Oberlandesgericht München – Störung der Sonntagsruhe 2

Textdaten
Autor: Oberlandesgericht München
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Titel: Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 29. Januar 1889
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1889, Nr. 7, Seite 92–93
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Kurzbeschreibung: Ausnahmen vom Verbot der Störung der Feier der Sonn- und Festtage sind auf echte Notfälle beschränkt
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Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 29. Januar 1889
in der Sache gegen den Handelsmann Abraham A. und Genossen von W. wegen Störung der Sonntagsfeier.

Von den Vorinstanzen wurde festgestellt, daß die Angeklagten am Sonntag den 5. August 1888 Vormittags zwischen 7 und 8 Uhr ihnen gehöriges Vieh aus ihren Ställen nach dem Bahnhofe in W. zum Zwecke des Transportes nach Nürnberg zum dortigen Viehmarkte, der am darauffolgenden Tage stattfand, geschafft haben. Beide Instanzen erblickten in dieser Handlung der Angeklagten eine öffentlich vorgenommene Arbeit des Handelsbetriebs, erachteten einen dringenden Ausnahmsfall nicht für gegeben, und erkannten daraufhin einen Jeden der Angeklagten für schuldig einer Übertretung nach § 366 Nr. 1 des Str.-G.-B. in Verbindung mit § 1 der k. Verordnung vom 30. Juli 1862, die Feier der Sonn- und Festtage betreffend. – Die hiegegen von den Angeklagten, welche je in eine Geldstrafe von fünf Mark verurtheilt wurden, eingelegten, auf Verletzung des § 1 der Verordnung vom 30. Juli 1862 gestützten Revisionen sind nicht begründet.

Nach § 366 Nr. 1 des Str.-G.-B. ist straffällig, wer den gegen die Störung der Feier der Sonn- und Festtage erlassenen Anordnungen zuwiderhandelt.

Für das Königreich Bayern sind solche Anordnungen durch die gemäß Art. 159 Abs. 2 mit Art. 2 Ziff. 5 des Pol.-Str.-G.-B. noch in Kraft stehende k. Verordnung vom 30. Juli 1862, die Feier der Sonn- und Festtage betreffend (Reggsbl. Seite 2069) erlassen worden, welche in § 1 Abs. 1 bestimmt, daß alle öffentlich vorgenommenen oder öffentliches Aergerniß erregenden Arbeiten oder geräuschvollen Handthierungen des landwirthschaftlichen, gewerblichen, Handels- und Fabrikbetriebes an Sonn- und Festtagen, dringende Fälle ausgenommen, untersagt sind.

Die Feststellung, daß das Verbringen des Viehes durch die Angeklagten von ihren Ställen zum Bahnhofe in W. als eine öffentlich vorgenommene Arbeit des Handelsbetriebes in Betracht komme, begegnet keinem Rechtsirrthume, nachdem dieselbe im angefochtenen Urtheil des Berufungsgerichts auch noch die Erläuterung erhielt, daß die Angeklagten als Viehhändler oder Metzgermeister das Vieh von den Viehzüchtern auf dem Lande zum Zwecke alsbaldiger Weiterveräußerung einkaufen, und daß das zum Transport auf den Viehmarkt bestimmte Vieh durch die Straßen W.’s zum Bahnhofe getrieben wurde, wornach diese, nach letzterem Thatumstande selbstverständlich einer unbestimmten Anzahl von Personen wahrnehmbare Arbeit unzweifelhaft als eine zum Handelsbetriebe der Angeklagten gehörige und als eine öffentlich vorgenommene sich darstellt......[93]

Jene Feststellung erschöpft die eine Alternative des § 1 Abs. 1 der Verordnung vom 30. Juli 1862 und erfüllt hiedurch den Thatbestand einer Zuwiderhandlung gegen das Verbot, an Sonn- oder Festtagen Arbeiten des Handelsbetriebes öffentlich vorzunehmen, so daß es für die Anwendung des Strafgesetzes unerheblich erscheint, ob auch die andere Alternative, daß die in Rede stehende Arbeit eine öffentliches Aergerniß erregende gewesen sei, zutrifft, sowie, ob mit Recht oder mit Unrecht das von den Angeklagten vorgenommene Viehtreiben von der Strafkammer auch als eine geräuschvolle Handthierung bezeichnet wurde.......

Die Annahme, daß ein dringender Fall mit Bezug auf die Handlung der Angeklagten nicht vorgelegen sei, wurde vom Schöffengerichte damit begründet, daß die Angeklagten, ohne einen namhaften Schaden zu erleiden, ihr Vieh einen Tag früher hätten verladen und fortschicken können, und vom Berufungsgerichte damit, daß die durch einen oder einige Tage früher bewerkstelligten Transport des Viehes den Angeklagten erwachsenden Kosten geringfügig seien und auch das Vieh dadurch, daß es früher nach Nürnberg komme und dort eingestellt werde, nicht leide und nicht an Werth verliere, sohin kein Fall vorliege, welcher ein sofortiges Eingreifen nothwendig mache.

Mag auch der letztere Ausdruck, wie in der Revisionsausführung gerügt wird, zu dem Zweifel Anlaß geben, ob nicht die Strafkammer die in § 1 der Verordnung vom 30. Juli 1862 als dringende Fälle vorgesehene Ausnahme zu enge, nämlich als Nothfälle, die ein sofortiges Einschreiten erheischen, aufgefaßt habe, so beruht doch die Entscheidung des Gerichts nach der derselben gegebenen thatsächlichen Begründung nicht auf einer Mißdeutung der Verordnung.......

Die Annahme eines dringenden Ausnahmsfalles ist lediglich dem Ermessen des Thatrichters anheimgegeben, und es kann eine irrige Gesetzesauffassung nicht gerügt werden, wenn der Richter nicht jeden geringfügigen, sondern nur einen namhaften Schaden in Berücksichtigung zieht. Die Frage aber, ob es sich nach den besonderen Umständen um die Vermeidung eines namhaften Schadens handelte und somit ein dringender Fall vorlag, ist rein thatsächlicher Natur und sonach im Hinblick auf die Bestimmungen der §§ 269, 373 und 376 der Strafprozeßordnung der Nachprüfung durch das Revisionsgericht entzogen.

Hiemit fällt die von den Beschwerdeführern vorgebrachte Darlegung des Umfangs ihres Schadens, den sie nur durch das Verladen des Viehes an den Sonntagen vermeiden könnten, und die Aufstellung des Satzes, daß die Verordnung die Gewerbetreibenden vor pekuniärer Schädigung zu schützen bezwecke, als unwirksam hinweg.