Oberlandesgericht München – Nichtgenehmigte Musikaufführung

Textdaten
Autor: Oberlandesgericht München
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Titel: Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 3. Juni 1885
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1885, Nr. 23, Seite 185–189
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Kurzbeschreibung: Neben dem Reichsrecht müssen auch landesrechtliche Bestimmungen beachtet werden
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Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 3. Juni 1885.

Die Musiker K. A. u. Gen. in München, welche unter der Direktion des F. M. eine Musikgesellschaft bilden, haben am 5. September vor. Jahres in Ausübung ihres Gewerbes gegen Bezahlung in der Gastwirthschaft des J. W. auf vorgängige Bestellung desselben eine Musikaufführung, bei welcher ein höheres Kunstinteresse nicht obwaltete, gegeben, ohne eine polizeiliche Erlaubniß hiezu erhalten zu haben, weshalb gegen sie Anklage wegen je einer Uebertretung nach § 33b der Gewerbeordnung erhoben wurde. Dieselben wurden jedoch durch schöffengerichtliches Urtheil vom 17. November vor. Jahres freigesprochen, und ebenso verwarf die Strafkammer die vom Amtsanwalt hiegegen eingelegte Berufung, indem sie annahm, daß nach §. 33b der Gewerbeordnung für eine derartige Musikaufführung eine polizeiliche Erlaubniß nicht nothwendig sei, und, nachdem der an sich berechtigte Gewerbebetrieb durch das Landesrecht einer solchen Beschränkung nicht unterworfen werden dürfe, auch der Art. 33 des bayerischen Polizeistrafgesetzbuches keine Anwendung finden könne. Dem gegenüber macht die Revision des Staatsanwalts geltend, die Angeklagten seien, weil sie Musikaufführungen von Haus zu Haus dargeboten hätten, nach §. 33b der Gewerbeordnung strafbar, jedenfalls finde aber die Strafbestimmung des Art. 33 Abs. 1 des Polizeistrafgesetzbuchs, welche als auf sitten-und sicherheitspolizeilichen Rücksichten beruhend durch die Reichs-Gewerbeordnung nicht beseitigt worden sei, hier Anwendung,

Aus den Gründen des oberlandesgerichtlichen Urtheils, durch welches die Revision, soweit sie sich auf die Verletzung des Art. 33 [186] Abs. 1 P.-St.-G.-B. bezog, für begründet erklärt wurde, ist Folgendes hervorzuheben:

„Der vorerwähnte §. 33b, wornach derjenige, welcher gewerbsmäßig Musikaufführungen, ohne daß ein höheres Interesse der Kunst dabei obwaltet, von Haus zu Haus oder auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen darbieten will, der vorgängigen Erlaubniß der Ortspolizeibehörde bedarf, wurde erst durch das Gesetz vom 1. Juli 1883 in die Gewerbeordnung aufgenommen. In dem Gesetzentwurf befanden sich hinter dem Worte „Plätzen“ die Worte „oder an anderen öffentlichen Orten“, womit bezweckt war, auch die in den Wirthshäusern und ähnlichen Lokalen dargebotenen Musikproduktionen durch eine allgemeine reichsgesetzliche Vorschrift von der ortspolizeilichen Erlaubniß abhängig zu machen. Diese Worte wurden jedoch vom Reichstag gestrichen, und es bedarf daher nach der Gewerbeordnung Derjenige, welcher lediglich in einem Wirthshause Musik aufführen will, keiner vorgängigen polizeilichen Erlaubniß.

