Oberlandesgericht München – Baupolizeiübertretung

Textdaten
Autor: Oberlandesgericht München
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Titel: Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichtes München vom 19. Juni 1888
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1888, Nr. 29, Seite 274–275
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Kurzbeschreibung: Die Verjährungsfrist beginnt mit der Fertigstellung
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Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichtes München vom 19. Juni 1888
in der Sache gegen den Zimmermann A. H. von M. wegen Baupolizeiübertretung.

Der Angeklagte ließ ohne Erholung einer baupolizeilichen Genehmigung an seinem Wohnhause eine Aenderung in der Weise vornehmen, daß er das bisherige halbe erste Obergeschoß um ca. 40 cm erhöhen, und auf der ganzen Länge seines Wohnhauses ein ganzes erstes Obergeschoß herstellen ließ, welcher Aufbau den bautechnischen Bestimmungen der allgemeinen Bauordnung vollständig entspricht, und am 3. November 1887 vollendet war.

Das Schöffengericht hat den A. H. von der Anschuldigung: die bauliche Vergrößerung seines Wohnhauses ohne die nach § 6 Abs. 1 und 7 Ziff. 1 der allgemeinen Bauordnung hiezu erforderliche Genehmigung ausgeführt und sich hiedurch gegen § 367 Nr. 15 des Straf-Gesetz-Buches verfehlt zu haben, freigesprochen und die Strafkammer hat die hiegegen vom Amtsanwalt eingelegte Berufung verworfen, wobei die beiden Instanzen von der Annahme ausgingen, daß sich zwar der Angeklagte gegen die Nr. 15 des § 367 des Straf-Gesetz-Buches dadurch verfehlt habe, daß er als Bauherr eine, nach § 6 und 7 Ziff. 1 der allgemeinen Bauordnung der Genehmigung bedürfende, Hauptänderung an seinem Wohnhause ohne Genehmigung aufführen ließ, daß aber die Strafverfolgung dieser als Uebertretung erscheinenden That durch Verjährung ausgeschlossen sei, weil diese Bauausführung, als nicht in der Schaffung eines gefahrdrohenden Zustandes, sondern lediglich als in einer eigenmächtigen Handlungsweise des Angeklagten bestehend, schon am 3. November 1887 ihre Vollendung erreicht habe, von da an aber bis zu der ersten am 12. Februar 1888 ergangenen richterlichen Verfügung ein Zeitraum von mehr als 3 Monaten in Mitte liege, und die durch die Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 24. Juli 1883 und 31. Dezember 1884 (Sammlung Bd. II S. 446 und Bd. III S. 286) ausgesprochenen Grundsätze, daß die Verjährung der Strafverfolgung wegen Ausführung eines Baues mit eigenmächtiger Abweichung von dem durch die Behörde genehmigten Baupläne erst mit dem Zeitpunkte beginne, in welchem die Ortspolizeibehörde der Distriktspolizeibehörde zum Behufe der Kontrole der plangemäßen Bauführung von der Vollendung des Baues Anzeige erstattet hat, hieher keine Anwendung finden könne, weil diese nur auf genehmigte Bauten Bezug haben, so daß es hieher belanglos erscheine, daß die Ortspolizeibehörde die Vollendung der Bauausführung am 17. Dezember 1887 der Distriktspolizeibehörde angezeigt, diese darauf am 19. desselben Monats den Distriktstechniker zur Berichterstattung [275] aufgefordert, dieser unterm 2. Februar 1888 Befundbericht erstattet und das k. Bezirksamt N. unterm 4. Februar 1888 die Strafverfolgung des Angeklagten veranlaßt habe.

In der hiegegen eingelegten Revision des Staatsanwalts wird unter Bezugnahme auf die in den oben allegirten Urtheilen des k. Oberlandesgerichts ausgesprochenen Grundsätze wegen Annahme der Verjährung der hier in Frage stehenden Übertretung der § 67 Abs. 4 als verletzt bezeichnet, weil die am 17. Dezember 1887 erfolgte Anzeige die Verjährungsfrist erst in den Lauf gebracht habe und von da bis zum 12. Februar 1888, an welchem die erste richterliche Handlung wegen der begangenen That sich gegen den Angeklagten richtete, ein Zeitraum von 3 Monaten nicht in Mitte liege, und der § 92 der allgemeinen Bauordnung jeden Neubau, ohne Rücksicht darauf, ob er genehmigt oder nicht genehmigt sei, zu seinem Gegenstande habe.

Wie festgestellt, hat der Angeklagte zwar ohne die nach § 6 Abs. 1 und § 7 Ziff. 1 der allgemeinen Bauordnung vom 19. September 1881 erforderliche polizeiliche Genehmigung der hier in Frage stehenden Hauptänderung an seinem Wohnhause ausführen lassen, und dadurch sich gegen diese Ergänzungsvorschrift zu § 367 Nr. 15 des Straf-Gesetz-Buches verfehlt, und würde die Strafbarkeit dieser eigenmächtigen Bauführung auch dadurch nicht entfallen, daß er bei Ausführung dieser Hauptänderung die bautechnischen Vorschriften der Bauordnung eingehalten hat, allein, nachdem festgestellt ist, daß durch den eigenmächtig ausgeführten Bau nicht ein gefahrdrohender gesetzwidriger Zustand geschaffen wurde, sondern die Handlung des Angeklagten lediglich ihrer Eigenmächtigkeit halber unter die Strafbestimmung des § 367 Nr. 15 fällt, und nachdem die zur Beschwerdebegründung in Bezug genommenen, oben schon erwähnten Urtheile des Oberlandesgerichts München je nur eine durch die Behörden genehmigte Bauführung zur Voraussetzung haben, der in diesen Urtheilen ausgesprochene Grundsatz, daß die Bauordnung einen genehmigten Bau erst dann als abgeschlossen erachtet wissen will, wenn über dessen Vollendung von der Ortspolizeibehörde die ihr nach § 92 der allgemeinen Bauordnung obliegende Anzeige an die kontrolpflichtige Distriktspolizeibehörde erstattet ist, daher erst von diesem Zeitpunkte die Verjährung beginne, auf den vorliegenden, die Ausführung eines genehmigten Bauplanes nicht zum Gegenstand habenden Fall keine Anwendung finden kann, so haben die Vorinstanzen ohne Rechtsirrthum den Zeitpunkt, an welchem das strafbare Thun des Angeklagten sein Ende erreicht hat, auf den 3. November 1887, an welchem die bauliche Thätigkeit abgeschlossen war, verlegt.