Oberappellationsgericht München – Unberechtigter Holzverkauf

Textdaten
Autor: Oberappellationsgericht München
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Titel: Mittheilung oberstrichterlicher Erkenntnisse
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1874, Nr. 15, Seite 184–189
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Kurzbeschreibung: Weiterverkauf von subventioniertem Holz aus Staatsforsten
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[184]

Mittheilung oberstrichterlicher Erkenntnisse.
I.

Durch Urtheil des k. Stadt- und Landgerichts K. als Forststrafgericht vom 6. November 1873 sind Bürgermeister Jak. R. von W. und die Mitglieder des dortigen Gemeindeausschusses Franz Jos. K., Benedikt W., Joseph Z., Joseph S., Johann S., Xaver L., Johann Sch., Joseph K., Benedikt S., Alois St. und [185] Joh. Nep. E. von F. von der Anschuldigung eines nach Art. 96, beziehungsweise 97 des Forstgesetzes vom 28. März 1852 strafbaren Forstfrevels unter Ueberbürdung der Kosten auf das k. Aerar freigesprochen worden.

Auf von der k. Forstbehörde hingegen eingewendete Berufung hat das k. Bezirksgericht K. durch Urtheil vom 27. Dezember 1873 die voraufgeführten Beschuldigten, und zwar die ersteren 11 wegen einer Uebertretung des Forstfrevels durch Verkauf von Forstprodukten gemäß Art. 96 des Forstgesetzes in eine Geldstrafe von 218 fl. ½ kr., dann den letzteren – Joh. Nep. E. – wegen Kaufes dieser Forstprodukte auf Grund des Art. 97 desselben Gesetzes in eine Geldstrafe von gleichem Betrage, und die sämmtlichen Beschuldigten in die auf Verfolgung und Aburtheilung des Frevels erlaufenenen Kosten der I. Instanz verurtheilt, mit den Kosten der II. Instanz aber die Staatskasse belastet.

Gegen dieses Urtheil meldete der k. Advokat K. in K. am 29. Dezember 1873 mittels schriftlicher Erklärung Namens aller Verurtheilten (mit Ausnahme des am 27. dess. Mts. verstorbenen Johann Sch.) unter Uebergabe der ihm ertheilten Spezialvollmacht vom 28. dess. Mts. bei dem k. Bezirksgerichte die Nichtigkeitsbeschwerde an mit Vorbehalt ihrer Begründung in einer Denkschrift, in welchem am 15. Januar 1874 eingelangten Schriftstücke thatsächlicher Widerspruch der Entscheidungsgründe und unrichtige Gesetzesanwendung, nemlich Verletzung der Art. 96 und 97 des Forstgesetzes als beschwerend geltend gemacht und nach näherer Ausführung gebeten wird, das angefochtene Urtheil zu vernichten und die von ihm – K. – vertretenen Beschwerdeführer unter Ueberweisung der Kosten der I. und II. Instanz auf die Staatskasse von Schuld und Strafe freizusprechen.

Nach Aufruf der Sache in der am 9. Februar 1874 stattgehabten öffentlichen Sitzung des obersten Gerichtshofes hielt der zum Berichterstatter ernannte Rath v. Flembach Vortrag, worauf, nachdem für die Beschuldigten ein Vertreter nicht erschienen war, der k. Staatsanwalt Hanauer das Wort ergriff und den eingehend erörterten Antrag stellte, es gefalle dem obersten Gerichtshofe, das Urtheil des k. Bezirksgerichts K. zu vernichten, die sämmtlichen Beschwerdeführer von der erhobenen Anschuldigung eines Forstfrevels freizusprechen und den Eintrag des ergehenden Erkenntnisses in das Urtheilsbuch des k. Bezirksgerichts zu verordnen.

Durch Urtheil des obersten Gerichtshofs vom 20. Februar 1874 wurden jedoch die erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden aus folgenden Erwägungen verworfen:

Nach der thatsächlichen Feststellung hatte sich der Bürgermeister Jakob R. Namens der Gemeindeverwaltung W. unterm [186] 11. Mai 1872 an das k. Forstamt K. gewendet, um zu dem der Gemeinde W. obliegenden Baue einer Brücke über die W. eine bestimmte Anzahl von Bäumen aus der k. Staatswaldung zu erhalten. Diesem Ansuchen entsprechend wurden von dem k. Forstamte der genannten Gemeinde die von ihr nach Größe, Dicke und Stückzahl begehrten Bauhölzer aus dem k. Forstrevier um die Forsttaxe von 218 fl. ½ kr. zugewiesen. Von dieser Zuweisung erhielt die Gemeindeverwaltung alsbald Kenntniß und ergriff auch, nachdem die Bäume geschlagen waren, von denselben, (wie die Entscheidungsgründe des Urtheils sich ausdrücken), insoferne Besitz, als sie solche an Ort und Stelle besichtigen ließ.

