Oberlandesgericht München – Scheinvertrag

Textdaten
Autor: Oberlandesgericht München
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Titel: Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichtes München vom 26. November 1886
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1887, Nr. 3, Seite 20–24
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Kurzbeschreibung: Scheinvertrag zur Umgehung der Körordnung
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Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 26. November 1886
in der Sache gegen Georg G., Bauer in O., wegen Uebertretung der Körordnung.

Georg G., Bauer von O., hat am 28. März lfd. Js. mit 41 Landwirthen der dortigen Gegend einen Vertrag abgeschlossen, laut dessen er denselben an einem ihm gehörigen und in seinem Besitze befindlichen Hengste um den Preis von je 20 Mark für Jeden den Mitbesitz und das Miteigenthum einräumte zu dem Zwecke, daß Jeder dieser Miteigenthümer den fraglichen Hengst zur Deckung seiner eigenen Stuten verwenden könne.

In diesem Vertrage wurde bestimmt, daß für den erforderlichen Aufwand an Haber, Heu, Stroh und Wärter, dann für die Kosten einer etwaigen thierärztlichen Behandlung und Visitation des Hengstes, welcher in Wart und Pflege des G. verblieb, nicht etwa sämmtliche Miteigenthümer aufzukommen haben, sondern nur jene Miteigenthümer, welche von dem Hengste ihre Stuten bedecken lassen und zwar nach Maßgabe der Anzahl der zur Deckung gebrachten eigenen Stuten.

Es wurde ferner im Vertrage bestimmt, daß die Kaufschillinge von je 20 Mark erst nach Ablauf von 6 Monaten zu bezahlen seien, und daß für den Fall, als der Hengst innerhalb 6 Monaten zu Grunde gehen sollte, Keiner der Miteigenthümer dem G. eine Geldentschädigung zu machen habe, sondern daß in diesem Falle G. allein den Schaden trage.

In Folge dieses Vertrages hat G. in der Zeit vom 7. April bis 1. Mai l. Js. den fraglichen Hengst, ohne daß für denselben ein Körschein erworben worden war, zur Deckung von 11 Stuten, welche nicht ihm, sondern verschiedenen der im Vertrage als Miteigenthümer des Hengstes genannten Landwirthe gehörten, verwendet, beziehungsweise mit seinem Wissen und Willen verwenden lassen.

Auf Grund dieser Thatsachen hat die Ferienkammer des k. Landgerichts Passau unter Aufhebung des mit Berufung des Amtsanwalts angefochtenen Urtheils des Schöffengerichts Rotthalmünster vom 23. Juni l. Js. mittelst Urtheils vom 2. September l. Js. den G. elf sachlich concurrirender Uebertretungen wider Art. 1 und 5 der Körordnung vom 26. März 1881 für schuldig erachtet und denselben zu einer Geldstrafe von 110 Mark, eventuell zu einer Haftstrafe von 11 Tagen, und in die Kosten der I. und II. Instanz und der Strafvollstreckung verurtheilt.

Die Ferienkammer hat hiebei aus dem angeführten Inhalte des Vertrags vom 28. März l. Js. den Schluß gezogen, daß derselbe den ernstlichen und wahren Willen der Kontrahenten nicht zum Ausdrucke bringe, daß es nicht im Willen der Kontrahenten gelegen war, [21] das Miteigenthum an dem, dem G, alleineigenthümlich gehörigen Hengste zu übertragen und beziehungsweise zu erwerben, sondern daß die Mitbesitz- und Miteigenthums-Einräumung nur zum Scheine und zum Zwecke der Täuschung erfolgt sei, um den Hengst ungestraft zur Deckung der Stuten der im Vertrage genannten 41 Stutenbesitzer verwenden zu können, während G. nach wie vor Alleineigenthümer des Hengstes blieb und die im Vertrage genannten 41 Stutenbesitzer an dem Hengste durch den gemäß Landrecht Thl. IV Cap, I §. 5 Ziff. 2 und 4 und §. 24 von Anfang an ungiltigen Vertrag ein Miteigenthum nicht erworben hatten, endlich daß G. im Bewußtsein, Alleineigenthümer des Hengstes zu sein, denselben zur Deckung der erwähnten Stuten verwendete, beziehungsweise mit seinem Wissen und Willen verwenden ließ.

