Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Missionswesen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 39, S. 638
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Blätter und Blüthen
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[638] Missionswesen. Wir erhalten vom Cap der guten Hoffnung folgende Zuschrift eines dort lebenden Landsmanns:

Capstadt, 8. August 1873.
An die Redaction der „Gartenlaube“.

Es giebt leider noch viele Menschen in Deutschland, welche aus Unkenntniß der Sache nichts Besseres mit ihrem Gelde anzufangen wissen, als es an Missionsgesellschaften zu geben; Schillinge und Pfennige wandern in die Welt hinaus, um „Heiden zu bekehren“, aber das Elend zu Hause wird darüber vergessen. Wie thöricht dieses Verfahren ist, das sieht man nirgends besser, als in dem nicht fern von hier liegenden Natal, wo ich mich ein paar Jahre lang aufgehalten habe. – Der Zulu-Kaffer, so lange er nicht „bekehrt“ ist, besitzt alle die Tugenden, welche wir oft bei Weißen entbehren: er ist grundehrlich, wahrheitsliebend, streng sittlich, obgleich er nackt ist, sehr stolz auf seine Würde als Zulu, und von feinem Ehrgefühl. Dabei ist er kindlich vergnügt und friedfertig, und einem nackten Kaffer kann man unbedingt Vertrauen schenken. – Sobald er aber bekleidet, das heißt christianisirt ist – denn weiter als auf die Kleidung erstreckt sich die Bekehrung nicht – verliert er in der Regel alle die guten Eigenschaften und schlägt um in das gerade Gegentheil. Das wissen auch die Leute in Natal sehr genau, und sogar diejenigen, welche zu den Frommen zählen, und demnach conventioneller Weise das Missionswesen beschützen müssen, sehen sich sehr vor, einen christianisirten Kaffer in den Dienst zu nehmen, und ziehen stets sogenannte „rohe Kaffern“ vor.

Ich weiß, daß die „Gartenlaube“ Alles thut für die „innere Mission“, das heißt für die wahre innere Mission, indem sie Wahrheit und Licht zu Tage fördert, wo sie es kann, und ich würde Ihnen daher schon längst Einiges über den Gegenstand dieses Briefes mitgetheilt haben, wenn ich nicht gewünscht hätte, Ihnen schlagende Beweise zu senden. Ohne die glaubt man zu Hause doch nicht an die glaubwürdigsten Dinge, und eine ganze Masse Menschen thut’s auch überhaupt nicht.

Ich erlaube mir nun, Ihnen eine Zeitung von Natal („Natal Mercury“) vom 24. Juli zu senden, in welcher ich Sie besonders auf die mitgetheilte Stelle aus der Rede des Bischofs Kolenso aufmerksam mache. Ueber denselben brauche ich wohl kaum irgend etwas hinzuzufügen; sein Name ist nicht in Südafrika allein, sondern auch in Europa rühmlichst bekannt, und es unterliegt keinem Zweifel, daß er zu den allergescheidtesten und aufgeklärtesten Mitgliedern der englischen Kirche gezählt werden muß. – Um den Missionaren volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, möchte ich noch hinzufügen, daß sie allerdings um Sprachforschungen sich wohl überall sehr verdient gemacht haben. Indessen ist dies doch wohl nicht der eigentliche Zweck, weswegen sie Gelder sammeln und in die Welt geschickt werden.

Ich hoffe, mein kleiner Beitrag ist Ihnen willkommen für Ihr Blatt und zeichne mich hochachtungsvoll

W. S.

Der Auszug aus der Rede des Bischof Kolenso lautet:

„Alle diese Missionen wirken nur an den Grenzlinien unserer eingeborenen Bevölkerung. Wir müssen unsere Schulen in die Mitte der Stämme verlegen, unter die Augen der Häuptlinge, und sie unter den Schutz des obersten Häuptlings stellen. Nicht nur auf das gewöhnliche Lernen, sondern hauptsächlich auf industrielle Fertigkeiten soll sich der Unterricht erstrecken. Ich fürchte, daß, wenn wir die Erziehung des Kopfes zu sehr bevorzugen und die der Hand darüber vernachlässigen, die Sorge für ihren Unterhalt uns große Schwierigkeiten machen wird. Zur Erläuterung will ich Ihnen eine kleine Geschichte erzählen, welche in einem Nachbarlande (Zanzibar) stattfand, das vor Kurzem noch an dem Betrieb des Sclavenhandels thätigen Antheil nahm.

Es giebt dort eine Erziehungsanstalt unter dem Schutze der Kirche von England, wo die jungen Bursche mit viel Mühe und Zwang so weit dressirt werden, als es ihr Kopf nur erlaubt. Fünf von ihnen, welche man für genügend unterrichtet hielt, um das Licht, welches sie empfangen, unter ihren dunkeln Mitbrüdern weiter zu verbreiten, wurden auf das Festland hinüber gebracht, um dort als Missionäre zu wirken. Nach einiger Zeit erfuhr man zum größten Schrecken der Mission, daß die fünf Bursche in die Sclaverei verkauft worden, und nach weiteren Nachforschungen stellte sich heraus, daß die missionare Erziehung so herrliche Früchte getragen hatte, indem die zwei älteren Katecheten ihre jüngeren Collegen verkauft hatten. (Großes Gelächter.)

Nun, ich glaube, daß unsere Schulen hier derart sein müssen, daß sie unsere Eingeborenen anleiten, fleißig und ehrlich zu sein, die Wahrheit zu reden, einander freundlich und gutherzig zu begegnen, den Gesetzen zu gehorchen und die Regierung zu achten, und wenn wir diese Erfolge erzielen, so glaube ich, daß wir noch etwas mehr gethan haben, als wenn wir ihnen nur die ersten Anfangsgründe des Christenthums beibringen, denn Leute von solchem Charakter sind gewiß nicht fern vom Reiche Gottes – näher vielleicht als Diejenigen, welche durch ihr Geschrei und Toben die Ruhe unserer Stadt störten.“ (Bezieht sich auf Ruhestörungen, welche von den frommen Besuchern einer Capelle in den anstoßenden Straßen verübt wurden.)