Textdaten
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Autor: Hermann Kretzschmar
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Titel: Max Bruch
Ein musikalisches Charakterbild
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 34, S. 556–558
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Max Bruch.
Nach einer Photographie auf Holz gezeichnet von Adolf Neumann.

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Max Bruch.
Ein musikalisches Charakterbild.

Wer in der ersten Hälfte der sechsziger Jahre einem der größeren deutschen Männergesangvereine angehörte, der wird sich des tiefgehenden Interesses erinnern, welches damals in jenen Kreisen ein die Phantasie mächtig ergreifendes Opernwerck hervorrief: Max Bruch’s „Frithjof“. Der Componist hatte sich mit einem Schlage einen gewaltigen Respect und große Liebe erworben, und obgleich er den meisten Sängern ein Neuling war, so hieß er doch sehr allgemein „unser“ Bruch.

Als Max Bruch seinen „Frithjof“ schrieb, war er noch ein ziemlich junger Mann (er ist am 8. Januar 1838 zu Köln am Rhein geboren). Seine Fähigkeiten hatten sich aber frühzeitig bemerkbar gemacht und waren – zum Theil von der eigenen Mutter - so eifrig und sorgfältig gepflegt worden, daß der Knabe in seinem vierzehnten Jahre bereits an siebenzig Compositionen geschrieben hatte, darunter eine Symphonie, welche in Köln im Jahre 1852 zur Aufführung kam. Von da ab studirte er einige Jahre als Stipendiat der Mozart-Stiftug bei Ferdinand Hiller und fing nun auch an, einige Compositionen drucken zu lassen. Den Winter von 1857 zu 1858 verbrachte er in Leipzig; dann lebte er wieder in seiner Heimath, wo immer weitere und weitere Kreise sich mit den veröffentlichten Werken des Componisten befaßten.

Neben manchen Artigkeiten, welche er der Hausmusik erwies – er componirte Clavierstücke, Lieder für eine und zwei Stimmen – waren es namentlich zwei kleine Chorwerke, durch welche sich der junge Bruch als einen begabten Componisten documentirte. Sie hießen „Birken und Erlen“ und „Jubilate, Amen“. Die letztere, sein 0p. 8, zeigt ihn zum ersten Male in jener Virtuosität des Klanges, der die Mehrzahl seiner Compositionen, die Chorwecke voran, so viele blendende Wirkungen verdanken. Hier hat er einen Solosopran mit einem vierstimmigen Chor gemischt, dessen feierliche Weise bald wie aus der Luft, ganz aus der Ferne herüberklingt, bald schwebend näher rauscht wie mit Wetternacht – und darüber der Solisten süß schwebende Melodien! Und das ist kein bloßer Ohrgenuß, sondern der innere Zusammenhang mit dem Texte macht die Musik poetisch und führt sie in die Seele.

Das erste größere Werk, welches Max Bruch in die weite Welt schickte, war die Oper „Loreley“. Das Textbuch zu derselben hat Emanuel Geibel geschrieben und zwar für Felix Mendelssohn-Bartholdy, der aus demselben jenes Fragment componirt hat, das man in Concerten oft genug hören kann. Geibel schildert in dieser Dichtung, wie aus einem jungen anmuthigen Kinde, mit Namen Leonore, die arge Rheinhexe Loreley wird. Betrogene Liebe ist das Motiv, welche das gutherzige Landmädchen im Augenblicke der Verzweiflung den Teufeln des Stromes in die Arme treibt und den Bund mit ihnen schließen läßt.

Wie von einem so feinen und geschmackvollen Dichter zu erwarten, hat Geibel sein Hauptinteresse darauf verwendet, bei der Darstellung dieser Metamorphose uns sehen zu lassen, was dabei in der Seele der Heldin vorging, nebenbei aber auch die Handlung mit vielerlei Aeußerlichkeiten ausgestattet, wie sie nach einer älteren Auffassung für eine Oper wünschenswerth erschienen. Gerade für diesen Theil der Oper bewährte sich Bruch’s Talent nun sehr glänzend. Da, wo die Geister triumphiren oder klagen, wo das Volk ein Weinfest feiert, wo die Fluthen des Rheines rauschen, hat der Componist starke und eindringliche Töne.