In der Revision wird zwar behauptet, der §. 33b der Gewerbeordnung finde auf die Angeklagten um deswillen Anwendung, weil sie ihre Musikaufführung nicht in einem ständigen Lokale, sondern in von Tag zu Tag wechselnden Lokalen, also von Haus zu Haus dargeboten hätten, und hieran der Umstand nichts ändere, daß dies auf Bestellung geschehen sei. Diese Ansicht ist jedoch nicht richtig. Wie die Motive des vorerwähnten Gesetzentwurfes entnehmen lassen, wurde der §. 33b hauptsächlich deshalb in die Gewerbeordnung aufgenommen, um bezüglich des Gewerbebetriebs von Musikaufführungen niederer Art die Bestimmungen über den stehenden Gewerbebetrieb von jenen über den Gewerbebetrieb im Umherziehen, welche in dem früheren §. 59 zusammengefaßt waren, zu trennen. Die Motive bemerken nämlich, daß der §. 33b sich an die Bestimmungen des bisherigen §. 59, soweit dieser den stehenden Gewerbebetrieb betreffe, unmittelbar anschließe. Wie hier, so werde dort vorgeschrieben, daß wer Musikausführungen, bei denen ein höheres Kunstinteresse nicht obwalte, von Haus zu Haus oder auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen darbieten wolle, auch dann, wenn dies an seinem eigenen Wohnorte geschehen solle, der vorhergehenden Erlaubniß der Ortspolizeibehörde bedürfe. Hieraus geht hervor, daß der §. 33b mit dem Darbieten von Haus zu Haus keinen anderen Begriff verbindet, als den des Darbietens im Umherziehen innerhalb des Wohn- oder Niederlassungsortes, wie denn auch die Motive zu Art. 5 des Entwurfs bemerken, daß nach der Etymologie des Wortes „Hausiren“ das Wesen desselben im Umherziehen von Haus zu Haus keineswegs aber nur in dem Umherziehen von einem Orte zum anderen bestehe. So wenig daher nach §. 55 der Gewerbeordnung der Gewerbebetrieb außerhalb des Gemeindebezirks des Wohnorts [187] oder des Orts einer gewerblichen Niederlassung dann unter den Begriff des Gewerbebetriebs im Umherziehen, des Hausirgewerbes fällt, wenn er auf Bestellung erfolgt, ebensowenig kann bei dem in §. 33b vorgesehenen Gewerbebetrieb am Wohn- oder Niederlassungsorte von einem Darbieten von Haus zu Haus die Rede sein, wenn das Gewerbe auf vorgängige Bestellung betrieben wird. Damit stimmt auch der in der Revision angeführte, sich ebenfalls auf das stehende Gewerbe beziehende § 42b Abs. 1 der Gewerbeordnung überein, da hiernach das Anbieten gewerblicher Leistungen von Haus zu Haus von einer Erlaubniß nicht abhängig gemacht werden kann, sobald es auf vorherige Bestellung erfolgt. Daher könnte auch im vorliegenden Falle in der Musikaufführung der Angeklagten nur dann ein Darbieten derselben von Haus zu Haus gefunden werden, wenn dieselben die Gelegenheit hiezu in dem W.’schen Gasthause nachgesucht hätten; allein nach der Feststellung der Strafkammer suchen die Angeklagten die Gelegenheit zum Musikaufführen nicht selbst auf, sondern musiziren nur auf besondere Bestellung und haben auch am 5. September vor. Jahres im genannten Gasthause die Musikproduktion erst aufgeführt, nachdem sie vom Gastwirth W. hiezu vorher bestellt worden waren. Eine solche Musikaufführung stellt sich aber nicht als eine von Haus zu Haus dargebotene dar, und ist es deshalb auch gleichgiltig, ob die Angeklagten ihre Produktionen in einem ständigen Lokale oder auf Grund jeweiliger Bestellung in verschiedenen Lokalen geben. (Verhandlungen des Reichstags II. Session 1882/83 Bd. V S. 1. 9, 14; Bd. VI S. 721, 879, 1321; Bd. III S. 1718 ff.; Bd. IV S. 2597 ff.)