In der Folge fand aber die Gemeindeverwaltung die Bäume für den Zweck jener Brücke zu stark, und beschloß deshalb am 29. Dezember 1872, die sämmtlichen aus dem gedachten k. Forstreviere ihr zugewiesenen Bäume um dieselbe Summe von 218 fl. ½ kr. an den Müller Joh. Nep. E. von F. zu veräußern, welcher dagegen die Verpflichtung übernommen, die Brücke – laut des in der zweitrichterlichen Verhandlung verlesenen Gemeindebeschlusses um die festgesetzte Summe von 100 fl. – von seinem Holze herzustellen und den vorerwähnten Betrag zu 218 fl. für die Gemeinde zu berichtigen.

Dieser Beschluß wurde gefaßt von dem Bürgermeister R. und den Beigeordneten E., W., Jos. S., Joh. S., Sch., L., K., S. und St.; K. und Z. traten nachträglich bei, und so bestand über die Frage der Veräußerung volle Einstimmigkeit, indem der gesammte Ausschuß 12 Mitglieder zählte.

Am gleichen Tage ward der Vertrag perfekt und E. ließ die Hölzer abfahren, die er nach seiner eigenen Angabe für sich verwendete.

Aus den Gründen zu den Urtheilen beider Instanzen tritt auch die Annahme hervor, daß allen Beschuldigten die Thatsache der Holzüberlassung durch die k. Forstbehörde um die Taxe bekannt gewesen ist.

Eine Genehmigung dieser Holzveräußerung von Seite der Forstpolizeibehörde war, wie konstatirt, weder nachgesucht, noch ertheilt worden. In dem Vorgehen der Gemeindeausschußmitglieder, d. i. in der von ihnen beschäftigten Holzveräußerung und in dem auf diesem Wege geschehenen Erwerbe durch E., erachtete das k. Bezirksgericht den Thatbestand eines Forstfrevels gemäß Art. 96 und beziehungsweise 97 des Forstgesetzes gegeben.

Wenn dagegen in der Denkschrift die Aufstellung gemacht wird, die Beschuldigten hätten das fragliche Holz nicht zu ihrem persönlichen Bedarfe erhalten und sei dasselbe nicht in ihren resp. der Gemeinde Besitz gelangt, so können diese Einwendungen in keiner Richtung als zutreffend angesehen werden. [187]

Einerseits handelt es sich eben darum, daß die Beschuldigten handelnd für die Gemeinde, bei Vertretung derselben der Vorschrift des angeführten Art. 96 zuwider gehandelt haben; es kommt also nur darauf an, ob das Holz zum Bedarfe der Gemeinde, und nicht darauf, ob es zum persönlichen Bedarfe der Beschuldigten abgegeben worden und bestimmt war, und es wird selbstverständlich die Strafbarkeit nach Art. 96 keineswegs dadurch ausgeschlossen, wenn ein Dritter für denjenigen, welcher das Holz vergünstigungsweise zu seinem Bedarfe erhielt, dasselbe veräußert.

Anderseits kann gegenüber dem festgestellten Sachverhalte im Ernste nicht behauptet werden, das Holz sei nicht in den Besitz der Gemeinde gekommen, abgesehen davon, daß es der Auffassung des Art. 96 offenbar widerstreiten würde, wollte man dem darin gebrauchten Ausdrucke „Besitz“ eine derart formale Bedeutung beilegen, wie es die Denkschrift versucht.

Ebenso wenig kann hier von einem Widerspruche der Entscheidungsgründe mit dem Sitzungsprotokolle die Rede sein, vermeintlich darin gelegen, daß in dem letzteren über die in den ersteren konstatirte Ergreifung des Besitzes vom Holze durch die Gemeinde nichts enthalten sei; denn diese thatsächliche Feststellung ist als dem Ergebnisse der öffentlichen Verhandlung entnommen in dem von sämmtlichen Richtern unterzeichneten Urtheile unanfechtbar bestätigt.

Nachdem einmal feststeht, daß die beanzeigten Gemeindeausschußmitglieder das von ihnen für die Gemeinde zum Bedarfe der letzteren, nemlich zum Zwecke des der Gemeinde obliegenden Baues einer Brücke über die W., von der k. Forstbehörde um die Taxe auf Ansuchen bezogene Holz ohne Genehmigung der Forstpolizeibehörde anderweit an E. veräußert haben, bildet den Schwerpunkt der Entscheidung lediglich die Lösung der Frage, ob in der beregten Holzabgabe eine Vergünstigung im Sinne des angezogenen Art. 96 gelegen ist.

Diese Frage muß bejaht werden.

