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« [[Maria Stuart/|]] Maria Stuart Zweiter Aufzug »
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Erster Aufzug.


Im Schloß zu Fotheringhay.
(Ein Zimmer.)

Erster Auftritt.

Hanna Kennedy, Amme der Königin von Schottland in heftigem Streit mit Paulet, der im Begriff ist, einen Schrank zu öffnen.
Drugeon Drury, sein Gehilfe, mit Brecheisen.

Kennedy.
Was macht ihr, Sir? Welch neue Dreistigkeit!
Zurück von diesem Schrank!

Paulet.
 Wo kam der Schmuck her?
Vom obern Stock ward er herabgeworfen,
Der Gärtner hat bestochen werden sollen
Mit diesem Schmuck – Fluch über Weiberlist!
Trotz meiner Aufsicht, meinem scharfen Suchen,
Noch Kostbarkeiten, noch geheime Schätze!

(Sich über den Schrank machend.)

Wo das gesteckt hat, liegt noch mehr!

Kennedy.
 Zurück, Verwegner!
Hier liegen die Geheimnisse der Lady.

Paulet.
Die eben such’ ich. (Schriften hervorziehend.)

Kennedy.
 Unbedeutende
Papiere, bloße Uibungen der Feder,
Des Kerkers traur’ge Weile zu verkürzen.

Paulet.
In müß’ger Weile schafft der böse Geist.

Kennedy.
Es sind französische Schriften.

Paulet.
 Desto schlimmer!
Die Sprache redet Englands Feind.

Kennedy.
 Concepte
Von Briefen an die Königin von England.

Paulet.
Die überliefr’ ich – Sieh! Was schimmert hier?

(er hat einen geheimen Ressort geöffnet, und zieht aus einem verborgnen Fach Geschmeide hervor)

Ein königliches Stirnband, reich an Steinen,
Durchzogen mit den Lilien von Frankreich!
(er giebt es seinem Begleiter)
Verwahrt’s, Drury. Legt’s zu dem übrigen!
(Drury geht ab.)

Kennedy.
O schimpfliche Gewalt, die wir erleiden!

Paulet.
So lang sie noch besitzt, kann sie noch schaden,
Denn alles wird Gewehr in ihrer Hand.

Kennedy.
Seyd gütig, Sir. Nehmt nicht den letzten Schmuck
Aus unserm Leben weg! Die Jammervolle
Erfreut der Anblick alter Herrlichkeit,
Denn alles andre habt ihr uns entrissen.

Paulet.
Es liegt in guter Hand. Gewissenhaft
Wird es zu seiner Zeit zurück gegeben!

Kennedy.
Wer sieht es diesen kahlen Wänden an,
Daß eine Königin hier wohnt? Wo ist
Die Himmeldecke über ihrem Sitz?
Muß sie den zärtlich weichgewöhnten Fuß
Nicht auf gemeinen rauen Boden setzen?

Mit grobem Zinn, die schlechtste Edelfrau
Würd’ es verschmähn, bedient man ihre Tafel.

Paulet.
So speiste sie zu Sterlyn ihren Gatten,
Da sie aus Gold mit ihrem Buhlen trank.

Kennedy.
Sogar des Spiegels kleine Nothdurft mangelt.

Paulet.
So lang sie noch ihr eitles Bild beschaut,
Hört sie nicht auf, zu hoffen und zu wagen.

Kennedy.
An Büchern fehlts, den Geist zu unterhalten.

Paulet.
Die Bibel ließ man ihr, das Herz zu bessern.

Kennedy.
Selbst ihre Laute ward ihr weggenommen.

Paulet.
Weil sie verbuhlte Lieder drauf gespielt.

Kennedy.
Ist das ein Schicksal für die weicherzogne,
Die in der Wiege Königin schon war,
Am üpp’gen Hof der Medizäerin
In jeder Freuden Fülle aufgewachsen.

Es sey genug, daß man die Macht ihr nahm,
Muß man die armen Flitter ihr misgönnen?
In großes Unglück lehrt ein edles Herz
Sich endlich finden, aber wehe thut’s,
Des Lebens kleine Zierden zu entbehren.

Paulet.
Sie wenden nur das Herz dem eiteln zu,
Das in sich gehen und bereuen soll.
Ein üppig lastervolles Leben büßt sich
In Mangel und Erniedrigung allein.

Kennedy.
Wenn ihre zarte Jugend sich vergieng,
Mag sie’s mit Gott abthun und ihrem Herzen,
In England ist kein Richter über sie.

Paulet.
Sie wird gerichtet, wo sie frevelte.

Kennedy.
Zum Freveln fesseln sie zu enge Bande.

Paulet.
Doch wußte sie aus diesen engen Banden
Den Arm zu strecken in die Welt, die Fackel
Des Bürgerkrieges in das Reich zu schleudern,
Und gegen unsre Königin, die Gott
Erhalte! Meuchelrotten zu bewaffnen.

Erregte sie aus diesen Mauern nicht
Den Bößwicht Parry und den Babington
Zu der verfluchten That des Königsmords?
Hielt dieses Eisengitter sie zurück,
Das edle Herz des Norfolk zu umstricken?
Für sie geopfert fiel das beste Haupt
Auf dieser Insel unterm Henkerbeil –
Und schreckte dieses jammervolle Beispiel
Die Rasenden zurück, die sich wetteifernd
Um ihrentwillen in den Abgrund stürzen?
Die Blutgerüste füllen sich für sie
Mit immer neuen Todesopfern an,
Und das wird nimmer enden, bis sie selbst,
Die Schuldigste, darauf geopfert ist.
– O Fluch dem Tag, da dieses Landes Küste
Gastfreundlich diese Helena empfing!

Kennedy.
Gastfreundlich hätte England sie empfangen?
Die Unglückselige, die seit dem Tag,
Da sie den Fuß gesetzt in dieses Land,
Als eine Hilfeflehende, Vertriebne,
Bei der Verwandten Schutz zu suchen kam,
Sich wider Völkerrecht und Königswürde
Gefangen sieht, in enger Kerkerhaft
Der Jugend schöne Jahre muß vertrauern. –

Die jetzt, nachdem sie alles hat erfahren,
Was das Gefängniß bittres hat, gemeinen
Verbrechern gleich, vor des Gerichtes Schranken
Gefodert wird und schimpflich angeklagt
Auf Leib und Leben – eine Königin!

Paulet.
Sie kam ins Land als eine Mörderin,
Verjagt von ihrem Volk, des Throns entsetzt,
Den sie mit schwerer Greuelthat geschändet,
Verschworen kam sie gegen Englands Glück,
Der spanischen Maria blut’ge Zeiten
Zurück zu bringen, Engelland katholisch
Zu machen, an den Franzmann zu verrathen.
Warum verschmähte sie’s, den Edimburger
Vertrag zu unterschreiben, ihren Anspruch
An England aufzugeben, und den Weg
Aus diesem Kerker schnell sich aufzuthun,
Mit einem Federstrich? Sie wollte lieber
Gefangen bleiben, sich mißhandelt sehn,
Als dieses Titels leerem Prunk entsagen.
Weswegen that sie das? Weil sie den Ränken
Vertraut, den bösen Künsten der Verschwörung,
Und Unheilspinnend diese ganze Insel
Aus ihrem Kerker zu erobern hofft.

Kennedy.
Ihr spottet, Sir. – Zur Härte fügt ihr noch
Den bittern Hohn! Sie hegte solche Träume,
Die hier lebendig eingemauert lebt,
Zu der kein Schall des Trostes, keine Stimme
Der Freundschaft aus der lieben Heimat dringt,
Die längst kein Menschenangesicht mehr schaute,
Als ihrer Kerkermeister finstre Stirn,
Die erst seit kurzem einen neuen Wächter
Erhielt in eurem rauhen Anverwandten,
Von neuen Stäben sich umgittert sieht –

Paulet.
Kein Eisengitter schützt vor ihrer List.
Weiß ich, ob diese Stäbe nicht durchfeilt,
Nicht dieses Zimmers Boden, diese Wände,
Von außen fest, nicht hohl von innen sind,
Und den Verrath einlassen, wenn ich schlafe?
Fluchvolles Amt, das mir geworden ist,
Die Unheilbrütend listige zu hüten.
Vom Schlummer jagt die Furcht mich auf, ich gehe
Nachts um, wie ein gequälter Geist, erprobe
Des Schlosses Riegel und der Wächter Treu,
Und sehe zitternd jeden Morgen kommen,
Der meine Furcht wahr machen kann. Doch wohl mir!
Wohl! Es ist Hoffnung, daß es bald nun endet.