„Wenn nun auch hiernach die Handlungen der Angeklagten nicht unter die Strafbestimmung des §. 148 Ziff. 5 der Reichs-Gewerbeordnung fallen, so sind sie doch nicht straflos. Denn der Art. 33 Abs. 1 des Polizeistrafgesetzbuchs bestimmt, daß an Geld bis zu 15 Mark oder mit Haft bis zu drei Tagen gestraft wird, wer ohne die nach Verordnung erforderliche polizeiliche Erlaubniß gegen Bezahlung in Wirthschaftslokalitäten Musikstücke aufführt, und ist nach Abs. 3 hievon nur die Abhaltung musikalischer Vorträge in solchen Lokalen durch hiezu berechtigte Musikgesellschaften ausgenommen; ferner enthält die hieher gehörige k. Verordnung vom 3. Juli 1868 über die Schau- und Vorstellungen in §. 4 die Bestimmung, daß, wer in Wirthschaftslokalitäten gegen Bezahlung Musikstücke aufführen will, hiezu eines polizeilichen Erlaubnißscheines bedarf. Der Abs. 3 des Art. 33 des Polizeistrafgesetzbuchs kommt hier nicht weiter in Betracht, da nach der Feststellung des Berufungsgerichts die Angeklagten die nach §. 2 der ebengenannten Verordnung erforderliche Anerkennung von Seite der Distriktspolizei nicht besitzen und daher auch keine zu Musikaufführungen in Wirthschaftslokalitäten [188] berechtigte Musikgesellschaft im Sinne dieser Gesetzesbestimmung bilden. Dagegen sind alle Voraussetzungen zur Anwendung des Abs. 1 des Art. 33 gegeben. Die Strafkammer nimmt zwar an, daß diese Strafvorschrift keine Geltung mehr habe, weil sie, nachdem gemäß §. 33b der Gewerbeordnung die Aufführung von Musikproduktionen in Wirthshäusern von keiner polizeilichen Erlaubniß abhängig sei, mit dieser reichsgesetzlichen Bestimmung im Widerspruch stehe. Jedoch mit Unrecht. Der in §. 1 Abs. 1 der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich aufgestellte Grundsatz der Gewerbefreiheit bezieht sich nur auf die Zulassung zum Gewerbebetrieb und nicht auch auf die Ausübung desselben. Es können daher in dieser Hinsicht den Gewerbetreibenden aus allgemeinen Polizeilichen Gründen Beschränkungen auferlegt werden, was, insoferne die Reichs-Gewerbeordnung oder andere Reichsgesetze hierüber keine erschöpfenden Bestimmungen enthalten, auch durch landesrechtliche Vorschriften geschehen kann. Nun enthält zwar der §. 33b der Gewerbeordnung Vorschriften über die Ausübung des stehenden Gewerbes eines Musikers, indem er bestimmt, in welchen Fällen der zu diesem Gewerbe an sich Berechtigte für jede einzelne Produktion eine polizeiliche Erlaubniß erholen muß; allein darüber, ob und inwieweit auch gewerbsmäßige Musikaufführungen in Wirthschaftslokalitäten aus polizeilichen Rücksichten einer vorgängigen Erlaubniß bedürfen, hat er keine Bestimmung getroffen; namentlich kann daraus, daß der Reichstag die Worte des Entwurfs „oder an anderen öffentlichen Orten“ abstrich, nicht gefolgert werden, derselbe habe damit zugleich das Verbot aussprechen wollen, den Gewerbetreibenden in dieser Beziehung Beschränkungen durch das Landesrecht aufzuerlegen, sondern der Reichstag lehnte hiedurch nur ab, hierüber eine für das ganze Reich gemeinsame Vorschrift zu erlassen. Dies geht aus den Verhandlungen des Reichstags hervor. Bei der dritten Lesung des Entwurfs äußerte nämlich der Kommissär des Bundesraths, durch den Abstrich der fraglichen Worte würden die Behörden wieder dahin gedrängt werden, mit Hilfe ihrer partikularrechtlichen Generalklauseln die Sache so zu gestalten, wie sie jetzt durch Reichsrecht gestaltet werden solle, und bemerkte dann weiter, das, was der §. 33b in der Fassung des Entwurfs vorschlage, sei bestehendes Recht, und zwar theils Reichsrecht, theils Partikularrecht, – wobei er in letzterer Beziehung auf die Art. 32 und 33 des bayerischen Polizeistrafgesetzbuchs hinwies –, welches Recht zusammen das Recht des betreffenden Landes bilde. Jetzt sei nur die Frage, dieses Recht einheitlich zu gestalten und zum Reichsrecht zu machen, und nicht die Verhältnisse in den alten Zustand zurückkehren zu lassen, daß wiederum mit partikularrechtlichen Verordnungen und Instruktionen das Reichsrecht ergänzt werden müsse. (Verhandlungen des Reichstags [189] II. Session 1882/83 Band IV S. 2599 und 2601.) Dieser Anschauung wurde von keiner Seite widersprochen, woraus hervorgeht, daß der Reichstag mit derselben einverstanden war. Durch den §. 33b der Gewerbeordnung ist daher die eine weitergehende Beschränkung enthaltende Vorschrift des §. 4 der nach Art. 159 des Polizeistrafgesetzbuchs noch giltigen k. Verordnung vom 3. Juli 1868 nicht beseitigt; dieselbe stellt sich vielmehr als einen ergänzenden Bestandtheil dieser reichsgesetzlichen Bestimmung dar, deren Nichtbeachtung eine Uebertretung nach Art. 33 Abs. 1 des Polizeistrafgesetzbuchs bildet.“