Melpomene/Band 1/024 Bei dem Grabe eines Kindes, das bei einem Fuhrwerk umkam

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aus: Melpomene
Seite: Band 1, S. 109–113
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[109]
24. Bei dem Grabe eines Kindes, das bei einem Fuhrwerk umkam.

Melod. I.

1. Hier gieng ein hoffnungsvolles Kind,
Ein liebenswerther Knabe,
Weil Eltern unvorsichtig sind,
Ach! viel zu früh zu Grabe.
Es war der Eltern höchste Freud,
Ihr allerliebstes Söhnchen,
Sie machten für die künft’ge Zeit
Mit ihm schon manches Plänchen.

2. Er mußte stets beim Vater seyn,
Daß er ihn immer sähe,
Und niemal blieb der Knab allein
Damit ihm nichts geschehe;
Er nahm ihn also immer mit
Zu seinen Feldarbeiten,
Um ihn bei jedem Schritt und Tritt
Mit Sicherheit zu leiten.

3. Bald trug er ihn, bald ließ er ihn
Auf seinen Ochsen reiten,
Bald wieder fahren her und hin,
Bald nebenher ihn schreiten,
Und ließ ihn niemal aus der Hand,
Vielwen’ger aus den Augen,
Und konnte nie an diesem Pfand
Der Liebe satt sich saugen.
[110]
4. Es war daher sogar der Knab
Beim Feld und Wiesendüngen,
Da durfte er Berg auf und ab,
Und hin und wieder springen;
Er wurde aber müd und träg;
Da ließ, ihm zu ersparen
Nach Haus zurück den weiten Weg,
Das Kind der Vater fahren.

5. Er setzte ihn aufs Bodenbrett
Am hintern Wagenende,
Damit sich an der Küpfe nett
Der Knabe halten könnte,
Und wankte sorglos nebenher,
Verloren in Gedanken,
Und dachte also nimmermehr:
Der Knabe könnte wanken.

6. Nun aber kam das Flügelkleid
Des Kindes in die Nabe,
Und plötzlich fällt, noch eh er Zeit
Zum Schreyen hat, der Knabe
Mit seinem Leib ins hintre Rad,
Das plötzlich ihn erdrückte,
Und ihn gewaltsam, ohne Gnad,
Als wie ein Rohr zerknickte.

7. Der Vater hörte das Genick
Des Kinds im Rade brechen,
Und schaute schreckenvoll zurück,
Und konnte nicht mehr sprechen;
Zwar hielt er schnell im höchsten Schmerz
[111] Den Ochsenzug am Wagen;
Doch hatte schon des Kindes Herz
Zum letztenmal geschlagen.

8. Er hatte Müh’, die Leiche von
Dem Rade loszuwinden,
Und kann beim grellsten Klageton
Kein Rettungsmittel finden,
Und wusch die Leich von ihrem Blut
Mit einem Strom von Thränen,
Und drückte seine Schmerzenwuth
Durch Heulen aus und Stöhnen.

9. Er legte nun den todten Leib
Des Kindes auf den Wagen,
Und schluchzte: ach! was wird mein Weib
Zu seinem Tode sagen?
Du gabest auf das Kind nicht Acht,
So wird sie weinend schreyen,
Du, Mörder! hast es umgebracht!
Wie kann ichs dir verzeihen?

10. Und als sie nun des Kindes Leich
Auf seinem Arm erblickte,
So wars, als wenn ein Donnerstreich
Ihr Mutterherz durchzückte:
Sie sank in Ohnmacht hin wie todt
Vor Schrecken, Angst und Beben,
Und ach! man hatte Müh und Noth,
Sie wieder zu beleben.

11. Und als sie zu sich selber kam,
Vergieng sie fast im Harme,
[112] Entriß dem Mann das Kind, und nahm
Es zitternd auf die Arme,
Und schrie: gieb mir das Kind zurück,
Du Mörder meines Kindes!
Verschwunden ist mein Lebensglück
Als wie der Hauch des Windes.

12. Doch er erzählte: wie es kam
Und gieng, und wie die Nabe
Das Kind bei seinem Kleide nahm,
Und so gerädert habe;
Er könne einmal nicht dafür
Und wenn er sterben müsse,
Und wie er selbst vor Leiden schier
Vergeh, und grausam büsse.

13. Da liegt er nun im Erdenschoos,
Der wunderschöne Knabe,
Er fand sein frühes Todesloos
Durch eine Radesnabe,
Die ihn bei seinem Flügelkleid
Ins Rad hinein gerissen,
Wo seine Eltern sich vor Leid
Nicht mehr zu fassen wissen.

14. Doch tröstet euch, und denkt dabei:
Gott hab es zugelassen,
Damit er ewig selig sey,
Und lernt euch wieder fassen;
Denn besser ists, daß hier ein Kind
In Unschuld schon erblasse,
Als daß man es durch eine Sünd
Zu Grunde gehen lasse.
[113]
15. Doch laßt bei seinem Grabe heut
Uns weise Vorsicht lernen,
Und stets von den Gefahren weit
Die Kinder doch entfernen;
Dann drücket euch doch keine Schuld,
Wenn sie zu Grunde gehen,
Dann werdet ihr in Gottes Huld
Sie selig wieder sehen.

Anmerkungen (Wikisource)

Jungs Errata (Bd. 2, S. 293) wurden in den Text eingearbeitet.