Denn lieber möcht ich der Verdammten Schaar
Wachstehend an der Höllenpforte hüten,
Als diese ränkevolle Königin.

Kennedy.
Da kommt sie selbst!

Paulet.
 Den Christus in der Hand,
Die Hoffart und die Weltlust in dem Herzen.


Zweiter Auftritt.


Maria im Schleier, ein Krucifix in der Hand. Die Vorigen.

Kennedy (ihr entgegen eilend).
O Königin! Man tritt uns ganz mit Füßen,
Der Tyranney, der Härte wird kein Ziel,
Und jeder neue Tage häuft neue Leiden
Und Schmach auf dein gekröntes Haupt.

Maria.
 Faß dich!
Sag an, was neu geschehen ist?

Kennedy.
 Sieh her!
Dein Pult ist aufgebrochen, deine Schriften,
Dein einz’ger Schatz, den wir mit Müh’ gerettet,
Der letzte Rest von deinem Brautgeschmeide

Aus Frankreich ist in seiner Hand. Du hast nun
Nichts Königliches mehr, bist ganz beraubt.

Maria.
Beruhige dich, Hanna. Diese Flitter machen
Die Königin nicht aus. Man kann uns niedrig
Behandeln, nicht erniedrigen. Ich habe
In England mich an viel gewöhnen lernen,
Ich kann auch das verschmerzen. Sir, ihr habt euch
Gewaltsam zugeeignet, was ich euch
Noch heut’ zu übergeben willens war.
Bei diesen Schriften findet sich ein Brief,
Bestimmt für meine königliche Schwester
Von England – Gebt mir euer Wort, daß ihr
Ihn redlich an sie selbst wollt übergeben,
Und nicht in Burleighs ungetreue Hand.

Paulet.
Ich werde mich bedenken, was zu thun ist.

Maria.
Ihr sollt den Inhalt wissen, Sir. Ich bitte
In diesem Brief um eine große Gunst –
– Um eine Unterredung mit ihr selbst,
Die ich mit Augen nie gesehn – Man hat mich
Vor ein Gericht von Männern vorgefodert,
Die ich als meines Gleichen nicht erkennen,
Zu denen ich kein Herz mir fassen kann.

Elisabeth ist meines Stammes, meines
Geschlechts und Ranges – Ihr allein, der Schwester,
Der Königin, der Frau kann ich mich öffnen.

Paulet.
Sehr oft, Milady, habt ihr euer Schicksal
Und eure Ehre Männern anvertraut,
Die eurer Achtung minder würdig waren.

Maria.
Ich bitte noch um eine zweite Gunst,
Unmenschlichkeit allein kann mir sie weigern.
Schon lange Zeit entbehr’ ich im Gefängniß
Der Kirche Trost, der Sakramente Wohlthat,
Und die mir Kron’ und Freiheit hat geraubt,
Die meinem Leben selber droht, wird mir
Die Himmelsthüre nicht verschließen wollen.

Paulet.
Auf euren Wunsch wird der Dechant des Orts –

Maria (unterbricht ihn lebhaft).
Ich will nichts vom Dechanten. Einen Priester
Von meiner eignen Kirche fodre ich.
– Auch Schreiber und Notarien verlang’ ich,
Um meinen letzten Willen aufzusetzen.
Der Gram, das lange Kerkerelend nagt
An meinem Leben. Meine Tage sind

Gezählt, befürcht’ ich, und ich achte mich
Gleich einer Sterbenden.

Paulet.
 Da thut ihr wohl,
Das sind Betrachtungen, die euch geziemen.

Maria.
Und weiß ich, ob nicht eine schnelle Hand
Des Kummers langsames Geschäft beschleunigt?
Ich will mein Testament aufsetzen, will
Verfügung treffen über das, was mein ist.

Paulet.
Die Freiheit habt ihr. Englands Königin
Will sich mit eurem Raube nicht bereichern.

Maria.
Man hat von meinen treuen Kammerfrauen,
Von meinen Dienern mich getrennt – Wo sind sie?
Was ist ihr Schicksal? Ihrer Dienste kann ich
Entrathen, doch beruhigt will ich seyn,
Daß die Getreu’n nicht leiden und entbehren.

Paulet.
Für eure Diener ist gesorgt.

(Er will gehen.)

Maria.
Ihr geht, Sir? Ihr verlaßt mich abermals,
Und ohne mein geängstigt fürchtend Herz

Der Qual der Ungewißheit zu entladen.
Ich bin, Dank eurer Späher Wachsamkeit,
Von aller Welt geschieden, keine Kunde
Gelangt zu mir durch diese Kerkermauern,
Mein Schicksal liegt in meiner Feinde Hand.
Ein peinlich langer Monat ist vorüber,
Seitdem die vierzig Kommissarien
In diesem Schloß mich überfallen, Schranken
Errichtet, schnell, mit unanständiger Eile,
Mich unbereitet, ohne Anwalds Hülfe,
Vor ein noch nie erhört Gericht gestellt,
Auf schlaugefaßte schwere Klagepunkte
Mich, die betäubte, überraschte, flugs
Aus dem Gedächtniß Rede stehen lassen –
Wie Geister kamen sie und schwanden wieder.
Seit diesem Tage schweigt mir jeder Mund,
Ich such’ umsonst in euerm Blick zu lesen,
Ob meine Unschuld, meiner Freunde Eifer,
Ob meiner Feinde böser Rath gesiegt.
Brecht endlich euer Schweigen – laßt mich wissen,
Was ich zu fürchten, was zu hoffen habe.

Paulet (nach einer Pause).
Schließt eure Rechnung mit dem Himmel ab.

Maria.
Ich hoff’ auf seine Gnade, Sir – und hoffe
Auf strenges Recht von meinen ird’schen Richtern.

Paulet.
Recht soll euch werden. Zweifelt nicht daran.

Maria.
Ist mein Prozeß entschieden, Sir?

Paulet.
 Ich weiß nicht.

Maria.
Bin ich verurtheilt?

Paulet.
 Ich weiß nichts, Milady.

Maria.
Man liebt hier rasch zu Werk zu gehn. Soll mich
Der Mörder überfallen wie die Richter?

Paulet.
Denkt immerhin, es sey so, und er wird euch
In beßrer Fassung dann als diese finden.

Maria.
Nichts soll mich in Erstaunen setzen, Sir,
Was ein Gerichtshof in Westminsterhall,
Den Burleighs Haß und Hattons Eifer lenkt,
Zu urtheln sich erdreiste – Weiß ich doch,
Was Englands Königin wagen darf zu thun.

Paulet.
Englands Beherrscher brauchen nichts zu scheuen,
Als ihr Gewissen und ihr Parlament.

Was die Gerechtigkeit gesprochen, furchtlos,
Vor aller Welt wird es die Macht vollziehn.


Dritter Auftritt.


Die Vorigen. Mortimer, Paulets Neffe, tritt herein und ohne der Königin einige Aufmerksamkeit zu bezeugen, zu Paulet.

Mortimer.
Man sucht euch, Oheim.

(Er entfernt sich auf eben die Weise. Die Königin bemerkt es mit Unwillen und wendet sich zu Paulet, der ihm folgen will.)

Maria.
 Sir, noch eine Bitte.
Wenn ihr mir was zu sagen habt – Von euch
Ertrag’ ich viel, ich ehre euer Alter.
Den Uebermuth des Jünglings trag’ ich nicht,
Spart mir den Anblick seiner rohen Sitten.

Paulet.
Was ihn euch widrig macht, macht mir ihn werth.
Wohl ist er keiner von den weichen Thoren,
Die eine falsche Weiberthräne schmelzt –
Er ist gereist, kommt aus Paris und Rheims,
Und bringt sein treu altenglisch Herz zurück,
Lady, an dem ist eure Kunst verloren!

