Med. Topographie Gmuend:077
Franz Joseph Werfer Versuch einer medizinischen Topographie der Stadt Gmünd | |
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[146] aufgezeichnet und aufbewahret sich vorfand, um daraus die ächte oder unächte und vollkommen gelungene Vaccination erkennen zu können, sondern da man nur die Aussage der Aeltern darüber hat: so kann nicht mit Gewißheit bestimmt werden, ob bey diesen Individuen, wovon zwar eines noch die Narben der geschehenen Impfung und der daraus gefolgten Pusteln aufzeigte, eine wirkliche nochmalige Ansteckung von den wahren Kindsblattern nach dem regelmäßigen Verlauf der Vaccination statt gefunden habe; obwohl indessen die Sache immer einige Wahrscheinlichkeit hat, da die Impfung von einem Arzt verrichtet wurde, von dem zu vermuthen war, daß er nach dem ersten mißlungenen Versuch denselben zum zweytenmal würde gemacht haben. Es laßt sich zwar an der Möglichkeit einer nachherigen Ansteckung von den natürlichen Blattern nach bereits überstandener ächter Vaccination zufolge unläugbarer und unwidersprechlicher Thatsachen, und der genau angestellten Untersuchung und des Berichts des Kollegiums der Aerzte in London an die Regierung vom Jul. 1807 „über den Werth und die Fortschritte der Vaccination“ nicht mehr zweifeln: doch bey allen dem dürfte und würde die Vaccination in ihrem Werth und Nutzen, da das herausgebrachte Verhältniß der wieder Angesteckten zu unbedeutend ist, und sich höchstens wie 1 : 100,000 verhält, nichts verlieren; und sie würde dadurch auch wirklich wenig aufgehalten seyn, wenn nun erst die vielen andere Vorurtheile gegen dieselbe aus dem Wege geräumt wären. So ist besonders tief eingewurzelt das Vorurtheil, daß nämlich das natürliche Kindsblattern-Gift ursprünglich im Körper
hafte – ein ächtes Produkt aus der groben Humoralpathologie des Volks, das natürlich es immer lieber mit einer mehr palpablen Theorie hält und seiner Natur nach halten muß – welches Gift denn durch die wenigen Pusteln nicht aus dem Körper geschaft werden könne, und daher früher oder später andere Krankheiten, wenn jene auch den Ausbruch der natürlichen Blattern hindern sollten, nothwendig erzeugen müßte; nicht bedenkend, daß man in frühern Zeiten, vor Ende des 6 und 7 Jahrhundert noch gar nicht in Europa gewußt habe; und daß auch nicht selten bey den natürlichen Blattern nur etliche wenige Pusteln, ja manchmal nur eine einzige zum Vorschein komme, und das ungeachtet die wahre vollkommne Blatternkrankheit bilde, und als solche auch angenommen werde: man will nicht glauben und erkennen, daß das sogenannte Blattern-Gift gleich andern ähnlichen Krankheitsstoffen erst in der Zeit von aussen in den Körper komme, und diese eigne Krankheit, die in einem stärkern oder schwächern Hautausschlag verblühet, erzeuge, wodurch dann die natürliche Anlage und Empfänglichkeit, von dem nämlichen Krankheitsstoff zum zweytenmal angesteckt werden zu können, im Körper aufgehoben wird; daß es übrigens ein äußerst seltner Fall sey, wo diese dynamische Veränderung im Organismus nicht vollkommen geschieht, wie es auch in andern ansteckenden Ausschlagskrankheiten dieser Art, als dem Scharlach, den Masern u. dgl. sich zutragen könne, und schon zugetragen habe, – wo das nämliche Individuum die gleiche Krankheit zum zweitenmal – gegen den gewöhnlichen Gang und das natürliche Verhältniß der Krankheit mit dem menschlichen Organismus – bekommen hat. Indessen wird bis zur Zeit |