Franz Joseph Werfer
Versuch einer medizinischen Topographie der Stadt Gmünd
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Das Theetrinken ist wenig gebräuchlich, und es läßt sich zu dessen Empfehlung auch nichts sagen; denn wenn er auch manchen Menschen von Steinbeschwerden und Gicht frey macht, so stumpft er dagegen den Geist ab, und macht den Körper träge und muthlos.

Von der Einwohnerschaft in Gmünd machen die Goldschmiede, worunter aber alles, was in Gold, Silber, Semilor, Tomback[1] und Messing arbeitet, dahier verstanden wird, einen der bedeutendsten Theile aus, und jeder der nur eine Zeit hier gewohnt, und sich ein bischen umgesehen hat, wird einsehen und gestehen müssen, daß der Wohlstand und die Lebhaftigkeit hiesiger Stadt von dem Handel und dem blühenden Zustand dieser unsrer Manufakturisten, dem reichlichen Absatz ihrer Kunstproduckte nach Aussen, wo nicht ganz doch größtentheils abhange. Man zählt gegen fünfhundert derselben, von denen viele mit Kunst und vielen Fleiß alle Gattungen von Bijouterie und Filigranartickeln verfertigen; nur leider aber ist der Handel mit diesen Artickeln äußerst gesunken, und seit vielen Jahren so unbedeutend, daß nur wenige unsrer Goldschmiede, und diese nur zu Zeiten einige Arbeit und Beschäftigung, und folglich wenig und seltnen Verdienst haben; und der immer sinkende Wohlstand und die stets mehr zunehmende Nahrungslosigkeit, zunächst unsrer Manufakturisten, von woaus sich die traurigen Folgen dann auf alle übrige Klassen der Einwohner erstrecken und verbreiten, werden täglich sichtbarer und drückender, wie die jährlich sich mindernde Zahl sonst steur- und zahlbarer Bürger, und die wachsende Mehrheit der Armen und Mittellosen sprechende Beweise sind. Was

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die Arbeit selbst betrifft, so ist dieselbe wegen der meistens dabey nothwendig sitzenden Lebensart nicht ohne nachtheiligen Einfluß auf die Gesundheit der Arbeiter, und noch nachtheiliger wirken auf dieselben die Quecksilberdünste, welches bey Vergoldung der Tombackwaaren, und überhaupt bey Verarbeitung und Schmelzung des Goldes erforderlich ist, indem dergleichen aufsteigende Dünste theils in die Lungen eingeathmet, theils auf der Haut eingesogen werden, und zu manchen Brustkrankheiten und verschiedenen Nervenübeln Anlaß geben. Des ungeachtet giebt es doch viele alte, wenn schon mehrere kränkliche Leute unter ihnen, indem man sich bey vieler Arbeit und daher guten Verdienst auch wieder wohl pflegen und gütlich thun konnte. Unter unsern Messinggießern haben wir sehr geschickte Leute, welche hie und da auch beträchtliche Bestellungen von auswärtigen Städten als Stuttgart, Ludwigsburg u. a. erhalten. Auch fertigen diese aus feinen Sand die Formen, in welche von Silberarbeitern Schnallen, Sporn und andere massive Metallwaaren eingegossen werden. Vor Zeiten waren auch hier mehrere Dosenmacher, welche eine Menge großer und kleiner silbernen Dosen verfertigen; jetzt ist nur noch einer und der andere hier.

Unser Handelsstand, der hauptsächlich die Verschleißung der hier verfertigten Metallwaaren im Großen und Kleinen zum Gegenstand seiner Geschäfte hat, ist nicht unbedeutend; aber leider ist dessen Handlungssphäre gegenwärtig auch zu sehr beschränkt, um große Geschäften von bedeutenden Erfolg machen zu können, wie es vor dem war, wo unsre Handelsleute auch nicht unbedeutende Waarenlager in Welschland,


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Tombach Vorlage