(geht ab.)


Vierter Auftritt.


Maria. Kennedy.

Kennedy.
Darf euch der Rohe das ins Antlitz sagen!
O es ist hart!

Maria (in Nachdenken verloren).
Wir haben in den Tagen unsers Glanzes
Dem Schmeichler ein zu willig Ohr geliehn,
Gerecht ist’s, gute Kennedy, daß wir
Des Vorwurfs ernste Stimme nun vernehmen.

Kennedy.
Wie? so gebeugt, so muthlos, theure Lady?
Wart ihr doch sonst so froh, ihr pflegtet mich zu trösten,
Und eher mußt ich euren Flattersinn
Als eure Schwermut schelten.

Maria.
 Ich erkenn’ ihn.
Es ist der blut’ge Schatten König Darnleys,
Der zürnend aus dem Gruftgewölbe steigt,
Und er wird nimmer Friede mit mir machen,
Bis meines Unglücks Maaß erfüllet ist.

Kennedy.
Was für Gedanken –

Maria.
 Du vergissest, Hanna –
Ich aber habe ein getreu Gedächtniß –
Der Jahrstag dieser unglückseligen That
Ist heute abermals zurückgekehrt,
Er ist’s, den ich mit Buß und Fasten feyre.

Kennedy.
Schickt endlich diesen bösen Geist zur Ruh’.
Ihr habt die That mit Jahrelanger Reu’,
Mit schweren Leidensproben abgebüßt.
Dir Kirche, die den Löseschlüssel hat
Für jede Schuld, der Himmel hat vergeben.

Maria.
Frischblutend steigt die längst vergebne Schuld
Aus ihrem leichtbedeckten Grab empor!
Des Gatten Rachefoderndes Gespenst
Schickt keines Messedieners Glocke, kein
Hochwürdiges in Priesters Hand zur Gruft.

Kennedy.
Nicht ihr habt ihn gemordet! Andre thaten’s!

Maria.
Ich wußte drum. Ich ließ die That geschehn,
Und lockt’ ihn schmeichelnd in das Todesnetz.

Kennedy.
Die Jugend mildert eure Schuld. Ihr wart
So zarten Alters noch.

Maria.
 So zart, und lud
Die schwere Schuld auf mein so junges Leben.

Kennedy.
Ihr wart durch blutige Beleidigung
Gereizt und durch des Mannes Uebermuth,
Den eure Liebe aus der Dunkelheit
Wie eine Götterhand hervorgezogen,
Den ihr durch euer Brautgemach zum Throne
Geführt, mit eurer blühenden Person
Beglückt und eurer angestammten Krone.
Konnt er vergessen, daß sein prangend Loos
Der Liebe großmuthsvolle Schöpfung war?
Und doch vergaß er’s, der Unwürdige!
Beleidigte mit niedrigem Verdacht,
Mit rohen Sitten eure Zärtlichkeit,
Und widerwärtig wurd’ er euren Augen.
Der Zauber schwand, der euren Blick getäuscht,
Ihr floht erzürnt des Schändlichen Umarmung
Und gabt ihn der Verachtung preiß – Und er –
Versucht er’s, eure Gunst zurück zu rufen?
Bat er um Gnade? Warf er sich bereuend

Zu euren Füßen, Besserung versprechend?
Trotz bot euch der Abscheuliche – Der euer
Geschöpf war, euren König wollt er spielen,
Vor euren Augen ließ er euch den Liebling
Den schönen Sänger Rizio durchbohren –
Ihr rächtet blutig nur die blut’ge That.

Maria.
Und blutig wird sie auch an mir sich rächen,
Du sprichst mein Urtheil aus, da du mich tröstest.

Kennedy.
Da ihr die That geschehn ließt, wart ihr nicht
Ihr selbst, gehörtet euch nicht selbst. Ergriffen
Hatt’ euch der Wahnsinn blinder Liebesglut,
Euch unterjocht dem furchtbaren Verführer
Dem unglückselgen Bothwell – Ueber euch
Mit übermüthgem Männerwillen herrschte
Der Schreckliche, der euch durch Zaubertränke,
Durch Höllenkünste das Gemüth verwirrend
Erhitzte –

Maria.
 Seine Künste waren keine andre,
Als seine Männerkraft und meine Schwachheit.

Kennedy.
Nein, sag’ ich. Alle Geister der Verdammniß
Mußt’ er zu Hülfe rufen, der dieß Band

Um eure hellen Sinne wob. Ihr hattet
Kein Ohr mehr für der Freundin Warnungsstimme,
Kein Aug’ für das, was wohlanständig war.
Verlassen hatte euch die zarte Scheu
Der Menschen, eure Wangen, sonst der Sitz
Schaamhaft erröthender Bescheidenheit,
Sie glühten nur vom Feuer des Verlangens.
Ihr warft den Schleier des Geheimnisses
Von euch, des Mannes keckes Laster hatte
Auch eure Blödigkeit besiegt, ihr stelltet
Mit dreister Stirne eure Schmach zur Schau.
Ihr ließt das königliche Schwerdt von Schottland
Durch ihn, den Mörder, dem des Volkes Flüche
Nachschallten, durch die Gassen Edimburgs,
Vor euch hertragen im Triumph, umringtet
Mit Waffen euer Parlament, und hier,
Im eignen Tempel der Gerechtigkeit,
Zwangt ihr mit frechem Possenspiel die Richter,
Den Schuldigen des Mordes loszusprechen –
Ihr giengt noch weiter – Gott!

Maria.
 Vollende nur!
Und reicht’ ihm meine Hand vor dem Altare!

Kennedy.
O laßt ein ewig Schweigen diese That
Bedecken! Sie ist schauderhaft, empörend,

Ist einer ganz Verlornen werth – Doch ihr seid keine
Verlorene – ich kenn’ euch ja, ich bin’s,
Die eure Kindheit auferzogen. Weich
Ist euer Herz gebildet, offen ist’s
Der Schaam – der Leichtsinn nur ist euer Laster.
Ich wiederhohl’ es, es giebt böse Geister,
Die in des Menschen unverwahrter Brust
Sich augenblicklich ihren Wohnplatz nehmen,
Die schnell in uns das Schreckliche begehn
Und zu der Höll’ entfliehend das Entsetzen
In dem befleckten Busen hinterlassen.
Seit dieser That, die euer Leben schwärzt,
Habt ihr nichts lasterhaftes mehr begangen,
Ich bin ein Zeuge eurer Besserung.
Drum fasset Muth! Macht Friede mit euch selbst!
Was ihr auch zu bereuen habt, in England
Seid ihr nicht schuldig, nicht Elisabeth,
Nicht Englands Parlament ist euer Richter.
Macht ist’s, die euch hier unterdrückt, vor diesen
Anmaßlichen Gerichtshof dürft ihr euch
Hinstellen mit dem ganzen Muth der Unschuld.

Maria.
Wer kommt?

(Mortimer zeigt sich an der Thüre)

Kennedy.
 Es ist der Neffe. Geht hinein.



Fünfter Auftritt.


Die Vorigen. Mortimer scheu hereintretend.

Mortimer (zur Amme).
Entfernt euch, haltet Wache vor der Thür,
Ich habe mit der Königin zu reden.

Maria (mit Ansehn).
Hanna, du bleibst.

Mortimer.
Habt keine Furcht, Milady. Lernt mich kennen.

(Er überreicht ihr eine Charte.)

Maria. (sieht sie an und fährt bestürzt zurück)
Ha! Was ist das?

Mortimer (zur Amme).
 Geht, Dame Kennedy.
Sorgt, daß mein Oheim uns nicht überfalle!

Maria. (zur Amme, welche zaudert und die Königin fragend ansieht)
Geh! Geh! Thu was er sagt.

(Die Amme entfernt sich mit Zeichen der Verwunderung)


Sechster Auftritt.


Mortimer. Maria.

