Oberlandesgericht München – Änderung Mühlenwehr

Textdaten
Autor: Oberlandesgericht München
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Titel: Mittheilung eines Urtheils des k. Oberlandesgerichts München
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1881, Nr. 29, Seite 350–353
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Kurzbeschreibung: Anordnungen im öffentlichen Interesse zur Notfallvermeidung ist Folge zu leisten
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Mittheilung eines Urtheils des k. Oberlandesgerichts München.

Das k. Oberlandesgericht München erkannte unter’m 27. September 1881 in der Sache gegen die Müllerswittwe Maria Oberhofer von Vilsöl wegen Uebertretung des Wasserbenützungsgesetzes zu Recht:

Die Revision der Maria Oberhofer gegen das Urtheil der Strafkammer des k. Landgerichts Landshut vom 9. Juli 1881 wird unter Verurtheilung der Beschwerdeführerin in die hiedurch veranlaßten Kosten verworfen.
Gründe.

Durch Urtheil des Schöffengerichts beim k. Amtsgerichte Vilsbiburg vom 12. April 1881 wurde die Müllerswittwe Maria Oberhofer von Vilsöl wegen Uebertretung des Gesetzes vom 28. Mai 1852, die Benützung des Wassers betr., in eine für den Fall der [351] Uneinbringlichkeit in dreitägige Haftstrafe umgewandelte Geldstrafe von 15 Mark und in die Kosten verurtheilt.

Gegen dieses Urtheil hat Maria Oberhofer Berufung eingelegt, worauf durch Urtheil der Strafkammer des k. Landgerichts Landshut vom 9. Juli 1881 unter Aufhebung des schöffengerichtlichen Urtheils vom 12. April dess. Js. im Strafausspruche Beschwerdeführerin in eine Geldstrafe von drei Mark, umgewandelt für den Fall der Uneinbringlichkeit in eine Haftstrafe von einem Tage, verurtheilt wurde. Von den Kosten der Berufungsinstanz wurden zwei Drittheile der Staatskasse und ein Drittheil der Angeklagten überbürdet.

Hiegegen hat Maria Oberhofer rechtzeitig Revision eingelegt und dieselbe durch ihren Vertheidiger, Rechtsanwalt Biersack in Vilsbiburg, rechtzeitig dahin begründet, daß das angefochtene Urtheil den Art. 100 des erwähnten Gesetzes vom 28. Mai 1852 durch unrichtige Anwendung verletzt habe. Dabei wurde Freisprechung der Angeklagten von der erhobenen Anschuldigung und Ueberbürdung der sämmtlichen Kosten auf die Staatskasse beantragt.

In der heutigen öffentlichen Sitzung, in welcher von Seite der Angeklagten Niemand erschienen war, beantragte der dießgerichtliche Staatsanwalt Verwerfung der Revision und Verurtheilung der Beschwerdeführerin in die hiedurch veranlaßten Kosten.

Die Würdigung der Sache hat Folgendes ergeben:

Durch das angefochtene Urtheil ist unter Bezugnahme auf das erstinstanzielle Urtheil thatsächlich festgestellt, daß vom k. Bezirksamte Vilsbiburg am 26. Mai 1880 an Maria Oberhofer die distriktspolizeiliche Anordnung ergieng, an ihrem aus Anlaß einer Neuregulirung zu hoch gestellten, an der Vils gelegenen Abfallwehr die obere Wehrkante um 0,153 Meter und den Fachbaum um 0,103 Meter bis 15. Juni 1880 tiefer zu legen, widrigenfalls die nothwendigen Aenderungen von Amtswegen auf ihre Kosten vorgenommen werden würden, sowie daß auf Antrag der Maria Oberhofer durch bezirksamtliche Verfügung vom 11. Juni 1880 die Frist zur Tieferlegung des Wehres bis 15. Oktober 1880 unter der Auflage verlängert wurde, daß die Genannte für den Fall fruchtlosen Ablaufes dieser Frist im Hinblicke auf Art. 100 des Wasserbenützungsgesetzes vom 28. Mai 1852 eine Geldstrafe bis zu 100 Mark und die Abänderung des Wehres von Amtswegen auf ihre Kosten zu gewärtigen habe, daß aber Maria Oberhofer dieser Anordnung bis 15. Oktober 1880 nicht nachkam. Ferner ist festgestellt, daß die Vils sich im Eigenthume des Staates befindet und daß sie, wie aus der Bezugnahme der Instanzgerichte auf die Art. 40 und 99 des genannten Gesetzes hervorgeht, an der fraglichen Stelle die Eigenschaft eines Privatflusses hat.

Daraufhin wurde, nachdem vom Bezirksamte Vilsbiburg der [352] Amtsanwalt am Amtsgerichte daselbst zur Strafeinschreitung gegen Maria Oberhofer veranlaßt worden war, diese auch von der Strafkammer des Landgerichts Landshut einer Uebertretung nach Art. 100 des Wasserbenützungsgesetzes schuldig erklärt. Dabei bemerkte die Strafkammer unter Hinweisung auf ein vom bayerischen obersten Gerichtshofe am 11. November 1876 erlassenes Urtheil (Sammlung Band VI S. 537) auf die Einwendungen des Vertheidigers der Angeklagten, daß den distriktspolizeilichen Anordnungen vom 26. Mai und 11. Juni 1880, durch welche auf Grund des ebenerwähnten Art. 100 gegen die Angeklagte eine Geldstrafe von 100 Mark angedroht wurde, die gesetzliche Giltigkeit mangle, weil diese Anordnungen spezielle Erlasse seien, während das Gesetz dieß nur bei allgemeinen, nach Art. 11 des Polizeistrafgesetzbuches von 1871 bekanntzumachenden Erlassen gestatte, – nach diesem Art. 100 könnten die daselbst erwähnten Anordnungen auch an einzelne Personen gerichtet werden und seien somit im Hinblicke auf die Art. 97 und 99 des Wasserbenützungsgesetzes die fraglichen Verfügungen vom 26. Mai und 11. Juni 1880 vom Bezirksamte in zuständiger Weise erlassen worden.

