Oberappellationsgericht München – Fleischbank

Textdaten
Autor: Oberappellationsgericht München
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Titel: Mittheilung oberstrichterlicher Erkenntnisse
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1878, Nr. 25, Seite 216–220
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Kurzbeschreibung: Fleischverkauf außerhalb der Fleischbank ist unzulässig
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[216]

Der oberste Gerichtshof des Königreichs erkannte am 15. Juni 1878 im Strafverfahren gegen den Metzger N. N. u. Genossen von N. wegen Uebertretung der Fleischbankordnung zu Recht:

Das Urtheil des k. Bezirksgerichtes D. vom 29. April d. J. wird vernichtet, die Sache zur wiederholten Verhandlung und Aburtheilung an einen anderen Senat dieses Bezirksgerichtes verwiesen, sowie die Eintragung des gegenwärtigen Urtheiles in das bezirksgerichtliche Urtheilsbuch verordnet.
Gründe.

Durch Urtheil des k. Stadt- und Landgerichtes N. vom 18. März d. Js. wurden die Metzger N. N. u. Genossen, sämmtlich von N., wegen je einer Uebertretung der Fleischbankordnung zu je einer Geldstrafe von 3 , eventuell 1 Tag Haft sowie zur Tragung der auf Jeden bezüglichen Kosten des Strafverfahrens und Strafvollzuges verurtheilt, weil dieselben das Fleisch der von ihnen geschlachteten Thiere in ihren Wohnungen feilboten und verkauften und sich hiedurch gegen die zu Art. 200 Ziff. 2 des P.-St.-G.-B. vom 10. Nov. 1861, an dessen Stelle später Art. 145 Ziff. 2 des P.-St.-G.-B. vom 26. Dez. 1871 getreten ist, für die Stadt N. am 12. Juli 1862 erlassene Fleischbankordnung verfehlt haben, welche in § 1 das Feilhalten und den Verkauf des Fleisches außer der Fleischbank den Bankmetzgern untersagt.

In Folge einer von dem bevollmächtigten Vertreter der Beschuldigten gegen dieses Urtheil erhobenen Berufung sind dieselben durch Urtheil des k. Bezirksgerichtes D. vom 29. April d. J. unter Belastung der k. Staatskasse mit den in den beiden Rechtszügen erwachsenen Kosten von der bezeichneten Anschuldigung auf Grund der Annahme freigesprochen worden, daß dem § 1 der für die Stadt N. am 28. Juni 1862 erlassenen Fleischbankordnung insbesondere den Bestimmungen der Reichsgewerbe-Ordnung gegenüber eine rechtliche Wirksamkeit nicht zukomme.

Gegen das zweitrichterliche Urtheil vom 29. April d. J. meldete der Staatsanwalt am k. Bezirksgerichte D. mittels einer am 30. April d. J. bei diesem Gerichte übergebenen schriftlichen Erklärung das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde an, weil der [217] erwähnten Bestimmung der gedachten Fleischbankordnung mit Unrecht die Wirksamkeit abgesprochen und hiedurch deren § 1 sowie Art. 145 Ziff. 2 des P.-St.-G.-B. v. J. 1871 durch Nichtanwendung verletzt worden sei.

Die richterliche Prüfung der Sache hat folgendes ergeben:

Der Inhalt des Art. 200 Ziff. 2 des P.-St.-G.-B. vom 10. Nov. 1861, welche Bestimmung mit einem durch das Gesetz vom 14. Jan. 1871 beigefügten, auf die Veurtheilung der vorliegenden Rechtssache keinen Einfluß äußernden, Zusatze als Art. 145 Ziff. 2 in das Polizeistrafgesetzbuch vom 26. Dez. 1871 übergieng, gewährt an und für sich die gesetzliche Ermächtigung zu der auf ortspolizeilichem Wege getroffenen, in § 1 der Fleischbank-Ordnung für die Stadt N. vom 12. Juli 1862 enthaltenen Anordnung, daß kein Metzger das Fleisch außerhalb der Fleischbank verkaufen darf.

Denn bei der Allgemeinheit, in welcher ortspolizeiliche Vorschriften über den Verkauf von Fleisch außer den öffentlichen Fleischbänken durch Art. 200 Ziff. 2 a. a. O. für zulässig erklärt werden, haben sich jene Vorschriften nicht auf die Frage zu beschränken, in welcher Weise ein außer den Fleischbänken stattfindender Fleisch-Verkauf zu regeln sei, sondern es fällt auch die ortspolizeiliche Berechtigung, einen folchen Verkauf außerhalb der Fleischbänke zu verbieten, noch in dem Umfang jener Vorschriften.