Maria.
 Von meinem Oheim!
Dem Kardinal von Lothringen aus Frankreich! (liest)

„Traut dem Sir Mortimer, der euch dieß bringt,
Denn keinen treuern Freund habt ihr in England.“

(Mortimern mit Erstaunen ansehend)

Ist’s möglich! Ist’s kein Blendwerk, das mich täuscht?
So nahe find ich einen Freund und wähnte mich
Verlassen schon von aller Welt – find ihn
In euch, dem Neffen meines Kerkermeisters,
In dem ich meinen schlimmsten Feind –

Mortimer (sich ihr zu Füßen werfend).
 Verzeihung
Für diese verhaßte Larve, Königin,
Die mir zu tragen Kampf genug gekostet,
Doch der ich’s danke, daß ich mich euch nahen,
Euch Hülfe und Errettung bringen kann.

Maria.
Steht auf – Ihr überrascht mich, Sir – Ich kann
So schnell nicht aus der Tiefe meines Elends
Zur Hoffnung übergehen – Redet, Sir –
Macht mir dieß Glück begreiflich, daß ich’s glaube.

Mortimer (steht auf).
Die Zeit verrinnt. Bald wird mein Oheim hier seyn,
Und ein verhaßter Mensch begleitet ihn.
Eh euch ihr Schreckensauftrag überrascht,
Hört an, wie euch der Himmel Rettung schickt.

Maria.
Er schickt sie durch ein Wunder seiner Allmacht!

Mortimer.
Erlaubt, daß ich von mir beginne.

Maria.
 Redet, Sir!

Mortimer.
Ich zählte zwanzig Jahre, Königin,
In strengen Pflichten war ich aufgewachsen,
In finsterm Haß des Pabstthums aufgesäugt,
Als mich die unbezwingliche Begierde
Hinaus trieb auf das feste Land. Ich ließ
Der Puritaner dumpfe Predigtstuben,
Die Heimat hinter mir, in schnellem Lauf
Durchzog ich Frankreich, das gepriesene
Italien mit heißem Wunsche suchend.
     Es war die Zeit des großen Kirchenfests,
Von Pilgerschaaren wimmelten die Wege,
Bekränzt war jedes Gottesbild, es war,
Als ob die Menschheit auf der Wandrung wäre,
Wallfahrend nach dem Himmelreich – Mich selbst
Ergriff der Strom der glaubenvollen Menge,
Und riß mich in das Weichbild Roms –
     Wie ward mir, Königin!
Als mir der Säulen Pracht und Siegesbogen,

Entgegenstieg, des Kolosseums Herrlichkeit
Den Staunenden umfing, ein hoher Bildnergeist
In seine heitre Wunderwelt mich schloß!
Ich hatte nie der Künste Macht gefühlt,
Es haßt die Kirche, die mich auferzog,
Der Sinne Reiz, kein Abbild duldet sie,
Allein das Körperlose Wort verehrend.
Wie wurde mir, als ich ins Innre nun
Der Kirchen trat, und die Musik der Himmel
Herunterstieg, und der Gestalten Fülle
Verschwenderisch aus Wand und Decke quoll,
Das Herrlichste und Höchste, gegenwärtig,
Vor den entzückten Sinnen sich bewegte,
Als ich sie selbst nun sah, die Göttlichen,
Den Gruß des Engels, die Geburt des Herrn,
Die heilge Mutter, die herabgestiegne
Dreifaltigkeit, die leuchtende Verklärung –
Als ich den Pabst drauf sah in seiner Pracht
Das Hochamt halten und die Völker segnen.
O was ist Goldes, was Juweelen Schein,
Womit der Erde Könige sich schmücken!
Nur Er ist mit dem Göttlichen umgeben,
Ein wahrhaft Reich der Himmel ist sein Haus,
Denn nicht von dieser Welt sind diese Formen.

Maria.
O schonet mein! Nicht weiter. Höret auf,

Den frischen Lebensteppich vor mir aus
Zu breiten – Ich bin elend und gefangen.

Mortimer.
Auch ich wars, Königin! und mein Gefängniß
Sprang auf und frei auf einmal fühlte sich
Der Geist, des Lebens schönen Tag begrüßend.
Haß schwur ich nun dem engen dumpfen Buch,
Mit frischem Kranz die Schläfe mir zu schmücken,
Mich fröhlich an die Fröhlichen zu schließen.
Viel edle Schotten drängten sich an mich
Und der Franzosen muntre Landsmannschaften.
Sie brachten mich zu eurem edeln Oheim,
Dem Kardinal von Guise – Welch ein Mann!
Wie sicher, klar und männlich groß! – Wie ganz
Gebohren, um die Geister zu regieren!
Das Muster eines königlichen Priesters,
Ein Fürst der Kirche, wie ich keinen sah!

Maria.
Ihr habt sein theures Angesicht gesehn,
Des vielgeliebten, des erhabnen Mannes,
Der meiner zarten Jugend Führer war.
O redet mir von ihm. Denkt er noch mein?
Liebt ihn das Glück, blüht ihm das Leben noch,
Steht er noch herrlich da, ein Fels der Kirche?

Mortimer.
Der Treffliche ließ selber sich herab,
Die hohen Glaubenslehren mir zu deuten,
Und meines Herzens Zweifel zu zerstreun.
Er zeigte mir, daß grübelnde Vernunft
Den Menschen ewig in der Irre leitet,
Daß seine Augen sehen müssen, was
Das Herz soll glauben, daß ein sichtbar Haupt
Der Kirche Noth thut, daß der Geist der Wahrheit
Geruht hat auf den Sitzungen der Väter.
Die Wahnbegriffe meiner kind’schen Seele,
Wie schwanden sie vor seinem siegenden
Verstand und vor der Suada seines Mundes!
Ich kehrte in der Kirche Schooß zurück,
Schwur meinen Irrthum ab in seine Hände.

Maria.
So seid ihr einer jener Tausende,
Die er mit seiner Rede Himmelskraft
Wie der erhabne Prediger des Berges
Ergriffen und zum ew’gen Heil geführt!

Mortimer.
Als ihn des Amtes Pflichten bald darauf
Nach Frankreich riefen, sandt’ er mich nach Rheims,
Wo die Gesellschaft Jesu, fromm geschäftig,
Für Englands Kirche Priester auferzieht.

Den edeln Schotten Morgan fand ich hier,
Auch euren treuen Leßley, den gelehrten
Bischof von Roße, die auf Frankreichs Boden
Freudlose Tage der Verbannung leben –
Eng schloß ich mich an diese Würdigen,
Und stärkte mich im Glauben – Eines Tags,
Als ich mich umsah in des Bischofs Wohnung,
Fiel mir ein weiblich Bildniß in die Augen,
Von rührend wundersamem Reiz, gewaltig
Ergriff es mich in meiner tiefsten Seele,
Und des Gefühls nicht mächtig stand ich da.
Da sagte mir der Bischof: Wohl mit Recht
Mögt ihr gerührt bei diesem Bilde weilen.
Die schönste aller Frauen, welche leben,
Ist auch die jammernswürdigste von allen,
Um unsers Glaubens willen duldet sie,
Und euer Vaterland ist’s, wo sie leidet.

Maria.
Der Redliche! Nein, ich verlor nicht alles,
Da solcher Freund im Unglück mir geblieben.

Mortimer.
Drauf fing er an, mit herzerschütternder
Beredsamkeit mir euer Märtyrthum
Und eurer Feinde Blutgier abzuschildern.
Auch euern Stammbaum wieß er mir, er zeigte

Mir eure Abkunft von dem hohen Hause
Der Tudor, überzeugte mich, daß euch
Allein gebührt in Engelland zu herrschen,
Nicht dieser Asterkönigin, gezeugt
In ehebrecherischem Bett, die Heinrich,
Ihr Vater, selbst verwarf als Bastardtochter.
Nicht seinem einz’gen Zeugniß wollt ich traun,
Ich hohlte Rath bei allen Rechtsgelehrten,
Viel alte Wappenbücher schlug ich nach,
Und alle Kundige, die ich befragte,
Bestätigten mir eures Anspruchs Kraft.
Ich weiß nunmehr, daß euer gutes Recht
An England euer ganzes Unrecht ist,
Daß euch dieß Reich als Eigenthum gehört,
Worin ihr schuldlos als Gefangne schmachtet.

