Oberlandesgericht München – Verkehr mit Arzneimitteln 3

Textdaten
Autor: Oberlandesgericht München
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichtes München vom 30. November 1882
Untertitel:
aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1883, Nr. 3, Seite 24–26
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: Vorlage:none
Verlag: Vorlage:none
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort:
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scan auf Commons
Kurzbeschreibung: Fahrlässiger Umgang mit Tierarznei durch Gewerbetreibenden (Wasenmeister)
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]

[24]

Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichtes München vom 30. November 1882.

Nach der Feststellung der landgerichtlichen Strafkammer kastrirte der die Kastration der Pferde gewerbsmäßig betreibende Wasenmeister S. von O. am 10. März 1882 Vormittags im Orte L. mehrere Pferde und verwendete hiebei ein in der Beilage I zu § 1 Abs. 1 der k. Verordnung vom 25. April 1877, den Verkehr mit Giften betr., unter der Bezeichnung Hydrargyrum bichloratum corrosivum – ätzendes Quecksilberchlorid – für Gift erklärtes Quecksilbersublimat als Heilmittel in der Weise, daß er dasselbe auf hölzerne Kluppen streute, welche an die kastrirten Pferde angelegt wurden, diese so bestreuten Kluppen, während er sich nach O. begab, mehrere Stunden an den im Stalle ihrer Eigenthümer in L. verbliebenen Pferden beließ, und die Kluppen erst am Nachmittage durch seinen Gehilfen abnehmen und abholen ließ. Durch diese Verwendung von Gift erachtete die Strafkammer eine Uebertretung nach § 367 Nr. 3 des Strafgesetzbuches gegeben, indem sie annahm, daß in derselben umso mehr ein unbefugtes Ueberlassen von Gift an Andere liege, als der Angeklagte dadurch, daß er, nach Anlegung der Kluppen die Pferde bei ihren Eigenthümern belassend, nach Hause zurückgegangen sei, seine ausschließende Verfügungsgewalt über die Kluppen und das daran befindliche Gift aufgegeben, und so den Eigenthümern der Pferde die Möglichkeit gewährt habe, das auf die Kluppen gestreute Gift in Besitz zu nehmen.

Dem gegenüber wird zur Begründung der Beschwerde, daß § 367 Nr. 3 des Strafgesetzbuches verletzt sei, ausgeführt, in der fraglichen Verwendung von Gift, welche übrigens gar nicht stattgefunden habe, sei keine Ueberlassung des Giftes an Andere gelegen, weil dasselbe nicht den Pferdeeigenthümern zum Aufstreuen auf die Kluppen gegeben, sondern durch das Aufstreuen verbraucht worden sei, so daß es nicht weiter habe verwendet werden können, [25] während das Gesetz unter Ueberlassen nur einen Besitzübertragungsakt verstehe, wie er beim Verkaufe stattfinde; von den Thierärzten werde beim Kastriren der Pferde in der nämlichen Weise verfahren, wie dem Angeklagten zur Last gelegt sei, ohne daß wegen der Möglichkeit eines Mißbrauches des an den Kluppen befindlichen Sublimates durch andere Personen eine Bestrafung des Thierarztes eintrete; auch könne die Ausübung der Thierheilkunde, nachdem die Reichsgewerbeordnung sie freigegeben habe, nicht durch den § 367 Nr. 3 des Reichsstrafgesetzbuches oder durch die bayerische Verordnung über den Verkehr mit Gift, welche überdies nur den Handel mit solchem betreffe und die Anklage nicht unterstütze, unmöglich gemacht werden.

Diese Ausführung, welcher, insoweit sie die thatsächliche Richtigkeit der Feststellungen des Berufungsgerichtes bestreitet, schon nach § 376 in Verbindung mit § 260 der Reichs-Strafprozeßordnung keine Folge gegeben werden kann, ist jedoch nicht geeignet, die Revision zu rechtfertigen.

