Oberlandesgericht München – Abweichung von Baugenehmigung 4

Textdaten
Autor: Oberlandesgericht München
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Auszug aus dem Urtheile des k. Oberlandesgerichtes München vom 21. Juni 1890
Untertitel:
aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1890, Nr. 22, Seite 354–357
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: Vorlage:none
Verlag: Vorlage:none
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort:
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scan auf Commons
Kurzbeschreibung: Besondere Anordnungen der Baugenehmigung sind vom Bauherrn einzuhalten
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]

[354]

Auszug aus dem Urtheile des k. Oberlandesgerichtes München vom 21. Juni 1890
in der Sache gegen Heinrich H. von K. wegen Uebertretung baupolizeilicher Vorschriften.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat der Angeklagte im August 1889 bei dem k. Bezirksamte K. um Ertheilung der Genehmigung zur Erbauung einer Burschenwohnung an der K.-cherstraße in K. nachgesucht, welches Gesuch jedoch aus dem Grunde abgewiesen wurde, weil sich der fragliche Bau als Nebengebäude im Sinne des § 62 der allgemeinen Bauordnung darstelle. Gegen den abweisenden Beschluß erhob der Angeklagte Heinrich H. Beschwerde zur k. Regierung von O., legte dem ursprünglichen Bauplane eine Plantektur bei mit der Ueberschrift: „Tektur zur Verschönerung der Wohnhausfaçaden“, und bezeichnete in der Beschwerdeschrift das projektirte Gebäude als Wohnhaus, als Hauptgebäude, welches dazu bestimmt sei, den in seiner, des H., Brauerei beschäftigten Burschen zur Wohnung zu dienen. Die k. Regierung ertheilte hierauf dem H. durch Entschließung vom 21. September 1889 die baupolizeiliche Bewilligung zur Erbauung eines Wohngebäudes an der K.-cherstraße in K. nach Maßgabe des vorgelegten Bauplanes unter der Voraussetzung, daß bei Ausführung des Baues die Vorschriften der allgemeinen Bauordnung eingehalten werden, und ging hiebei von der in der Entschließung ausgesprochenen und dem H. kundgegebenen Erwägung aus, daß der von H. in Aussicht genommene Neubau, wenn derselbe auch von geringer Ausdehnung sei, sowohl mit Rücksicht auf die Bauart als auch auf die Benützung der Räume nicht als Nebengebäude, sondern als Hauptgebäude anzusehen sei und daher der Aufführung dieses Gebäudes an der Baulinie kein Hinderniß entgegengesetzt werden könne.

Nach dem so genehmigten Plane hat das Gebäude an die Baulinie zu kommen, in dem Plane sind in den Parterreräumlichkeiten zwei heizbare Zimmer und hieran anstoßend eine Kammer eingezeichnet, und auf sämmtlichen Façaden zeigt der Plan nur Wohnhausfenster.

Der Angeklagte hat aber den Bau nicht in dieser Weise ausführen lassen, sondern ist vom genehmigten Bauplane insoferne abgewichen, als er im Oktober bis Anfangs November 1889 in dem an die Baulinie angrenzenden Parterreraume eine Büttnerwerkstätte, in dem daran anstoßenden Räume einen Stall mit Raufe und Barren, dann Stallfenster, deren Höhe geringer als die Breite ist, einrichtete, ohne zu dieser Plan-Abweichung beziehungsweise Bauveränderung besondere Genehmigung nachgesucht und erhalten zu haben. [355]

In dieser Bauausführung erblickte das Schöffengericht eine eigenmächtige Abweichung des Angeklagten als Bauherrn von dem durch die Behörde genehmigten Bauplane, verurtheilte deshalb den Angeklagten wegen einer Uebertretung nach § 367 Nr. 15 des St.-G.-B. Die landgerichtliche Strafkammer verwarf die hiegegen vom Angeklagten eingelegte Berufung.

Hiebei gieng das Berufungsgericht von der Erwägung aus, der Bauplan des Angeklagten sei sowohl vom Bezirksamt K. als von der k. Regierung von O. mit Rücksicht darauf geprüft worden, daß es sich hier um einen Neubau eines Gebäudes an der Baulinie handle, an welch letztere nach § 62 der allgemeinen Bauordnung nur Hauptgebäude gestellt werden sollen und die Stellung von Nebengebäuden nur wegen besonderer Verhältnisse gestattet sein, unter allen Umständen aber die Bauweise sämmtlicher an der Baulinie aufzuführender Gebäude mit der Bauweise der Umgebung möglichst übereinstimmen soll, ferner, das Bezirksamt habe den Bau als Nebengebäude erklärt, das Vorhandensein von besonderen Verhältnissen verneint und die Nicht-Uebereinstimmung der Bauweise des Neubaues mit den übrigen Gebäuden an der Baulinie konstatirt, die k. Regierung dagegen habe auf Grund der Beschwerdeschrift des H., des Planes und der diesem beigefügten Tektur erklärt, Bauart und Benützung des Bauprojekts nach Maßgabe des Planes ließen den Bau als Hauptgebäude erkennen, habe also den Bau eines Hauptgebäudes genehmigt, in ihrem Genehmigungsbeschlusse eine in Form einer Bedingung kundgegebene besondere Anordnung getroffen, durch ausdrückliche Feststellung die Bauart und Benützung, unter welcher die Baugenehmigung nach § 62 der Bau-Ordnung möglich war, in bindender Weise vorgeschrieben, diese besondere Anordnung sei daher als ein Bestandtheil des genehmigten Bauplanes aufzufassen und H. gemäß § 11 der Bau-Ordnung an dieselbe gebunden, endlich, es könne sich der Angeklagte auf die Bestimmung des § 94 der Bauordnung nicht berufen, weil durch die Nichteinhaltung der von der k. Regierung festgestellten Voraussetzung dir Grundlage der Regierungsgenehmigung verloren gegangen sei, und demnach der Angeklagte um die Genehmigung der Abänderungen, wenn diese auch an sich einer besonderen Genehmigung nicht bedurft haben würden, neuerlich hätte nachsuchen müssen.