Maria.
O dieses unglücksvolle Recht! Es ist
Die einz’ge Quelle aller meiner Leiden.

Mortimer.
Um diese Zeit kam mir die Kunde zu,
Daß ihr aus Talbots Schloß hinweggeführt,
Und meinem Oheim übergeben worden –
Des Himmels wundervolle Rettungshand
Glaubt ich in dieser Fügung zu erkennen,

Ein lauter Ruf des Schicksals war sie mir,
Das meinen Arm gewählt, euch zu befreien.
Die Freunde stimmen freudig bei, es giebt
Der Kardinal mir seinen Rath und Segen,
Und lehrt mich der Verstellung schwere Kunst.
Schnell ward der Plan entworfen, und ich trete
Den Rückweg an ins Vaterland, wo ich,
Ihr wißt’s, vor zehen Tagen bin gelandet.
(Er hält inne.)

     Ich sah euch, Königin – Euch selbst!
Nicht euer Bild! – O welchen Schatz bewahrt
Dieß Schloß! Kein Kerker! Eine Götterhalle,
Glanzvoller als der königliche Hof
Von England – O des glücklichen, dem es
Vergönnt ist, eine Luft mit euch zu athmen!

     Wohl hat sie Recht, die euch so tief verbirgt!
Aufstehen würde Englands ganze Jugend,
Kein Schwerdt in seiner Scheide müßig bleiben,
Und die Empörung mit gigantischem Haupt
Durch diese Friedensinsel schreiten, sähe
Der Britte seine Königin!

Maria.
 Wohl ihr!
Säh jeder Britte sie mit euren Augen!

Mortimer.
Wär er, wie ich, ein Zeuge eurer Leiden,
Der Sanftmuth Zeuge und der edlen Fassung,
Womit ihr das Unwürdige erduldet.
Denn geht ihr nicht aus allen Leidensproben,
Als eine Königin hervor? Raubt euch
Des Kerkers Schmach von eurem Schönheitsglanze?
Euch mangelt alles, was das Leben schmückt,
Und doch umfließt euch ewig Licht und Leben.
Nie setz’ ich meinen Fuß auf diese Schwelle,
Daß nicht mein Herz zerrissen wird von Qualen,
Nicht von der Lust entzückt, euch anzuschauen! –
Doch furchtbar naht sich die Entscheidung, wachsend
Mit jeder Stunde dringet die Gefahr,
Ich darf nicht länger säumen – Euch nicht länger
Das Schreckliche verbergen –

Maria.
 Ist mein Urtheil
Gefällt? Entdeckt mir’s frei. Ich kann es hören.

Mortimer.
Es ist gefällt. Die zwey und vierzig Richter haben
Ihr Schuldig ausgesprochen über euch. Das Haus
Der Lords und der Gemeinen, die Stadt London
Bestehen heftig dringend auf des Urtheils
Vollstreckung, nur die Königin säumt noch,

– Aus arger List, daß man sie nöthige,
Nicht aus Gefühl der Menschlichkeit und Schonung.

Maria (mit Fassung).
Sir Mortimer, ihr überrascht mich nicht,
Erschreckt mich nicht. Auf solche Botschaft war ich
Schön längst gefaßt. Ich kenne meine Richter.
Nach den Mißhandlungen, die ich erlitten,
Begreif’ ich wohl, daß man die Freiheit mir
Nicht schenken kann – Ich weiß, wo man hinaus will.
In ew’gen Kerker will man mich bewahren,
Und meine Rache, meinen Rechtsanspruch
Mit mir verscharren in Gefängnißnacht.

Mortimer.
Nein, Königin – o nein! nein! Dabei steht man
Nicht still. Die Tyranney begnügt sich nicht,
Ihr Werk nur halb zu thun. So lang ihr lebt,
Lebt auch die Furcht der Königin von England.
Euch kann kein Kerker tief genug begraben,
Nur euer Tod versichert ihren Thron.

Maria.
Sie könnt’ es wagen, mein gekröntes Haupt
Schmachvoll auf einen Henkerblock zu legen?

Mortimer.
Sie wird es wagen. Zweifelt nicht daran.

Maria.
Sie könnte so die eigne Majestät
Und aller Könige im Staube wälzen?
Und fürchtet sie die Rache Frankreichs nicht?

Mortimer.
Sie schließt mit Frankreich einen ew’gen Frieden,
Dem Düc von Anjou schenkt sie Thron und Hand.

Maria.
Wird sich der König Spaniens nicht waffnen?

Mortimer.
Nicht eine Welt in Waffen fürchtet sie,
So lang sie Frieden hat mit ihrem Volke.

Maria.
Den Britten wollte sie dieß Schauspiel geben?

Mortimer.
Dieß Land, Milady, hat in letzten Zeiten
Der königlichen Frauen mehr vom Thron
Herab aufs Blutgerüste steigen sehn.
Die eigne Mutter der Elisabeth
Gieng diesen Weg, und Catharina Howard,
Auch Lady Gray war ein gekröntes Haupt.

Maria (nach einer Pause).
Nein, Mortimer! Euch blendet eitle Furcht
Es ist die Sorge eures treuen Herzens,

Die euch vergebne Schrecknisse erschafft.
Nicht das Schaffot ist’s, das ich fürchte, Sir.
Es giebt noch andre Mittel, stillere,
Wodurch sich die Beherrscherin von England
Vor meinem Anspruch Ruhe schaffen kann.
Eh’ sich ein Henker für mich findet, wird
Noch eher sich ein Mörder dingen lassen.
Das ist’s, wovor ich zittre, Sir! und nie
Setz ich des Bechers Rand an meine Lippen,
Daß nicht ein Schauder mich ergreift, er könnte
Kredenzt sein von der Liebe meiner Schwester.

Mortimer.
Nicht offenbar, noch heimlich soll’s dem Mord
Gelingen, euer Leben anzutasten.
Seid ohne Furcht! Bereitet ist schon alles,
Zwölf edle Jünglinge des Landes sind
In meinem Bündniß, haben heute früh
Das Sakrament darauf empfangen, euch
Mit starkem Arm aus diesem Schloß zu führen.
Graf Aubespine, der Abgesandte Frankreichs,
Weiß um den Bund, er bietet selbst die Hände,
Und sein Pallast ist’s, wo wir uns versammeln.

Maria.
Ihr macht mich zittern, Sir – doch nicht für Freude.
Mir fliegt ein böses Ahnden durch das Herz.

Was unternehmt ihr? Wißt ihr’s? Schrecken euch
Nicht Babingtons, nicht Tichburns blut’ge Häupter,
Auf Londons Brücke warnend aufgesteckt,
Nicht das Verderben der unzähligen,
Die ihren Tod in gleichem Wagstück fanden,
Und meine Ketten schwerer nur gemacht?
Unglücklicher, verführter Jüngling – flieht!
Flieht, wenn’s noch Zeit ist – wenn der Späher Burleigh
Nicht jetzt schon Kundschaft hat von euch, nicht schon
In eure Mitte den Verräther mischte.
Flieht aus dem Reiche schnell! Marien Stuart
Hat noch kein Glücklicher beschützt.

Mortimer.
 Mich schrecken
Nicht Babingtons, nicht Tichburns blut’ge Häupter,
Auf Londons Brücke warnend aufgesteckt,
Nicht das Verderben der unzähl’gen andern,
Die ihren Tod in gleichem Wagstück fanden,
Sie fanden auch darin den ew’gen Ruhm,
Und Glück schon ist’s, für eure Rettung sterben.

Maria.
Umsonst! Mich rettet nicht Gewalt, nicht List.
Der Feind ist wachsam und die Macht ist sein.
Nicht Paulet nur und seiner Wächter Schaar,
Ganz England hütet meines Kerkers Thore.

Der freie Wille der Elisabeth allein
Kann sie mir aufthun.

Mortimer.
 O das hoffet nie!

Maria.
Ein einz’ger Mann lebt, der sie öffnen kann.

Mortimer.
O nennt mir diesen Mann –

Maria.
 Graf Lester.

