O du mein Oesterreich (Dörmann)
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Ich sehʼ die andern Völker frühlingstrunken
Mit neuer Kraft die neuen Bahnen gehʼn,
Und du mein Oesterreich? So tief gesunken,
So tief wie heutʼ, habʼ ich dich nie gesehʼn.
Die Freiheit, die mit jungfräulichem Zagen,
Ein scheues Kind, demüthig dir genaht,
Du hast sie höhnend ins Gesicht geschlagen
Und rühmst dich noch der unerhörten That.
O du mein Oesterreich, wer darf noch hoffen,
Wenn selbst dein Volk, aus dem die Zukunft steigt
Von giftigen Pfeilen bis ins Mark getroffen,
Bethört, versumpft sich einem Götzen neigt.
Die Dunkelmänner mit und ohne Kutten
Vereinten sich zum unheilvollen Bund.
Wo bleibt der neue Ullerich von Hutten,
Wer bohrt die Feinde jauchzend in den Grund?
Die Stunde kam, wir brauchen einen Führer,
Der Feuer in die dumpfen Massen trägt,
Der wie ein Sturmwind, wie ein Flammenschürer
Durch alle Herzen wie der Frühling fegt.
O du mein Oesterreich, wann wird er reißen,
Der graue Nebel, der dich eng umflicht.
Wann schickt die Sonne dir die jungen, heißen
Brandpfeile zu – wann endlich kommt das Licht?
O du mein Oesterreich, wann wird dein Lallen,
Dein dumpfes Lallen zum empörten Schrei.
Zum Schrei des Zorns, vor dem die Götzen fallen,
O du mein Oesterreich, wann wirst du frei?