nicht jeder Moment einer Detailausführung, sondern erst der Zeitpunkt der wirklichen Vollendung des Baues, der Gesammtausführung des Bauplanes als Anfangspunkt der Verjährung der Strafverfolgung zu gelten hat. Die revidirte Bauordnung, welche sich als eine zu § 367 Nr. 15 des Straf-Gesetz-Buches erlassene Ergänzungsvorschrift einführt, enthält Normen darüber, wann der Abschluß eines genehmigten Baues gegeben erscheint. Außer den Bestimmungen, welche sich auf Vorbereitung eines beabsichtigten Baues beziehen, erstreckt sie nämlich die baupolizeiliche Kontrole auf die Ueberwachung der plangemäßen Ausführung und erklärt in § 85, daß die zu diesem Zwecke aufzustellenden Sachverständigen alle der baupolizeilichen Genehmigung unterliegenden neuen Gebäude, sowie die bedeutenderen Hauptreparaturen und Hauptänderungen nach erfolgter Vollendung einer Besichtigung zu unterziehen haben, und ordnet ferner in § 92 an, daß die Orts- und Distriktspolizeibehörden bei Privatgebäuden den Vollzug der baupolizeilichen Vorschriften und Anordnungen zu überwachen und daß zu diesem Behufe die Ortspolizeibehörden binnen 8 Tagen nach Vollendung eines jeden Neubaues, worunter auch alle An- und Aufbauten zu verstehen sind, der Distriktspolizeibehörde Anzeige zu erstatten haben, damit die [304] plangemäße Bauführung durch den im § 85 bezeichneten Sachverständigen kontrolirt und je nach dem Ergebnisse weitere Verfügung getroffen werden kann. Daraus ist zu ersehen, daß die Bauordnung einen genehmigten Bau erst dann als abgeschlossen erachtet wissen will, wenn über dessen Vollendung von der Ortspolizeibehörde der kontrolpflichtigen Distriktspolizeibehörde zum Zwecke der Kontrole Anzeige erstattet worden ist, und folgt hieraus, daß die Verjährung einer Abweichung vom genehmigten Bauplane mit dem Zeitpunkte beginnt, an welchem der Distriktspolizeibehörde die erwähnte Anzeige zugekommen ist. Hiernach beruht aber die Annahme der Strafkammer, daß der fragliche Bau am 16. September 1882 als vollendet anzunehmen sei, weil er an diesem Tage soweit fertig gestellt gewesen, daß er seiner Bestimmung bewohnt zu werden dienen konnte, auf einem Rechtsirrthum.

Es scheint – eine Feststellung liegt hierüber nicht vor, und läßt sich dies einstweilen nur vermuthen – dem k. Bezirksamte R. die Anzeige der Ortspolizeibehörde über Fertigstellung des fraglichen Baues am 7. Oktober 1882 zugekommen zu sein, und unter dieser Voraussetzung wäre die Strafverfolgung der Angeklagten durch Verjährung nicht ausgeschlossen. Es bestimmt nämlich § 68 des Straf-Ges.-Buches, daß jede Handlung des Richters, welche wegen der begangenen That gegen den Thäter gerichtet ist, die Verjährung unterbricht, daß die Unterbrechung nur rücksichtlich desjenigen stattfindet, auf welchen die Handlung sich bezieht, und daß nach der Unterbrechung eine neue Verjährung beginnt. Nun hat in Folge eines Seitens des Amtsanwaltes gegen Sebastian Sch. wegen der diesem zur Last fallenden Handlung gestellten Antrages das k. Amtsgericht M. am 31. Dezember vorigen Jahres einen Beschluß erlassen, der, wenn er auch ablehnender Natur war, immerhin als eine gegen Sebastian Sch. wegen der begangenen That gerichtete richterliche Handlung sich darstellt und demnach gemäß § 68 des Straf-Gesetz-Buches in der Richtung gegen Sebastian Sch. die Verjährung zu unterbrechen geeignet ist. Abgesehen hievon aber muß, nachdem der Amtsanwalt die Vorladung der drei Angeklagten zur schöffengerichtlichen Verhandlung vom 25. Januar laufenden Jahres schon am 4. Januar dieses Jahres verfügt hat, der Richter im Hinblicke auf § 212 der Straf-Prozeß-Ordnung und die §§ 32 und 36 Abs. 4 der Vorschriften über die Geschäftsbehandlung in den zur Zuständigkeit der Schöffengerichte gehörigen Strafsachen vom 20. August 1879 spätestens am 4. Januar laufenden Jahres den 25. desselben Monats als Tag der erstrichterlichen Hauptverhandlung bestimmt haben, welche Termins-Festsetzung als eine gegen die drei Angeklagten gerichtete, unter § 68 des Straf-Gesetz-Buches fallende Handlung des Richters [305] erscheint, so daß auch die dem landgerichtlichen Urtheile zu Grunde liegende Annahme, die erste richterliche Handlung wegen der in Frage stehenden That sei erst am 25. Januar laufenden Jahres gepflogen worden, auf einer rechtlich unrichtigen Voraussetzung beruht.

Die Strafkammer hat sonach dadurch, daß sie, ohne die den drei Angeklagten zur Last gelegten Uebertretungen auf ihre Thatbestandsmerkmale zu prüfen, die Strafverfolgung derselben als durch Verjährung ausgeschlossen erklärte, hiebei aber von rechtsirrthümlichen Voraussetzungen ausging, die gesetzliche Bestimmung über Verjährung in mehrfacher Richtung verletzt.