Es kommt daher für die Entscheidung der gegenwärtigen Rechtssache nur darauf an, ob nicht mit Rücksicht auf den im Art. 2 der Reichsverfassung aufgestellten Grundsatz, daß die Reichsgesetze den Landesgesetzen vorgehen, ein derartiges auf Grund landesgesetzlicher Bestimmungen erlassenes Verbot, in einem bestimmten Orte Fleisch außerhalb der öffentlichen Fleischbank zu verkaufen, durch den Inhalt der mittels Reichsgesetzes vom 12. Juni 1872 in Bayern eingeführten Gewerbe-Ordnung außer Kraft gesetzt wurde.

Diese Frage ist jedoch zu verneinen.

Durch die Gewerbe-Ordnung sollten ungeachtet des Grundsatzes der Gewerbefreiheit, welchen dieselbe durch ihre Bestimmungen zu verwirklichen sucht, die allgemeinen und örtlichen Beschränkungen nicht aufgehoben sein, welche der Ausübung eines Gewerbes im öffentlichen Interesse, insbesondere auch aus Rücksichten der Gesundheitspolizei auferlegt worden sind.

Es wurde deshalb sofort die Fassung des § 1 der Gewerbe-Ordnung darauf berechnet, den eben erwähnten Gedanken anzudeuten und der Auffassung entgegenzutreten, daß nicht bloß die Zulassung zu einem Gewerbebetriebe, insoweit nicht die Gewerbe-Ordnung [218] selbst in dieser Richtung Beschränkungen ausdrücklich vorgezeichnet hat, ohne alle Einschränkung stattfindet, sondern daß auch die Ausübung eines Gewerbes von allen sonstigen im öffentlichen Interesse gezogenen und in der Gewerbeordnung nicht besonders vorgesehenen Schranken befreit sein solle.

Vgl. Motive zur Gewerbe-Ordng. für den nordd. Bund. Stenogr. Ber. über die Verh. des Reichst. – Leg. Per. 1868 – Bd. II. (Anlagen zu den Verh. von Nr. 1 bis 195) S. 127.
Kah, die Gew.-Ordg. etc. (zu § 1) S. 4–6.
Jacobi, die Gew.-Gesetzgeb. im dtsch. Reiche S. 21 Ziff. 3.
Wirschinger, die deutsche Gew.-Ordg. (§ 1) S. 10 und 11.

Es sind nun hauptsächlich Rücksichten auf die Gesundheit und Reinlichkeit gewesen, welche zu den im Art. 145 Ziff. 2 des P.-St.-G.-B. vom Jahre 1871 sich findenden, auf das Schlachten von Vieh und den Fleischverkauf bezüglichen Bestimmungen Anlaß gaben, und es kommt namentlich in Betracht, daß die gesundheitspolizeiliche Ueberwachung des Fleischverkaufes in einer Stadt besser gehandhabt werden kann, wenn die Metzger ihre Fleischwaaren nicht in verschiedenen durch den Stadtbezirk zerstreuten Lokalitäten zum Verkaufe feil bieten dürfen, sondern dieselben in einer ihnen von der Stadt angewiesenen gemeinschaftlichen Räumlichkeit zum Verkaufe bringen müssen.

vgl. auch Motive zu dem Entwürfe des P.-St.-G.-B. vom Jahre 1861. (zu Art. 236 Z, 2.)
Verh. d. K. d. Abg. des b. Landt. 1859/61 – Beil. Bd. II S. 114.

Sind aber in einem Orte unter dem Einflusse der Landesgesetzgebung über die Art eines Gewerbebetriebes aus gesundheitspolizeilichen Gründen bestimmte Vorschriften aufgestellt, so gehört die Beobachtung der letzteren von Seiten der Gewerbtreibenden zu ihren Berufspflichten, für deren Verletzung nicht bloß die in der Gewerbe-Ordnung, sondern ebenso die in anderen Gesetzen, also auch die in landesgesetzlichen Bestimmungen enthaltenen Strafvorschriften maßgebend sind.

§ 144 und 155 der Gew.-Ordg.

Dagegen kann eine Unwirksamkeit des an die Metzger der Stadt N. erlassenen Verbotes, Fleisch außerhalb der öffentlichen Fleischbank zu verkaufen, auch nicht aus dem Inhalte des § 3 der Gew.-Ordg. gefolgert werden, insoferne dieser den gleichzeitigen Betrieb desselben Gewerbes in mehreren Betriebs- oder Verkaufs-stätten gestattet. [219]

Es ist wohl richtig, daß diese gesetzliche Bestimmung nicht bloß den Fall betrifft, wenn Jemand ein Gewerbe an verschiedenen Orten zugleich betreiben will, sondern auch den Fall in sich begreift, wenn er das Gewerbe an dem nämlichen Orte in mehreren Betriebsstätten auszuüben gedenkt.

