Oberlandesgericht München – Errichtung Einfriedung ohne Genehmigung

Textdaten
Autor: Oberlandesgericht München
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Titel: Auszug aus dem Urtheile des k. Oberlandesgerichtes München.
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1882, Nr. 13, Seite 149–151
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Kurzbeschreibung: Zur Errichtung von Zäunen und Einfriedungen aus Mauer- oder geschlossenem Holzwerk . . . wo Baulinien in Frage kommen, ist eine baupolizeiliche Genehmigung erforderlich. (§ 6 der K. Allerhöchsten Verordnung, die allgemeine Bauordnung betreffend, vom 19. September 1881)
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Auszug aus dem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München.

Durch Urtheil des Schöffengerichtes bei dem k. Amtsgerichte G. vom 19. Dezember 1881 wurde der Maurermeister N. in G. wegen Uebertretung baupolizeilicher Vorschriften in eine für den Fall der Uneinbringlichkeit in zweitägige Haft umgewandelte Geldstrafe von fünf Mark sowie zur Kostentragung verurtheilt und die Polizeibehörde für berechtigt erklärt, das vom Angeklagten hergestellte Mauerwerk beseitigen zu lassen. In Folge Berufung des N. sprach aber die Strafkammer des k. Landgerichtes A. durch Urtheil vom 31. Januar 1882 unter Aufhebung des schöffengerichtlichen Urtheils und Ueberweisung der Kosten beider Instanzen auf die k. Staatskasse denselben von der Anklage frei.

Von der Strafkammer wurde als bewiesen erachtet, daß der Angeklagte ohne baupolizeiliche Genehmigung vor seinem neugebauten Hause an der Landstraße in der Stadt G. eine in dem Boden befindliche Mauer von Bruchsteinen und eine hierauf gemauerte Einfassung [150] von Hausteinen neu herstellte, welche in verschiedener Höhe – 20 bis 25 cm – über die Bodenfläche hervorragt. Dabei wurde, wie es scheint, zugleich angenommen, daß der Angeklagte das besagte Mauerwerk außerhalb der einschlägigen Baulinie angelegt hat; denn es ist im schöffengerichtlichen Urtheile dies als feststehend erklärt und im Urtheile der Strafkammer dem nicht entgegengetreten, vielmehr auch auf Art. 101 des Polizei-Strafgesetzbuches Bezug genommen worden. Ferner ist festgestellt, daß der Angeklagte die Absicht hatte, auf die erwähnte Einfassung ein Geländer von Holz oder Eisen aufzusetzen.

Weil aber dieses Vorhaben nicht ausgeführt wurde, erklärte die Strafkammer unter dem Beifügen, daß eine Einfriedung ihrem Begriffe nach Menschen und Vieh den ungehinderten Eintritt in den von ihr umfaßten Raum durch ihren Bestand verwehren müsse, und hiezu die vorhandene Einfassung nicht geeignet sei, es liege lediglich eine Handlung vor, die nur als Versuch einer Uebertretung baupolizeilicher Vorschriften bezeichnet werden könne, da sie erst einen Anfang der Ausführung enthalte, welche Handlung jedoch straflos sei, weil der Versuch einer Uebertretung nicht mit Strafe bedroht ist, und gelangte so zur Freisprechung des Angeklagten, sowie zur Aufhebung des vom Schöffengerichte mit seinem Strafurtheile verbundenen Ausspruchs, daß die Polizeibehörde berechtigt sei, die Beseitigung des in Frage stehenden Mauerwerkes anzuordnen.

