Med. Topographie Gmuend:085
Franz Joseph Werfer Versuch einer medizinischen Topographie der Stadt Gmünd | |
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[162] was ihr in den Halsmuskeln schmerzhafte Spannungen verursachte; auch regte jede nur etwas angreifenden Gemüthsbewegung ihre Leiden wieder stärker auf, und sie mußte dieserwegen stets äußerst auf ihrer Hut seyn. In diesem Zustand blieb es abwechselnd bald besser bald schlimmer bis auf den 14 Merz, wo auf einmal der ganze Körper wieder in allgemeine Bewegung zu kommen anfieng. Abwechselnd mußte sie sich jetzt mit vieler Anstrengung rücklings, dem Opisthotonus gleich, über das Bett hinaus beugen und krümmen, und schmerzend und ermüdend kamen ihr diese mehr krampfhafte Bewegungen; doch ließen dieselben vom 19. Merz an wieder allmählich nach, und höchstens zeigten sich öfters noch leichte Zuckungen in den Gliedern: dagegen aber machte ihr nun der Genuß jeder warmen Speise, so wie später hin auch der des Weins, Kaffees und aller Gewürze, ja schon der Anblick derselben und der lebhafte Gedanke daran die vorigen krankhafte Bewegungen, besonders jene des Kopfes alsbald wieder rege, und alle nachher sich erneuernde Gestikulationen verursachten ihr von jetzt an mehr Schmerzen und Müdigkeit. Als Arzney bekam sie von der Zeit anstatt der alkalischen Solution die Hb. Belladonn. in Pulverform, die Bäder wurden ganz ausgesetzt, und die aromatischen Kräuter in trockner Gestalt auf den Kopf applizirt. Nach Verlauf von 14 Tagen konnte sie die warmen Speisen wieder ertragen; hatte auch öfter mehrere Tage und Wochen, wo sie von allen Anfällen frey war, und in den Monaten Jul. und Aug. befand sie sich so wohl, daß sie wieder ausgehen und einige weibliche Arbeiten verrichten konnte; nur machte [163] jede Wetterveränderung und jedes aufsteigende Gewitter mächtigen Eindruck auf sie; auch konnte sie ohne die bedrückendste Beängstigung zu fühlen, durch kein Thor oder durch ein enges Gäßchen, oder in eine Kirche gehen, und sich länger daselbst aufhalten. So blieb es bis Anfang des Oktobers, wo sich auf ein neues von Zeit zu Zeit wieder krampfhafte Bewegungen des Kopfes und der Gliedmaßen einstellten, und wozu sich noch äußerst heftige, bis dahin nie gefühlte Kopfschmerzen gesellten, die aber dann gewöhnlich nachließen, wenn die besagten Bewegungen zum Ausbruch kamen. Zu Anfang des Dezemb. fieng sie statt der Belladonn. die Dower’sche Pulver zu nehmen an, und auf den Kopf wurden wieder warme aromatische Ueberschläge in Weinessig gesotten applizirt, worauf sie auch wirklich Linderung ihrer Kopfschmerzen fühlte. Als aber zu Ende Dezemb. die Kopfschmerzen, welche meistens heftig ziehend und spannend waren, wieder stärker zunahmen, wurde ihr ein ziemlich grosses Blasenpflaster auf diejenige Stelle des Scheitels, wo die Schmerzen am ärgsten waren, gelegt, worauf dieselben zwar bald und gänzlich nachließen, aber nach wenigen Tagen dann wieder verschiedene Bewegungen des Kopfes und der Gliedmaßen, ein Hinfallen und Hinstrecken des ganzen Leibes nach vorwärts, und ein mehrmaliges heftiges Aufstoßen des Gesichts auf die Erde zum Vorschein kamen, mit der bald nachher folgenden bisher neuen Erscheinung, daß sie sich mit aller Kraft einige Stunden lang wiederholt auf die Knie werfen mußte, wodurch dieselben nach einigen Tagen wund wurden. Es wurde ihr nun abermal ein Blasenpflaster über den halben Kopf |