Franz Joseph Werfer
Versuch einer medizinischen Topographie der Stadt Gmünd
« Zurück Vorwärts »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


[118]

Brustkrankheiten, Phthy sis psorica u. s. w. so wie auch anderer vernachläßigten Ausschlagskrankheiten, des Scharlachs und der Maßern vorzüglich, sterben besonders auf dem Lande nicht wenige Menschen: dagegen an den im Verhältniß mit andern Krankheiten am häufigsten vorkommenden mehr falschen als wahren Pleuresien und Peripneumonien, dem Blutsturz, den Katarrh- Schleim- Fluß- und Gallenfiebern die wenigsten Menschen sterben. Uebrigens kann man von den jährlich Gestorbenen fast immer ein Drittheil annehmen, welche keinen ordentlichen Arzt gebraucht haben.

Die in Krankheiten gewöhnliche und beliebte Diät des gemeinen Mannes ist immer mehr auf Stärkung des Körpers berechnet: mit Wein- und Kraftsuppen ist man, wenn es je möglich zu bestreiten ist, gleich bereit und sehr freygebig, sollte es auch der Natur der Krankheit und dem Appetit des Kranken geradezu entgegen seyn, und schon mancher Schaden dadurch verursacht, besonders ehe ein Arzt zu Rathe gezogen wurde. Eben so wird es auch mit der Krankheit angemessenen Temperatur in Hinsicht der Kälte und Wärme nicht so genau genommen, und gewöhnlich mehr auf ein gut geheiztes und wohlgeschlossenes Zimmer gehalten, zumal bey Kindbetterinnen, weswegen bey diesen auch der Friesel und andere Beschwerden, besonders auf dem Lande, häufig vorkommen; denn überhaupt ist das durch künstliche Wärme und vieles Theetrinken erzwungene Schwitzen in den meisten Krankheiten, im Anfange derselben wenigst, sehr üblich und beliebt; dagegen ist das sonst viel häufigere Aderlassen jetzt ziemlich außer Gebrauch

[119]

gekommen. Hausmittel sind viele und gar mancherley gebräuchlich, besonders in äußerlichen Krankheiten: so legt man in Augenentzündungen rohes Fleisch oder hartgesottenes erkaltetes Eiweiß mit Nutzen auf, und bey Brand drohenden Inflammationen braucht man das Fliedermus. Fußgeschwüre belegt man mit frischen Erlenblättern; und fliessende Schäden und Flechtgeschwüre mit Blättern von der Grindwurz, so wie man in rosenartigen Entzündungen das Auflegen der frischen innern grünen Rinde von Holderzweigen mit gerösteten Roggenmehl bestreuet sehr nützlich findet, und beym Grind soll das Waschen desselben mit frischen Urin der Thiere heilsam seyn. In Constipationen reibt man die Weichen mit in Schmalz gerösteten Zwiebeln ein, und zu Stuhlzäpfchen braucht man gewöhnlich rohen Alaun. Kindern giebt man gegen Würmer Milch, worinn Knoblauch gesotten worden, und in Urinbeschwerden den Saamen von breiten Wegerich mit Nutzen. Aber auch sympathetische Mittel werden gerne gebraucht: so wird z. B. in der Gelbsucht ein in den Urin des Kranken gesottenes Stück Fleisch einem Hunde gegeben, worauf sich die Krankheit schnell verlieren soll. In Blutflüssen wird dem Kranken ein kleines Zettelchen, worinn etwas Pulver wahrscheinlich aus gebrannten Eyerschalen, Fischgräten und Vitriol enthalten ist, unter die Zunge gelegt und fest angedrückt, wornach sich das Bluten alsobald stellen soll, und besonders häufig braucht man dieß in Mutterblutflüssen der Kindbetterinnen, wo man dieses Mittel vorzüglich wirksam gefunden haben will, wie ich es selbst schon beobachtete; noch gebräuchlicher sind dergleichen Mittel