Die hiegegen Seitens des Staatsanwaltes eingelegte Revision wurde durch Urtheil des k. Oberlandesgerichtes München vom 28. März 1882 unter folgender Motivirung für begründet erkannt:

Nach der thatsächlichen Feststellung des Berufungsgerichtes hat der Angeklagte ohne baupolizeiliche Genehmigung mit der Errichtung einer Einfriedung vor seinem neuen Wohnhause in der Stadt G. an der Landstraße in der Weise begonnen, daß er, und zwar, wie nach dem Urtheile anzunehmen ist, außerhalb der daselbst bestehenden Baulinie, in seinem Grund und Boden eine Mauer aus Bruchsteinen herstellte und auf diese Mauer eine gleichfalls neue Einfassung von Hausteinen setzte, welche die Bodenfläche überragt. Wann dies geschah, wurde im Urtheile der Strafkammer ebensowenig als im schöffengerichtlichen Urtheile festgestellt, so daß sich nicht ermessen läßt, ob für den vorliegenden Fall die allgemeine Bauordnung vom 19. September 1881, oder jene vom 30. August 1877 maßgebend ist.

Allein sowohl in den §§ 6 und 93 der letzteren Verordnung, als in den §§ 6 und 91 der ersteren ist bestimmt, daß in Städten zur Errichtung von Einfriedungen jeder Art und überhaupt zur Herstellung aller, auch der geringfügigsten, Neubauten baupolizeiliche [151] Genehmigung erholt weiden muß, wenn sie an oder vor die Baulinie zu stehen kommen, und daß mit den Bauarbeiten erst dann begonnen werden darf, wenn eine rechtskräftige baupolizeiliche Genehmigung des betreffenden Bauplanes vorliegt und die Ortspolizeibehörde die Baulinie hat ausstecken lassen.

Aus diesen den § 367 Nr. 15 des Reichs-Strafgesetzbuches und den Art. 101 Abs. 1 des Pol.-Strafgesetzbuches ergänzenden Vorschriften der beiden angeführten Verordnungen ergibt sich aber, daß in Städten zur Herstellung eines neuen Bauwerkes, wie solches vom Angeklagten errichtet wurde, selbst wenn es nicht zu dem Zwecke angelegt wurde, den Sockel einer Einfriedung aus Metall oder geschlossenem Holzwerk zu bilden, baupolizeiliche Genehmigung erholt werden muß, falls dasselbe an oder vor die Baulinie zu stehen kommt, und daß, wenn diese Bewilligung mangelt, schon der Beginn der Bauarbeiten als ein Fall der Bauausführung im Sinne des § 367 Nr. 15 des Reichs-Strafgesetzbuches sich darstellt, sohin den Thatbestand der daselbst vorgesehenen Uebertretung erschöpft und bei Ueberschreitung der Baulinie zugleich eine hiemit in rechtlichem Zusammenflusse stehende Uebertretung nach Art. 101 Abs. 1 des Pol.-Strafgesetzbuches begründet. Daher beruht der Ausspruch des Berufungsgerichtes, daß die als erwiesen angenommene und von ihr selbst als Anfang der Ausführung des beabsichtigten Baues bezeichnete Handlung des Angeklagten weder nach § 367 Nr. 15 des Reichs-Strafgesetzbuches, noch gemäß Art. 101 Abs. 1 des Pol.-Strafgesetzbuches strafbar sei, sowie die daraufhin erfolgte Freisprechung des N. und die Aufhebung des schöffengerichtlichen Ausspruches nach Art. 105 Abs. 1 des Pol.-Strafgesetzbuches auf einer rechtsirrthümlichen Auffassung des Begriffs der Bauausführung im Sinne des § 367 Nr. 15 des Reichs-Strafgesetzbuches und des Art. 101 Abs. 1 des Pol.-Strafgesetzbuches, somit auf einer Verletzung dieser Gesetze, weshalb in Anwendung der §§ 393 und 394 Abs. 2 der Strafprozeßordnung unter Aufhebung des angefochtenen Urtheils und der durch die Gesetzesverletzung betroffenen, der Klarheit und Vollständigkeit entbehrenden Feststellungen die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, welche sich auch auf die Kosten der Revisionsinstanz zu erstrecken hat, wie geschehen, zurückzuverweisen war.