Textdaten
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Autor: W. K.
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Titel: Mißglückter Einbruch
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 37, S. 645, 663–664
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[645]

Mißglückter Einbruch.
Nach dem Oelgemälde von Salvatore de Gregorio.

[663] Mißglückter Einbruch. (Mit Illustration S. 645.) Unter den Dorfbewohnern Süditaliens herrschen noch heute die wunderlichsten Ansichten über die Macht und das Ansehen der Heiligen. Dieselben sind in förmliche Rangstufen eingetheilt, deren Grenzen allerdings so locker gezogen sind, daß sich über die Macht des einen Heiligen im Vergleich zu der eines anderen wohl streiten läßt. Namentlich gilt dies von vielen Schutzheiligen der einzelnen Dörfer. Was daraus bei dem geringen Bildungsgrade der Süditaliener entsteht, ist leicht zu errathen. Eine Ortschaft verachtet den Schutzpatron der andern und verspottet ihn auf alle mögliche Weise. Wie weiland die Guelfen und Ghibellinen fallen die Anhänger oder richtiger Parteigänger über einander her, und der Streit über die Heiligen spaltet selbst die Familien, wenn die Frau mit den Töchtern vielleicht zufällig S. Giovanni, der Vater mit den Söhnen S. Antonio anhängt.

Namentlich bei den Festen kommt der Heiligenstreit zum Ausbruche. In einem sicilianischen Orte, Medica, giebt es die Parteien der S. Georgianer [664] und der St. Peterianer; die Letzteren thun dem Heiligen der Ersteren allen Schabernack an und umgekehrt. Die S. Georgianer löschten einmal am S. Petritage alle in der Kirche angezündeten Kerzen dadurch, daß sie Hunderte von Fledermäusen losließen. Am S. Georgstage kam dann die Rache der Petrusmänner: sie nahmen den Zündschwamm aus allen Mörsern heraus und schlugen Nägel hinein, sodaß das Fest in der Stille gefeiert und der Knalleffekt verloren gehen mußte.

Und wie die Alten sungcn, so zwitschern auch die Jungen. An der Vigilia des heiligen Georg und an der des heiligen Petrus fangen die Buben der einen oder andern Partei die Kinder auf den Straßen ab, schleppen sie auf die Seite und zwingen sie, einem Heiligen (Hie Welf! Hie Waiblingen!) ein Vivat zu bringen. Thun sie dies mit dem Unrechten, so werden sie jämmerlich abgeprügelt. Unter den Erwachsenen geht der Haß bis zu Messerstichen. Vor einigen Jahren gab es in Medica auf dem S. Petrithurm einen Messerkampf, in dem vier junge Burschen ihr Leben ließen: man hatte um das Vorrecht des Läutens für den Heiligen gestritten!

Der Haß steigert sich bis zur Schändung des Heiligthums, bis zum Einbruch in die Kirchen: zur Unschädlichmachnng des feindlichen Heiligen. Darauf bezicht sich das Bild meines jungen neapolitanischen Freundes, des talentvollen Malers Salvatore de Gregorio. In einem Abruzzendorfe zog, vor etwa drei Jahren, ein Theil der männlichen Bevölkerung unter dem Schutze der Nacht aus, mit dem Vorsatz, den Nachbarheiligen zu stehlen und in den Fluß zu werfen. Sie waren von oben her auf Leitern in das Gotteshaus gedrungen, hatten den Sakristan zu ihrer Ueberraschung am kühlen Orte schlafend gefunden, ihn, als er erwachte, an den Stuhl geknebelt und dann versucht, die schwere Büste des Heiligen an Stricken zum Thurmfenster hinaufzuziehen. Die Stricke waren zerrissen, die metallene Büste war mit Donnergepolter auf dem Steinboden aufgeschlagen und hatte Hilfe herbeigerufen. Daß die Einbrecher bei dieser Gelegenheit die Garderobe des Heiligen einer eingehenden Prüfung unterwarfen, versteht sich von selbst.

Wer Heidenthnm kennen lernen will, braucht wahrhaftig nicht nach Inner-Afrika zu reisen. W. K.