Oberappellationsgericht München – Fällung von Alleebäumen
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Mich. E. von V. war durch Urtheil des k. Bezirksgerichts Passau wegen Vergehens der Sachbeschädigung, verübt durch Fällen von 10 Alleebäumen an der Straße von V. nach P. zu Gefängnißstrafe in der Dauer von einem Monate und in die Kosten des Verfahrens und Strafvollzugs verurtheilt worden. Seine hiegegen erhobene Berufung wurde durch Urtheil des kgl. Appellationsgerichts von Niederbayern unter Verfällung des Mich. E. in die Kosten der Berufungsinstanz verworfen.
Dagegen meldete Mich. E. die Nichtigkeitsbeschwerde an und machte unter Bezug auf die Thatsache, daß der Magistrat von V. hinsichtlich der Fällung dieser Bäume bei dem k. Bezirksgerichte Passau wegen Besitzstörung bereits Klage gegen ihn erhoben habe und über diese Klage noch keine Entscheidung erfolgt sei, – sowie ferner unter Bezug auf verschiedene Beweisbehelfe, wornach die fraglichen Bäume auf seinem Grund und Boden gestanden [271] und somit zufolge der Bestimmung des bayr. Ldr. Thl. II. K. III. § 18 sein Eigenthum seien, er also unbeschränkt über dieselben habe verfügen können, geltend, daß hier überhaupt ein strafrechtlicher Tatbestand nach § 304 des Reichs-St.-G.-B. nicht gegeben sei, jedenfalls aber über diese gegen ihn erhobene Anschuldigung vom Strafrichter nicht abgeurtheilt werden könne, bevor nicht über die vom Magistrate bezüglich der fraglichen Bäume bei dem Civilgerichte anhängig gemachte Klage endgiltig entschieden sei und beantragte, unter Vernichtung des appellgerichtlichen Urtheils ihn wegen Mangels eines strafrechtlichen Thatbestandes freizusprechen, eventuell auszusprechen, daß die Aburtheilung bis zum Ausgange des anhängigen Civilprozesses auszusetzen sei, subeventuell die Sache zur nochmaligen Aburtheilung vor einen anderen Senat des k. Appell-Gerichts zu verweisen.
Durch Erkenntniß des obersten Gerichtshofes vom 22. Nov. 1872 wurde aber die Nichtigkeitsbeschwerde des Mich. E. unter Verurtheilung desselben in die veranlaßten Kosten verworfen und zwar aus folgenden Gründen:
Wie eine vergleichende Zusammenstellung der verschiedenen über das Vergehen der Sachbeschädigung in den §§ 303, 304, 305 des deutschen St.-G.-B. getroffenen Strafbestimmungen unzweideutig ergibt, haben die drei dort mit Strafe vorgesehenen Reate zwei Thatbestandsmerkmale, nemlich diejenigen der Vorsätzlichkeit und Rechtswidrigkeit der Handlung miteinander gemein, wogegen bezüglich der Reate nach §§ 303 und 305 der Thatumstand, daß der beschädigte oder zerstörte Gegenstand eine fremde Sache sei, das weitere unbedingt erforderliche Moment des Thatbestandes dieser beiden Vergehen bildet, während in der hier in Betracht kommenden Strafbestimmung des § 304 neben den Momenten der Vorsätzlichkeit und Rechtswidrigkeit als weiteres zur Begründung der Strafbarkeit unbedingt nothwendiges Moment nur allein der Thatumstand, daß der beschädigte oder zerstörte Gegenstand zum öffentlichen Nutzen oder zur Verschönerung öffentlicher Wege etc. diene, sich hervorgehoben und bezeichnet findet, ohne daß hiebei nur entfernt als eines weitern Thatbestandsmerkmales dieses Vergehens erwähnt ist, daß eben dieser Gegenstand zugleich auch eine dem Beschädiger oder Zerstörer fremde Sache sein müße.
Im Gegensatze zu den nach den §§ 303 und 305 strafbaren Reaten ist also bezüglich der gemäß § 304 strafbaren Sachbeschädigung das charakteristische Moment der Strafbarkeit desselben neben den Momenten der Vorsätzlichkeit und Rechtswidrigkeit nicht in der Beschädigung fremden Eigenthums, wie bei den Reaten der §§ 303, 305, als vielmehr wesentlich in der durch eine solche [272] Sachbeschädigung nach § 304 verschuldeten Beeinträchtigung von öffentlichen Interessen zu suchen: es stellt sich daher auch die Anschauung des k. Appellationsgerichts, daß der Strafandrohung des § 304 auch derjenige, welcher mit Rücksicht auf die Bestimmung des bayer. Ldrechts. Th. II. K. III. § 18 oder aus sonst einem Rechtsgrunde das Eigenthum an solchen zum öffentlichen Nutzen oder zur Verschönerung der öffentlichen Wege etc. dienenden Gegenständen anzusprechen hat, dann unterworfen ist, wenn er diese Gegenstände vorsätzlich und rechtswidrig beschädigt oder zerstört, als dem Gesetze entsprechend dar.
