Melpomene/Band 2/089 Bei dem Grabe der edlen Jungfrau Kl. Sch. v. K......z

<<< 089 Bei dem Grabe der edlen Jungfrau Kl. Sch. v. K......z >>>
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aus: Melpomene
Seite: Band 2, S. 230–233
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[230]

89. Bei dem Grabe der edlen Jungfrau Kl. Sch. v. K......z.

Melod. Kennst du das Land etc.

1. Bedenk, o Mensch! daß dir beschieden ist
Des Todes Loos nach dieser Lebensfrist,
Und hebe deine Augen unverwandt
Empor zu deinem wahren Vaterland,
Zum Himmel dort, und nur dahin
Zu kommen, geh beständig dein Bemühn.

2. Denn sieh nur her! schon schlummert in der Bahr,
Die leider! uns zu früh entrissen war;
Sie welkte hin in schönster Blüthe schon,
[231] Und ihre Seele stieg zu Gottes Thron
Von dieser Welt empor, dahin
Möcht ich mit dir, o theure Schwester! ziehn.

3. Es hatte schon, noch eh sie hier gelebt,
Im Mutterleib ihr Kindesherz gebebt,
Als Mord und Brand durch ihre Vaterstadt
Im Kriegessturm der Feind gestiftet hatt’;
So wurde sie dem Schmerz geweiht,
Wovon sie nichts, als nur der Tod, befreyt.

4. So fehlte ihr stets der Gesundheit Lust,
Und immer schlug beklommen ihre Brust;
Um desto mehr erhob sich ihr Gemüth,
Von heissem Durst nach Heiligkeit erglüt,
Und all ihr Thun, und Herz und Sinn
Gieng immer nur nach reiner Tugend hin.

5. Kennst du die Welt mit ihrem schnöden Tand,
Der öfter schon zu blenden dich verstand?
Kennst du den Stoltz, den Geitz, die böse Lust,
Die immerfort bestürmen deine Brust?
Vor ihrem Trug und Schein von Glück
Zog weislich unsre Schwester sich zurück.

6. Kennst du das Licht, das unsern Geist erhellt,
Wenn ihn die Nacht der Zweifel überfällt?
Es ist des Glaubens reines Himmelslicht,
Und wer ihm folget, wallt die Bahn der Pflicht.
Auf dieser Bahn gieng sie dahin
Bis in den Tod, die stille Dulderin.
[232]
7. Kennst du die Glut die unser Herz erfüllt,
Und jeden Wunsch in unserm Busen stillt?
Es ist der heiligen Liebe reine Glut,
Und lodert auf zu Gott dem höchsten Gut;
Von dieser Lieb war ihr Gemüth
Bis an ihr Lebensende stets durchglüt.

8. Kennst du sie wohl, die höchste Zuversicht,
Die Rosen in die Leidenketten flicht,
Und in der Seele des Gerechten lebt,
Und noch aus Staub und Moder sich erhebt?
Die Schwester hier hat sie gekannt,
Und so durch sie die Todesfurcht verbannt.

9. Kennst du ihn wohl, den endlichen Beruf,
Zu dem uns Gott in seiner Gnade schuf?
Es ist das Reich der ewgen Seligkeit,
Den Frommen schon von Anbeginn bereit.
Du kennst es wohl — und nur dahin
Gieng unsrer Schwester engelreiner Sinn.

10. So lebte sie, die stille Dulderin
Und gab ihr Leben Gott zum Opfer hin;
Denn sie empfieng aus ihres Bruders Hand
Des ew’gen Lebens höchstes Unterpfand
In Jesu Leib und Fleisch und Blut
Und starb voll Zuversicht und Heldenmuth.

11. So lebt und stirbt auch jeder wahre Christ,
Der stets, wie sie, zum Tod bereitet ist,
Voll Gotteslieb die kleinste Sünde scheut,
Und gänzlich sich der wahren Tugend weiht.
[233] Lasst uns daher der Pflicht uns weihn,
Dann gehn auch wir ins wahre Leben ein.

12. Nun lebe wohl in jenen sel’gen Höhn
O Schwester! dort: auf baldes Wiedersehn!
Wir wollen auch voll Glauben, Zuversicht
Und Liebe, wallen auf der Bahn der Pflicht;
Dann kommen wir gewiß dahin,
Wo ewig unsre Friedenspalmen blühn.