Melpomene/Band 1/012 Bei dem Grabe des Konrad Bek, der am Nervenfieber starb

<<< 012 Bei dem Grabe des Konrad Bek, der am Nervenfieber starb >>>
{{{UNTERTITEL}}}
aus: Melpomene
Seite: Band 1, S. 57-62
von: [[{{{AUTOR}}}]]
Zusammenfassung: {{{ZUSAMMENFASSUNG}}}
Anmerkung: {{{ANMERKUNG}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
[[Index:{{{INDEX}}}|Wikisource-Indexseite]]
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe

[57]

12. Bei dem Grabe des Konrad Bek, der am Nervenfieber starb.

Melod. I.

1. Hier gieng der Söldner Konrad Bek
In jene Welt hinüber;
Er ward in beßter Kraft hinweg
Gerafft vom Nervenfieber,
Er wurde nemlich angestekt,
Und so zum Tode hingestrekt
Von dieser schweren Krankheit.

2. Das Kriegesloos war durch den Sieg
Der Allianz entschieden,
Und aufgelöst der blut’ge Krieg
In allgemeinen Frieden;
Der Weltenstürmer Bonapart,
Der einz’ge Friedensstörer, ward
Verbannt auf Elbas Insel.

3. Die Sieger legten aus der Hand
Die ruhmgekrönten Waffen,
Und kehrten heim ins Vaterland
Sich Ruhe zu verschaffen.
So kam auch von dem großen Heer
Ein kleines Heldenchor hieher,
Und wurde einquartiret.
[58]
4. Dabei befand sich, äusserst schwach,
Ein Rekonvaleszente,
Der sich mit heissem Heimweh nach
Dem theuren Herde sehnte,
Und dunstete im ganzen Haus
Das Gift des Nervenfiebers aus,
Um andre anzusteken.

5. Von diesem wurden angestekt
Der Mann mit Weib und Kindern,
Und hin aufs Krankenbett gestrekt.
Um ihren Tod zu hindern
Rief man sogleich den Physikus,
Der allen Kranken den Genuß
Der Schlottermilch[1] empfohlen

6. Er wollte so die Fieberhitz
Durch ihre Kälte dämpfen,
Und so des Übels ersten Sitz
Im Magen schon bekämpfen;
Doch bei dem theuren Konrad Bek
War dieser wohlgemeinte Zwek
In Bälde schon vereitelt.

7. Die Macht des Fiebers widerstand
Den angewandten Mitteln,
Und nahm gewaltsam überhand,
Im Tod ihn einzurütteln;
Er fiel in Zukungen und Krampf,
Um in dem schweren Todeskampf
Sein Leben zu beschliessen.
[59]
8. Er röchelte zehn Stunden lang
In seinen letzten Zügen,
Und mußte endlich todesbang
Im Kampfe unterliegen;
Er neigte sanft sein Haupt und starb
In einer Ledergelben Farb,
Als wie am gelben Fieber.

9. Indessen lag das kranke Weib
Bewußtlos an der Seite
Von ihres Mannes todtem Leib,
Des Nervenfiebers Beute,
Und wußte nichts von seinem Tod,
Und wurde selbst von ihm bedroht
In ihrer Krankheit Schwäche.

10. Da liegt er nun, des Todes Raub,
Im kühlen Schoos der Erde,
Und schon zerfällt sein Leib in Staub,
Daß er zur Asche werde;
Sein reiner Geist hingegen stieg,
Nach diesem schwer erkämpften Sieg,
Empor zu seinem Schöpfer.

11. Denn immer war zum Tod als Christ
Bereitet er durch Tugend;
Obwohl er nun gestorben ist
In vollster Kraft der Jugend,
So fand er doch in jener Welt,
Wo Gott ein strenges Urtheil fällt,
Gewiß des Richters Gnade.
[60]
12. Allein in Bälde hatte schon
Sich ausgedehnt das Fieber,
Und gieng dem Widerstand zum Hohn;
In viele Häuser über,
Es lagen von ihm angestekt,
Auf’s Schmerzenlager hingestrekt,
Schon siebenzehn Personen.

13. Man mußte also eiligst auf
Die beßten Mittel denken,
Den todtgebährenden Verlauf
Zum Leben einzulenken,
Um durch den pünktlichsten Gebrauch
Derselben doch den Gifteshauch
Der Seuche zu erstiken.

14. Vor allem wurde dieß bezwekt
Durch Trennung der Gesunden
Von denen, die schon angestekt,
Und streng dazu verbunden,
Und dann gesorgt für reine Luft,
Durch sie den gifterfüllten Duft
Der Kranken zu entfernen.

15. Dann drang man drauf mit Pünktlichkeit
Die Kranken zu bedienen,
Gab ihnen zur bestimmten Zeit
Die beßten Medizinen,
Und hielt sie reinlich früh und spät,
Und wich nicht ab von der Diät
Vom Arzte vorgeschrieben.
[61]
16. So wurden nicht mehr angestekt,
Von Kranken die Gesunden,
Und der Genesung Ziel erzweckt;
In Bälde war verschwunden
Die nervenfi’brische Gefahr,
In welcher doch ganz offenbar
Schon sechzig Menschen schwebten.

17. So fand in einer kurzen Zeit
Das Übel seine Schranken.
Drum laßt uns Gott mit Herzlichkeit
Für diese Gnade danken,
Und widmen unsre Lebenszeit,
Die er uns gnädig noch verleiht,
Der Frömmigkeit und Tugend.

18. Denn ohne dieses lebten wir
Zwar länger noch auf Erden,
Und würden einstens nur dafür
Noch mehr gestrafet werden,
Wenn wir zur Lasterhaftigkeit
Die gnädig uns geschenkte Zeit,
Und nicht zur Tugend, brauchten.

19. Am Ende der Epidemie
Ist des Verdienstes Orden
Dem Pfarrer wegen seiner Müh’
Zur Ehr verliehen worden,
Der nichts, als seine Pflicht gethan,
Er nahm ihn dankdurchdrungen an
Als Gnade seines Königs.
[62]
20. Nun ruhe sanft in deinem Grab
O Bruder! von den Leiden,
Die Jesus dir zu dulden gab;
Sie werden dort in Freuden
Auf ewig nun verwandelt seyn,
Denn alle Frommen gehen ein
Ins Reich des ew’gen Friedens.

Anmerkungen (Wikisource)

Das Lied beschreibt eine Typhusepidemie im Jahr 1814. Der in Strophe 19 genannte Pfarrer ist der Autor selbst: Für seine Verdienste bei der Krankenpflege wurde Jung zum Ritter des königlich württembergischen Zivilverdienst-Ordens ernannt. Der Ritter-Titel, den er von nun an stolz trug, war mit dem persönlichen Adel verknüpft.

Jungs Errata (Bd. 2, S. 293) wurden in den Text eingearbeitet.

  1. Schlottermilch: sauer gewordene, aber noch zur Nahrung dienende Milch. (Quelle: Pierer 1857)