Hienach erscheint aber, wie das k. Apellationsgericht richtig angenommen, die zur Zeit noch nicht entschiedene Frage, auf wessen Grund und Boden und ob namentlich auf dem Grundeigenthum des Beschwerdeführers die fraglichen Bäume gestanden, mit den hieraus zufolge der angerufenen Bestimmung des bayer. Landrechts für das Eigenthum an diesen Bäumen sich ergebenden Folgerungen, als für die hier zutreffende Entscheidung unbehelflich und belanglos, denn wenn selbst dieselbe zu Gunsten des Beschwerdeführers entschieden wäre, so würde immer noch die weitere Frage zur Entscheidung erübrigen, ob nicht mit Rücksicht auf die, diesen von der Gemeinde V. auf ihre Kosten mit Zustimmung der angrenzenden Grundbesitzer gepflanzten Alleebäumen gegebene Bestimmung, zum öffentlichen Nutzen und zur Verschönerung dieses öffentlichen Weges zu dienen, das desfallsige Eigenthumsrecht der angrenzenden Grundeigenthümer, hier des Beschwerdeführers als ein von selbst und nothwendig der Art beschränktes zu erachten sei, daß denselben jedes Verfügungsrecht über diese Bäume, wodurch dieselben dieser ihnen im öffentlichen Interesse gegebenen Bestimmung entfremdet würden, gänzlich entgegen ist, womit sich das eigenmächtige Fällen solcher Bäume seitens der angrenzenden Grundeigenthümer, hier des Beschwerdeführers als ein unbefugtes somit rechtswidriges darstellt.
Diese letztere Frage hat aber der Strafrichter an der Hand der bezüglichen strafrechtlichen Bestimmungen selbstständig und vom Ausspruche des Civilrichters, sowie vom Ausgange des hier desfalls anhängigen Civilprozesses unabhängig, nach Maßgabe der Ergebnisse der vor ihm gepflogenen Verhandlungen zu entscheiden.
Das k. Appellationsgericht hat nun in seinem Urtheile festgestellt, daß die Straßenallee an der von V. nach P. führenden Landstraße, einschlüßig der zu dieser Allee gehörigen, vom Beschwerdeführer gefällten 10 Bäume, vor mehr als 40 Jahren auf Anordnung der vorgesetzten Stellen vom Magistrate der Stadt V. auf Kosten dieser Gemeinde mit Zustimmung der angrenzenden Grundeigenthümer zum öffentlichen Nutzen und zur Verschönerung dieser öffentlichen Straße angelegt und seitdem [273] von der Gemeinde unterhalten worden ist, welche hiefür mit Zustimmung der Angrenzer die Früchte dieser Bäume bezogen hatte, – daß ferner während dieses mehr als 40 jährigen Zeitraumes auf Grund vertragsmäßigen Uebereinkommens mit den angrenzenden Grundbesitzern das Recht der Verfügung über diese Baumpflanzung ausschließlich dieser Gemeinde und deren gesetzlichem Vertreter, dem Magistrate zugestanden hatte, – daß endlich der angeschuldigte Michael E., ungeachtet der ihm vorher gewordenen ausdrücklichen Verwarnung im Bewußtsein, daß er mit der Fällung dieser Bäume Gegenstände, welche zum öffentlichen Nutzen und zur Verschönerung eines öffentlichen Weges dienen, zerstöre, also vorsätzlich, eigenmächtig und unbefugt, da er kein Recht zu einer solchen Verfügung über diese Bäume gehabt, also rechtswidrig die fraglichen 10 Kirschbäume an der bezeichneten Landstraße gefällt hat.
Hiemit sind aber sämmtliche Thatbestandsmerkmale des Vergehens des § 304 vollkommen erschöpft; die vom Beschwerdeführer gefällten 10 Bäume waren Bestandteile einer Allee an einer öffentlichen Straße und dienten zum öffentlichen Nutzen und zur Verschönerung dieses öffentlichen Weges; die eigenmächtige Fällung dieser Bäume, also deren Zerstörung war vom Beschwerdeführer vorsätzlich, sie war zudem rechtswidrig vorgenommen worden, da ihm – selbst wenn er als Eigenthümer dieser Bäume erachtet werden könnte – ein solches Verfügungsrecht über dieselben nicht zugestanden hat; es stellt sich hienach die Entscheidung des k. Appellationsgerichts als gesetzmäßig dar.
Durch die hierin der Strafbestimmung des § 304 des deutschen St.-G.-B. gegebene Auffassung entsteht auch in keiner Weise ein Widerspruch zwischen derselben und der angerufenen Bestimmung des bayer. Landrechts Th. II. K. III § 18, indem diese letztere Bestimmung nur im Allgemeinen den Rechtsgrundsatz ausspricht, daß bei Pflanzungen auf fremdem Grund und Boden die Pflanzen Eigenthum des Eigenthümers dieses Grund und Bodens vorbehaltlich der Rückerstattung des Werthes derselben werden, hiemit aber ist in keiner Weise ausgeschlossen, daß in Folge besonderer Rechts-Verhältnisse, Verträge etc. und namentlich, wie hier in Folge einer der Pflanzung mit Zustimmung des Eigenthümers gegebenen besonderen Bestimmung zu einem öffentlichen Zwecke, der Eigenthümer in Hinsicht auf seine Verfügungsrechte hinsichtlich dieser Pflanzung wesentlichen Beschränkungen unterliegen könne, in Folge deren eine von ihm dennoch getroffene, namentlich der dem Gegenstande gegebenen Bestimmung zuwiderlaufende Verfügung als eine unberechtigte, rechtswidrige sich darstellt.