Da indessen die Gewerbe-Ordnung die nach der Landesgesetzgebung in Bezug auf die Ausübung des Gewerbebetriebes im öffentlichen Interesse verfügten Beschränkungen unberührt läßt, so folgt hieraus von selbst, daß der Gewerbtreibende auch bei der Auswahl der Betriebs- oder Verkaufsstätte sich nach derartigen beschränkenden Vorschriften zu richten hat, und daß daher, soferne in einer Stadt aus Rücksichten der Gesundheitspolizei die Ausübung eines Gewerbes nur innerhalb einer bestimmten, zu diesem Zwecke abgegrenzten Oertlichkeit stattfinden darf, derjenige, welcher ein solches Gewerbe betreiben will, dessen Betrieb auch bloß an der für alle Gewerbtreibende gleicher Art bestimmten Oertlichkeit zur Ausführung bringen kann.

Es hat auch wohl die bayerische Gesetzgebung bei Erlassung des Polizeistrafgesetzes vom 26. Dezember 1871 dessen Artikel 145 sowie die nach Maßgabe seines Inhaltes ertheilte Ermächtigung zur Aufstellung polizeilicher Vorschriften mit den Bestimmungen der Gewerbe-Ordnung vom 21. Juni 1869 für vereinbar erachtet, weil jene Vorschrift in das Polizeistrafgesetzbuch überhaupt aufgenommen worden ist. Denn obschon die Gewerbe-Ordnung erst nach dem Polizeistrafgesetze in Bayern eingeführt wurde, so war die Gesetzgebung dennoch schon bei Abfassung des letzteren in Erwägung der Möglichkeit, daß die bezeichnete Gewerbe-Ordnung später auch für Bayern gesetzliche Geltung erlangen könne, darauf bedacht, die Vorschriften des bayerischen Polizeistrafgesetzes mit der Gewerbe-Ordnung in Einklang zu bringen, weshalb auch die im 12. Hauptstücke desselben unter der Überschrift „Erwerbs- und Gewerbspolizei“ zusammengefaßten Bestimmungen den Vorschriften der deutschen Gewerbeordnung nach Möglichkeit angepaßt wurden.

Motive zu dem Entw. des P.-St.-G. v. J. 1871 – Verh. d. G.-G.-A. der K. d. Abg. in den J. 1871/72. Bd. I S. 21 Ziff. 1, S. 26 u. 27, S. 119.
Riedel „das Pol.-St.-G.-V. für Bayern v. J. 1871 S. 205–207. S. 240 u. 241.

Besteht aber nach vorstehenden Erwägungen die erwähnte, in § 1 der Fleischbank-Ordnung für die Stadt N. enthaltene Vorschrift jedenfalls in soweit zu Recht, daß die Metzger in N. das Fleisch nicht in ihren Häusern verkaufen dürfen, so hat das zweitrichterliche Urtheil vom 29. April d. J. eben diese ortspolizeiliche [220] Vorschrift sowie den Art. 145 Ziff. 2 des P.-St.-G. v. J. 1871 durch Nichtanwendung verletzt, weil das gedachte Urtheil die 5 Beschuldigten von der gegen sie erhobenen Anschuldigung freisprach, obgleich thatsächlich festgestellt ist, daß Jeder derselben das Metzgergewerbe in der Stadt N. betreibt und seit längerer Zeit, namentlich den Monat Januar d. J. hindurch das Fleisch der geschlachteten Thiere außerhalb der öffentlichen Fleischbank in dem eigenen Hause zu N. an das Publikum verkauft hat.

Ob und in wie ferne die Bestimmungen der Gewerbe-Ordnung über den Marktverkehr (64 ff.) eine Ausnahme von der verordnungsmäßigen Regel, daß die Metzger in N. in der öffentlichen Fleischbank das Fleisch zu verkaufen haben, zu begründen geeignet erscheinen, ist hier nicht zu erörtern, weil die Beschuldigten die Fleischwaaren nicht auf einem Wochen- oder Jahrmärkte zum Verkaufe brachten.

Es mußte sonach die Vernichtung des zweitrichterlichen Urtheiles vom 29. April d. J. ausgesprochen werden und waren mit diesem Ausspruche die im Urtheilssatze weiter enthaltenen Anordnungen zu verbinden.