Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Zell“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 854855
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Zell. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 854–855. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Zell (Version vom 14.04.2021)

[854] Zell, 1) (Z. am Harmersbach) ehemalige freie Reichsstadt im bad. Kreis Offenburg, in reizender Lage am Harmersbach und an der Linie Offenburg-Singen der Badischen Staatsbahn, 225 m ü. M., hat eine kath. Kirche, ein Rathaus mit schönem, altem Saal, eine Bezirksforstei, Porzellan-, Steingut- und Zigarrenfabrikation, Granatschleiferei, Baumwollzwirnerei, Pottaschensiederei, eine mechanische Werkstätte, eine Kunstmühle und (1885) 1569 Einw. Dabei eine Solquelle mit dem Bad Kleebad. – 2) (Z. im Wiesenthal) Stadt im bad. Kreis Lörrach, an der Wiese und der Linie Basel-Todtnau der Badischen Staatsbahn, 445 m ü. M., hat eine kath. Kirche, eine Gewerbeschule, eine Bezirksforstei, Eisengießerei und Maschinenfabrikation, Baumwoll- und Florettseidenspinnerei, Baumwollweberei, Cellulosefabrikation und (1885) 2893 Einw. – 3) Stadt im bad. Kreis Konstanz, s. Radolfzell. – 4) (Z. am Main, auch Mittelzell) Marktflecken im bayr. Regierungsbezirk Unterfranken, Bezirksamt Würzburg, am Main und an der Linie Treuchtlingen-Würzburg-Aschaffenburg der Bayrischen Staatsbahn, hat eine kath. Kirche, eine große Schnellpressenfabrik, Bierbrauerei, Weinbau und (1885) 1496 Einw.; außerhalb des Orts das ehemalige Nonnenkloster Unterzell und unweit davon das ehemalige Mönchskloster Oberzell (s. d.). – 5) Dorf im bayr. Regierungsbezirk Mittelfranken, Bezirksamt Hilpoltstein, hat eine kath. Kirche, ein Schloß, eine Taubstummenanstalt für katholische Mädchen und (1885) 234 Einw. – 6) Flecken im bayr. Regierungsbezirk Oberfranken, Bezirksamt Münchberg, am Fichtelgebirge, unweit des Ursprungs der Saale, hat eine evang. Kirche, Baumwollwarenfabrikation und (1885) 653 Einw. In der Nähe der Große Waldstein (s. Fichtelgebirge) und bedeutende Granitbrüche. – 7) Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk Koblenz, am Einfluß des Zeller Baches in die Mosel, 94 m ü. M., hat eine evangelische und eine kath. Kirche, ein neues Rathaus, ein Amtsgericht, Zigarrenfabrikation, Obst- und Weinbau, Weinhandel und (1885) 2503 Einw. Unweit der Stadt liegen die Ruinen des 1515 aufgehobenen Nonnenklosters Marienburg. – 8) (Z. am See) Marktflecken im österreich. Herzogtum Salzburg, malerisch am westlichen Ufer des Zeller Sees [855] im Pinzgau und an der Staatsbahnlinie Salzburg-Wörgl gelegen, 754 m ü. M., beliebter Sommeraufenthalt und Ausgangspunkt von Bergtouren, Sitz einer Bezirkshauptmannschaft u. eines Bezirksgerichts, hat eine gotische Pfarrkirche, ein Schloß, Villen, mehrere Hotels, darunter das der Staatsbahnen mit Parkanlagen, Badeanstalten u. (1880) 1045 Einw. Der Zeller See ist 4 km lang, 1½ km breit, 73 m tief, hat warmes Wasser und wird von einem Dampfboot befahren. Von verschiedenen Punkten desselben bietet sich eine prächtige Aussicht auf die Tauernkette dar. Westlich von Z. erhebt sich die Schmittenhöhe (1956 m) mit berühmtem Alpenpanorama und einem Gasthaus. Am Südende des Sees liegt das stilgemäß restaurierte Liechtensteinsche Schloß Fischhorn. – 9) (Z. am Ziller) Marktflecken in Tirol, Bezirkshauptmannschaft Schwaz, in reizender Lage zu beiden Seiten des Ziller, Hauptort des obern Zillerthals, hat ein Bezirksgericht, starke Viehzucht, Käsebereitung, Sensen- und Sichelfabrikation und (1880) 810 Einw. Östlich davon öffnet sich das Gerlosthal (s. Gerlos).