Mortimer (tritt erstaunt zurück).
 Lester!
Graf Lester! – Euer blutigster Verfolger,
Der Günstling der Elisabeth – von diesem –

Maria.
Bin ich zu retten, ist’s allein durch ihn.
– Geht zu ihm. Öffnet euch ihm frei.,
Und zur Gewähr, daß ichs bin, die euch sendet,
Bringt ihm dieß Schreiben. Es enthält mein Bildniß.

(Sie zieht ein Papier aus dem Busen, Mortimer tritt zurück und zögert, es anzunehmen.)

Nehmt hin. Ich trag’ es lange schon bei mir,
Weil eures Oheims strenge Wachsamkeit
Mir jeden Weg zu ihm gehemmt – Euch sandte
Mein guter Engel –

Mortimer.
 Königin – dieß Räthsel –
Erklärt es mir –

Maria.
 Graf Lester wird’s euch lösen.
Vertraut ihm, er wird euch vertraun – Wer kommt?

Kennedy (eilfertig eintretend).
Sir Paulet naht mit einem Herrn vom Hofe.

Mortimer.
Es ist Lord Burleigh. Faßt euch, Königin!
Hört es mit Gleichmut an, was er euch bringt.

(Er entfernt sich durch eine Seitenthür, Kennedy folgt ihm.)


Siebenter Auftritt.


Maria. Lord Burleigh, Großschatzmeister von England, und Ritter Paulet.

Paulet.
Ihr wünschtet heut Gewißheit eures Schicksals,
Gewißheit bringt euch Seine Herrlichkeit,
Milord von Burleigh. Tragt sie mit Ergebung.

Maria.
Mit Würde, hoff’ ich, die der Unschuld ziemt.

Burleigh.
Ich komme als Gesandter des Gerichts.

Maria.
Lord Burleigh leiht dienstfertig dem Gerichte,
Dem er den Geist geliehn, nun auch den Mund.

Paulet.
Ihr sprecht, als wüßtet ihr bereits das Urtheil.

Maria.
Da es Lord Burleigh bringt, so weiß ich es.
– Zur Sache, Sir.

Burleigh.
 Ihr habt euch dem Gericht
Der zwey und vierzig unterworfen, Lady –

Maria.
Verzeiht, Milord, daß ich euch gleich zu Anfang
Ins Wort muß fallen – Unterworfen hätt’ ich mich
Dem Richterspruch der zwey und vierzig, sagt ihr?
Ich habe keineswegs mich unterworfen.
Nie konnt’ ich das – ich konnte meinem Rang,
Der Würde meines Volks und meines Sohnes
Und aller Fürsten nicht so viel vergeben.
Verordnet ist im englischen Gesetz,
Daß jeder Angeklagte durch Geschworne
Von seines Gleichen soll gerichtet werden.
Wer in der Kommittee ist meines Gleichen?
Nur Könige sind meine Peers.

Burleigh.
 Ihr hörtet
Die Klagartikel an, ließt euch darüber
Vernehmen vor Gerichte –

Maria.
 Ja, ich habe mich
Durch Hattons arge List verleiten lassen,
Bloß meiner Ehre wegen, und im Glauben
An meiner Gründe siegende Gewalt,
Ein Ohr zu leihen jenen Klagepunkten
Und ihren Ungrund darzuthun – Das that ich
Aus Achtung für die würdigen Personen
Der Lords, nicht für ihr Amt, das ich verwerfe.

Burleigh.
Ob ihr sie anerkennt, ob nicht, Milady,
Das ist nur eine leere Förmlichkeit,
Die des Gerichtes Lauf nicht hemmen kann.
Ihr athmet Englands Luft, genießt den Schutz,
Die Wohlthat des Gesetzes, und so seid ihr
Auch seiner Herrschaft Unterthan!

Maria.
 Ich athme
Die Luft in einem englischen Gefängniß.
Heißt das in England leben, der Gesetze
Wohlthat genießen? Kenn’ ich sie doch kaum.

Nie hab’ ich eingewilligt, sie zu halten.
Ich bin nicht dieses Reiches Bürgerin,
Bin eine freie Königin des Auslands.

Burleigh.
Und denkt ihr, daß der königliche Name
Zum Freibrief dienen könne, blut’ge Zwietracht
In fremdem Lande straflos auszusäen?
Wie stünd’ es um die Sicherheit der Staaten,
Wenn das gerechte Schwerdt der Themis nicht
Die schuld’ge Stirn des königlichen Gastes
Erreichen könnte, wie des Bettlers Haupt?

Maria.
Ich will mich nicht der Rechenschaft entziehn,
Die Richter sind es nur, die ich verwerfe.

Burleigh.
Die Richter! Wie Milady? Sind es etwa
Vom Pöbel aufgegriffene Verworfne,
Schaamlose Zungendrescher, denen Recht
Und Wahrheit feil ist, die sich zum Organ
Der Unterdrückung willig dingen lassen?
Sind’s nicht die ersten Männer dieses Landes,
Selbstständig gnug, um wahrhaft seyn zu dürfen,
Um über Fürstenfurcht und niedrige
Bestechung weit erhaben sich zu sehn?
Sind’s nicht dieselben, die ein edles Volk

Frei und gerecht regieren, deren Namen
Man nur zu nennen braucht, um jeden Zweifel,
Um jeden Argwohn schleunig stumm zu machen?
An ihrer Spitze steht der Völkerhirte,
Der fromme Primas von Kanterbury,
Der weise Talbot, der des Siegels wahret,
Und Howard, der des Reiches Flotten führt.
Sagt! Konnte die Beherrscherin von England
Mehr thun, als aus der ganzen Monarchie
Die edelsten auslesen und zu Richtern
In diesem königlichen Streit bestellen?
Und wär’s zu denken, daß Partheienhaß
Den einzelnen bestäche – Können vierzig
Erles’ne Männer sich in einem Spruche
Der Leidenschaft vereinigen?

Maria (nach einigem Stillschweigen).
Ich höre staunend die Gewalt des Mundes,
Der mir von je so unheilbringend war –
Wie werd’ ich mich, ein ungelehrtes Weib,
Mit so kunstfert’gem Redner messen können! –
Wohl! wären diese Lords, wie ihr sie schildert,
Verstummen müßt’ ich, hoffnungslos verloren
Wär meine Sache, sprächen sie mich schuldig.
Doch diese Namen, die ihr preisend nennt,
Die mich durch ihr Gewicht zermalmen sollen,

Milord, ganz andere Rollen, seh’ ich sie
In den Geschichten dieses Landes spielen.
Ich sehe diesen hohen Adel Englands,
Des Reiches majestätischen Senat,
Gleich Sklaven des Serails den Sultanslaunen
Heinrichs des Achten, meines Großohms, schmeicheln –
Ich sehe dieses edle Oberhaus,
Gleich feil mit den erkäuflichen Gemeinen,
Gesetze prägen und verrufen, Ehen
Auflösen, binden, wie der Mächtige
Gebietet, Englands Fürstentöchter heute
Enterben, mit dem Bastardnamen schänden,
Und morgen sie zu Königinnen krönen.
Ich sehe diese würd’gen Peers mit schnell
Vertauschter Überzeugung unter vier
Regierungen den Glauben viermal ändern –

Burleigh.
Ihr nennt euch fremd in Englands Reichsgesetzen,
In Englands Unglück seid ihr sehr bewandert.

Maria.
Und das sind meine Richter! – Lord Schatzmeister!
Ich will gerecht seyn gegen euch! Seid ihr’s
Auch gegen mich – Man sagt, ihr meint es gut
Mit diesem Staat, mit eurer Königin,
Seid unbestechlich, wachsam, unermüdet –

Ich will es glauben. Nicht der eigne Nutzen
Regiert euch, euch regiert allein der Vortheil
Des Souverains, des Landes. Eben darum
Mistraut euch, edler Lord, daß nicht der Nutzen
Des Staats euch als Gerechtigkeit erscheine.
Nicht zweifl’ ich dran, es sitzen neben euch
Noch edle Männer unter meinen Richtern.
Doch sie sind Protestanten, Eiferer
Für Englands Wohl, und sprechen über mich
Die Königin von Schottland, die Papistin!
Es kann der Britte gegen den Schotten nicht
Gerecht seyn, ist ein uralt Wort – Drum ist
Herkömmlich seit der Väter grauer Zeit,
Daß vor Gericht kein Britte gegen den Schotten,
Kein Schotte gegen jenen zeugen darf.
Die Noth gab dieses seltsame Gesetz,
Ein tiefer Sinn wohnt in den alten Bräuchen,
Man muß sie ehren, Milord – die Natur
Warf diese beiden feur’gen Völkerschaften
Auf dieses Bret im Ocean, ungleich
Vertheilte sie’s, und hieß sie darum kämpfen.
Der Tweede schmales Bette trennt allein
Die heft’gen Geister, oft vermischte sich
Das Blut der Kämpfenden in ihren Wellen.
Die Hand am Schwerdte, schauen sie sich drohend
Von beiden Ufern an, seit tausend Jahren.