Zu dieser Schlußfolgerung gelangte die Ferienkammer aus der Erwägung, daß die obenerwähnte Vertragsbestimmung über die Art und Weise der Entschädigung für Wart und Pflege des Hengstes sich in Wirklichkeit nur als die Stipulation eines Sprunggeldes darstelle, ferner daß nach den Vertragsbestimmungen über die erst nach 6 Monaten, sohin nach Ablauf der Deckzeit und Erreichung des wahren Zweckes des Vertrags, eintretende Fälligkeit der Theilkaufpreise und darüber, wie es im Falle des vorherigen Verendens des Hengstes gehalten werden solle, der Vertrag ohne Leistung der 41 Stutenbesitzer wieder rückgängig gemacht werden könne, und daß G. sich in die ihm höchst ungünstigen Vertragsbestimmungen nicht eingelassen haben würde, wenn der Vertrag ernstlich gemeint gewesen und nicht bloß zum Scheine abgeschlossen worden wäre, endlich daß der Vertrag keine Bestimmungen darüber enthalte, in welcher Weise der Hengst außer der Deckzeit verwendet werden solle, ob G., der ihn in Verwahr behielt und zu Oekonomiearbeiten verwendete, den übrigen Miteigenthümern Entschädigung zu leisten habe, wie es zu halten sei, wenn Einer der Miteigenthümer aus der Genossenschaft ausscheiden wolle oder wenn die Genossenschaft aufgelöst werden solle, und was zu geschehen habe, wenn der Hengst zur Deckung von Stuten unbrauchbar werden sollte.

Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung der Vorschriften des k. Landrechts Thl. IV Cap. I §. 5 Ziff, 2 und 4, und §. 24 durch unrichtige Anwendung, und des §. 59 des Straf-Ges.-Buchs durch Nichtanwendung um deßwillen,

1. weil der Feststellung, daß der Vertrag vom 28. März l. Js. ein Scheingeschäft und daher von Anfang an ungiltig sei, auch die Annahme zu Grunde liege, daß der Vertrag deßhalb, weil die Theilkaufschillinge erst nach 6 Monaten und im Falle des Verendens des Hengstes überhaupt nicht bezahlt werden sollten, vor Ablauf dieser Frist hätte rückgängig gemacht werden können, diese Annahme aber als irrig sich darstelle, weil sie den gesetzlichen Vorschriften bezüglich [22] der Rechte und Pflichten aus zweiseitigen Verträgen, wonach ein Vertragstheil nicht einseitig vom Vertrage abstehen, sondern nur dessen Erfüllung vom andern Theilnehmer verlangen kann, widerspreche,
2. weil gegenüber der Feststellung, daß alle Beteiligten den Vertrag im Ernste meinten, es sich nur um das Motiv fragen konnte, welches dieselben zum Vertragsabschlusse bestimmt hat, das Motiv eines Vertrages aber – und sollte es selbst in der Umgehung einer unbequemen und unpraktisch ausgeführten Gesetzesbestimmung bestehen – einen an sich ernstlich gemeinten Vertrag nicht zum Scheingeschäfte zu machen vermöge, jedenfalls aber der Angeklagte sich auf Irrthum berufen könne, in welchem er bezüglich eines, zum gesetzlichen Thatbestande gehörigen Thatumstandes befangen gewesen sei, ein solcher Rechtsirrthum aber nach §. 59 des Straf-Ges.-Buchs bei vorsätzlichen Delikten, soweit es sich um die Unkenntniß einer dem Civilrechte ungehörigen Rechtsnorm handle, dem Thäter nicht zugerechnet werden könne.

Diese Angriffe sind jedoch nicht geeignet, die Revision zu begründen:

Zu 1. Die Ferienkammer hat nicht blos festgestellt, daß der Vertrag vom 28. März l. Js. ein Scheingeschäft und daher von Anfang an ungiltig sei, sondern die Feststellung erstreckt sich ausdrücklich dahin, daß der Vertrag den ernstlichen und wahren Willen der Kontrahenten nicht zum Ausdrucke bringt, und daß es nicht im Willen der Kontrahenten gelegen war, das Miteigenthum an dem, dem G. alleineigenthümlich gehörigen Hengste zu übertragen, beziehungsweise zu erwerben. Diese Feststellung ist rein thatsächlicher Natur, und wenn die Ferienkammer auf Grund derselben ausgesprochen hat, daß der so beschaffene Vertrag von Anfang an ungiltig war und die Entstehung eines Miteigenthumsrechtes nicht begründen konnte, so ist darin ein Rechtsirrthum nicht zu finden, weil im bayer. Landrecht Thl. IV Cap. 1 §. 24 ein Vertrag, dem es an den Haupterfordernissen gebricht, als ungiltig erklärt wird und zu den Haupterfordernissen eines Vertrages nach §. 5 Ziff. 2 cit. ein wahrer und ernstlicher Willen der Kontrahenten gehört.

Aber auch die Schlußfolgerung, durch welche die Ferienkammer zu der thatsächlichen Feststellung des Mangels des ernstlichen Willens der Kontrahenten gelangt ist, beruht nicht auf Rechtsirrthum. Der Begründung der Revision in dieser Richtung liegt ein offenbares Mißverständniß zu Grunde. Die Ferienkammer hat nämlich keineswegs den Satz aufgestellt, daß ein einseitiger Rücktritt von einem zweiseitigen Vertrage zulässig sei, sondern nur als Beweisgrund für die Scheinnatur des Vertrages die nach den Vertragsbestimmungen offen gelassene Möglichkeit angeführt, daß noch vor Eintritt der Fälligkeit der Kaufpreise, bis wohin die Deckzeit längst verflossen war, die beiderseitigen Kontrahenten durch Uebereinkunft [23] – nicht einseitig – den Kaufvertrag ohne Umstände als wieder aufgelöst erklären konnten, da mit Ablauf der Deckzeit der im Vertrage ausgesprochene Zweck, den nicht gekörten Hengst des Angeklagten ungestraft zur Deckung von Stuten verwenden zu können, bereits erfüllt gewesen wäre. Inwieferne hierin ein Rechtsirrthum liegen solle, ist nicht zu erkennen.