Das Werk wurde zuerst in Mannheim aufgeführt (im Jahre 1863), und fand von dort aus den Weg auf viele andere Bühnen; auch größere, wie Hamburg, Leipzig führten die „Loreley“ wiederholt unter vielem Beifall auf. Daß sie vom Repertoire verschwunden ist, bleibt zu bedauern – es hat aber seinen guten Grund darin, daß das Werk wohl einen theatralischen, aber keinen eigentlich dramatischen Geist besitzt. Die seelischen Momente sind matter ausgeführt als die scenischen. Die Phantasie des Componisten hat sich in Aufzüge und andere Bilder äußerer Natur viel lebhafter vertieft, als in den Gemüthszustand einer betrogenen Geliebten; die nebensächlichen Gefühle der Massen sind breit und in Naturtreue wiedergegeben, die Stimmungskrisen der Hauptpersonen meist mit dem gleichen Nachdruck und zuweilen conventionell.

Ungefähr ein Jahrzehnt später schrieb Bruch wieder eine große Oper „Hermione“. Sie ist nach dem Shakespeare’schen „Wintermärchen“ bearbeitet. In Berlin und Dresden errang sie einen sogenannten Achtungserfolg – im Ganzen ist sie sehr wenig gegeben [557] worden. Schade um den schönen zweiten Act, der uns Hermione im Gefängniß und vor Gericht sehen läßt! Die Musik spricht dort das Traurige wie das Gespannte der Situation im vollen Strome aus und gehört zum Besten, was die neuere Zeit aufweisen kann. Mit diesen Werken ist die Thätigkeit Bruch’s als Operncomponist bisher abgeschlossen; denn die kleine einactige komische Oper „Scherz, List, Rache“, das Op. 1 des Componisten, darf wohl nicht mitzählen. Es ist möglich, daß er in der Zukunft das Feld der Oper nochmals betritt. Man sieht es den Recitativen seiner zweiten Oper, der „Hermione“ an, daß er gestrebt hat sich nach dieser Richtung zu vervollkommnen.

Bruch’s Eigenthümlichkeit besteht nun in der Frische und Wärme, mit welcher er allgemein menschliche Gefühle, wie die Elternliebe, das Heimweh, die Freude an Gottes schöner Sonne, trotz der Abgebrauchtheit derselben, wohlthuend und frisch zu äußern weiß, und dies namentlich, wenn sie freudiger Art sind.

Es ist in Bruch eine schöne reine Naivetät. Darin liegt ein starker Zug von Ursprünglichkeit, der um so höher zu schätzen bleibt, als er in unserer Zeit so selten ist. Diese Naivetät giebt den Bruch’schen Werken etwas Jugendliches, und so ist es denn auch namentlich die Jugend, aus der dem Componisten seine begeistertsten Bewunderer zuströmen. Die jungen frischen Studenten, die seinen „Normannenzug“, seine „Waldpsalmen“, seinen „Frithjof“, sein „Lied der Städte“ singen, erblicken in ihm einen von der Muse Gekrönten, zu dem sie selbst in einer Art geistiger Vetterschaft stehen. Aber auch die Alten haben ihn gern; denn er läßt ihnen die Tage der Jugend wieder aufleben und macht, daß ihr Blut heftiger pulsirt beim Anblick der Freuden, die der gütige Schöpfer Allen ohne persönliches Entgelt gespendet hat.

