Noch eine Frage (Hebel, 1803)
Siehe auch: Noch eine Frage (Werkausgabe 1834) |
Und weisch denn selber au du liebi Seel,
worum de dine zarte Chinde d’ Freud
in so ne stachlig Bäumli[1] ine henksch?
Wil’s grüeni Blättli het im Winter, meinsch,
die schöne Sachen use höckle cha.
’s wär nit gar übel gfehlt, doch weischs nit recht!
Denkwol, i sag ders, und i freu mi druf;
Lueg, liebi Seel, vom Menschelebe soll
Nooch by nenander wohne Leid und Freud,
und was der ’s Lebe süeß und liebli macht,
und was no schöner in der Zukunft schwebt,
de freusch di druf, doch in de Dörne hangts!
Wenn Wermeth in di Freudebecher fließt
und wenn e scharfe Schmerz dur’s Lebe zuckt,
verschrick nit drab, und stell di nit so fremd!
Di eigeni Mutter selig, tröst sie Gott,
drum denk: „Es isch e Wienechtchindli-Baum,
nooch by nenander wohne Freud und Leid.“
Zum Zweyte sagi das: Es wär nit gut,
wenns anderst[WS 1] wär. Was us de Dorne luegt,
und ’s fürnehmst isch, me het au länger dra.
’s wär just, as wemme Zuckerbrod und Nuß,
und was am Bäumli schön und glitz’rig hangt,
uf eimol in e Suppeschüßle thät,
und näumis do isch!“ Wärs nit Uhverstand?
Zum Dritte sagi: Wemmen in der Welt
will Freude hasche, Vorsicht ghört derzu;
sust lengt me bald in d’ Aglen und in Dörn
Denn d’Freud hangt in de Dorne. Denk mer dra,
und thue ne wenig gmach! Doch wenn de’s hesch,
se loß ders schmecke! Gunn ders Gott der Her!
- ↑ Stechpalme
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: auderst