Melpomene/Band 2/097 Beim Absterben der Pflanzen im Jahre 1834
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97. Beim Absterben der Pflanzen im Jahre 1834.
Melod XIX.
1. Wir brauchen warmen Regen, und kühlen Thau,
Zum reichen Ärndtesegen in Flur und Au.
2. Denn alle Pflanzen sterben am Sonnenstich,
Noch unreif schon entfärben die Saaten sich;
3. Die zarte Frucht der Bäume stirbt ohne Saft,
Und jedem Blüthenkeime entflieht die Kraft.
4. Und Floras Kinder lechzen vor Trockenheit,
Und ihre Kehlen ächzen im Todesstreit.
5. Die Gräser auf den Wiesen verdorrn im Stehn,
Und alle Thiere müssen zu Grunde gehn.
6. Drum lasset euch bewegen, Monarchen ihr!
Und gebt uns Thau und Regen; das brauchen wir. –
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7. Ach sprachen die Regenten auf dieses Flehn:
Dieß würde, wenn wirs könnten, gewiß geschehn;
8. Allein wir sind verlegen in gleicher Noth,
Uns stehen Thau u. Regen nicht zu Geboth.
9. Nie hat durch ihr Vermögen Regentenmacht
Ein Tröpfchen Thau und Regen hervorgebracht.
10. Von Gottes Gnade leben wir alle gleich,
Und Thau und Regen geben kann Gott nur euch. –
11. O Schöpfer! so erbarme Du unser Dich!
Laß in der Noth uns Arme doch nicht im Stich!
12. Du weisst ja: wir vertrauen auf Dich, o Gott!
Laß also regnen thauen, und gieb uns Brod.
13. Denn alle Elemente sehn nur auf Dich,
Und keins von ihnen könnte je waigern sich.
14. Wink also nur dem Regen, und ruf den Thau,
Und gieb uns deinen Segen in Flur und Au. –
15. Gott hörte auf das Flehn der Sterblichen,
Und schon war in den Höhen Gewölk zu sehn.
16. Und milder Regen senkte sich auf die Flur.
Der alle Pflanzen tränkte in der Natur.
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17. Und auf den warmen Regen kam kühler Thau,
Und fruchtbar war der Segen in Flur und Au.
18. Denn jede Pflanz erquickte des Regens Macht,
Und jedes Hälmchen schmückte des Thaues Pracht.
19. Hoch heben alle Pflanzen gestärkt ihr Haupt,
Und Alles steht im Ganzen wie neubelaubt.
20. Und unsre Saaten stehen so grün und frisch,
Wie wirs mit Wonne sehen, auf Gottes Tisch.
21. Drum sagt für Thau und Regen dem Schöpfer Dank;
Denn unter seinem Segen wächst Speis und Trank.