Das erste Werk nun, in welchem dieses specifische Talent Bruch’s in den Vordergrund treten und voll zur Geltung kommen konnte, das war eben der oben genannte „Frithjof“, welchen der Componist nach der Oper „Loreley“ schrieb und im Jahre 1864 in Aachen zur ersten Aufführung brachte. Der große Erfolg, welchen das Werk in allen namhaften Städten Deutschlands, ja auch in England, Amerika und Rußland errang, ist bekannt. Gewiß haben ihn äußere Umstände stark gefördert: In der Literatur des Männergesangs war gerade damals das Bedürfniß nach einem neuen größeren Werke sehr fühlbar; auch der dichterische Stoff, wie er in der herrlichen schwedischen Dichtung Esaias Tegnér’s zum Ausdruck kommt, war an sich schon sehr fesselnd, und die Neuheit der gebrauchten musikalischen Mittel, die Zuziehung der Frauenstimme namentlich, mag die Reize des Werkes sehr erhöht haben. Aber der letzte Grund der großen Wirkung, den die Scenen aus „Frithjof“ übten, lag in der eigenen Natur des Componisten: in seiner starken Gabe – von Heimath und von Freiheit zu singen. Das war ein ungekünsteltes, [558] gesundes Empfinden, das waren kräftige Töne, ein langer Athem und ein frisches Leben. Eine blühende Phantasie sprach sich in fest gefaßten Bildern aus: furchtbar und majestätisch grauenvoll stand die Scene da mit dem brennenden Göttertempel, groß belebt von Mannesmuth und von Wellengewalt durchweht, die Meeresfahrt, mit der das Werk endet. Und die Melodien und Formen, in denen das ausgesprochen, waren nahezu volksthümlich, einfach. Denn fast gleich stark wie im Ausdrucke der uralten, edlen Menschen- und Massengefühle, ist Bruch’s Talent in der Andeutung äußerer Naturbilder: in jener Art von Malerei, durch welche die Meister von jeher den geheimen Zusammenhang zwischen der sichtbaren Welt und dem Tonleben bestätigt haben.

Auch der „Frithjof“ hat in den psychologischen Partien seine Schwächen, aber mehr als in anderen Werken half eben hier der kräftige, herrliche Text über solche Mängel hinweg. – Wenn Tegner’s Held ruft: „Still, Priester mit dem Opferstahl, bleiche Mondscheinfürsten!“ – was braucht’s da noch der Musik?

Aber trotz alledem hat der „Frithjof“ Schule gemacht; er ist oft nachgeahmt worden. Sicherlich wird er und Bruch’s Name mit ihm in der Geschichte des Männergesangs unvergessen bleiben.

Daß der junge Componist durch dieses Werk einer der populärsten Künstler wurde, liegt in der Natur der Sache; denn ein gelungenes Werk auf diesem Gebiete erwirbt sich Freunde und Kenner in denjenigen Kreisen des Volkes, welche der Kunst im Uebrigen ferner stehen.

Die außerordentliche Gunst, die man dem Componisten jetzt entgegentrug, kam auch seinen früheren Werken zu Gute. Namentlich war es ein Männerchor, der von nun an auf den Repertoiren der Vereine erscheint, der „Römische Triumphgesang“ (Op. 19). Er bietet ein stark realistisches und kräftiges Bild von einem Einzug jener Prätorianerhorden, vor denen die Welt zitterte. Aus diesen Rhythmen klingt ihr fester, wuchtiger Tritt, aus diesen schweren Harmoniemassen ihr unwiderstehlicher Ansturm, und aus den jauchzenden Melodien sprüht jener halbverwilderte Geist, der die unglücklichen Gefangenen den Bestien preisgab.