Vom Revisionsbeschwerdeführer wird nun geltendgemacht, daß Art. 100 des Wasserbenützungsgesetzes eine Verwaltungsbehörde nicht ermächtige, zur Erzwingung des Vollzuges einzelner, nicht ständig in Kraft bleibender, Anordnungen an eine einzelne Person Strafandrohung zu erlassen, und daß überdieß der bezirksamtliche Auftrag das gesetzlich zulässige Strafmaß überschritten und nicht die erforderliche Sanktion durch die Kreisregierung erhalten habe, weshalb es sich im gegebenen Falle lediglich um eine Ungehorsamsstrafe im Sinne des Art. 21 des Polizeistrafgesetzbuchs handle. Allein die Befugniß des Bezirksamts Vilsbiburg, als der in vorliegender Sache örtlich zuständigen Verwaltungsbehörde, zur Erlassung der in Frage stehenden Verfügung vom 11. Juni 1880 ist durch die Bestimmung des Art. 52 Abs. 1 mit Art. 92 des Wasserbenützungsgesetzes, wenn diese Bestimmung auch nicht in der erwähnten Verfügung in Bezug genommen wurde, begründet, da nach den thatsächlichen Feststellungen dem Flusse, in welchem sich die in der Verfügung bezeichnete Anlage befindet, die Eigenschaft eines Privatflusses zukommt und nach Art. 52 die Verwaltungsbehörden den Gebrauch der Privatflüsse zu überwachen haben und in Folge dessen im allgemeinen Interesse, namentlich aus gesundheitspolizeilichen Rücksichten zur Verhütung von Ueberschwemmungen oder Versumpfungen, polizeiliche Anordnungen erlassen können. Dabei macht das Gesetz keinen Unterschied bezüglich der Art dieser Anordnungen, ob dieselben für einen größeren Bezirk oder für eine bestimmte Gemeinde, für den ganzen Fluß oder nur für eine bestimmte [353] Anlage, und ob sie einer Mehrheit von Personen oder nur einer einzelnen gegenüber getroffen werden. Es hat daher der Art. 52 keineswegs nur allgemeine, sondern auch an einzelne Personen gerichtete polizeiliche Anordnungen zum Gegenstande und hat deshalb die vorliegende bezirksamtliche Verfügung vom 11. Juni 1880, wenn sie sich auch nur auf eine bestimmte Anlage bezieht und nur der Angeklagten gegenüber ergangen ist, nachdem sie die Höhe der oberen Wehrkante und des Fachbaumes an dem Stauwerke der Angeklagten bleibend bestimmt und damit im allgemeinen Interesse aller hiebei Betheiligten die Wasserhöhe dieser Anlagen regelt, die Natur einer Anordnung im Sinne des ebenbezeichneten Art 52 Abs. 1. Hienach konnte aber das Bezirksamt in der erwähnten, in Gemäßheit des Wasserbenützungsgesetzes erlassenen Verfügung auf die Zuwiderhandlung gegen dieselbe nach Art. 100 Abs. 2 eine Geldstrafe bis zu 90 Mark androhen, welche sich nach Art. 101 dieses Gesetzes in Verbindung mit Art. 5 des Ausführungsgesetzes zur Reichs-Strafprozeßordnung als eine Uebertretungsstrafe und nicht, wie vom Beschwerdeführer behauptet wird, als eine Ungehorsamsstrafe nach Art. 21 des Polizeistrafgesetzbuchs darstellt. Es ist deshalb in diesem Punkte die erhobene Beschwerde ungerechtfertigt.

Gleiches ist aber auch der Fall, insoweit das Urtheil vom 9. Juli 1881 darum angefochten wird, weil die in dem bezirksamtlichen Erlasse vom 11. Juni 1880 angedrohte Strafe das gesetzliche Strafmaß von 90 Mark übersteigt und keine Genehmigung dieses Erlasses durch die Kreisregierung erholt wurde, da die hier einschlägige Bestimmung des Art. 100 Abs. 2 des Wasserbenutzungsgesetzes bezüglich des zulässigen Strafmaßes nur die Wirkung äußert, daß für den nach Art. 101 dieses Gesetzes mit Art. 5 des Ausführungsgesetzes zur Reichs-Strafprozeßordnung zuständigen Richter hinsichtlich der Ausmessung der verwirkten Strafe lediglich der vorbezeichnete Strafrahmen des Art. 100 maßgebend ist und keine gesetzliche Vorschrift besteht, welche die Rechtswirksamkeit einer nach diesem Artikel erlassenen bezirksamtlichen Verfügung von der Genehmigung der vorgesetzten Kreisstelle abhängig macht. Demgemäß und da die gegen die Angeklagte erkannte Strafe innerhalb des gesetzlichen Rahmens ausgemessen wurde, war, wie geschehen, zu erkennen.