Zell, 1) Ulrich, der älteste Buchdrucker Kölns, aus Hanau gebürtig, ein Kleriker der Mainzer Diözese und jedenfalls in der Fust und Schöfferschen Offizin zu Mainz gebildet, kam vermutlich 1462 nach Köln und druckte hier, soweit es sich durch ein datiertes Buch nachweisen läßt, 1466; eine Anzahl vorhandener undatierter Drucke läßt jedoch schließen, daß er mindestens schon 2–3 Jahre vorher als Drucker thätig war. Z. soll erst nach 1507 gestorben sein; jedenfalls lebte er noch 1499, denn die „Kölnische Chronik“ von diesem Jahr sagt in der berühmten Erwähnung der Erfindung der Buchdruckerkunst, daß er in jenem Jahr noch seinem Beruf oblag. Außer andern größern von ihm gedruckten Werken ist namentlich seine (wahrscheinlich 1470 erschienene) „Biblia latina“ (2 Bde.) hervorzuheben.

2) Matthäus, erster protest. Prediger Straßburgs, geb. 1477 zu Kaisersberg, wurde 1505 Magister der freien Künste in Freiburg, 1518 Leutpriester an der Münstergemeinde in Straßburg. Schon 1522 war der „Meister Matthes“ so sehr als Neuerer verdächtig, daß ihm die Domherren die einst für seinen Landsmann Geiler erbaute Doktorkanzel verschlossen, worauf ihm die Schreiner freiwillig eine hölzerne Kanzel errichteten. Seit 1523 trat er hinter Bucer, Capito, Hedio u. a. zurück und starb 9. Jan. 1548. Vgl. Erichson, M. Zell (Straßb. 1878).

3) Karl, Philolog, geb. 8. April 1793 zu Mannheim, daselbst gebildet, studierte seit 1810 in Heidelberg, Göttingen und Breslau, ward 1814 Professor am Lyceum in Rastatt, 1821 ordentlicher Professor zu Freiburg, wo er 1830 das philologische Seminar gründete, 1836 Ministerialrat und Mitglied des Oberstudienrats in Karlsruhe und 1847 Geheimer Hofrat und Professor in Heidelberg, wo er, seit 1855 quiesziert, 24. Jan. 1874 starb. Er war 1848–53 Mitglied der Zweiten Kammer und wirkte in dem badischen Kirchen- und Schulstreit für die katholische Partei. Seine Hauptwerke sind: „Ferienschriften“ (Freiburg 1826–33, 3 Bde.; neue Folge, Heidelb. 1857) und „Handbuch der römischen Epigraphik“ (das. 1850–57, 3 Bde.). Sonst nennen wir seine Sammlung lateinischer Klassiker (Stuttg. 1827–30, 16 Bdchn.), in der er selbst Ciceros „De republica“, Horaz, Phädrus, Eutropius und Publilius Syrus besorgte, die Ausgabe von Aristoteles’ Nikomachischer Ethik (Heidelb. 1820, 2 Bde.), die Übersetzung von dessen „Organon“ (Stuttg. 1836–62, 8 Bdchn.), „Über die Iliade und das Nibelungenlied“ (Karlsr. 1843) und „Lioba und die frommen angelsächsischen Frauen“ (Freiburg 1860). Gesammelt erschienen seine „Opuscula academica“ (Freiburg 1857).