Bruch wird unstreitig von den kräftigen Gestalten und Ereignissen der Historie besonders angezogen. Er begegnet sich hierin mit Hermann Lingg und Victor Scheffel, zwei Dichtern seiner Wahl und seiner Art. Ich wüßte keinen von unseren Componisten, der den frischen, herb-kurzen Ton des „Normannenzuges“ besser getroffen hätte, als Bruch in seiner Composition. Wenn man das: „O Kreuz und Buch und Mönchsgebet! – wir müssen Alle von dannen,“ und ähnliche kernige Worte des Dichters nur einmal in dieser knappen, stahlfesten Melodie gehört hat, so steht sie fest im Gedächtniß für immer. Der „Normannenzug“ (Op. 32) gehört der Zeit nach dem „Frithjof“ an, jener reichen, fruchtbaren Periode, welche der Componist in angenehmen Dirigentenstellungen zu Coblenz und Sondershausen verbrachte und in der seine frischesten Werke entstanden sind: sein „Salamis“, „Schön Ellen“, „Frithjof auf seines Vaters Grabhügel“, „Die Flucht nach Aegypten“, das erste Violinconcert und die beiden Symphonien, sowie die werthvollen Lieder „Biterolf im Lager vor Akkon“ und „Altdeutscher Herbstzeitreigen“.

Bei der obigen kurzen Aufzählung sind zwei Werke Bruch’s nur gestreift worden, die ausdrücklich betont werden müssen. Es sind dies das Violinconcert in G-moll (Nr. 5) und die erste Symphonie in Es-dur. Der Erfolg dieser Compositionen berechtigte Max Bruch nun auch zu einem ehrenvollen Platze unter den Instrumentalcomponisten. Das Violinconcert war für die Violinvirtuosen fast eine ähnliche willkommene Ueberraschung, wie seiner Zeit der „Frithjof“ für die Männerchöre. Man kann wohl sagen, daß seit dem Mendelssohn’schen Geigenconcert kein anderes Werk dieser Gattung wieder eine so allgemein freundliche Aufnahme gefunden und verdient hat. Der Hauptvorzug des Violinconcertes ist die möglichst enge Verbindung von Mensch und Virtuos, die dieser Composition zu Grunde liegt. Dieses Geigenspiel gleicht dem Lerchengesang; es erscheint durch und durch wie der unwillkürliche und natürliche Erguß einer Seele, die in Tönen spricht. Wiederholt steigt beim Anhören und Studiren des Werkes vor Einem das Bild des einsamen Pußtensohnes auf, dem die treue Fiedel den nächsten Freund, das andere Ich bedeutet. Es liegt etwas ungewöhnlich Poetisches, etwas Ursprüngliches und Elementares in der Art, wie Bruch hier den Geigenton verwendet. Unwiderstehlich zwingen diese männlichen tiefen Töne zum Lauschen. Sie klingen wie in die Nacht hinaus, lang und ernst. Der Spieler versucht das Instrument bald in tändelnden, bald in wild jagenden Klängen. Es gehorcht, und nun beginnt eine geordnete Erzählung in ihren drei Theilen: Klage und Leidenschaft, sodann weiches Sehnen und endlich kräftig trotziges Aufraffen. In diesem letzten Satze strecken sich Glieder, schnellen Muskeln von Riesenanlage; im zweiten Satze schweben wunderbar milde Melodien, das Schönste des ganzen Werkes bleibt aber doch das kurze freie Stückchen Präludium vor dem Beginn des ersten Satzes – ein wirklich genialer, echt Bruch’scher Zug!

Bruch hat für die Violine später noch mehrere Werke geschrieben, auch ein zweites Concert, das aber die Sympathien der Virtuosen nicht in gleicher Weise wie das erste erhalten hat. Das zweite Concert Bruch’s ist jedenfalls bedeutend, wenn auch ohne Spuren jener glücklichen Naivität, welche seinen Vorgänger auszeichnen, und nach der Seite des melancholischen Ausdrucks sogar ein Fortschritt. Ein frischer Erstling steht aber den nachfolgenden Geschwistern oft im Wege. Das bekannte Beispiel, welches hierfür die Geschichte der Weber’schen Opern bietet, hat sich bei Bruch nicht nur bei seinen Concerten, sondern auch bei seinen Symphonien mehrfach wiederholt. Die erste schlug durch, bei den Musikern wegen der Durchführung und Anlage des ersten Satzes, beim allgemeinen Publicum namentlich wegen des urwüchsigen, volksthümlich lustigen Trios im Scherzosatze.