Diese Erwägungen sind vollkommen zutreffend, und es wird vom Angeklagten vergebens die Verletzung des § 94 der allgemeinen Bauordnung und des § 367 Nr. 15 des St.-G.-B. gerügt.

Nach der letzteren Gesetzesbestimmung wird mit Geldstrafe bis zu 150 Mark oder mit Haft bestraft, wer als Bauherr einen Bau, wozu die polizeiliche Genehmigung erforderlich ist, ohne diese Genehmigung oder mit eigenmächtiger Abweichung von dem durch die [356] Behörde genehmigten Baupläne ausführen läßt. Der Angeklagte hat, wie ohne Rechtsirrthum festgestellt ist, als Bauherr den in Frage stehenden Bau mit eigenmächtiger Abweichung von dem durch die k. Regierung von O. genehmigten Bauplane ausführen lassen, indem er die im Genehmigungsbeschlusse getroffene und daher als Bestandtheil des Planes erscheinende besondere Anordnung, den Bau hinsichtlich seiner Bauart und Benützung so ausführen zu lassen, wie diese im Plane bezeichnet war, bei Ausführung des Baues unbeachtet gelassen hat, er ist daher mit Recht als der Strafvorschrift verfallen erklärt worden, da diese, als im öffentlichen Interesse erlassen, das Dasein eines rechtswidrigen Bewußtseins zu ihrer Anwendung nicht erfordert, vielmehr schon beim Vorhandensein eines fahrlässigen Verhaltens anwendbar wird.

Die Bestimmung des § 94 der allgemeinen Bauordnung vom 19. September 1881 berechtigte im gegebenen Falle den Angeklagten nicht zu seiner Handlungsweise. Denn nach § 11 der allgemeinen Bauordnung müssen sämmtliche Bauarbeiten bei Bauführungen jeder Art nach Maßgabe des genehmigten Planes und der etwaigen besonderen Anordnungen ausgeführt werden. Solche besondere Anordnungen bilden daher einen wesentlichen Bestandtheil der Genehmigung selbst, und da es sich hier um die Herstellung eines Neubaues an einer Baulinie handelte, sohin die in Rede stehende besondere Anordnung sich auf einen Bau bezog, zu dessen Ausführung gemäß § 6 der allgemeinen Bau-Ordnung die polizeiliche Genehmigung erforderlich ist, so erscheint es gleichbedeutend, ob zu der vom Angeklagten unter Abweichung von der besonderen Anordnung ausgeführten Bauarbeit an und für sich eine polizeiliche Erlaubniß erforderlich gewesen wäre oder nicht, denn der Angeklagte war verpflichtet, den der polizeilichen Genehmigung bedürfenden Neubau unter Befolgung der mit der ertheilten Genehmigung verbundenen besonderen Anordnung ausführen zu lassen, und seine Abweichung von der letzteren ist eine Abweichung von dem für den Neubau an der Baulinie genehmigten Bauplane.

Die Ausführung der Revision, es sei die Genehmigung von Seite der k. Regierung von O. bedingungslos geschehen, da der Regierungsbeschluß keine ausdrückliche Bedingung enthalte, und es könne der Bauherr nicht an die Erfüllung von Voraussetzungen gebunden sein, welche im Tenor des Genehmigungsbeschlusses keinen Ausdruck gefunden hätten, ist unerheblich.

Eine gesetzliche Vorschrift, nach welcher eine Bedingung oder Voraussetzung, von deren Erfüllung die Genehmigung eines Bauplanes abhängig gemacht werden will, um rechtswirksam zu sein, im [357] Tenor des Beschlusses einen besonderen Ausdruck finden müsse, besteht nicht, und kann auch für den vorliegenden Fall aus der Bestimmung des § 90 Absatz 1 der allgemeinen Bau-Ordnung nicht abgeleitet werden, da in dieser Gesetzesbestimmung nur vorgeschrieben ist, daß die allenfalls veranlaßten besonderen Anordnungen in die Pläne deutlich eingezeichnet und durch ausdrückliche Aufnahme in die Ausfertigung der Genehmigung dem Bauunternehmer kundgegeben werden müssen.

Besteht eine besondere Anordnung wie im gegebenen Falle darin, daß der Bau sowohl was die Bauart als auch was die Benützung der Räume angeht – und zwar mit Rücksicht auf die Vorschriften des § 62 der allgemeinen Bauordnung – genau nach dem vorgelegten Plane und der Tektur hiezu ausgeführt werden müsse, so kann von einer Einzeichnung dieser Anordnung in den Plan selbstverständlich keine Rede sein, und nachdem im angefochtenen Urtheil ausdrücklich festgestellt ist, daß die Regierungsentschließung vom 21. September 1889 sammt den ihr zu Grunde liegenden Erwägungen dem Angeklagten kundgegeben wurde, so fehlt es auch nicht an der in § 90 Abs. 1 der Bau-Ordnung vorgeschriebenen ausdrücklichen Aufnahme in die Ausfertigung der Genehmigung.

Daß aber der Angeklagte den Sinn der ihm von der k. Regierung ertheilten Genehmigung nicht erfaßt habe, ist von ihm selbst nicht behauptet worden, und es würde sich eine solche Behauptung mit der Thatsache, daß Heinrich H. zur Erlangung der Baugenehmigung die mehrerwähnte Tektur vorgelegt hat, nicht in Uebereinstimmung bringen lassen.

Die Revision erweist sich daher als unbegründet.