Zu 2. Auch die Beziehung auf §. 59 des Straf-Ges.-Buchs ist verfehlt. Die Revisionsbegründung enthalt zunächst eine Aktenwidrigkeit, indem behauptet wird, die Ferienkammer habe festgestellt, daß die Betheiligten den Vertrag im Ernste gemeint hätten.

Die Gründe des Urtheils lauten vielmehr:

„wenn auch die Zeugen Johann R. etc. etc. angeben, daß sie ihrerseits den Vertrag als ernstlich gemeint gehalten und geglaubt haben, durch den Vertrag wirklich Miteigenthümer des Hengstes geworden zu sein, so hat sich doch auf Grund des Inhalts des Vertrags und abgesehen von den Widersprüchen in den Angaben der Zeugen etc. etc. die richterliche Ueberzeugung gebildet, daß der Vertrag vom 28. März l. Js. den ernstlichen und wahren Willen der Kontrahenten nicht zum Ausdrucke bringt, und daß es nicht im Willen der Kontrahenten gelegen war, das Miteigenthum an dem, dem G. alleineigenthümlich gehörigen Hengste zu übertragen und zu erwerben u. s. w.“

Die Ferienkammer hat damit deutlich erklärt, daß sie den Angaben der Zeugen J. R. etc. etc. keinen Glauben schenkte. Ferner kann sich der Angeklagte auf einen Irrthum in Bezug auf die civilrechtlichen Wirkungen des Vertrags deßwegen nicht berufen, weil ihm auch hier die klaren tatsächlichen Feststellungen entgegenstehen, indem die Urtheilsgründe sagen:

„da G. nicht beabsichtigt hat, das Miteigenthum an seinem Hengste auf Andere zu übertragen, so ergibt sich daraus, daß er sich stets bewußt war, daß er Alleineigenthümer des Hengstes sei, und daß den im Vertrag als Mitkontrahenten aufgeführten Personen ein Miteigenthum an dem Hengste nicht zustehe,“

und: „dadurch, daß G. im Bewußtsein, daß er Alleineigenthümer des nicht gekörten Hengstes sei, denselben in der Zeit vom 7. April bis 1. Mai l. Js. zur Deckung von 11 Stuten, deren Besitzer an dem Hengste kein Miteigenthum haben, verwendete, beziehungsweise mit seinem Wissen und Willen verwenden ließ, hat er sich elf sachlich concurrirender Uebertretungen der Körordnung schuldig gemacht.“

Es ist mithin thatsächlich und durch die Revision unangreifbar festgestellt, daß der Angeklagte sich nicht im Irrthum über die Natur des Vertrags und über seine rechtliche Ungiltigkeit befunden hat.

Der Thatbestand ist demnach den Feststellungen gemäß so gelagert, daß der Angeklagte als Alleineigenthümer und Besitzer eines [24] nicht gekörten Hengstes denselben zur Deckung von 11 nicht ihm gehörigen Stuten verwendet hat und beziehungsweise mit seinem Wissen und Willen hat verwenden lassen, und dieser Thatbestand erschöpft alle Voraussetzungen seiner Strafbarkeit wegen 11 sachlich concurrirender Uebertretungen der Artikel 1 und 5 des Gesetzes, die Körordnung betr., vom 26. März 1881.

Insbesondere kann auch die Annahme einer Mehrheit sachlich concurrirender Übertretungen nicht angefochten werden, denn wenn nach Art. 1 der Körordnung der Besitzer eines nicht gekörten Hengstes diesen nicht zur Deckung fremder Stuten verwenden darf, so ist ihm damit die Verwendung zur Deckung jeder fremden Stute untersagt. Die Frage aber, ob zeitlich getrennte strafbare Handlungen Ausfluß Eines und desselben rechtswidrigen Entschlusses sind oder nicht, ist thatsächlicher Natur, (Samml. von Entscheid. des k. Oberlandesgerichts München Bd. I S. 356, Bd. II S. 500) und von der Ferienkammer in unanfechtbarer Weise dadurch in letzterem Sinne festgestellt, daß sie den Angeklagten für jede seiner Zuwiderhandlungen in Strafe genommen und so die Annahme, daß die Handlungen demselben Entschlusse entstammt seien, ausgeschlossen hat.

Die Revision war daher dem Antrage des dießgerichtlichcn Staatsanwalts entsprechend in Anwendung des §. 505 Abs. 1 der Straf-Proz.-Ordn. unter Verurteilung des Angeklagten in die Kosten der Revisionsinstanz zu verwerfen.