Es ist doch ein großer Unterschied zwischen dem gewöhnlichen Leben und der Kunst. Dort ist es eine Herzenssache, auch an den schweren Stunden eines Menschen Theil zu nehmen, dem wir angenehme Erinnerungen verdanken. Von den Freunden eines Componisten aber gehen in der Regel „tausend auf ein Loth“, sobald er zum ersten Male mit düsteren und traurigen Mienen auftritt. So ist auch Bruch von den Verehrern und Bewunderern seines ersten Violinconcertes und seiner Es-dur-Symphonie einfach im Stich gelassen worden, als er mit seiner zweiten Symphonie (F-moll) erschien. Sie ist ein durchaus pathetisches Werk und zeigt uns den Componisten zum ersten Male ernstlich im Kampfe mit jenen finsteren Mächten begriffen, mit welchen der Dramatiker umzugehen verstehen muß. In Folge dieser Eigenschaft wiegt die zweite Symphonie unseres Künstlers schwer und ist für dessen Beurtheilung eines der interessantesten Werke. Sie beweist, daß es dem Componisten darum zu thun war, seine Begabung zu ergänzen und sich mit der Handhabung tieferer subjectiver Stimmungen und seelischer Conflicte vertrauter zu machen.

In seinen späteren und letzten Werken hat Bruch diesen Weg der Entwickelung wieder verlassen. Während es ihm bei diesem augenscheinlich um Vertiefung und Erweiterung seines Talentes zu thun war, hat der Componist in seinem „Odysseus“ und der „Glocke“ den Versuch gemacht, die ihm von jeher eignen alten Gaben an breiteren und imposanteren Gebilden zu bethätigen. „Odysseus“ und die „Glocke“ sind Compositionen größeren Stiles und größeren Umfanges für gemischten Chor, Soli und Orchester. Das Schiller’sche Gedicht für einen solchen Zweck zu wählen, war wohl ein Mißgriff, der in derselben Verlegenheit um Stoff seine Entschuldigung finden muß, an welcher alle Oratoriencomponisten des neunzehnten Jahrhunderts gelitten haben. Der „Odysseus“ – der Text ist von dem talentvollen Paul Wilhelm Graff – steht dichterisch auf besseren Füßen und imponirt durch den Glanz und Reichthum derjenigen Partien, welche sich auf die Scene beziehen; Einzelbilder, welche Jeder beim Lesen des Homer geträumt hat; der Nymphenhain der Kalypso, das Ballspiel der Nausikaa, die stürmische Meerfahrt, erstehen hier in der vollen Lebendigkeit ihrer Wonnen und Schauer. Ueber die früheren Werke erhebt sich Bruch, um dies noch zu erwähnen, in dem „Odysseus“ durch die Instumentation. Seine von jeher glückliche Anlage für diesen Theil des musikalischen Ausdrucks zeigt sich hier in ganz frappantem Lichte, und ein Haupteffect ist namentlich das große Pizzicato sämmtlicher Geigen im Rhapsodenchor. Eine so naheliegende Idee, den Chor der Streichinstrumente wie eine Riesenharfe zu gebrauchen, und doch so neu! – Schließlich weisen wir noch auf seine Werke für gemischfen Chor, Rorate coeli und die Meßsätze, hin.

Zu verwundern ist, daß Bruch nichts auf dem Gebiete der Programm-Ouverture veröffentlicht hat. Sie entspricht seinem Talente doch so augenscheinlich. Von dem fruchtbaren Componisten steht nicht nur noch vieles zu erwarten, sondern – wenn in seiner weiteren Entwickelung die Frische seines „Frithjof“ eine Verbindung mit der Tiefe seiner zweiten Symphonie eingeht – auch Monumentales.

Hermann Kretzschmar.