Natürliche Brücke bei Kilkee
Natürliche Brücke bei Kilkee.
Wir geben hier ein Bild, dessen Gegenstand zu dem Inhalte unseres heutigen Briefes „aus der Menschenheimath“ in naher Verwandtschaft steht; ungeachtet ein Blick auf dasselbe die grausenhaften Werke einer unbezähmbaren Gewalt zeigt, während uns auf dem Bildchen von Frisch einige harmlose Pflanzenzellen, auch in kolossaler Vergrößerung immer nur unbedeutend, auf ein stilles Wirken zu deuten scheinen. Hier aber wie dort ist es das Wasser, von dessen Werken es sich handelt; das Wasser, jenes gewaltige Element, welches bald in schrankenloser Wuth im Nu staunenerregende Werke aufthürmt oder vertilgt, bald unmerkbar und im Stillen im millionenfach wiederholten Kleinen mit Beharrlichkeit Großes wirkt, das Wasser, welches uns heute zu Dank und Segen, morgen zu Kummer und Verwünschung hinreißt.
Es giebt kaum eine Quadratmeile Land, auf welcher nicht versteinerte Seethiere Zeugniß davon ablegten, daß die salzige Hälfte des Wasserreiches einst größer war als jetzt. Das gewaltige Element beschränkte im Verlaufe der Jahrtausende diese Seite seiner Herrschaft, auf den verlassenen Gebirgstheilen die mächtigen Steinsalzlager und salzigen Quellen als Vermächtniß hinterlassend für seine Unterthanen auf seinem andern, immer mehr sich erweiternden Gebiete.
Wir, das Menschengeschlecht, scheinen erst auf die Schaubühne des Erdenlebens getreten zu sein, als die heutige Abgrenzung der beiden Wassergebiete bereits erfolgt war.
Unser Bild zeigt uns einen Angriff des Salzwasserdämons auf einen kleinen Theil des verlornen Gebietes, ein zerstörendes Anstürmen an sein eigenes Werk.
[71] Irland, das arme verkümmernde Kind der Mutter Britannia, ist reich, wie kaum ein anderes europäisches Land, an großartigen, oft bizarren Landschaften, und besonders ist es seine Küste, welche der Natur und dem Naturfreunde hundertfältig Stoff und Ueberraschung bietet.
Wir sehen die natürliche Brücke von Kilkee an der irischen Küste. Drei Bogen spannen sich über kleine Busen des Meeres, getragen von zwei Pfeilern, von denen der eine vielleicht kaum noch ein Jahrhundert – eine Minute höchstens im Alter der Erde – den andringenden Wogen widerstehen wird. Dann stützt vielleicht der auf unserem Bilde rechts liegende Theil dieser Felsenbrücke in die brausenden Wogen, die dann triumphirend hoch aufspritzen werden. Dann kommt vielleicht der linke Pfeiler an die Reihe, der jetzt seinen dem Untergange bereits verfallener Nachbar schützt.
Die Felsenbrücke von Kilkee erinnert uns mächtig an eine würdige Aufgabe, welche der große englische Naturforscher Lyell[WS 1] zum Gegenstande eines Werkes gewählt hat, zu ergründen und nachzuweisen, wie die fort und fort noch in Thätigkeit begriffenen elementaren Wirkungen unsere Erdoberfläche verändern; wenn der Genannte auch darin bei den Naturforschern keine Zustimmung gefunden hat, daß nach seiner Meinung diese elementaren Wirkungen, wie sie jetzt noch statt finden, überhaupt es gewesen und stets ausreichend gewesen sein sollen, unserer Erdoberfläche ihre gegenwärtige Beschaffenheit zu geben. Was diese jetzt vermögen ist nichts gegen frühere Wasser- und Feuersgewalt, welche zu wiederholten Malen über den Erdkreis schritt.
Wir sehen auf dieser Schaubühne einer gewaltigen Naturscene die dazugehörigen Statisten. So kann man recht eigentlich jene meist weißen Vögel nennen, welche in zahllosen Schaaren jene nördlichen Klippen theils wolkengleich umschwärmen, theils regungslos auf den Vorsprüngen derselben sitzen oder vielmehr stehen, da den meisten ihre sonderbare Einfügung der Beine am hintersten Ende des Leibes, wobei der kurze steife Schwanz gewissermaßen die Rolle eines dritten Beines spielt, das Stehen viel bequemer als das Sitzen macht.
Wir nannten vorher das Toben des Meerwassers ein Anstürmen an das eigene Werk. Unser Bild zeigt das deutlich. Diese geschichteten Felsen sind in der Urzeit von Wasserfluthen abgesetzt worden, und jetzt ist es wieder Wasser, welches sie benagt und zuletzt vertilgen wird.