Kein Feind bedränget Engelland, dem nicht
Der Schotte sich zum Helfer zugesellte,
Kein Bürgerkrieg entzündet Schottlands Städte,
Zu dem der Britte nicht den Zunder trug.
Und nicht erlöschen wird der Haß, bis endlich
Ein Parlament sie brüderlich vereint,
Ein Scepter waltet durch die ganze Insel.

Burleigh.
Und eine Stuart sollte dieses Glück
Dem Reich gewähren?

Maria.
 Warum soll ich’s läugnen?
Ja ich gesteh’s, daß ich die Hoffnung nährte,
Zwei edle Nationen unterm Schatten
Des Oelbaums frei und fröhlich zu vereinen.
Nicht ihres Völkerhasses Opfer glaubt’ ich
Zu werden; ihre lange Eifersucht,
Der alten Zwietracht unglücksel’ge Glut
Hofft’ ich auf ew’ge Tage zu ersticken.
Und wie mein Ahnherr Richmond die zwei Rosen
Zusammenband nach blut’gem Streit, die Kronen
Schottland und England friedlich zu vermählen.

Burleigh.
Auf schlimmem Weg verfolgtet ihr dieß Ziel,
Da ihr das Reich entzünden, durch die Flammen
Des Bürgerkriegs zum Throne steigen wolltet.

Maria.
Das wollt’ ich nicht – beim großen Gott des Himmels!
Wann hätt’ ich das gewollt? Wo sind die Proben?

Burleigh.
Nicht Streitens wegen kam ich her. Die Sache
Ist keinem Wortgefecht mehr unterworfen.
Es ist erkannt durch vierzig Stimmen gegen zwey,
Daß ihr die Akte vom vergangnen Jahr
Gebrochen, dem Gesetz verfallen seid.
Es ist verordnet im vergangnen Jahr
“Wenn sich Tumult im Königreich erhübe,
Im Namen und zum Nutzen irgend einer
Person, die Rechte vorgiebt an die Krone,
Daß man gerichtlich gegen sie verfahre,
Bis in den Tod die Schuldige verfolge“ –
Und da bewiesen ist –

Maria.
 Milord von Burleigh!
Ich zweifle nicht, daß ein Gesetz, ausdrücklich
Auf mich gemacht, verfaßt, mich zu verderben,
Sich gegen mich wird brauchen lassen – Wehe
Dem armen Opfer, wenn derselbe Mund,
Der das Gesetz gab, auch das Urtheil spricht!
Könnt ihr es läugnen, Lord, daß jene Akte
Zu meinem Untergang ersonnen ist?

Burleigh.
Zu eurer Warnung sollte sie gereichen,
Zum Fallstrick habt ihr selber sie gemacht.
Den Abgrund saht ihr, der vor euch sich aufthat,
Und treugewarnet stürztet ihr hinein.
Ihr wart mit Babington, dem Hochverräther,
Und seinen Mordgesellen einverstanden,
Ihr hattet Wissenschaft von allem, lenktet
Aus eurem Kerker planvoll die Verschwörung.

Maria.
Wann hätt’ ich das gethan? Man zeige mir
Die Dokumente auf.

Burleigh.
 Die hat man euch
Schon neulich vor Gerichte vorgewiesen.

Maria.
Die Copien, von fremder Hand geschrieben!
Man bringe die Beweise mir herbey,
Daß ich sie selbst diktirt, das ich sie so
Diktirt, gerade so, wie man gelesen.

Burleigh.
Daß es dieselben sind, die er empfangen,
Hat Babington vor seinem Tod bekannt.

Maria.
Und warum stellte man ihn mir nicht lebend
Vor Augen? Warum eilte man so sehr,
Ihn aus der Welt zu fördern, eh’ man ihn
Mir, Stirne gegen Stirne, vorgeführt?

Burleigh.
Auch eure Schreiber, Kurl und Nau, erhärten
Mit einem Eid, daß es die Briefe seien,
Die sie aus eurem Munde niederschrieben.

Maria.
Und auf das Zeugniß meiner Hausbedienten
Verdammt man mich? Auf Treu und Glauben derer,
Die mich verrathen, ihre Königin,
Die in demselben Augenblick die Treu
Mir brachen, da sie gegen mich gezeugt?

Burleigh.
Ihr selbst erklärtet sonst den Schotten Kurl
Für einen Mann von Tugend und Gewissen.

Maria.
So kannt’ ich ihn – doch eines Mannes Tugend
Erprobt allein die Stunde der Gefahr.
Die Folter konnt’ ihn ängstigen, daß er
Aussagte und gestand, was er nicht wußte!
Durch falsches Zeugniß glaubt’ er sich zu retten,
Und mir, der Königin, nicht viel zu schaden.

Burleigh.
Mit einem freien Eid hat er’s beschworen.

Maria.
Vor meinem Angesichte nicht! – Wie, Sir?
Das sind zwei Zeugen, die noch beide leben!
Man stelle sie mir gegenüber, lasse sie
Ihr Zeugniß mir in’s Antlitz wiederholen!
Warum mir eine Gunst, ein Recht verweigern,
Das man dem Mörder nicht versagt? Ich weiß
Aus Talbots Munde, meines vor’gen Hüters,
Daß unter dieser nämlichen Regierung
Ein Reichsschluß durchgegangen, der befiehlt
Den Kläger dem Beklagten vorzustellen.
Wie? Oder hab’ ich falsch gehört? – Sir Paulet!
Ich hab’ euch stets als Biedermann erfunden,
Beweißt es jetzo. Sagt mir auf Gewissen,
Ist’s nicht so? Giebt’s kein solch Gesetz in England?

Paulet.
So ist’s, Milady. Das ist bei uns Rechtens.
Was wahr ist, muß ich sagen.

Maria.
 Nun, Milord!
Wenn man mich denn so streng nach englischem Recht
Behandelt, wo dieß Recht mich unterdrückt,
Warum dasselbe Landesrecht umgehen,

Wenn es mir Wohlthat werden kann? – Antwortet!
Warum ward Babington mir nicht vor Augen
Gestellt, wie das Gesetz befiehlt? Warum
Nicht meine Schreiber, die noch beide leben?

Burleigh.
Ereifert euch nicht, Lady. Euer Einverständniß
Mit Babington ist’s nicht allein –

Maria.
 Es ist’s
Allein, was mich dem Schwerdte des Gesetzes
Blosstellt, wovon ich mich zu rein’gen habe.
Milord! Bleibt bei der Sache. Beugt nicht aus.

Burleigh.
Es ist bewiesen, daß ihr mit Mendoza,
Dem spanischen Botschafter, unterhandelt –

Maria (lebhaft).
Bleibt bei der Sache, Lord!