Nach § 367 Nr. 3 des Strafgesetzbuches wird mit Geldstrafe bis zu 150 Mark oder mit Haft bestraft, wer ohne polizeiliche Erlaubniß Gift oder Arzneien, soweit der Handel mit denselben nicht freigegeben ist, zubereitet, feilhält, verkauft, oder sonst an Andere überläßt. Hiernach ist zum Schutze gegen Gefährdungen des Lebens und der Gesundheit jede polizeilich nicht gestattete Ueberlassung von Gift an Andere, ohne Unterschied, in welcher Form dieselbe stattfindet und ob sie gegen Entgelt oder unentgeltlich erfolgt, mit Strafe bedroht. Wie weit aber für eine solche Ueberlassung polizeiliche Erlaubniß erforderlich, der Handel mit Gift also nicht freigegeben ist, bemißt sich gemäß Art. 2 Ziff. 8 des Polizeistrafgesetzbuches in Verbindung mit § 34 Abs. 3 und § 155 Abs. 1 der Reichsgewerbeordnung nach der zu § 367 Nr. 3 des Reichs-Strafgesetzbuches erlassenen k. Verordnung vom 25. April 1877, den Verkehr mit Giften betr. (Gesetz- und Verordnungs-Blatt S. 256), und aus den Bestimmungen derselben, soweit solche hier einschlagen, ergibt sich, daß die den Gegenstand der Anklage bildende Verwendung von ätzendem Quecksilberchlorid – einem Gifte nach der Beilage I der besagten Verordnung –, wie sie der Feststellung des Berufungsgerichtes zufolge geschah, dem Angeklagten polizeilich nicht gestattet war. Denn nach § 7 dieser Verordnung wird außer den in den vorausgehenden Paragraphen erwähnten Fällen, von denen hier keiner vorliegt, zur Abgabe von Giften eine besondere Genehmigung erfordert, und nach § 14 Ziff. 9 in Verbindung mit § 3 ist wohl dem ärztlichen Personale sowie den Thierärzten erlaubt, bei der Ausübung ihres Berufes Gift nach Maßgabe ihrer Ordinationsbefugnisse zu Heilzwecken abzugeben [26] oder äußerlich anzuwenden, andere Personen dagegen, welche bei dem Betriebe ihres Gewerbes oder bei Ausübung ihres Berufes (auf Grund eines ortspolizeilichen Erlaubnißscheines) Gift erworben haben, dürfen nach § 14 Ziff. 8 mit 3 dasselbe nicht Anderen zukommen lassen, haben vielmehr, wenn sie es nicht vollständig verbrauchen, den Ueberrest an einen zum Handel mit Gift Berechtigten abzugeben, oder in unschädlicher Weise zu vernichten. Es war daher dem Angeklagten, welcher nicht Thierarzt ist, (§ 29 der Reichs-Gewerbeordnung) durch die angezogene Verordnung keine Erlaubniß ertheilt, das von ihm bei der Kastrirung der Pferde in L. angewendete Gift Anderen zu überlassen, da diese Verordnung nur den Thierärzten, nicht einem Gewerbetreibenden, der sich mit der Ausübung der Thierheilkunde befaßt, die Befugniß hiezu gewährt.

Aber auch im Uebrigen ist der Thatbestand des § 367 Nr. 3 des Strafgesetzbuches gegeben. Denn nachdem feststeht, daß der Angeklagte nach der Kastrirung der Pferde in L. und der Anlegung der mit Gift bestreuten Kluppen an die Geschlechtstheile der Pferde diese mit den Kluppen im Stalle der Pferdeeigenthümer zu L. beließ, sich nach O. zurückbegab, und erst nach einigen Stunden die Abholung der Kluppen durch einen Gehilfen veranlaßte, so daß die Pferde mit den Kluppen in der Zwischenzeit von dem Angeklagten in der Verfügungsgewalt der Eigenthümer der Pferde belassen wurden, und, wie die Strafkammer als erwiesen erachtete, die Möglichkeit bestand, daß die Pferdeeigenthümer das an den Kluppen befindliche Gift in ihren Besitz brachten, hat die Strafkammer ohne Rechtsirrthum angenommen, daß in diesem Verfahren des Angeklagten ein Ueberlassen des Giftes an Andere liege, da eine Handlungsweise, durch welche ein Anderer in die Lage versetzt wird, über einen bis dahin nicht in seinem Besitze befindlichen Giftstoff thatsächlich frei zu verfügen, sowohl nach dem Wortlaute als nach dem Zwecke der hier in Frage stehenden Strafbestimmung als ein Ueberlassen des treffenden Stoffes an einen Andern sich darstellt, mag dieser von seiner Verfügungsgewalt Gebrauch gemacht haben oder nicht.

Daß der Angeklagte die Kastrirung der Pferde in der Weise vorgenommen hat, wie solches von den Thierärzten geschieht, ist für die erhobene Beschwerde ohne Bedeutung, weil die Verordnung vom 25. April 1877 die Abgabe von Gift als Heilmittel den Thierärzten gestattet, den Wasenmeistern aber eine solche Befugniß nicht einräumt.

Ebenso unerheblich ist, daß der Angeklagte Pferde kastriren darf. Denn hiezu ist er nur inner der polizeilichen Schranken befugt, welche die Verordnung vom 25. April 1877 als Ergänzung des § 367 Nr. 3 des Strafgesetzbuches den nicht zu den Aerzten und Thierärzten gehörigen Personen bezüglich der Abgabe von Gift gezogen hat.

Die eingelegte Revision ist hiernach unbegründet.