Oberlandesgericht München – Abweichung von Baugenehmigung 3

Textdaten
Autor: Oberlandesgericht München
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Titel: Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 27. November 1888
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1889, Nr. 1, Seite 4–5
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Kurzbeschreibung: Baupolizeiliche Anordnungen sind in allen Teilen zu erfüllen
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Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 27. November 1888
in Sachen gegen den Apotheker N. von N. wegen Uebertretung baupolizeilicher Vorschriften.

Dem Angeklagten wurde mit Beschluß des Stadtmagistrates N. vom 30. August 1887 der Wiederaufbau seines abgebrannten Hauses nach dem vorgelegten Plane und zwar mit einer Breite der Zufahrt von nur 1,80 m statt der gemäß § 60 Abs. 1 der allgemeinen Bauordnung vom 19. September 1881 vorgeschriebenen Breite von mindestens 2,40 m unter der Bedingung baupolizeilich genehmigt, daß das Rückgebäude nicht mehr zu Wohnungen benützt werde. Diese Bedingung hat der Angeklagte nicht erfüllt, und war das Rückgebäude nach Ausführung des Neubaues noch von zwei Miethsleuten bewohnt.

Auf Grund dieser Feststellungen ist der Angeklagte wegen einer Uebertretung baupolizeilicher Vorschriften nach § 367 Nr. 15 des Straf-Ges.-Buches zu einer Geldstrafe von fünf Mark, für den Fall der Uneinbringlichkeit in eine eintägige Haftstrafe umgewandelt, sowie in die Kosten des Verfahrens und des Strafvollzuges verurtheilt und der Stadtmagistrat N. gemäß Art. 105 des P.-Str.-G.-B. berechtigt erklärt worden, die Beseitigung des ordnungswidrigen Zustandes anzuordnen.

Die eingelegte Revision ist aus folgenden Gründen verworfen worden:

Nach § 11 der gemäß Art. 2 Ziff. II des P.-Str.-G.-B. den § 367 Nr. 15 des Straf-Ges.-B. ergänzenden k. Verordnung vom 19. September 1881, die allgemeine Bauordnung betr., müssen sämmtliche Bauarbeiten bei Bauführungen jeder Art nach Maßgabe des genehmigten Planes und der etwaigen besonderen Anordnungen ausgeführt werden, und nach § 90 Abs. 1 derselben Verordnung müssen die allenfalls veranlaßten besonderen Anordnungen nicht blos durch deutliche Einzeichnung in die Pläne, sondern auch durch ausdrückliche Aufnahme in die Ausfertigung der Genehmigung dem Bauunternehmer kundgegeben werden.

Die besonderen Anordnungen der Baupolizeibehörde sind daher, wie das Oberlandesgericht München schon in seinem Urtheil vom 30. Mai 1885 (Sammlung von Entscheidungen Bd. III S. 398; vergl. Minist.-Amtsblatt 1885 S. 176) ausgesprochen hat, ein Bestandtheil des genehmigten Bauplanes, und jede Abweichung von denselben bei der Ausführung des Baues begründet eine Abweichung von dem genehmigten Bauplane.

Nachdem der Angeklagte als Bauherr bei Ausführung seines Wohnhaus-Neubaues, sohin eines Baues, zu dessen Herstellung er [5] nach § 6 Abs. 1 der Bauordnung die baupolizeiliche Genehmigung zu erholen hatte, die ihm aufgetragene Nichtbenützung des Rückgebäudes zu Wohnungen nicht eintreten ließ, er vielmehr festgestelltermaßen trotz wiederholter polizeilicher Aufforderungen, die Bedingung der Nichtbenützung des Rückgebäudes zu Wohnungen zu erfüllen, dieses Rückgebäude auch noch nach Ausführung des Wohnhaus-Neubaues von zwei Miethsleuten bewohnen ließ, mithin eine in Form einer Bedingung getroffene, ihm mit Verfügung vom 3. September 1887 kundgegebene, besondere Anordnung nicht befolgte, hat er den Neubau seines Hauses mit eigenmächtiger Abweichung von dem Bauplane ausgeführt, so daß die Voraussetzungen des § 367 Nr. 15 des Straf-Ges.-B. gegeben sind.

Die Pflicht der Erfüllung der baupolizeilichen Anordnungen in allen Theilen obliegt dem Bauherrn, der Angeklagte mußte demnach die ihm gewordene Auflage erfüllen, und durfte es ebenso wenig auf den Willen seiner Miethbewohner ankommen lassen, ob diese durch rechtzeitige Räumung der Wohnungen im Rückgebäude zur Erfüllung der baupolizeilichen Anordnungen beitragen, als er es der Behörde zumuthen kann, mit Rücksicht auf etwaige feuerpolizeiliche Interessen nachträglich in bestehende Privatrechtsverhältnisse einzugreifen. Für die Ausführung des Neubaues kommt die Bewohnung des Rückgebäudes insoferne in Betracht, daß, so lange dieses bewohnt ist, die Zufahrt des Neubaues in der abweichend von der desfallsigen Vorschrift nur bedingungsweise gestatteten Breite von 1,80 m nicht hergestellt werden durfte. Hat nun auch die in Frage stehende Anordnung für sich einen baulichen Charakter nicht, so erhält sie denselben in Verbindung mit der Ausführung des Neubaues, und Sache des Angeklagten war es demnach, vor Ausführung des Baues jene Hindernisse zu beseitigen, an deren Beseitigung die Bauplangenehmigung und demnach die Bewilligung der Bauführung geknüpft war, mag er selbst vermocht haben, die Beseitigung herbeizuführen oder mag ihm dies nur mittelst Anrufens der Gerichte möglich gewesen sein.

Entspricht nun auch die Ausführung des neugebauten Hauses dem genehmigten Plane, so erscheint doch die Unterlassung der rechtzeitigen Räumung des Rückgebäudes von Miethbewohnern, weil nach dem genehmigten Baupläne ohne diese die Ausführung des Neubaues nicht gedacht werden darf, als eine eigenmächtige Abweichung vom Bauplane, und kann deshalb die Annahme der Ferienstrafkammer, daß die Voraussetzungen des § 367 Nr. 15 des Reichs-Straf-Ges.-B. gegeben seien, nicht als rechtsirrig erachtet werden.

Bei dieser Sachlage kann aber auch von einer Verletzung des Art. 105 des P.-Str.-G.-B. keine Rede sein.