Burleigh.
 Daß ihr Anschläge
Geschmiedet, die Religion des Landes
Zu stürzen, alle Könige Europens
Zum Krieg mit England aufgeregt –

Maria.
 Und wenn ich’s
Gethan? Ich hab’ es nicht gethan – Jedoch

Gesetzt, ich that’s! – Milord, man hält mich hier
Gefangen wider alle Völkerrechte.
Nicht mit dem Schwerdte kam ich in dieß Land,
Ich kam herein, als eine Bittende,
Das heil’ge Gastrecht fodernd, in den Arm
Der blutsverwandten Königin mich werfend –
Und so ergriff mich die Gewalt, bereitete
Mir Ketten, wo ich Schutz gehofft – Sagt an!
Ist mein Gewissen gegen diesen Staat
Gebunden? Hab’ ich Pflichten gegen England?
Ein heilig Zwangsrecht üb’ ich aus, da ich
Aus diesen Banden strebe, Macht mit Macht
Abwende, alle Staaten dieses Welttheils
Zu meinem Schutz aufrühre und bewege.
Was irgend nur in einem guten Krieg
Recht ist und ritterlich, das darf ich üben.
Den Mord allein, die heimlich blut’ge That,
Verbietet mir mein Stolz und mein Gewissen,
Mord würde mich beflecken und entehren.
Entehren sag’ ich – Keinesweges mich
Verdammen, einem Rechtsspruch unterwerfen.
Denn nicht vom Rechte, von Gewalt allein
Ist zwischen mir und Engelland die Rede.

Burleigh (bedeutend).
Nicht auf der Stärke schrecklich Recht beruft euch
Milady! Es ist der Gefangenen nicht günstig.

Maria.
Ich bin die Schwache, sie die Mächt’ge – Wohl!
Sie brauche die Gewalt, sie töde mich,
Sie bringe ihrer Sicherheit das Opfer.
Doch sie gestehe dann, daß sie die Macht
Allein, nicht die Gerechtigkeit geübt.
Nicht vom Gesetze borge sie das Schwerdt,
Sich der verhaßten Feindin zu entladen,
Und kleide nicht in heiliges Gewand
Der rohen Stärke blutiges Erkühnen.
Solch Gaukelspiel betrüge nicht die Welt!
Ermorden lassen kann sie mich, nicht richten!
Sie geb’ es auf, mit des Verbrechens Früchten
Den heil’gen Schein der Tugend zu vereinen,
Und was sie ist, das wage sie zu scheinen!

(Sie geht ab.)


Achter Auftritt.


Burleigh. Paulet.

Burleigh.
Sie trotzt uns – wird uns trotzen, Ritter Paulet,
Bis an die Stufen des Schaffots – Dieß stolze Herz
Ist nicht zu brechen – Überraschte sie
Der Urthelspruch? Saht ihr sie eine Thräne
Vergießen? Ihre Farbe nur verändern?

Nicht unser Mitleid ruft’ sie an. Wohl kennt sie
Den Zweifelmuth der Königin von England,
Und unsre Furcht ist’s, was sie muthig macht.

Paulet.
Lord Großschatzmeister! Dieser eitle Trotz wird schnell
Verschwinden, wenn man ihm den Vorwand raubt.
Es sind Unziemlichkeiten vorgegangen
In diesem Rechtstreit, wenn ich’s sagen darf.
Man hätte diesen Babington und Tichburn
Ihr in Person vorführen, ihre Schreiber
Ihr gegenüber stellen sollen.

Burleigh (schnell).
 Nein!
Nein, Ritter Paulet! Das war nicht zu wagen.
Zu groß ist ihre Macht auf die Gemüther
Und ihrer Thränen weibliche Gewalt.
Ihr Schreiber Kurl, ständ’ er ihr gegenüber,
Käm’ es dazu, das Wort nun auszusprechen,
An dem ihr Leben hängt – er würde zaghaft
Zurückziehn, sein Geständniß wiederrufen –

Paulet.
So werden Englands Feinde alle Welt
Erfüllen mit gehäßigen Gerüchten,
Und des Prozesses festliches Gepräng
Wird als ein kühner Frevel nur erscheinen.

Burleigh.
Dieß ist der Kummer unsrer Königin –
Daß diese Stifterin des Unheils doch
Gestorben wäre, ehe sie den Fuß
Auf Englands Boden setzte!

Paulet.
 Dazu sag’ ich Amen.

Burleigh.
Daß Krankheit sie im Kerker aufgerieben!

Paulet.
Viel Unglück hätt’ es diesem Land erspart.

Burleigh.
Doch hätt’ auch gleich ein Zufall der Natur
Sie hingerafft – Wir hießen doch die Mörder.

Paulet.
Wohl wahr. Man kann den Menschen nicht verwehren,
Zu denken, was sie wollen.

Burleigh.
 Zu beweisen wär’s
Doch nicht, und würde weniger Geräusch erregen –

Paulet.
Mag es Geräusch erregen! Nicht der laute,
Nur der gerechte Tadel kann verletzen.

Burleigh.
O! auch die heilige Gerechtigkeit
Entflieht dem Tadel nicht. Die Meinung hält es
Mit dem Unglücklichen, es wird der Neid
Stets den obsiegend glücklichen verfolgen.
Das Richterschwerdt, womit der Mann sich ziert,
Verhaßt ist’s in der Frauen Hand. Die Welt
Glaubt nicht an die Gerechtigkeit des Weibes,
Sobald ein Weib das Opfer wird. Umsonst,
Daß wir, die Richter, nach Gewissen sprachen!
Sie hat der Gnade königliches Recht.
Sie muß es brauchen, unerträglich ist’s,
Wenn sie den strengen Lauf läßt dem Gesetze!

Paulet.
Und also –

Burleigh (rasch einfallend).
 Also soll sie leben? Nein!
Sie darf nicht leben! Nimmermehr! Dieß, eben
Dieß ist’s, was unsre Königin beängstigt –
Warum der Schlaf ihr Lager flieht – Ich lese
In ihren Augen ihrer Seele Kampf,
Ihr Mund wagt ihre Wünsche nicht zu sprechen,
Doch vielbedeutend fragt ihr stummer Blick:
Ist unter allen meinen Dienern keiner,
Der die verhaßte Wahl mir spart, in ew’ger Furcht

Auf meinem Thron zu zittern, oder grausam
Die Königin, die eigne Blutsverwandte
Dem Beil zu unterwerfen?

Paulet.
Das ist nun die Nothwendigkeit, steht nicht zu ändern.

Burleigh.
Wohl stünd’s zu ändern, meint die Königin,
Wenn sie nur aufmerksam’re Diener hätte.

Paulet.
Aufmerksame!

Burleigh.
 Die einen stummen Auftrag
Zu deuten wissen.

Paulet.
 Einen stummen Auftrag!

Burleigh.
Die, wenn man ihnen eine gift’ge Schlange
Zu hüten gab, den anvertrauten Feind
Nicht wie ein heilig theures Kleinod hüten.

Paulet (bedeutungsvoll).
Ein hohes Kleinod ist der gute Name,
Der unbescholtne Ruf der Königin,
Den kann man nicht zu wohl bewachen, Sir!

Burleigh.
Als man die Lady von dem Schrewsbury
Wegnahm und Ritter Paulets Hut vertraute,
Da war die Meinung –

Paulet.
 Ich will hoffen, Sir,
Die Meinung war, daß man den schwersten Auftrag
Den reinsten Händen übergeben wollte.
Bei Gott! Ich hätte dieses Schergenamt
Nicht übernommen, dächt’ ich nicht, daß es
Den besten Mann in England foderte.
Laßt mich nicht denken, daß ich’s etwas anderm
Als meinem reinen Rufe schuldig bin.

Burleigh.
Man breitet aus, sie schwinde, läßt sie kränker
Und kränker werden, endlich still verscheiden,
So stirbt sie in der Menschen Angedenken –
Und euer Ruf bleibt rein.

Paulet.
 Nicht mein Gewissen.

Burleigh.
Wenn ihr die eigne Hand nicht leihen wollt,
So werdet ihr der fremden doch nicht wehren –

Paulet (unterbricht ihn).
Kein Mörder soll sich ihrer Schwelle nahn,
So lang die Götter meines Dachs sie schützen.
Ihr Leben ist mir heilig, heil’ger nicht
Ist mir das Haupt der Königin von England.
Ihr seid die Richter! Richtet! Brecht den Stab!
Und wenn es Zeit ist, laßt den Zimmerer
Mit Axt und Säge kommen, das Gerüst
Aufschlagen – für den Scherif und den Henker
Soll meines Schlosses Pforte offen seyn.
Jetzt ist sie zur Bewahrung mir vertraut,
Und seid gewiß, ich werde sie bewahren,
Daß sie nichts Böses thun soll, noch erfahren!

(gehen ab.)

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