Oberlandesgericht München – Gemeindedienste 2

Textdaten
Autor: Oberlandesgericht München
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Titel: Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 27. März 1890
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1890, Nr. 13, Seite 114–116
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Kurzbeschreibung: Handarbeits-Gemeindedienste sind keine Werke
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Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 27. März 1890
in der Sache gegen G. St., Bauer von R., wegen einer Uebertretung in Bezug auf Gemeindedienste.

Nach Art. 29 des P.-St.-G.-B. werden an Geld bis zu fünf Thalern Pflichtige oder deren Stellvertreter gestraft, welche die noch Festsetzung der Gemeindeverwaltung sie treffenden Dienste zur Erhaltung der Fahrbarkeit der Gemeindewege und Distriktsstraßen ohne genügende Entschuldigung nicht oder nicht zur rechten Zeit oder nicht in gehöriger Weise leisten.

Als „Pflichtig“ im Sinne dieser Strafbestimmung erscheinen gemäß Art. 54 Abs. 4 der Gemeindeordnung in der Fassung des Art. 5 des Gesetzes vom 19. Januar 1872 „die Abänderung einiger Bestimmungen der Gemeindeordnung für die Landestheile diesseits des Rheins betr.“ – Ges.-Bl. S. 197 – die nach Art. 50 der Gemeindeordnung gemeindedienstpflichtigen Personen, und nach Art. 50 sind zur Leistung von Gemeindediensten, welche gemäß Art. 49 für Gemeindezwecke angeordnet werden können und zu welchen nach [115] Art. 38 Abs. 1 unter Anderem die Sorge für Unterhaltung und Reinlichkeit der Ortsstraßen wie die Herstellung und Unterhaltung der Gemeindewege als Obliegenheit der Gemeinden gehört, verpflichtet:

1. die Gemeindebürger;
2. diejenigen, welche nach Art. 32 Ziff. 2 bis 4 an Gemeindenutzungen Theil nehmen;
3. jene selbständigen Gemeindeeinwohner, welche seit 6 Monaten in der Gemeinde wohnen und daselbst mit einer direkten Steuer angelegt sind;
4. die Besitzer eines in der Gemeinde gelegenen Wohnhauses.

Hiernach war die Gemeinde R. nach der Gemeindeordnung befugt, den Pflichtigen, zu welchen der Angeklagte, wie er selbst nirgends bestritten hat, als Bauernanwesensbesitzer in R. gehört, und bei welchem die in Art. 50 Abs. 2 der Gemeindeordnung aufgeführten Befreiungsgründe nicht zutreffen, zum Zwecke der Unterhaltung und Reinlichkeit der Ortswege die Auflage zu machen, die, einen nothwendigen Bestandtheil der Orts- oder Gemeindewege bildenden, Gräben zu reinigen, und stellt sich die gegentheilige Behauptung des Angeklagten in der Revisionsausführung als haltlos dar.

Was die weitere Revistonsbehauptung betrifft, es entspreche die dem Angeklagten gegenüber getroffene Art der Zutheilung der Handdienste nicht der Bestimmung des Art. 51 der Gemeindeordnung, so ist diese Frage für den Strafrichter gegenstandslos, da Art. 29 des P.-St.-G.-B. in diesem Punkte zu seiner Anwendung nur verlangt, daß die Dienste von der Gemeindeverwaltung festgesetzt worden sind. Fühlt sich der Pflichtige durch die Art der Vertheilung[1] beschwert, so kann er gemäß Art 163 der Gemeinde-Ordnung auf dem Wege der Beschwerde die vorgesetzte Verwaltungsbehörde um Abhilfe anrufen, nie aber kann der Strafrichter, welchem nur obliegt, zu prüfen, ob die Voraussetzungen der in Art. 29 Abs. 1 des P.-St.-G.-B. vorgesehenen Uebertretung gegeben sind, sich mit dieser Frage befassen (diesgerichtliche Entscheidungen Bd. II S. 362 B. III S. 50,. 152, 229). –

Der Einwand des Angeklagten, es käme hier die Ausführung eines Werkes und nicht die Leistung von Diensten in Betracht, und sei deshalb Art. 29 des P.-St.-G.-B. nicht anwendbar, widerlegt sich durch Abs. 2 des Art. 49 der Gemeindeordnung. Als Gemeindedienste können hiernach nicht gefordert werden wissenschaftliche, kunst- oder handwerksmäßige Arbeiten. Da die Herstellung und Reinigung der zu den Orts- oder Gemeindewegen gehörigen Gräben nichts [116] erfordert, als gewöhnliche Handarbeit, fällt sie nicht unter die in Art. 49 ausgenommenen Leistungen, und kann nicht als ein mittelst kunst- oder handwerksmäßige Arbeit herzustellendes Bauwerk in Betracht kommen.

Bei ohne Rechtsirrthum getroffene Feststellung, daß der Angeklagte die ihn nach Festsetzung der Gemeindeverwaltung treffenden Dienste zur Erhaltung der Fahrbarkeit der Gemeindewege ohne genügende Entschuldigung selbst nach mehrmaliger Aufforderung durch den Bürgermeister nicht geleistet hat, hat die Strafkammer demnach mit Recht die Strafbestimmung des Art. 29 des P.-St.-G.-B. in Anwendung gebracht.


  1. Die Gemeindeverwaltung R. hatte die Anordnung getroffen, daß die Hausbesitzer die Ortswege und die dazu gehörigen Gräben vor ihren Anwesen zu unterhalten haben.