Nach Art. 3 Abs. 1 der k. Allerhöchsten Verordnung vom 19. August 1849, die Abgabe und Verwerthung der Forstprodukte aus Staatswaldungen betreffend, (Reg.-Bl. v. 1849 S. 961 ff,), sind es zwei Wege, auf welchen der Verkauf des dem Staatsärar als Waldbesitzer nach Abzug der für die Befriedigung anerkannter Rechtsansprüche oder des bestehenden Besitzstandes und des eigenen Bedarfes der Staatsverwaltung zur freien Verfügung noch verbleibenden Holzmateriales zu geschehen hat, entweder durch Abgabe gegen die Forsttaxe, oder meistbietend im Versteigerungswege. [188]

Die Forsttaxe muß gemäß Abs. 1 des Art. 5 mindestens von 3 zu 3 Jahren aus dem Durchschnitte der nächsten markt- oder gegendüblichen Verkaufspreise mit gebührender Rücksicht auf den Abschlag der Transportkosten regulirt werden.

Die Versteigerung an den Meistbietenden, wobei zufolge Abs. 2 dieses Artikels bezüglich des Aufwurfspreises die Forsttaxe zu Grunde zu legen ist, bildet die Regel.

Ausnahmsweise kann namentlich die Abgabe von Bau-, Nutz- und Werkhölzern inhaltlich des Art. 7 aus der Hand um die regulirte Taxe nur an die dort speziell und ausschließend aufgeführten Kategorien von Personen, Anstalten und Unternehmungen Platz greifen und ist zur Begrenzung der ausnahmsweisen Abgabe solcher Hölzer um die Taxe insbesondere noch beigefügt: unter a. „wenn anderweitige Bezugsquellen nicht gegeben sein sollten“, und unter b. „in der Voraussetzung sehr erschwerten Bezuges bei öffentlichen Verkäufen“. Unmittelbar vorher, nemlich in Art. 6, findet sich bereits als leitender Grundsatz bei Würdigung der Taxholzanforderungen überhaupt ausgesprochen, daß der eigene nutzbare Waldbesitz, der Besitz eines Bezugsrechtes, die Möglichkeit der Befriedigung aus Gemeinde-, Körperschaft- und Privatwaldungen genau in das Auge zu fassen sind, um hienach die Anforderungen zu ermäßigen, beziehungsweise zurückzuweisen.

Erwägt man nun im Angesichte vorstehender Bestimmungen, daß das Aerar, indem aus seinen Waldungen durch dessen Organe Holz an die betreffenden ausnahmsweise bedachten Klassen um die Taxe abgelassen wird, auf den durch die Versteigerung möglich zu erzielenden höheren Preis verzichtet, und daß das Holz an den Bedürftigen lediglich auf sein Ansuchen zu seinem Bedarfe aus besonderen seinen individuellen Interessen und Verhältnissen zugewendeten Rücksichten, und zwar erst nach sorgfältiger Prüfung der im obigen Art. 7, beziehentlich Art. 6, hervorgehobenen maßgebenden Momente um die Taxe bewilligt wird, so kann durchaus kein Zweifel darüber obwalten, daß einer solchen Holzabgabe der Charakter der Vergünstigung im Sinne des Art. 96 des Forstgesetzes innewohnt.

In der Denkschrift wird betont, daß von einer derartigen Vergünstigung deshalb nicht gesprochen werden könne, weil das fragliche Holz von der k. Forstbehörde durch Kauf erlangt worden, wie denn auch in dem übergebenen Abfuhrscheine vom 1. Januar 1873 in Ziff. 5 der kehrseits vorgetragenen allgemeinen Bedingungen ausdrücklich von dem abgeschlossenen Kaufe die Rede sei. [189]

Dagegen ist jedoch zu erinnern, daß der Kauf blos als das Mittel erscheint, wodurch der Bedürftige sich die Gelegenheit verschafft, unter den mehrberührten Voraussetzungen die Bewilligung der Holzablassung zu seinem Bedarfe um die Taxe aus den Staatswaldungen zu erreichen.

Uebrigens ist in Art. 8 Abs. 2 derselben Verordnung auch die Abgabe von Brennholz unter der Taxe an die ärmere Klasse als Kauf bezeichnet und wird gleichwohl Niemand bezweifeln, daß eine derartige Abgabe auf Vergünstigung beruht.

Nach diesen Erörterungen haben die Art. 96 und 97 des Forstgesetzes allerdings richtige Anwendung gefunden, letztere Gesetzesstelle gegenüber der schon im Eingange bemerkten thatsächlichen Feststellung, daß E. bei der Erwerbung gewußt hat, das an ihn veräußerte Holz sei in den Besitz der Verkäufer um die Forsttaxe, also vergünstigungsweise, gelangt gewesen.

Es waren daher die ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden als ungegründet zu verwerfen.